… und dabei liebe ich euch beide

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… und dabei liebe ich euch beide
Andrea Jürgens
Veröffentlichung November 1977[1]
Länge 3:55
Genre(s) Schlager
Autor(en) Jack White, Jon Athan
Produzent(en) Jack White
Verlag(e) Ariola
Album Ich zeige dir mein Paradies

… und dabei liebe ich euch beide ist ein von Jack White komponiertes und Jon Athan getextetes Lied aus dem Jahr 1977. Die damals zehnjährige Andrea Jürgens sang es erstmals in der ARD-Silvestergala von Am laufenden Band mit Rudi Carrell vor einem Fernsehpublikum von rund 37 Millionen Menschen[2] und wurde damit schlagartig bekannt[3]. Als so genannter „Problemschlager“[2] verarbeitet das Lied das Dilemma des Kindes, das sich auch nach der Scheidung beiden Eltern verbunden fühlt.

Hintergrund und Entstehung

Datei:Und dabei liebe.jpg
Single-Etikett von … und dabei liebe ich euch beide, 1977

Jack White entschied sich nach einigem Zögern 1977, die neunjährige Andrea Jürgens zu produzieren, die bei einem von der Zeitung WAZ organisierten Talentwettbewerb aufgefallen war, als sie sich gegen eine Konkurrenz von 30 Erwachsenen durchgesetzt hatte.[4] Ihre Stimme verglich White in seinen 2010 erschienenen Erinnerungen mit der „einer jungen Mireille Mathieu“. Als Textdichter wählte er – in erstmaliger Zusammenarbeit – den von ihm als anspruchsvoller und weniger kommerziell als andere empfundenen Wolf Preuß, Teil des Duos Inga und Wolf, der auch unter dem Namen Jon Athan arbeitete. Dieser lieferte den Text, auf den White die Melodie komponierte.[5]

White stellt die Situation so dar, dass man ihm vielfach – trotz einer überzeugenden Darbietung – davon abriet, eine Zehnjährige zu produzieren, da seit Heintje in Deutschland Kinderstars nicht mehr „gingen“. Er blieb jedoch bei seiner Entscheidung.[5] Andrea Jürgens selbst erinnerte sich, dass der Produzent in der Folge von allen TV-Sendern Absagen für sie erhielt.[6] Begeistern konnte White allerdings Rudi Carrell, der Andrea Jürgens sogar exklusiv für seine Silvestergala engagierte.[6][5] In der Show am 31. Dezember 1977 wurde die szenische Inszenierung des kleinen, traurigen Mädchens im weißen Nachthemd in ihrem Kinderbett[7] ein voller Erfolg.

Text und Musik

Text

Der Text nimmt die Perspektive eines Scheidungskindes ein, dessen Eltern kein gutes Verhältnis zueinander haben und das sich wünscht, dass seine Familie wiedervereint wird. In der ersten Strophe stellt das Mädchen die Frage, warum es den Vater nur alle 14 Tage sehen darf und die Mutter mehr Kontakt „nicht gerne“ sieht. Die zweite Strophe schildert die „Übergabe“-Situation vom Wochenendvater an die Mutter, bei der das Kind verzweifelt darum bittet, dass der Vater noch mit ins Haus kommt, damit man „wieder mal zu dritt sein“ könne – was wiederum der Vater ablehnt, weil „etwas zwischen“ den Eltern stehe (womit eventuell eine väterliche Untreue als Trennungsgrund angedeutet wird[8]).

Im Refrain kulminiert die Zerrissenheit des Kindes in den Zeilen

Und dabei liebe ich euch beide,
Denn ich bin doch euer Kind.
Warum nur kann ich nicht entscheiden,
Wo ich gerne bin?

Dieser wird zum Schluss hin noch einmal gesteigert; das Lied endet mit der Frage:

Warum nur könnt ihr nicht entscheiden,
Dass wir bald wieder eine Familie sind?

Musik

Nach einem kurzen Klavierintro setzt die Singstimme in den beiden Strophen zunächst ruhig und balladenartig erzählend ein. Die zum Refrain leitenden letzten zwei Textzeilen der einzelnen Strophen werden durch jeweils ansteigende Melodie und Lautstärke dramatisch betont, zusätzlich setzt dabei Instrumentalbegleitung und Hintergrundgesang ein. Der Refrain ist textlich und melodisch hervorgehoben (Sextaufschwung) und wird ebenfalls durch chorischen Hintergrundgesang verstärkt.[3]

Zum Abschluss – „Warum nur könnt ihr nicht entscheiden, dass wir bald wieder eine Familie sind“ – wird das Tempo verlangsamt und die Melodie rückt final von der Grundtonart G-Dur in Es-Dur.

Das Arrangement des Schlagers stammt von Jo Plée.

Erfolge

… und dabei liebe ich euch beide erreichte in Deutschland Rang 4 der Singlecharts und platzierte sich insgesamt zwölf Wochen in den Top 10 sowie 28 Wochen in den Charts.[9] In Österreich erreichte die Single in vier Chartwochen mit Rang 25 seine höchste Chartnotierung.[1] In der Schweizer Hitparade erreichte … und dabei liebe ich euch beide Rang 6 und platzierte sich neun Wochen in den Charts.[10] Am Ende des Jahres belegte die Single Rang 11 der deutschen Single-Jahrescharts.[11] Für Jürgens war es der erste Charterfolg in allen drei Ländern, und sie war bis 2004 die jüngste Deutsche, die je eine Top-Ten-Platzierung erreichte.[12]

Im März 1978 trat Andrea Jürgens mit dem Lied in der ZDF-Hitparade auf, wo sie Platz 1 belegte.[13]

Chartplatzierungen
ChartsChart­plat­zie­rungenHöchst­platzie­rungWo­chen
 Deutschland (GfK)[9]4 (28 Wo.)28
 Österreich (Ö3)[1]25 (4 Wo.)4
 Schweiz (IFPI)[10]6 (9 Wo.)9
Jahrescharts
ChartsJahres­charts (2011)Platzie­rung
 Deutschland (GfK)[11]11

Coverversionen

Eine Instrumentalversion von … und dabei liebe ich euch beide auf der elektronischen Orgel wurde bereits 1978 von Franz Lambert auf seinem Album Super 40 Pop Orgel Hitparade eingespielt.[14] Roy Etzel veröffentlichte eine Version auf seinem Album Tanz Discothek Folge 1.[15]

Jack White vermarktete den Song später mit weiteren Künstlerinnen, die er unter Vertrag hatte: 1980 sang Sandy Powers, 1986 Audrey Landers die englischsprachige Version The Sun Shines, When Somebody Loves You. Hinzu kam 1982 eine „Reggae-Version“ mit Judy Jackson.[4]

Eine Coverversion von Guildo Horn & die Orthopädischen Strümpfe erschien 1995 auf dem Album Sternstunden der Zärtlichkeit. Schließlich coverte die luxemburgische Sängerin Marisa Donato das Stück noch 2019 zusammen mit weiteren Andrea-Jürgens-Liedern auf ihrem Album Unsterblich.[16]

Kontext und Rezeption

1977 war gerade das Scheidungsrecht in Deutschland reformiert worden, so dass nicht mehr das Verschuldensprinzip, sondern das Zerrüttungsprinzip galt.[17] Die seit Anfang der 1970er Jahre damit verbundenen Diskussionen beeinflussten auch die Populärkultur. So sangen 1974 Udo Jürgens das melancholische Geschieden und Gunter Gabriel mit seiner Tochter zusammen Hey Yvonne.[18] … und dabei liebe ich euch beide war jedoch das erste Lied in Deutschland, in dem das Thema aus Sicht eines Kindes interpretiert wurde.

André Port le Roi kommt in Schlager lügen nicht: deutscher Schlager und Politik in ihrer Zeit zu dem Schluss, dass das Lied „den kollektiven Nerv einer Zeit“ getroffen habe.[19][4]

Das Stück hat Aufnahme nicht nur in Musikfachliteratur gefunden, sondern wird auch im pädagogischen Kontext eingesetzt, untersucht und zitiert.[20][3][21] Sebastian Peters vergleicht es 2012 mit dem fast zeitgleich erschienenen Song Pank der Nina Hagen Band, in dem eine Frau ihren Partner verlässt: „Deutlicher können die inhaltlichen Gegensätze zwischen Punk und Schlager wohl kaum dargestellt werden: Auf der einen Seite das neue Geschlechterverständnis, auf der anderen Seite ein tradiertes Familienbild“.[22]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Andrea Jürgens – … und dabei liebe ich euch beide. austriancharts.at, abgerufen am 17. August 2020.
  2. a b ANDREA JÜRGENS Die Doppel-CD "Das Beste" im Test von Holger Stürenburg! – smago. Abgerufen am 16. August 2020 (deutsch).
  3. a b c Wilhelm Schepping: Zum Medieneinfluß auf das Singrepertoire und das vokale Reproduktionsverhalten von Schülern. Neue Daten und Fakten zur Lieddidaktik. In: Klaus-E. Behne (Hrsg.): Einzeluntersuchungen (= Musikpädagogische Forschung. Band 1). Laaber 1980, S. 248 (prossl.de [DOC]).
  4. a b c ANDREA JÜRGENS smago! top-exklusiv: Die große Andrea Jürgens Story 1967–2017! – smago. Abgerufen am 16. August 2020 (deutsch).
  5. a b c Diane Zilliges (Bearbeitung): Mein unglaubliches Leben. Aufgezeichnet von Janine Canan White. Riva, München 2010, ISBN 978-3-86413-049-6, S. 125–129 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. a b Jürgen Trimborn: Rudi Carrell : ein Leben für die Show ; die Biographie. Bertelsmann, München 2006, ISBN 3-570-00941-6, S. 295 (?).
  7. Andrea Jürgens Und dabei liebe ich Euch beide 1977 Am laufenden Band mit Rudi Carrell. In: youtube.com. Abgerufen am 16. August 2020.
  8. Conrad Wilitzki: Kinder in der Schlager-Vorhölle. In: Popmonitor. 13. April 2016, abgerufen am 16. August 2020 (deutsch).
  9. a b Andrea Jürgens – … und dabei liebe ich euch beide. offiziellecharts.de, abgerufen am 17. August 2020.
  10. a b Andrea Jürgens – … und dabei liebe ich euch beide. hitparade.ch, abgerufen am 17. August 2020.
  11. a b Top 100 Single-Jahrescharts: 1978. offiziellecharts.de, abgerufen am 17. August 2020.
  12. Frühstars: Die jüngsten Deutschen erzählen. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 56. München 8. März 2004, S. 15.
  13. ZDF-Hitparade - hitparade.ch. Abgerufen am 16. August 2020.
  14. Franz Lambert - Super 40 Pop Orgel Hitparade. Abgerufen am 16. August 2020.
  15. Roy Etzel Und Sein Soundorchester* - 28 Superhits Aus Einem Jahrzehnt. Abgerufen am 16. August 2020.
  16. Marisa Donato - Dabei liebe ich euch beide - hitparade.ch. Abgerufen am 16. August 2020.
  17. Neues Scheidungsrecht: Dreimal zahlen - DER SPIEGEL 27/1977. Abgerufen am 16. August 2020.
  18. Oliver Bekermann: „Wunder gibt es immer wieder“ : eine quantitativ-explorative Untersuchung zur gegenseitigen Interdependenz von Alltagskommunikation und deutschem Schlager. (Dissertation Ruhr-Universität Bochum). Bochum 2006 (bekermann.com [PDF]).
  19. André Port le roi: Schlager lügen nicht : deutscher Schlager und Politik in ihrer Zeit. Klartext, Essen 1998, ISBN 3-88474-657-X, S. 193 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  20. Reiner Andreas Neuschäfer: Ohne Netz!? : Kopiervorlagen zum Thema Streit, Trennung, Scheidung : Sekundarstufe I. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2009, ISBN 978-3-647-77625-5, S. 13 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  21. Jürg Häusermann: Und dabei liebe ich euch beide ... Unterhaltung durch Schlager und Fernsehserien. Breitkopf + Härtel, Wiesbaden 1978.
  22. Sebastian Peters: Ein Lied mehr zur Lage der Nation : politische Inhalte in deutschsprachigen Popsongs. Hirnkost, vormals Archiv der Jugendkulturen Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-940213-52-5, S. 447–448 (?).