Vipern in der Medizin

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Pietro Andrea Mattioli. Commentarii in P. Dioscoridis libros de materia medica. 1559. Abbildung zum Kapitel «Vipera»

Vipern in der Medizin. Körperteile der Viper – auch Otter genannt – wurden von der Antike bis ins 18. Jahrhundert im Mittelmeerraum zur Behandlung und Vorbeugung von Krankheiten verwendet. Vermutlich handelte es sich um die Arten Kreuzotter und/oder Aspisviper.

Antike

Der auf Kreta geborene Andromachos der Ältere – Leibarzt des Kaisers Nero – und sein Sohn Andromachos der Jüngere fügten dem aus 36 Zutaten zusammengesetzten Gegengift des Mithridates Vipernfleisch hinzu.[1][2][3] Zur Zubereitung wurden der Viper zunächst Kopf und Schwanz abgeschlagen. Danach wurde sie enthäutet, die Eingeweide wurden entfernt, das verbleibende Fleisch gewaschen, zerschnitten und mit Öl, Wein, Salz und Dill gekocht. Gegessen sollte das Vipernfleisch einen scharfen Blick verleihen und ein gutes Mittel gegen Neuralgien und Drüsenschwellungen sein. Durch seinen Genuss sollte man auch ein hohes Alter erreichen. Aus der Viper wurde auch ein Salz bereitet. Dazu wurden lebendige Vipern mit Salz, Feigen und Honig in einem verschlossenen Topf geröstet, bis eine Salzmasse übrigblieb. Das Salz wurde gegen die gleichen Krankheiten wie das Fleisch verwendet. Die Vipernhaut wurde in Wein gekocht, und dieser Vipern-Haut-Wein wurde als Spülmittel bei Ohrenleiden und Zahnschmerzen verwendet. Die Vipernhaut wurde auch unter die Augenmittel gemischt.[4]

  • Pedanios Dioskurides. De Medicinali Materia libri quinque. In der Übersetzung von Julius Berendes. Stuttgart 1902, Buch II, Kapitel 18: Otter (Digitalisat), Kapitel 19 Schlangenhaut
  • Plinius der Ältere. Naturalis historia, Buch XXIX § 69–70: Kopf der Viper – Vipernfleisch im Theriak. § 120: Augensalbe aus der Viper und Verwendung des Vipernsalzes
  • Galen.
    • De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus liber XI (Ausgabe Kühn, Band XII, S. 311–323)
    • Ad pisonem de theriaca liber (Ausgabe Kühn, Band XIV, S. 233–255)
      • Cap. VIII: Cur Andromachus viperam potius quam serpentem alium theriacae admiscerit; deque Cleopatrae morte diligens historia (Digitalisat)
      • Cap. IX: Cur vipera thericae integra non ponatur, multaque ex animalibus remedia haberi (Digitalisat)
      • Cap. X: Quomodo noxia interdum prodesse queant ; unamque in compositis medicamentis qualitatem ex omnibus resultare (Digitalisat)
      • Cap. XI: Asclepiadis Epicurique refutatio … (Digitalisat)
      • Cap. XII: Singula quae theriacam ingrediuntur diligenter exploranda esse … (Digitalisat)
      • Cap. XIII: Quo pacto componendi sint pastilli hedychroi, scillini et viperini (Digitalisat)
      • Cap. XIV: Theriacae compositio, repositio, aetas, probatio, dosis (Digitalisat)

Arabisches Mittelalter

  • Avicenna. Kanon der Medizin, Buch II. Einfache Arzneimittel. Überarbeitung durch Andrea Alpago. Venedig 1555, S. 301 (Cap. 616) : De vipera (Digitalisat)
  • Abu Muhammad ibn al-Baitar. 13. Jh. Kitāb al-jāmiʿ li-mufradāt al-adwiya wa al-aghdhiya. Übersetzung durch Joseph Sontheimer unter dem Titel Große Zusammenstellung über die Kräfte der bekannten einfachen Heil- und Nahrungsmittel. Hallberger, Stuttgart Band I 1840 S. 66–69: Vipera (Digitalisat)

Lateinisches Mittelalter

  • Hildegard von Bingen. 12. Jh. Physica. Charles Victor Daremberg und Friedrich Anton Reuß (1810–1868). S. Hildegardis Abbatissae Subtilitatum Diversarum Naturarum Creaturarum Libri Novem. Migne, Paris 1855 nach der Handschrift Paris. Liber beate Hildegardis subtilitatum diversarum naturarum creaturarum et sic de aliis quam multis bonis. Paris. Bibliothèque Nationale. Codex 6952 f. 156–232. Vollständige Handschrift. 15. Jh. (1425–1450). Buch 8, Kapitel 11, (Spalte 1342): De vipera (Digitalisat)
  • Konrad von Megenberg. Buch der Natur. Ausgabe Franz Pfeiffer. Aue, Stuttgart 1861, S. 285 (III E, 37): Von der Vippern (Digitalisat)
  • Hortus sanitatis. Jacobus Meydenbach, Mainz 1491 De animalibus Cap. 154 : Vipera (Digitalisat)

Neuzeit

In der Neuzeit war die Verwendung von Vipern-Arzneien insbesondere im 17. Jahrhundert verbreitet und mit den Namen Francesco Redi, Moyse Charas, Pierre Bourdelot und Felice Fontana verbunden. Im 18. Jahrhundert wurden Zubereitungen aus der Viper nur noch in der Volksmedizin verwendet, vornehmlich in Form einer aus Vipern- und Kalbfleisch bereiteten Brühe zur „Blutreinigung“ und als Schutz gegen epidemische Krankheiten.[5]

16. Jahrhundert

17. Jahrhundert

  • Francesco Redi. Redi versicherte, dass er durch mehr als hundert Versuche an verschiedenen Tieren bewiesen habe, dass kein Teil der Viper, auch nicht der gelbe Saft, innerlich eingenommen giftig sei und dass man Tiere essen könne, die von Vipern getötet wurden.
    • Osservazioni intorno alle vipere. Florenz 1664 (Digitalisat). - Observationes de viperis … ex italiaca in latinam translatae. S. l., ca. 1670 (Digitalisat).
Moyse Charas 1619–1698
  • Moyse Charas. Nach dem Vorbild des Paracelsisten Johann Zwelfer, der die Augsburger Pharmacopoe kritisch bewertet hatte[6], wagte der Apotheker und Arzt Moyse Charas Kritik an den traditionellen Vorschriften zur Theriakbereitung zu äußern, ohne diese Vorschriften grundsätzlich in Frage zu stellen. 1668 veröffentlichte er seine Änderungsvorschläge und kritisierte dabei insbesondere das Zubereitungsverfahren für die Theriak-Zutat Vipernfleisch.[7] Daraus entwickelte sich eine Kontroverse mit Francesco Redi, in die auch Pierre Bourdelot und Felice Fontana einbezogen wurden. Charas verfertigte ein Vipern-Salz, das sich als Allheilmittel auch in Holland gut verkaufte, sodass er Schwierigkeiten hatte, genügend Vipern zu besorgen. Er bevorzugte Vipern aus der Region von Lyon und aus der Region von Poitiers.[8]
    • Histoire naturelle des animaux, des plantes, & des minéraux qui entrent dans la composition de la Thériaque d’Andromachus, dispensée et achevée publiquement à Paris, par Moyse Charas, l’un des Apoticaires de Monsieur le Duc d’Orléans Frère unique du Roy. Avec les reformations & les observations de l’auteur, tant sur l’élection, et sur la préparation, que sur le dernier mélange de tous les ingrédients de cette composition. Olivier de Varennes, Paris 1668 (Digitalisat).
    • Thériaque d’Andromacus, avec une description particulière des plantes, des animaux & des minéraux employées à cette composition, et les reformations & observations nécessaires, tant sur leur élection & préparation, que sur leur dernier mélange. … Nouvelle édition, revue & augmentée. Laurent d’Houry, Paris 1685 (Digitalisat)
    • Nouvelles expériences sur la vipère, ou l’on verra une description exacte de toutes se parties, la source de son venin, ses divers effets, & les remèdes exquis que les artistes peuvent tirer de la Vipère, tant pour la guérison de ses morsures, que pour celles de plusieurs autres maladies. Olivier de Varennes, Paris 1669 (Digitalisat).
    • Nouvelles expériences sur la Vipère, ou l’on verra une description exacte de toutes se parties, la source de son venin, ses divers effets, & les remèdes exquis que les artistes peuvent tirer du corps de cet animal. Avec une suite des nouvelles expériences sur la vipère, et une dissertation sur son venin, pour servir des réplique à une lettre que Monsieur François Redi Gentil-homme d’Arezzo a écrite à Messieurs Bourdelot & [Alexander] Morus [1616–1670], imprimée à Florence en l’année 1670. Paris 1672 (Digitalisat) 2. Verbesserte Auflage. Laurent Houry, Paris 1694 (Digitalisat)
      • New experiments upon Vipers. With exquisite remedies, that may be drawn from them, as well for the cure of their bitings, as for that of other maladies. Also a letter of Francesco Redi, concerning some objections made upon his observations about Vipers: written to Monsieur Bourdelot and Mr. Morus. Together with the sequal of new Experiments upon Vipers, in a Reply to a letter written by Sign. Fredi. J. Martyn, London 1673 (Digitalisat)
      • Historia naturalis Theriacae Andromachi oder Beschreibung der Thiere, Pflantzen und Mineralien, welche zu der Composition des Theriacks von Andromacho beschrieben / genommen werden. Benebest den Enderungen und Anmerckungen des Autoris, so wohl die Erwehlung und Zubereitung / als auch die letztere Vermischung aller Ingredientien dieser grossen Composition, betreffend. Beyer, Frankfurt am Mayn 1679 (Digitalisat).
      • Neu erfahrne Proben von der Viper / dabey zu sehen eine eigendliche Beschreibung aller ihrer Gliedmassen / der Ursprung ihres Giffts / die unterschiedliche Würckungen desselben und die außerlesenste Artzneyen / welche die Kunstverständige auß der Viper / so wohl zur Heilung derselben Bisse / als auch vieler andern Kranckheiten bringen können. Joh. Beyers Erben, Frankfurt am Mayn 1679 (Digitalisat)
  • Pierre Bourdelot. Recherches et observations sur les vipères, faites par Mr. Bourdelot, répondant à une lettre qu’il a reçue de Mr. Redi, premier Médecin du Grand Duc de Florence. Claude Barbin, Paris 1671 (Digitalisat)
  • Felice Fontana. Ricerche fisiche sopra il veleno della vipera. Con alcune osservazioni sopra le anguillette del grano sperone. Jacopo Giusti, Lucca 1767 (Digitalisat).
    • Felix Fontana Leibarzt des Großherzogs von Toscana und Aufsehers über sein Naturalienkabinett Abhandlung über das Viperngift, die Amerikanischen Gifte, das Kirschlorbeergift und einige andere Pflanzengifte : nebst einigen Beobachtungen über den ursprünglichen Bau des thierischen Körpers, über die Wiedererzeugung der Nerven und der Beschreibung eines neuen Augenkanals. Erster und zweyter Band. Mit vielen Kupfern. Himburg, Berlin 1787 (Digitalisat)
  • Nicolas Lémery. Cours de chymie. Paris 1675, S. 502–513: De la Vipere (Digitalisat) S. 514–521 : Distillation de la Vipere (Digitalisat)
    • Johann Christian Zimmermann (Übersetzer). Nicolai Lemeri, weyland Medicinae Doctoris und Königl. Frantzösischen Hof-Apotheckers zu Paris, Cursus Chymicus, oder Vollkommener Chymist: welcher die in der Medicin vorkommenden Chymischen Praeparata und Processus auf die vernünfftigste, leichteste und sicherste Art zu verfertigen lehret … Walther, Dresden 1754, S. 863–877 Von der Otter (Digitalisat), S. 877–878: Allgemeiner Gebrauch der Ottern (Digitalisat), S. 878–888: Destillation der Otter (Digitalisat)
  • Christophe Glaser. Novum laboratorium medico-chymicum. Johann Marschalk, Nürnberg 1677, S. 356: Vippern / Distillation ihres Fleisches (Digitalisat)
  • Pierre Pomet. Histoire générale des drogues, traitant des plantes, des animaux, & des mineraux ; ouvrage enrichy de plus de quatre cent figures en taille-douce tirées d'aprés nature ; avec un discours qui explique leurs differens noms, les pays d'où elles viennent, la maniere de connoître les veritables d'avec les falsifiées, & leurs proprietez, où l'on découvre l'erreur des anciens & des modernes...par le sieur Pierre Pomet.... Jean-Baptiste Loyson & Augustin Pillon Paris 1694, S. 60–62: De la Vipere (Digitalisat)
William Cullen 1710–1790

18. Jahrhundert

  • Richard Mead. A mechanical account of poisons in several essays. Ralph Smith, London 1702. 2. Auflage 1708, S. 1–35: Of the Viper (Digitalisat), S. 37–49 Some Anatomical Observations on the Viper(Digitalisat)

„Dass also die Viper irgend besondere Nahrungseigenschaften haben sollte, kann ich nicht einsehen, dass sie aber einige besondere, arzneiliche Kräfte besäße, finde ich nicht den mindesten Grund anzunehmen. Ich bin daher genötigt, den Wahn von den Nahrungs- und Arzneikräften derselben als ein Kennzeichen, unter mehreren, von der Schwäche und Torheit der Alten und ihrer neuern Anhänger anzusehen.“

William Cullen: William Cullens … Abhandlung über die Materia medica … übersetzt und mit Anmerkungen von Samuel Hahnemann. Schwickert, Leipzig 1790. Band I, S. 421 (Digitalisat)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Walter Frieboes (Übersetzer). Aulus Cornelius Celsus. Über die Arzneiwissenschaft. In acht Büchern. F. Vieweg, Braunschweig 1906, S. 252–253 (lib V, cap. XXIII, § 3): Gegengift des Mithridates (Digitalisat)
  2. Plinius der Ältere. Naturalis historia, Buch XXIII, Kap. 77, § 3: „Nach der Besiegung des Mithridates ...“(Digitalisat); Buch XXV § 6: Mithridates (Digitalisat)
  3. Galen. Cap. VIII (Ausgabe Kühn, Band XIV, S. 233–237): Cur Andromachus viperam potius quam serpentem alium theriacae admiscerit; deque Cleopatrae morte diligens historia (Digitalisat)
  4. Julius Berendes. Des Pedanius Dioskurides Arzneimittellehre in 5 Büchern. Enke, Stuttgart 1902, Buch II, Kapitel 18: Otter (Digitalisat), Kapitel 19: Schlangenhaut
  5. Diederich Franz Leonhard von Schlechtendal: Vipera. In: Dietrich Wilhelm Heinrich Busch, Johann Friedrich Dieffenbach, Justus Hecker, Ernst Horn, Johann Christian Jüngken, Heinrich Friedrich Link und Joseph Müller (1811–1845) (Hrsg.) Encyclopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften. Veit et Comp, Berlin, Band 35 (1846), S. 402–403 (Digitalisat)
  6. Johann Zwelfer. Animadversiones in Pharmacopeia Augustana et annexam ejus mantissam. Endter, Nürnberg 1657 (Digitalisat)
  7. Moyse Charas. Histoire naturelle des animaux, des plantes, & des minéraux qui entrent dans la composition de la Thériaque d’Andromachus … Paris 1668, S. 29–56 (Digitalisat)
  8. Moyse Charas: Histoire naturelle des animaux …, 1668, S. 42 (Digitalisat)