Gotthardbahn-Gesellschaft
Die Gotthardbahn-Gesellschaft (GB) wurde 1871 in Luzern als Aktiengesellschaft gegründet, um die Gotthardbahn zu errichten und zu betreiben. Die Bahngesellschaft wurde vom Schweizer Staat zurückgekauft und 1911 liquidiert. Die Strecken der Bahngesellschaft werden seit dem 1. Mai 1909 durch die Schweizerischen Bundesbahnen betrieben.
Geschichte
Vorgeschichte
Die Initiative zu einer grenzüberschreitenden Nord-Süd-Verbindung ging von dem wirtschaftsliberalen und verkehrstechnisch erschlossenen Kanton Zürich (Nordbahn: Zürich–Baden, später Nordostbahn: Zürich–Friedrichshafen und Zürich–Basel) aus, um durch die Förderung des Transitverkehrs nach Italien den Handel weiterzuentwickeln und an sich zu ziehen. Einer Umgehung der Schweiz über den Brennerpass und die 1867 fertiggestellte Brennerbahn sollte entgegengewirkt werden. Dabei wurden um 1850 sowohl eine Überquerung als auch ein Durchstich der Alpen sowie verschiedene Streckenführungen (Gotthard, Lukmanier, Splügen und Simplon) in Erwägung gezogen, wobei anfänglich der Lukmanierstrecke der Vorzug gegeben wurde. Letztendlich setzte sich die direktere Verbindung des nordeuropäischen mit dem italienischen Bahnnetz durch die militärisch leichter zu verteidigende Zentralschweiz bei gleichzeitiger Erschliessung des bis dahin weitgehend vom Rest der Schweiz verkehrsmässig isolierten Kantons Tessin durch.[1]
Die politischen Entscheidungen und Verhandlungen zur Finanzierung der Gotthardbahn im Vorfeld der Gründung der Gotthardbahn-Gesellschaft sowie ihre Leitung in der Anfangszeit des Baus wurden wesentlich durch den ehemaligen Präsidenten des Regierungsrates des Kantons Zürich und späteren dreimaligen Präsidenten des Nationalrats Dr. Alfred Escher geprägt. Das erste schweizerische Gesetz über den Bau und Betrieb von Eisenbahnen vom 28. Juli 1852 schuf die Grundlage zum Gründung privatwirtschaftlicher anstelle staatlicher Eisenbahngesellschaften. Damit setzte sich die von ihm in der „nationalrätlichen Kommission zur Prüfung der schweizerischen Eisenbahnfrage“ vertretene Position durch, die er bis zu seinem Ableben immer wieder erfolgreich gegen die Fraktion der Staatsbahner verteidigte. 1853 übernahm er die Leitung der Zürich-Bodenseebahn, die er durch Fusion zur Nordostbahn erweiterte und Zürich an Basel und Friedrichshafen anband. Um die für den Eisenbahnbau benötigten grossen Finanzmittel unabhängig von ausländischem Einfluss zu organisieren, gründete Escher mit Gleichgesinnten 1856 die Schweizerische Kreditanstalt (SKA, heute Credit Suisse).[2]
Ab den 1860er-Jahren trieb er das Gotthardbahnprojekt voran. Obwohl der Kanton Zürich nicht direkt an der Bahnlinie lag, sah er durch die Anbindung über den Zug–Arth-Goldau-Zubringer die Interessen Zürichs und der Nordostbahn gewahrt und gestand der Gotthardbahn nationale Bedeutung zu. 1863 wurde er mit Gründung der Vereinigung schweizerischer Kantone und Bahngesellschaften zur Anstrebung der Gotthardbahn deren Präsident.[3] Die Quellenlage ist hier nicht eindeutig. Auch der luzernische Regierungsrat, Mitglied des Komitees der Zürich-Zug-Luzern-Bahn und spätere Verwaltungsrat der Schweizerischen Centralbahn Joseph Zingg, der am 28. September 1863 in die Gotthardbahnvereinigung gewählt wurde, wird als deren Präsident bezeichnet.[4]
In der Gotthardvereinigung vertraten zum Schluss eine Mehrheit von 15 Kantonen sowie die beiden Unternehmen der Schweizerischen Central- und Nordostbahn geschlossen ihr Interesse an einer Nord-Süd-Achse durch das Gotthardmassiv gegenüber alternativen Verbindungen.
