ʿAbd al-Ghanī al-Maqdisī

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ʿAbd al-Ghanī ibn ʿAbd al-Wāhid ibn Surūr al-Maqdisī (arabisch عبد الغني بن عبد الواحد بن سرور المقدسي, DMG

ʿAbd al-Ġanī b. ʿAbd al-Wāḥid b. Surūr al-Maqdisī

; geb. 1146 in Dschammāʿīl[1], in einem Bergdorf bei Nablus; gest. 1203 in Kairo) war ein hervorragender Vertreter der Hanbaliten und gilt als Begründer der großen Biographien über die Traditionarier der kanonischen Traditionssammlungen.

Auf seinen mehrjährigen Studienreisen verkehrte er in den Kreisen der bekanntesten Gelehrten seiner Zeit in Bagdad, Mosul, Damaskus, Jerusalem, Alexandria und Kairo, wo er nach mehrjähriger Lehrtätigkeit starb. adh-Dhahabī (gest. 1348) stellt den Lebenslauf und die Gelehrtentätigkeit von al-Maqdisī in seiner „Biographie vornehmer Gelehrtengrößen“ äußerst detailliert dar und führt die Titel seiner Werke, die damals noch bekannt waren, in einem dafür gewidmeten Kapitel auf zwei Seiten (Bd. 21, S. 446–448) auf. Sein wichtigster Lehrer war as-Silafī[2] mit Wirkungskreis Alexandria, den er mehrfach aufsuchte und, adh-Dhahabī zufolge, in seinem Kreis rund eintausend Hefte (dschuzʾ / ǧuzʾ )[3] aufzeichnete. Die wichtigsten Jahre seiner Ausbildung verbrachte er in Damaskus, wo seine Familie nach der Einnahme der Stadt durch Nur ad-Din az-Zankī im Jahre 1154 und in der Folgezeit unter den Ayyubiden an der Herausbildung der islamischen Gelehrsamkeit wesentlichen Anteil hatte.[4] Er selbst – aber auch andere Mitglieder der Familie al-Maqdisī – wird in zahlreichen Kolophonen als Teilnehmer an Vorlesungen in Damaszener Gelehrtenkreisen genannt. In den gesammelten Zertifikaten tritt er als vortragender Lehrer, als Kopist und als Zuhörer in Erscheinung.[5]

Ende des dritten und letzten Bandes. Datum der Abschrift:Šawwāl 679=Januar–Februar 1281

Werke

al-Maqdisī ist vor allem durch seine Werke, die heute nur zum Teil erhalten sind, über das Hadith und über seine Überlieferer bekannt geworden. Sein bekanntestes Werk auf diesem Gebiet ist seine umfassende Biographie derjenigen Überlieferer, die in den sechs kanonischen Hadith-Sammlungen in den Isnaden genannt werden. Es trägt den Titel:

  • al-Kamāl fī maʿrifat asmāʾ ar-ridschāl (الكمال في معرفة أسماء الرجال /
    al-Kamāl fī maʿrifat asmāʾ ar-riǧāl
    /‚Das Vollständige in der Kenntnis der Namen der Überlieferer‘)

Dieses Werk, wovon mehrere Handschriften existieren aber bisher nicht publiziert wurden[6], war die Grundlage für das fünfunddreißig Bände umfassende Werk von al-Mizzi (gest. 1341), der al-Maqdisīs Angaben korrigierte und vor allem mit weiteren Biographien von Traditionariern erweiterte, die als Überlieferer in den späteren Hadith-Sammlungen erscheinen. Diese Erweiterung des Vollständigen hat dann adh-Dhahabī unter dem Titel Vergoldung der Erweiterung bearbeitet, gekürzt und mit den Namen bis dahin nicht genannter Überlieferer der Hadith-Literatur ergänzt.[7] Zu diesem letztgenannten Werk verfasste dann Ahmad ibn ʿAbdallāh ibn Abī Chair al-Chazradschī (gest. 1523) eine dreibändige Zusammenfassung (Chulāsa) und berücksichtigte dabei auch die weiteren Bearbeitungen seiner Vorgänger.[8] Er wertete ferner diejenigen Hadithmaterialien aus, die die Verfasser der sechs kanonischen Traditionssammlungen in ihren anderen Werken benutzt haben.[9]

Al-Maqdisīs Werk und seine Erweiterung bzw. Zusammenfassung in den Nachfolgegenerationen sind die Grundlagen der Hadith-Kritik, deren literarisch dokumentierte Anfänge schon im 8. Jahrhundert nachweisbar sind.[10]

