Edmund Bernatzik
Edmund Bernatzik (* 28. September 1854 in Mistelbach[1][2], Österreich-Ungarn; † 30. März 1919 in Wien) war ein österreichischer Jurist und bedeutender Staats- und Verwaltungsrechtslehrer.
Leben
Bernatzik wurde als Sohn eines Notars und Landesadvokaten geboren und studierte nach der Matura am Josefstädter Gymnasium an den Universitäten von Wien und Graz und promovierte 1874 zum Doktor der Rechte. Während seines Studiums wurde er 1873 Mitglied der Wiener akademischen Burschenschaft Silesia.[3][4]
Nach einigen Jahren im richterlichen Dienst als Gerichtsadjunkt an mehreren niederösterreichischen Gerichten, dann als Juristenpräfekt am Theresianum, habilitierte er sich 1886 im Wien für öffentliches Recht. Die in seiner Habilitationsschrift „Rechtsprechung und materielle Rechtskraft“ zur Rechtskraft vertretene Lehrmeinung wurde auf dem 26. Deutschen Juristentag zum Beschluss erhoben, dadurch erregte dieses Werk viel Aufsehen.
Nach einigen Jahren als Privatdozent und einem Jahr in Innsbruck, wo er 1891 die Lehrkanzel für Kirchenrecht supplierte, wurde Bernatzik als ordentlicher Professor nach Basel berufen.
1893 wechselte er nach Graz, 1894 an die Universität Wien als Professor für allgemeines und österreichisches Staatsrecht und allgemeines und österreichisches Verwaltungsrecht. Er wurde zum führenden österreichischen Staatsrechtslehrer um die Jahrhundertwende und war neben Otto Mayer Begründer der juristischen Methode in der deutschen Verwaltungswissenschaft. Ihm werden wesentliche Verdienste an der Umgestaltung des altösterreichischen Polizeistaates zum Rechtsstaat zugeschrieben.
Außerdem war Bernatzik ein Verfechter des Frauenstudiums; er schrieb 1900 ein Gutachten, in dem er sich dafür einsetzte, Frauen als ordentliche Hörer an der juristischen Fakultät Wien zuzulassen. Trotz Zustimmung der juristischen Fakultät entschied sich das Unterrichtsministerium erst 1918 auch das Studium der Rechtswissenschaften in Österreich für Frauen zu öffnen.[5] Gemeinsam mit seiner Tochter Maria Hafferl-Bernatzik gründete er bereits 1917 eine Rechtsakademie für Frauen als außeruniversitäre Fortbildungseinrichtung.[6] Seine Tochter, welche bereits in dieser Akademie das Fach „Privatrecht“ vertrat, war die dritte Frau, welche in Wien zur Juristin promovierte.[7]
Bernatzik war Mitglied des kaiserlich-königlichen Reichsgerichtes und wurde 1911 zum Mitglied einer Kommission bestellt, die tiefgreifende Verwaltungsreformen umsetzen sollte. An der Universität Wien war er zweimal Dekan und 1910/11 Rektor.
Edmund Bernatzik war der Vater des Ethnologen, Fotografen und Begründers der angewandten Völkerkunde Hugo Bernatzik sowie der Textilkünstlerin und Kunsthandwerkerin Helene Bernatzik.
Er wurde am Heiligenstädter Friedhof in Wien bestattet.
Werke
- Rechtsprechung und materielle Rechtskraft, 1886
- Kritische Studien über den Begriff der juristischen Person, in: Archiv f. öffentl. Recht, Bd. 5, 1888
- Republik und Monarchie, 1892
- Das System der Proportionalwahl. In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche. Bd. 17 (1893), S. 393–426 (Digitalisat).
- Der Anarchismus. Eine akademische Antrittsrede. In: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche. Bd. 19 (1895), S. 1–20 (Digitalisat).
- Der Verfassungsstreit zwischen Schweden und Norwegen, in: Grünhuts Wiener Zs., 1899
- Österreichische Verfassungsgesetze, Stud.-Ausg., 1906, ²1911 (Digitalisat bei archive.org)
- Polizei und Kulturpolitik, in: Kultur der Gegenwart 1906, 1913
- Über nat. Matriken, 1910
- Die Ausgestaltung des Nationalgefühls im 19. Jh., Rechtsstaat u. Kulturstaat (2 Vorträge), 1912
- Der französische Syndikalismus, in: Archiv für Geschichte des Sozialismus, Bd. 6, 1914
- Neues über die Pragmatische Sanktion, 1915
Literatur
- Bernatzik Edmund, Staats- und Völkerrechtslehrer. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 75 f. (Direktlinks auf S. 75, S. 76).
- Ludwig Adamovich senior: Bernatzik, Edmund, Staatsrechtler. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 103 (Digitalisat).
- Herbert Kalb: Edmund Bernatzik (1854–1919). In: Peter Häberle, Michael Kilian, Heinrich Wolff: Staatsrechtslehrer des 20. Jahrhunderts. Deutschland, Österreich, Schweiz. De Gruyter, Berlin/Boston (2. Auflage) 2018, S. 89–105, ISBN 978-3-11-054145-8.
- Gerhard Strejcek: Edmund Bernatzik (1854–1919): Zyniker und Staatsrechtslehrer. In: Gerhard Strejcek (Hrsg.): Gelebtes Recht. 29 Juristenporträts. Österreichische Verlagsgesellschaft C. & E. Dworak, Wien 2012, ISBN 978-3-7067-0015-3, S. 1–3.
- Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 9: Nachträge. Koblenz 2021, S. 11–13. (Online-PDF)
Weblinks
- Literatur von und über Edmund Bernatzik im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Edmund Bernatzik im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
Einzelnachweise
- ↑ Ludwig Adamovich senior: Bernatzik, Edmund, Staatsrechtler. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, ISBN 3-428-00183-4, S. 103 (Digitalisat).
- ↑ Taufbuch Mistelbach, tom. XI, fol. 153 (Faksimile).
- ↑ Junges Leben, 2/2019, S. 10.
- ↑ Günther Berka: 100 Jahre Deutsche Burschenschaft in Österreich. 1859–1959. Graz 1959, S, 18.
- ↑ ALO docView - Jahresbericht des Vereines für erweiterte Frauenbildung in Wien. 12. Jg., 1899/1900 (1900). In: www.literature.at. Abgerufen am 10. Mai 2016.
- ↑ Rechtsakademie für Frauen. In: Neues Wiener Abendblatt, 12. Oktober 1918, S. 5 (Online bei ANNO). .
- ↑ Ilse Reiter: JuristInnenausbildung an der Wiener Universität. Ein historischer Überblick. (PDF; 176 kB) Universität Wien, 2007, abgerufen am 19. Januar 2019.
Personendaten | |
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NAME | Bernatzik, Edmund |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Staatsrechtler und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 28. September 1854 |
GEBURTSORT | Mistelbach |
STERBEDATUM | 30. März 1919 |
STERBEORT | Wien |