Nachdem die Finanzierung des Gotthardprojekts fast ausschliesslich durch staatliche Subventionen der Schweiz, ihrer Kantone und ab 1869 durch Italien, den Norddeutschen Bund und in dessen Rechtsnachfolge ab 1871 das Deutsche Reich abgesichert worden war, wurde 1871 das Unternehmen der Gotthardbahn-Gesellschaft aus der Gotthardvereinigung heraus gegründet, die ihre Rechte an der Gotthardbahn der Gotthardbahn-Gesellschaft übertrug. Alfred Escher wurde ihr Präsident und Joseph Zingg ihr Vizepräsident.
Bau
Von 1872 bis 1882 baute die Gesellschaft die Gotthardbahn. Nach der Eröffnung betrieb sie die Bahn sowie deren weiteren Ausbau bis zur Übernahme der Bahnstrecken durch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) im Jahr 1909.[5] Umgangssprachlich wurde die GB-Aktiengesellschaft ebenfalls als Gotthardbahn bezeichnet.
Obwohl Luzern Sitz der Gesellschaft wurde, befand sich ein Teil der Verwaltung bis 1878 in Zürich.[3] 1889 bezog die GB das Gotthardgebäude in Luzern.
Geschäftsergebnisse
Nach der Gründung begann die Gotthardbahn unmittelbar mit dem Bau ihrer Linien. Um die in der Konzession festgehaltenen Fristen einzuhalten, wurde der Bau der Tessiner Talbahnen beschleunigt. 1874 konnte die GB auf den Teilstrecken im Tessin den Verkehr aufnehmen. Die Baubeschleunigung und die durch den Eisenbahnboom ab 1872 verursachte starke Bauteuerung führten zu einer massiven Überschreitung des Kostenvoranschlages. Zudem berücksichtige Bauunternehmer Louis Favre die Ausmauerung des Gotthardtunnels nicht in seiner Offerte. Ein Aufstand der Mineure, die höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen forderten, wurde von einer Bürgerwehr gewaltsam niedergeschlagen. Weil den budgetierten Baukosten von 187 Millionen Franken Mehraufwendungen von 102 Millionen Franken gegenüberstanden, stand die GB 1877 faktisch vor dem Konkurs.
Zur finanziellen Sanierung der Gotthardbahn-Gesellschaft war neues Kapital notwendig, das auf dem Markt kaum erhältlich war. Deutschland und Italien stellten weitere 10 Millionen Franken Subventionen zur Verfügung, die Schweiz musste sich mit 8 Millionen beteiligen. Der Sanierungsplan führte in der Schweiz zu hitzigen politischen Debatten über das „Privatbahnsystem“. Die Verweigerung von Nachsubventionen durch die Zürcher Stimmbürger veranlasste Alfred Escher zum Rücktritt aus dem Direktorium der GB. Die Baukosten der Gotthardbahn wurden mit verschiedenen Sparmassnahmen verringert. Die Rampenstrecken wurden steiler, mit engeren Kurven und zum Teil nur einspurig realisiert. Der Bau der Abschnitte der Linien Luzern–Immensee und Zug–Arth-Goldau wurde zurückgestellt.
