Jonathan Sauter

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Jonathan Sauter (* 1549 in Ulm; † 1612 in Stuttgart[1]) war ein württembergischer Modist, Schreib- und Rechenmeister, der auch künstlerisch als Zeichner, Maler und Kupferstecher bzw. Radierer tätig war. Einen besonderen Wert besitzen seine Kupferstiche mit Ansichten von Stuttgart.

Ansicht von Stuttgart (Radierung von Jonathan Sauter, 1610, Ausschnitt)

Leben und Werk

Jonathan Sauter wuchs in Ulm auf und heiratete auch dort – sein Schwiegervater war der Ulmer Superintendent Ludwig Rabus. Dort begann er auch seine berufliche Arbeit als Modist. Er war aber vielseitig begabt und dieser Beruf füllte ihn nicht aus. Nebenbei zeichnete er und malte. Er schrieb auch eine Tragödie, die 1569 bei den Spielen der Ulmer Meistersinger aufgeführt wurde. Bereits 1570 fertigte er eine radierte Ansicht von Ulm an.[2][3]

Als Jonathan Sauter spätestens 1572 nach Stuttgart kam, arbeitete er zunächst überwiegend als Bildnismaler. Bereits in diesem Jahr fertigte er vier Porträts des Herzogs Ludwig. 1574 starb seine Frau.[3] Bis in die 1590er Jahre fertigte er u. a. zahlreiche Porträts der herzoglichen Familie und ihrer Ahnen an, einmal sogar ein Bildnis des Herzogs Ludwig in ganzer Figur. Diese Porträts sind alle nicht erhalten, man weiß von ihnen nur aus den überlieferten Rechnungen. Erhalten ist das Epitaph Johannes Brenz’, das Brustbild des Reformators weist „groß gesehene, knappe, fast graphische Formen“ auf, während „das nach dem Beschauer schießende Totengerippe im Aufsatz, eine illusionistische Künstelei, ein typisches Schreibmeisterkunststück ist“.[1][4] 1586/87 war Sauter wieder in Ulm als Modist tätig. Zu Lichtmess (2. Februar) 1588 wurde er erneut in Stuttgart in den herzoglichen Dienst, diesmal als Hofregistrator und Archivar übernommen. Zu seinen Aufgaben gehörte vermutlich auch die graphische Gestaltung der Urkunden, Diplomen u. ä. Auch in dieser Zeit (bis 1591) fertigte er zahlreiche Bildnisse der herzoglichen Familie an.[1][5]

Seit 1590 machte Sauter auch wieder Städteansichten. Der Holzschnitt mit Ansicht von Tübingen ist „recht derb“. Dagegen die sehr große, aus vielen Platten zusammengesetzte Radierung mit Ansicht von Stuttgart von 1592 ist „ein richtiges Schreiberkunststück“. Die erste verlässliche Ansicht von Stuttgart zeichnet sich durch eine sehr große goldschmiedartige Genauigkeit, Fülle von Einzelheiten und Zuverlässigkeit bis ins Kleinste aus. Dabei ist sie noch sehr geschickt komponiert, anders als die bisherigen Ansichten: obwohl die markanten herzoglichen Bauten am Stadtrande lagen, erscheinen sie in der Bildmitte und bedecken nicht wie früher die Stadt. Die mit zahllosen Einzelheiten gezeichnete Stadtmauer umgrenzt den Stadtkern und hebt ihn gleichzeitig heraus, eine zusätzliche Umrahmung bildet die fein gezeichnete Hügelkette. Das Bild ist oben mit einem Zierwerk versehen, das die ganze Blattbreite einnimmt. Es besteht „aus einem Medaillon mit dem Herzogswappen in feingliedrigem Rollwerkrahmen, mit vielfach verschlungenen Schriftbänden und zwei Schrifttafeln“.[2] Ganz links und rechts gibt es in einem Rollwerk-Rahmen drei lateinische Distichen bzw. sechs gereimte deutsche Verse[6] zum Lobe Stuttgarts, die Jonathan Sauter wohl selbst verfasste. Sauters Werk beeindruckte so sehr die Zeitgenossen, dass es unmittelbar nach dem Entstehen zweimal kopiert wurde: 1593, von Francesco Valegio, deutlich vergröbert in seinem Städtebuch und 1595 feiner, von Dominicus Custos im Auftrag von Antonio Albizzi für sein Werk über die Genealogien europäischer Herrscher. Das nur in einer kleinen Auflage erschienene Original von Sauter galt lange als verschollen und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts von Max Bach wiedergefunden.[7][8]

Jonathan Sauter: Ansicht von Stuttgart (Radierung, 1592).[9] In der Mitte ist das Schloss zu sehen, links davon die Stadt mit der Stiftskirche, rechts das Neue Lusthaus.

