Abkommen von Dayton

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Unterschriften der Unterzeichner des Abkommens (Museum für kroatische Geschichte, Zagreb)

Das Abkommen von Dayton (auch Dayton-Vertrag genannt) beendete 1995 nach dreieinhalb Jahren den Krieg in Bosnien und Herzegowina.

Der Friedensvertrag wurde unter Vermittlung der USA mit Beteiligung der Europäischen Union und unter der Leitung des damaligen US-Präsidenten Bill Clinton am 21. November 1995 in der Wright-Patterson Air Force Base bei Dayton (Ohio) paraphiert und am 14. Dezember 1995 in Paris unterzeichnet. Die Unterzeichner waren der serbische Präsident Slobodan Milošević, der kroatische Präsident Franjo Tuđman und der Vorsitzende im bosnisch-herzegowinischen Präsidium Alija Izetbegović.

Beteiligte an den Friedensgesprächen

Clinton, Milošević, Holbrooke, Hill und Christopher während einer Unterhaltung in Paris

Unterzeichner

Weitere Personen

Vorgeschichte und Verhandlungen

Die Initiative für die Verhandlungen zur Beilegung des Krieges in Bosnien ging von den USA aus. Medienberichte von den grausamen Kämpfen auf dem Balkan hatten einen erheblichen öffentlichen Druck ausgelöst, der sich in massivem diplomatischem Zwang der Regierung unter Bill Clinton gegenüber den Konfliktparteien niederschlug, endlich Verhandlungen zu beginnen.

Die Verhandlungen begannen am 1. November 1995 und fanden unter den Bedingungen strenger Klausur statt. Die US-amerikanische Seite zwang die drei Präsidenten zu ununterbrochenen, dreiwöchigen Verhandlungen, während denen der Kontakt zur Außenwelt weitgehend unterbunden war. Vor allem ging es in dieser Zeit um die zukünftige Grenzziehung in Bosnien-Herzegowina.

Am 10. November 1995 unterzeichneten Vertreter der Republik Bosnien und Herzegowina und der Bosnisch-Kroatischen Föderation ein Abkommen von Dayton über die Implementierung der Föderation Bosnien-Herzegowina mit einer Übereinkunft über die Übergangsverwaltung für die Stadt Mostar.

Am 12. November 1995 unterzeichneten Kroaten und Serben der Republik Serbische Krajina in Erdut ein Grundsatzabkommen über die Regionen Ostslawonien, die Baranja und West-Syrmien, die zunächst unter UN-Übergangsverwaltung gestellt und anschließend wieder in die Republik Kroatien integriert werden sollten.

Ergebnis des Abkommens

Am 21. November 1995 konnte die Paraphierung des Vertrages in der Wright-Patterson Air Force Base bei Dayton, Ohio (USA) erfolgreich abgeschlossen werden. Am 22. November 1995 wurde durch zwei Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen das Waffenembargo und die Aussetzung der Wirtschaftssanktionen gegen Jugoslawien angekündigt. Die Umsetzung erfolgte allerdings erst im Juni bzw. Oktober 1996. Am 8. und 9. Dezember 1995 kam es im Anschluss an die Verhandlungen zum Dayton-Abkommen in London (Großbritannien) zu einer Implementierungskonferenz unter der Leitung des Hohen Repräsentanten für den Wiederaufbau Carl Bildt aus Schweden. Am 14. Dezember 1995 wurde dann das Friedensabkommen von Dayton im Pariser Invalidendom formell unterzeichnet[1] und trat sofort in Kraft. Am 15. Dezember 1995 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1031, die die Grundlage für die militärische Umsetzung aller im Abkommen getroffenen Vereinbarungen durch die Peace Implementation Forces (IFOR) bildete.