Nach der Aufnahme des durchgehenden Betriebs 1882 war die GB finanziell sehr erfolgreich. Seither waren die Einnahmen aus dem Gütertransport stets deutlich höher als aus dem Personenverkehr. Vor allen der internationale Güterverkehr war von grosser Bedeutung. Beim Personenverkehr spielten die Luxusreisenden eine wichtige Rolle. 1897 konnten die Zufahrtslinien Luzern–Immensee und Zug–Arth-Goldau eröffnet werden. Zudem trieb die GB in den 1890er-Jahren den Doppelspurausbau beharrlich voran. Die guten Geschäftsergebnisse erlaubten es der GB, alljährlich eine Dividende auszurichten, die sich bei knapp 7 Prozent des Aktienkapitalwerts einpendelte. Dank der Einführung der automatischen Druckluftbremse, moderner Dampflokomotiven und von Vierachs- und Salonwagen entwickelte sich die GB zur technisch modernsten Bahn der Schweiz.
Verstaatlichung
Am 26. Februar 1904 kündigte der Schweizer Bundesrat vertragsgemäss den Rückkauf der Konzessionen der Privatlinien vor deren Ablauf an und übernahm am 1. Mai 1909 die Eisenbahninfrastruktur der Gotthardbahn mit allen Betriebsmitteln, Rechten und Verpflichtungen. Die Aktionäre der Gotthardbahn-Gesellschaft wurden nach dem Vergleich vom 10. Juni 1911 mit 200'840’000 Franken entschädigt, wovon 117’090’000 Franken durch Übernahme der Anleiheschulden und 83,75 Millionen Franken in 4-prozentigen Obligationen der Schweizerischen Bundesbahnen abgegolten wurden.[6] Damit war die Gotthardbahn-Gesellschaft aufgelöst.
Streckennetz
Nr. | Bahnstrecke | Streckenabschnitt | Eröffnung | Doppelspur | Bemerkung | Länge[7] |
---|---|---|---|---|---|---|
1. | Luzern–Immensee –Chiasso | Luzern–Immensee | 1. Juni 1897 | – | Bau 1877 zunächst zurückgestellt | 225,10 km |
Immensee–Arth-Goldau–Flüelen | 1. Juni 1882 | – | Talbahn Nord | |||
Flüelen–Altdorf | 15. Nov. 1896 | |||||
Altdorf–Erstfeld | 6. Dez. 1896 | |||||
Erstfeld–Amsteg-Silenen | 9. April 1893 | Nordrampe | ||||
Amsteg-Silenen–Gurtnellen | 14. Mai 1893 | |||||
Gurtnellen–Wassen | 26. Juni 1892 | |||||
Wassen–Göschenen | 28. Mai 1893 | |||||
Göschenen–Airolo | 1. Jan. 1882 | 1. Juni 1883 | Gotthardtunnel | |||
Airolo–Ambrì-Piotta | 1. Juni 1882 | 2. Sept. 1890 | Südrampe | |||
Ambrì-Piotta–Rodi-Fiesso | 31. Juli 1890 | |||||
Rodi-Fiesso–Faido | 28. Mai 1890 | |||||
Faido–Lavorgo | 13. Sept. 1891 | |||||
Lavorgo–Giornico | 27. März 1892 | |||||
Giornico–Bodio | 1. Mai 1892 | |||||
Bodio–Biasca | 15. Mai 1892 | |||||
Biasca–Osogna-Cresciano | 6. Dez. 1874 | 31. Mai 1896 | Talbahn Süd (Sopraceneri) | |||
Osogna-Cresciano–Bellinzona | 19. April 1896 | |||||
Bellinzona–Giubiasco | 20. Dez. 1874 | 1. Juni 1883 | Talbahn Süd (Monte Ceneri) | |||
Giubiasco–Lugano | 6. Dez. 1874 | – | ||||
Lugano–Melide | 6. Dez. 1874 | 6. Dez. 1874 | Talbahn Süd (Sottoceneri) | |||
Melide–Chiasso | – | |||||
2. | Zug–Arth-Goldau | Zug–Arth-Goldau | 1. Juni 1897 | – | Eröffnung zurückgestellt | 15,76 km |
3. | Bahnstrecke Giubiasco–Cadenazzo –Pino (–Luino) | Giubiasco–Cadenazzo | 20. Dez. 1874 | – | Talbahn Süd (Sopraceneri) | 21,83 km |
Cadenazzo–Pino | 4. Dez. 1882 | Grenze zu Italien zwischen Ranzo-Sant’Abbondio und Pino | ||||
4. | Cadenazzo–Locarno | Cadenazzo–Locarno | 20. Dez. 1874 | – | Talbahn Süd (Sopraceneri) | 12,46 km |
Total (1908) | 142,04 km (52 %)[8] | 275,15 km |
Rollmaterial
Lokomotiven
Als die GB im Jahr 1874 auf den Strecken Biasca–Locarno und Lugano–Chiasso der tessinischen Talbahnen den Betrieb aufnahm, beschaffte sie verschiedene für Güter- oder Personenzüge geeignete Lokomotiven. 1881 übernahmen die beiden Maschinen Ed 2/2 Nr. 11 und 12 die Zugförderung durch den inzwischen fertiggestellten Gotthardtunnel.
Für die Beförderung der Güterzüge auf den 1882 eröffneten Rampen am Gotthard und am Monte Ceneri setzte die GB schwere Lokomotiven vom Typ D 4/4 mit einer Anhängelast von 180 Tonnen ein. Für Personenzüge standen die schweren D 3/3 und die leichten Tendermaschinen vom Typ Ec 3/4 zur Verfügung. Bereits nach kurzer Zeit übertrafen die transportierten Transportmengen alle Vorhersagen. Güterzüge mit 500 Tonnen Gewicht benötigten auf der Bergstrecke drei Dampflokomotiven. Die Züge wurden mit einer D 4/4 und einer D 3/3 als Vorspann befördert, hinten wurde jeweils mit einer D 3/3 oder D 4/4 geschoben.
Die 1890 beschaffte Mallet-Lokomotive Ed 2 x 3/3 sollte dieselbe Leistung vollbringen wie eine D 4/4. Die bei ihrer Auslieferung stärkste Maschine Europas bewährte sich jedoch nicht. Der zu kleine Kessel konnte die notwendige Maschinenleistung nicht aufbringen.
Ab 1894 wurden die A 3/5 zu den bevorzugten Schnellzugslokomotiven. Sie führten mit Geschwindigkeiten bis zu 90 km/h Züge von 250 t Gewicht auf den Talstrecken, und bewältigten die Bergstrecken mit 120 Tonnen Anhängelast. Mit der Einführung der A 3/5 konnte die Fahrt von Luzern bis Chiasso auf einen Schlag um zwei Stunden verkürzt werden. Seit 1906 kamen als Vorspannmaschinen die C 4/5 zum Einsatz, die am Berg zusammen mit einer A 3/5 320 Tonnen beförderten.
Die GB bezeichnete ihre Lokomotiven seit 1874 mit römischen Zahlen. Später wurden Grossbuchstaben, verwendet, wobei die einzelnen Serien mit römischen Ziffern unterschieden wurden. Ab 1887 wurden die Lokomotiven nach dem schweizweit einheitlichen System bezeichnet.
Der GB standen die folgenden Lokomotiven zur Verfügung:
Serie bis 1887 |
Serie ab 1887 |
Serie ab 1902 |
GB-Nr. bis 1909 | SBB-Nr. ab 1909[9] |
Anzahl | Baujahr | Hersteller | Bemerkung | ausrangiert | Bild |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
bis 1876: I dann: A |
E2 | Ed 2/2 | 1–6 | 8061–8066 | 6 | 1874, 1883 | SLM | für gemischte Züge der Tessiner Talbahnen | 1910–1915 | |
A I | F2 | Ed 2/2 | 11–12 | – | 2 | 1881 | SLM | Nr. 11 seit 1959 im VHS Luzern | 1889–1890 | Ed 2/2 |
A II | F3 | E 3/3 | 13 | 8561 | 1 | 1875 | SLM | zunächst Rangierlok bei SLM, dann Baugesellschaft Marsaglia in Faido, ab 1882 GB mit Namen „Marsaglia“ |
1913 | |
A III | F2 | E 2/2 | 14 | 8184 | 1 | 1876 | Krauss | 1876–1882 Tösstalbahn Nr. 4, „Wald“ | 1913 | |
– | E3 | Ec 3/3 | 301–312 | 6401–6412 | 12 | 1897, 1901 | SLM | Rangierlokomotive | 1934–1954 | Ec 3/3 |
bis 1876: II dann: B |
A2T | C 2/3 | 21–24 | – | 4 | 1874 | Karlsruhe | für Personenzüge der Tessiner Talbahnen | 1896–1905 | C 2/3 |
18–20 | 2219–2220 | 3 | 1883 | 1906–1913 | ||||||
B I | A2 | Eb 2/4 | 25–30 | 5425–5430 | 6 | 1882 | Krauss | für Schnell- und Personenzüge auf Talstrecken | 1915–1927 | |
B II | A2 | E 2/3 | 1000 | 8200 | 1 | 1882 | Krauss | ab 1882 bei Werrabahn, 1883 von GB gekauft | 1914 | E 2/3 |
– | A2 | Ea 2/4 | 31–33 | 5031–5033 | 3 | 1890 | Maffei | für Schnell- und Personenzüge auf Talstrecken | 1923 | Ea 2/4 |
bis 1876: III dann: C |
C3T | D 3/3 | 41–44 | 3441–3442 | 4 | 1874 | Krauss | für Güterzüge der Tessiner Talbahnen Lok 43 und 44 vor Übernahme durch SBB ausrangiert |
1906–1912 | D 3/3 41–46 |
45–46 | 3445–3446 | 2 | 1876 | Karlsruhe | 1910–1911 | |||||
51–66 | 3451–3466 | 16 | 1881–1882 | Esslingen | 1912–1923 | D 3/3 51–66 | ||||
67–83 | 3467–3483 | 17 | 1890–1895 | SLM | Nr. 83 ab 1906 mit Lentz-Ventilsteuerung | 1920–1925 | ||||
C I | B3 | Ec 3/4 | 81–92 ab 1895: 181–192 |
6581–6588 | 8 | 1882 | Esslingen | Gemischtzuglokomotive | 1914–1933 | Ec 3/4 |
6589–6592 | 4 | 1883 | SLM | 1927–1931 | ||||||
D | D4T | D 4/4 | 101–131 | 4101–4131 | 31 | 1882–1890 | Maffei | Güterzuglokomotive für Bergstrecken Nr. 128 ab 1907 mit Brotankessel |
1912–1923 | D 4/4 101–136 |
132–136 | 4132–4136 | 5 | 1895 | SLM | 1920–1923 | |||||
– | D4T | 141–145 | 4001–4005 | 5 | 1901 | SLM | Güterzuglokomotive für Bergstrecken | 1926–1928 | ||
– | D6 | Ed 2x3/3 | 151 | 7699 | 1 | 1890 | Maffei | Güterzuglokomotive für Bergstrecken Bauart Mallet |
1917 | |
– | – | C 4/5 | 2801–2808 | 2801–2808 | 8 | 1906 | Maffei | Güterzuglokomotive für Bergstrecken bereits bei Ablieferung mit SBB-Nummer |
1925 | |
– | A3T | A 3/5 | 201 | 901 | 1 | 1894 | SLM | Schnellzuglokomotive Nassdampf-Dreizylinder-Verbundmaschine |
1923 | |
202–230 | 902–930 | 29 | 1894–1905 | SLM | Schnellzuglokomotive Nassdampf-Vierzylinder-Verbundmaschine |
1924–1927 | ||||
– | – | A 3/5 | 931–938 | 931–938 | 8 | 1908 | Maffei | Schnellzuglokomotive Heissdampf-Vierzylinder-Verbundmaschine |
1925 |
Wagen
Bei der Beschaffung von Reisezugwagen war die Gotthardbahn-Gesellschaft von Anfang an auf den internationalen Verkehr ausgerichtet. Von Anfang an wurden zwei internationale Schnellzüge angeboten, die von Basel bis Mailand durchliefen.[10] Entsprechend der grossen Zahl gutbetuchter Fahrgäste besass die GB übermässig viele Erst- und Zweitklasswagen. Im Jahre 1883, dem ersten vollen Betriebsjahr wurden gerade mal 62 % Fahrgäste 3. Klasse befördert, die restlichen Fahrgäste fuhren 2. Klasse (30 %) und 1. Klasse (8 %).[11] Ausserdem wurde die Bahn im Personenverkehr förmlich überrannt: statt den erwarteten 250 000 Fahrgäste benutzten über 1 Million Fahrgäste die Bahn.[12] Es mussten deshalb dringend mehr Wagen bestellt werden. Alleine im Jahre 1882 wurden zwei Salonwagen, 25 Wagen 1. Klasse und 25 Wagen 2. Klasse bestellt, aber nur 15 Wagen 3. Klasse.
Die zweiachsigen Salonwagen As 51–52 wurden von der SIG geliefert. Die ausgesprochen komfortablen Fahrzeuge wiesen 18 Sitzplätze auf, 6 im mittleren Salonabteil mit Oberlicht, 6 im sogenannten Nachtabteil mit ausziehbaren Sitzen und 6 im seitlich offenen Aussichtspavillon. Dazu kamen ein WC und ein Waschraum. Sie ersetzen die Schlafwagen der Compagnie Internationale des Wagons-Lits (CIWL) in den Nachtzügen.[13]
Die Gotthardbahn war die erste Bahngesellschaft Europas, die Ganzstahlwagen einsetzte.[14] Die 1897 von Van der Zypen & Charlier gelieferte Erstklasswagen, Zweitklasswagen und gemischte Erst- und Zweitklasswagen zählte zu den ersten Ganzstahlwagen des Kontinents. Die aussen dunkelblau gestrichenen Wagen besassen geschlossene Plattformen, Faltenbalg-Übergänge und Wiegen-Drehgestelle und eine luxuriöse Innenausstattung mit schweren Plüschfauteuils, grosszügiger Beinfreiheit und elektrische Beleuchtung.
Als Gebirgsbahn schenkte die Gotthardbahn den Bremsen grosse Aufmerksamkeit. Da anfänglich nur Handbremsen zur Verfügung standen, musste jeder Wagen mit einem Bremser besetzt werden, der die Bremse nach den Pfeifsignalen der Lokomotive anlegte und wieder löste.
Ab 1882 führten die Schweizerische Centralbahn (SCB) und die Gotthardbahn Schnellzüge auf der Strecke Basel–Chiasso mit der nichtautomatischen Vakuumbremse. Zwei Jahre später waren 103 Personenwagen 1. und 2. Klasse sowie 12 Gepäckwagen versuchsweise damit ausgerüstet. Die nichtautomatische Bremse spricht bei einer Zugstrennung nicht selbsttätig an und es steht keine Notbremse zur Verfügung. Mit der automatischen Vakuumbremse, die diese Nachteile vermeidet, wurden in den Jahren 1885 bis 1887 9 Lokomotiven, 10 Personenwagen und 2 Gepäckwagen versehen.
Leistungsfähiger als die Vakuumbremse ist die Westinghouse-Druckluftbremse, welche beim damaligen Stand der Technik zusammen mit der direkt wirkenden Regulierbremse auch zum Befahren von starken und langen Gefällen geeignet war.[15] Ab 1888 rüstete die GB die meisten Lokomotiven sowie sämtliche Personen- und Gepäckwagen damit aus. Dieses System wurde auch als doppelte Westinghousebremse bezeichnet.
Die Wagen aus dem Jahre 1874 besassen anfänglich noch Öllampen. Im Jahre 1882 begann die GB mit der Einführung der Gasbeleuchtung. Das Gas, das für eine Beleuchtungsdauer von 30 Stunden ausreichte, wurde in Behältern mitgeführt. Die Gasstation befand sich in Bellinzona, wobei zum Nachfüllen an anderen Orten ein Gaswagen mit zwei Druckkessel zur Verfügung stand. Die letzten in den Jahren 1903 und 1904 beschafften Reisezugwagen erhielten eine elektrische Beleuchtung.
Bei der Heizung fand ab 1887 die Umstellung von Öfen auf Dampfheizung statt. Zur Benutzung der Toilette musste ursprünglich – mit Ausnahme der Luxuswagen – der Gepäckwagen aufgesucht werden. Erst seit der Jahrhundertwende gehört ein WC zum allgemeinen Standard der Personenwagen.
Die Güterwagen der Gotthardbahn zeigten keine nennenswerten Abweichungen gegenüber denjenigen anderer Bahnen in der Schweiz oder im Ausland. Ab 1888 wurden 451 Güterwagen, die in Reisezügen verkehrten, mit der Westinghousebremse ausgerüstet. Güterzüge verkehrten jedoch bis in die 1930er-Jahre handgebremst. Im Jahr 1908 – vor der Übernahme durch die SBB – besass die GB 1776 Güterwagen.
Literatur
- Hermann Dietler: Gotthardbahn. In: Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 1912, abgerufen am 10. April 2014.
- Gotthardbahn In: bahndaten.ch. Daten zu den Schweizer Eisenbahnen 1847–1920. Thomas Frey und Hans-Ulrich Schiedt, ViaStoria, abgerufen am 10. April 2014.
- Placid Weissenbach: Das Eisenbahnwesen der Schweiz. (PDF 14,8 MB) Erster Teil. Geschichte des Eisenbahnwesens. 1913, S. 66, abgerufen am 1. Februar 2014.
- Hans-Peter Bärtschi: Gotthardbahn. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 9. Januar 2007.
- Carl Waldis: Willkommen auf der Gotthardbahn. Die Geschichte der Gotthardbahn. Abgerufen am 10. April 2014.
Weblinks
- Geschäftsberichte der Gotthardbahn-Gesellschaft 1871 bis 1912
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Max Brugger: Kapitel 5 Der Kanton Zürich und die Gotthardbahn, Seiten 165–172 in Zürcherische Eisenbahnpolitik [Dissertationsschrift juristische Fakultät der Universität Freiburg (Schweiz)] Zürich, Buchdruckerei W. Coradi-Maag, 1909
- ↑ Markus Bürgi: Alfred Escher. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 21. November 2005, abgerufen am 1. Februar 2014.
- ↑ a b Hermann Dietler: Escher In: Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 1912, abgerufen am 10. April 2014
- ↑ Hermann Dietler: Zingg. In: Röll: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 1923, abgerufen am 10. April 2014.
- ↑ Dietler: Gotthardbahn in Röll, Seiten 354–361
- ↑ Dietler: Gotthardbahn in Röll, Seite 356
- ↑ nach Dietler: Gotthardbahn in Röll, Seiten 354
- ↑ gemäss bahndaten.ch
- ↑ Die SBB nummerierten die übernommen Lokomotiven nach der Fälligkeit der Kesselrevisionen.
- ↑ Geschäftsbericht der Gotthardbahn. 1882, S. 36–37 (e-periodica.ch).
- ↑ Geschäftsbericht der Gotthardbahn. 1883, S. 35 (e-periodica.ch).
- ↑ Jean-Paul Moreau: Les 75 ans du tunnel du Saint-Gothard. In: Géocarrefour. Band 33, Nr. 1, 1958, S. 74, doi:10.3406/geoca.1958.2227 (persee.fr [abgerufen am 1. Juli 2019]).
- ↑ Geschäftsbericht der Gotthardbahn. 1883, S. 34 (e-periodica.ch).
- ↑ Eiserne Personenwagen. In: Schweizerische Bauzeitung. Band 68 (1916), Heft 7 (archiviert in E-Periodica der ETH-Bibliothek, PDF; 1,8 MB).
- ↑ Mit dem Überhandnehmen mehrlösiger Druckluftbremsen wurde ab Mitte der 1950er-Jahre die Regulierbremse überflüssig