1594 fertigte Sauter eine im ähnlichen Stil gehaltene Ansicht von Ulm an, die er als Radierung dem Rat von Ulm widmete und ihm 42 Abdrucke, per Hand illuminiert und gerahmt, überreichte. Einige Monate später beschloss der Rat, ihn dafür mit 100 fl zu entlohnen und dieses Geld zusammen mit einem Dankschreiben dessen Schwager, dem Ulmer Eisenzoller Peter Stamler, zuzustellen.[10] 1596/97 fertigte Sauter Beschreibungen zu den Kupferstichen von Wendel Dietterlin mit den Darstellungen der fürstlichen Vorfahren an, die dieser im Auftrag des Herzogs anfertigte, und erhielt dafür 20 fl.[11]

Sauter war nach wie vor als Bildnismaler tätig. 1596/97 malte er sieben Bildnisse des flüchtigen Alchimisten Georg Honauer, die zu dessen Ergreifung dienen sollten. Zu diesem Zeitpunkt malte er auch Porträts Herzog Friedrichs mit je einer seiner Töchter.[12]

Sauters topographische Städtedarstellungen heben sich durch realistische Auffassung und die Exaktheit der Beobachtung von anderen Werken dieser Zeit ab – ganz speziell die Ansicht von Stuttgart von 1592 – und sie dürfen als Höhepunkt der Stadtveduten betrachtet werden.[3]

Sauters frühverstorbener Sohn Hans Konrad († vor 1623/24) war Kanzlist, aber ähnlich wie sein Vater betätigte er sich auch künstlerisch. 1611/12 ätzte er die vergoldeten Schrifttafeln in der neuen Fürstengruft.[13]

Erhaltene Arbeiten

Anmerkungen und Einzelnachweise

  1. a b c Werner Fleischhauer: Renaissance …, S. 176.
  2. a b Werner Fleischhauer: Renaissance …, S. 182/83.
  3. a b c Die Renaissance im deutschen Südwesten, S. 944
  4. Vergleiche auch: Th. Musper: Haben die Jesuiten das Bild von Brenz verbrannt? In: Schwäbisches Heimatbuch, 1935, S. 23–25.
  5. Hans Rott: Quellen und Forschungen …, S. 294.
  6. vierhebige Jamben mit Paarreim. Der lateinische und deutsche Text haben im Wesentlichen den gleichen Inhalt, allerdings ist die Abfolge der Aussagen z. T. unterschiedlich, so wird die Blickrichtung auf die Stadt aus Süden im lateinischen Text bereits in der ersten, im deutschen Text erst in der fünften Zeile angegeben.
  7. Hansmartin Decker-Hauff: Die Stuttgarter Stadtansicht des Jonathan Sauter von 1592.
  8. vgl. Max Bach: Bilder aus Alt-Stuttgart, gesammelt und mit Text versehen von Max Bach und Carl Lotter, Stuttgart : Lutz 1896 (unveränderter Nachdruck: DRW-Verlag, Leinfelden-Echterdingen 1983, ISBN 3-87181-234-X).
  9. Beschreibung der einzelnen Gebäude etc. bei Hagel J (1992) Amtsblatt der Landeshauptstadt Stuttgart 48/1992, S. 14-15
  10. Hans Rott: Quellen und Forschungen …, S. 42.
  11. Hans Rott: Quellen und Forschungen …, S. 290.
  12. Werner Fleischhauer: Renaissance …, S. 374.
  13. Werner Fleischhauer: Renaissance …, S. 387.
  14. Abbildung: Gustav Wais: Die Stuttgarter Stiftskirche, mit einer Baugeschichte von Adolf Diehl, Stuttgart 1952, Tafel 70 und 71.
  15. Abbildung: Max Schefold: Tübinger alte Stadtansichten, 1953, Abb. 1.
  16. Abbildung: Max Schefold: Alte Ansichten aus Württemberg, 1956/57, Abb. 293.

Literatur

  • Die Renaissance im deutschen Südwesten, Katalog der Ausstellung „Die Renaissance im deutschen Südwesten zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg“ im Heidelberger Schloß 21. Juni – 19. Oktober 1986, 2 Bände, Karlsruhe : Badisches Landesmuseum 1986, ISBN 3-923132-08-5, S. 944 (Beitrag von Otto Pannewitz)
  • Werner Fleischhauer: Renaissance im Herzogtum Württemberg, Stuttgart : Kohlhammer 1971
  • Hansmartin Decker-Hauff: Die Stuttgarter Stadtansicht des Jonathan Sauter von 1592, Jubiläumsgabe zum 50-jährigen Bestehen der Städtischen Girokasse Stuttgart, Stuttgart o. J. (1966)
  • Hansmartin Decker-Hauff: Geschichte der Stadt Stuttgart, Bd. 1, Stuttgart 1966
  • Walther Pfeilsticker: Neues Württembergisches Dienerbuch, Bd. 1: Hof, Regierung, Verwaltung, Stuttgart : Cotta 1957
  • Hans Rott: Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im XV. und XVI. Jahrhundert. II, Alt-Schwaben und Reichsstädte, Stuttgart : Strecker und Schröder 1934
  • Max Bach: Jonathan Sautter, Modist und Rechenmeister in Ulm. In: „Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte“ 3, 1880, S. 130–131

Weblinks

Commons: Jonathan Sauter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien