Flexumer

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Als Flexumer (Zusammensetzung aus Flexibilität und Prosumer) werden im Energiesystem Letztverbraucher (private Haushalte, Gewerbetreibende oder Industriebetriebe) bezeichnet, die ihren Stromverbrauch sowie ihre Erzeugungs- und Speicherungskapazitäten flexibel einsetzen und damit Markt-, Netz- oder Systemdienstleistungen erbringen.

Evolution des Letztverbrauchers

Consumer

Im 20. Jahrhundert wurden Letztverbraucher als reine Stromabnehmer (Konsumenten, engl. consumer) von Energieversorgungsunternehmen durch eine begrenzte Anzahl von meist fossilen Großkraftwerken beliefert. Dies geschah als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und ohne echte kompetitive Elemente. Die Letztverbraucher stellten als Last den Gegenpol zur Erzeugung dar. Dieser Zustand des Letztverbrauchers als reiner Stromabnehmer hielt in Deutschland auch nach dem 1996 durch die EU-Binnenmarktrichtlinie angestoßenen Unbundling-Prozess an. Im Zuge des Unbundling kam es zur Liberalisierung des Energiesektors, Wettbewerb in Erzeugung, Handel und Vertrieb wurde durchgesetzt.

Prosumer

Begünstigt durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000, das den Vorrang der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gegenüber konventionell erzeugtem Strom sowie eine garantierte Einspeisevergütung über 20 Jahre festlegte[1], kam es mit der Jahrtausendwende vermehrt zur Anschaffung von und Investition in kleine, dezentrale und erneuerbare Erzeugungsanlagen (z. B. Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke und Kleinwindanlagen) durch Letztverbraucher. Vormalig reine Stromabnehmer wurden zu Besitzern von Erzeugungsanlagen und somit zu Stromproduzenten, die zumindest einen Teil ihres verbrauchten Stroms selbst erzeugen. Dies prägte den Begriff Prosumer (Kombination aus Produzent, engl. producer, und Konsument, engl. consumer).

Voraussetzung für die flächendeckende Verbreitung von Prosumern ist die Energiewende in Deutschland. Im Zuge der Derkarbonisierung der Energiewirtschaft kommt es zum Systemwandel und die einst wenigen Großkraftwerke werden durch eine Vielzahl dezentraler Stromerzeugungsanlagen ersetzt.

Das 2016 verabschiedete Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende (GDEW) soll den Weg für die Entwicklung des Letztverbrauchers vom reinen Stromabnehmer zum Prosumer ebnen. Das GDEW verleiht dem Smart Meter Rollout und der Datenkommunikation im Energienetz den rechtlichen Rahmen. Kernstück des Gesetzes ist das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG), das den Markt für den Betrieb von Messstellen und die Ausstattung der leitungsgebundenen Energieversorgung mit modernen Messeinrichtungen und intelligenten Messsystemen regelt.

Flexumer

Derzeit vollzieht sich eine weitere Entwicklung des Letztverbrauchers: neben der Funktion als Stromabnehmer und -produzent wird im Zuge von Digitalisierung, Automatisierung und Demokratisierung des Energiesystems die flexible und aktive Anpassung von Stromverbrauch, -erzeugung und -speicherung möglich. Der Letztverbraucher kann nun aktiv am Energiesystem teilnehmen, indem er seine sogenannten Flexibilitätsoptionen (Verbrauchs-, Erzeugungsanlagen, Speichersysteme) zur Nutzung für systemdienliche Zwecke vermarktet und wird somit zum Flexumer (Kombination aus Flexibilität und Prosumer).

Flexibilität beschreibt hier die technische Fähigkeit einer Anlage, die aktuelle und/oder prognostizierte Erzeugungsleistung ins bzw. Entnahmeleistung aus dem Stromnetz aktiv zu verändern. Als Flexibilitätsoptionen werden solche Anlagen bezeichnet, die in der Lage sind, ihre Leistung auf Basis eines externen Signals aktiv zu verändern.[2]

Etablierung des Begriffs

Erstmalig verwendet wird der Begriff 2017 auf einer Tagung der Forschungsgesellschaft Energie (FGE) durch Egon Leo Westphal, Vorstandsvorsitzender bei Bayernwerk, der im Zuge der erwarteten wachsenden Bedeutung von Privathaushalten für den Energiesektor von der Evolution von Prosumern hin zu Flexumern spricht.[3]

2018 wird der Begriff von Gunnar Bärwaldt in seinem Gastkommentar in der ATZelektronik aufgegriffen. So schreibt er, dass “auf den „Consumer“ und den „Prosumer“ der sogenannte „Flexumer“” folgt. Bärwaldt begründet die Notwendigkeit des Flexumers wie folgt: “Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und dem Vorrang für Strom aus erneuerbaren Quellen geht Flexibilität auf der Angebotsseite verloren, zusätzliche angebotsabhängige Erzeugungsschwankungen aus einer Vielzahl kleiner Anlagen kommen hinzu. Soll auch weiterhin das Gleichgewicht erhalten bleiben, wird künftig die Nachfrageseite ertüchtigt werden: Die wachsende Flexibilität in der Stromaufnahme und -abgabe soll erschlossen werden, um auf Erzeugungsschwankungen reagieren zu können.”[4]

2019 wird im Auftrag vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) erstellten Gutachten zur Digitalisierung der Energiewende für das Berichtsjahr 2018 die erwartete Entwicklung vom bisher passiven Endverbraucher hin zum aktiven Akteur der Energiewende, dem Pro- und Flexumer, beschrieben und mit dem Smart Meter Rollout in Verbindung gebracht.[5]

Seit 2017 wird der Begriff Flexumer im Rahmen des Förderprogramms "Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende" (SINTEG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) immer wieder in Forschungsarbeiten der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) verwendet.[6]

2020 wird im Rahmen des EU-finanzierten PV-Prosumers4Grid (PVP4Grid) Projektes der Begriff aufgegriffen. Dies geschieht im Kontext der zunehmenden Digitalisierung in der Energieversorgung und der dadurch entstehenden Möglichkeit die Flexibilität von Prosumer-Anlagen zur weiteren Verwendung anzubieten.[7]

Ab 2020 findet der Begriff Flexumer immer wieder Verwendung in verschiedenen energiewirtschaftlichen, bzw. -technischen Fachzeitschriften, wie beispielsweise der EUWID Energie.[8]

Technische Voraussetzungen

Derzeit sind überwiegend Ferraris-Zähler ohne Kommunikationseinheit verbaut. Im Zuge der Umsetzung des Messstellenbetriebsgesetzes werden viele Kunden mit intelligenten Messsystemen ausgestattet, die über das Smart Meter Gateway Messdaten versenden und Steuerbefehle empfangen können. Dies ist Voraussetzung für die Erbringung vieler Dienstleistungen, mit denen Flexumer am Energiesystem partizipieren können.

Industriekunden sind gesondert von privaten Haushalten und Gewerbetreibenden zu betrachten. Da sie ein Vielfaches mehr an Strom verbrauchen als Privathaushalte oder kleinere Gewerbe, wird ihr Stromverbrauch mithilfe der registrierenden Leistungsmessung (RLM) erfasst. Seit Einführung der RLM-Messung können Industriekunden Flexibilität bereitstellen und entsprechende Dienstleistungen für das Energiesystem erbringen.  

Ausblick

Die Regionalität wird bei der Energieversorgung zunehmend relevanter. Die Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien findet vorwiegend in ländlichen Räumen mit wenig Verbrauch statt und schwankt zudem mit dem Angebot von bspw. Wind und Sonne. In Zeiten des Überangebots aus Wind- und Sonnenstrom muss Energie aus diesen Regionen abtransportiert werden.[9] Kommt es zu Überlastungen von Stromleitungen müssen zeitweise sogar Erzeugungsanlagen abschaltet werden (Redispatch). Durch seine Energieflexibilität kann der Flexumer immer genau dann Energie beziehen, wenn diese im Übermaß vorhanden ist. Die Energie wird gespeichert, zum Beispiel im Elektrofahrzeug oder dem heimischen Batteriespeicher, und steht in Zeiten mit geringer Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern zum Verbrauch zur Verfügung.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, abgerufen am 6. September 2021.
  2. Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Hrsg.): Flexibilität im Stromversorgungssystem. Bestandsaufnahme, Hemmnisse und Ansätze zur verbesserten Erschließung von Flexibilität. Bonn 3. April 2017.
  3. Stefanie Dierks: Zukünftiges Energiesystem. Vom Prosumer zum Flexumer. In: energate messenger. 29. September 2017, abgerufen am 6. September 2021.
  4. Gunnar Bärwaldt: Energy Revolution Needs Interpreters. Hrsg.: ATZelektronik worldwide. Band 13, Nr. 68 (2018), 5. Oktober 2018, doi:10.1007/s38314-018-0067-0.
  5. BET Büro für Energiewirtschaft und technische Planung (Hrsg.): Gutachten. Digitalisierung der Energiewende. Topthema 2: Regulierung, Flexibilisierung und Sektorkopplung. Berichtsjahr 2018. (bmwi.de [PDF]).
  6. Egon Leo Westphal, Simon Köppl, Andreas Kießling, Wolfgang Mauch: Flexumer als Gestalter der digitalen Energiezukunft - Eine Begriffseinordnung. In: et Energiewirtschaftliche Tagesfragen. Band 69 (2019), Nr. 7/8 (ffe.de [PDF]).
  7. Jonathan Ries, Christian Reinhold, Bernd Engel, Maria Roos: Prosumer im Netzbetrieb der Zukunft. Hrsg.: PVP4Grid. Berlin März 2020 (pvp4grid.eu [PDF]).
  8. Stefan Preiß: Energiewende mit volatilen Erneuerbaren: Der "Flexumer" wird immer wichtiger. In: EUWID Neue Energie. 26. Februar 2020, abgerufen am 6. September 2021.
  9. Egon Leo Westphal et al.: Zukunft der bayerischen Energielandschaft. In: emw. Band 1-20, Januar 2020 (bayernwerk.de).