  • ʿUmdat al-ahkām min kalām chair al-anām (عمدة الأحكام من كلام خير الأنام /
    ʿUmdat al-aḥkām min kalām ḫairi ʾl-anām
    /‚Die Stütze der Vorschriften aus den Aussagen des besten der Menschen‘ (d. i. Mohammed)) ist eine groß angelegte und nach den Kapiteln der islamischen Jurisprudenz angeordnete Sammlung von rechtsrelevanten Hadithen nach dem Propheten.[11] Ein Teil davon, der nur die wichtigsten Traditionen des Propheten und seiner Gefährten über die Wallfahrtszeremonien beinhaltet, ist 1987 in Beirut erschienen.[12]
  • Mihnat al-Imam Ahmad ibn Hanbal asch-Schaibani (محنة الامام أحمد بن حنبل الشيباني /
    Miḥnat al-imām Aḥmad b. Ḥanbal aš-Šaibānī
    /‚Die Inquisition gegen Ahmad ibn Hanbal‘) fasst die Vernehmung und Bestrafung zusammen, die Ahmad ibn Hanbal zur Zeit der Mu'tazila über die Frage erlitten hatte, ob der Koran erschaffen sei (chalq al-Qurʾān) und ob der Mensch Gott am Tage der Auferstehung erblicken könne.[13]
  • ad-Durra al-muḍīʾa fī ʾs-sīra an-nabawiyya (الدرة المضيئة في السيرة النبوية /‚Die leuchtende Perle über die Prophetenbiographie‘) ist eine Kurzfassung der Sira Mohammeds.[14] Die beiden letztgenannten Werke liegen nur in Handschriften vor und sind bisher nicht gedruckt worden.

Literatur

  • Carl Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Zweite den Supplementbänden angepasste Auflage. Brill, Leiden 1943. Bd. 1, S. 437–438; Erster Supplementband. Brill, Leiden 1937. S. 605–607
  • Ignaz Goldziher: Muhammedanische Studien. Halle a. S. Bd. 2, S. 263
  • Yāqūt: Muʿǧam al-buldān. Bd. 2, S. 159–160 (Dschammāʿīl)

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Yāqūt stellt im Muʿǧam al-buldān (Das geographische Wörterbuch. Beirut 1956. Bd. 2. S. 159–160) seine Vita kurz dar und begründet seine Nisba al-Maqdisī mit der Nähe seines Geburtsortes zu Jerusalem (arabisch: Bait al-Maqdis)
  2. The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. 9. Seite 607; Heinrich Schützinger: Das Kitāb al-Muʿǧam des Abū Bakr al-Ismāʿīlī. Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Bd. XLIII, 3. Wiesbaden 1978. S. 48–49
  3. Ein Dschuzʾ ist in diesem Fall ein kleines Heft, Notizbuch. Siehe: Adam Gacek: The Arabic Manuscript Tradition. A Glossary of Technical Terms & Bibliography. Brill. Leiden 2001. S. 23
  4. Stefan Leder, Yāsin Muḥammad al-Sawwās, Maʿmūn al-Ṣāǧarǧī: Muʿǧam al-samāʿāt al-Dimašqiyya. Les certificats d'audition à Damas. Institute Français de Damas. 1996. S. 20 (Einleitung)
  5. Stefan Leder, Yāsin Muḥammad al-Sawwās, Maʿmūn al-Ṣāǧarǧī (1996). S. 381–382
  6. Zur Beschreibung der in Deutschland erhaltenen Handschriften siehe: Wilhelm Ahlwardt: Verzeichnis der arabischen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin 1887–1889. Hs. Nr. 9925
  7. Zur Beschreibung der in Deutschland erhaltenen Handschriften siehe: Wilhelm Ahlwardt: Verzeichnis der arabischen Handschriften der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Berlin 1887–1889. Hss. Nr. Sprenger 271–274. Zu weiteren Bearbeitungen des Grundwerkes siehe Carl Brockelmann (1937), S. 606
  8. Carl Brockelmann (1937), S. 606 ist der Titel (Ḫulāṣat tahḏīb al-kamāl) zu berichtigen. Zuletzt gedruckt in Beirut 2001
  9. Ḫulāṣat taḏhīb al-kamāl. Bd. 1, S. 5–6 (Einleitung des Verfassers)
  10. Ignaz Goldziher (1890), S. 141ff; 272ff; The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill. Leiden. Bd. 2. S. 462
  11. Herausgegeben in Damaskus 1984
  12. Hrsg. Maḥmūd al-Arnāʾūṭ. Dār Ibn Kaṯīr.
  13. Carl Brockelmann (1943), S. 438
  14. Carl Brockelmann (1943), S. 438