Wichtigste Inhalte des Abkommens

Karte von Bosnien und Herzegowina gemäß dem Dayton-Vertrag
  • Bosnien und Herzegowina, das sich 1992 für unabhängig von Jugoslawien erklärt hatte, bleibt als souveräner und ungeteilter, aber stark dezentralisierter Staat in den international anerkannten Grenzen bestehen.
  • Sarajevo bleibt Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina.
  • Bosnien und Herzegowina wird von Kroatien und von der Bundesrepublik Jugoslawien anerkannt.
  • Bosnien und Herzegowina setzt sich aus zwei Entitäten zusammen: der Republika Srpska mit 49 % und der Föderation von Bosnien und Herzegowina mit 51 % des Territoriums.
  • Über die Zugehörigkeit des Brčko-Distrikts (etwa 1 % des Territoriums) zu einer der beiden Teilrepubliken sollte erst später entschieden werden. (In der Zwischenzeit ist diese Entscheidung dahingehend gefallen, dass Brčko ein Kondominium zwischen beiden Teilrepubliken ist, tatsächlich untersteht der Distrikt jedoch der Bundesregierung bei lokaler Selbstverwaltung.)

Das Abkommen verlangt die völlige Bewegungsfreiheit der Bewohner und gewährt den Flüchtlingen und Vertriebenen das Recht auf Rückkehr in ihre ursprünglichen Wohnorte. Die neue Verfassung sieht Demokratie und Marktwirtschaft vor und setzt fünf gesamtstaatliche Institutionen ein: das Zwei-Kammer-Parlament, das Präsidium, den Ministerrat, das Verfassungsgericht und die Zentralbank. Die Staatsebene erhält nur wenige Kompetenzen: Außen- und Außenhandelspolitik, Zoll- und Geldpolitik, Einwanderungsfragen sowie weniger bedeutende Bereiche wie die Kontrolle des Luftverkehrs. Die Macht der Teilrepubliken umfasst alle Bereiche, die die Verfassung nicht den Bundesinstitutionen zuordnet. Die Zuständigkeit für die in Dayton noch den Teilstaaten überlassene Verteidigungspolitik ist seit 2005 schrittweise auf den Gesamtstaat übergegangen.

Im militärischen Teil des Friedensabkommens (Annex 1 A) vereinbarten die Konfliktparteien, gegeneinander keine Gewalt mehr anzudrohen oder anzuwenden. Heute überwacht und sichert dies eine europäische Friedenstruppe (EUFOR). Sie übernahm diese Aufgabe von der der NATO unterstehenden Schutztruppe (erst ab Dezember 1995 IFOR im Rahmen der Operation Joint Endeavour und als Ersatz für die UNPROFOR, später SFOR). Außerdem wurde nach Annex 11 die Errichtung einer Internationalen Polizeitruppe (IPTF) mit einer Sollstärke von 1.700 Mann vereinbart.

Kritik

Kritiker erklären, dass mit der Vereinbarung zwar der Bosnienkrieg beendet, aber keine tragfähige Neuordnung geschaffen wurde.[2] Zahlreiche unabhängige Beobachter erkennen in Bosnien-Herzegowina ein weiterhin gespaltenes Land.[3][4] So zweifelt etwa der langjährige Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik, seit 2018 serbischer Vertreter im Staatspräsidium, immer wieder die Existenzberechtigung Bosnien-Herzegowinas als Staat an und bezeichnet das Land als nicht zukunftsfähiges Konstrukt, sowie als „Teufelsstaat“.[5] Seine Politik zielt offen darauf ab, die Republika Srpska unabhängig zu erklären. Kritiker weisen zudem immer wieder darauf hin, dass der Dayton-Vertrag die ethnischen Säuberungen nicht genügend verurteile und den im Krieg gewaltsam geschaffenen De-facto-Status festige.[6] So liegt beispielsweise die Stadt Srebrenica als Folge ihrer Eroberung durch die Vojska Republike Srpske, auf die das Massaker von Srebrenica folgte, bis heute in der Republika Srpska, obwohl dort vor dem Krieg die Mehrheitsbevölkerung bosniakisch war.[7] Das gleiche gilt für Orte wie Višegrad oder Foča.

Siehe auch

Literatur

  • Richard Holbrooke: Meine Mission. Vom Krieg zum Frieden in Bosnien, Piper Verlag München 1998

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Philipp Jauernik: Sarajevos Einzigartigkeit und Europas Schwäche. Abgerufen am 20. Januar 2021.
  2. Schweiz bildet Mediatoren für heikle Missionen aus. In: Neue Zürcher Zeitung. 30. April 2018, abgerufen am 12. Mai 2018.
  3. Die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina ist gespalten über Verfassungsänderungen in: Mitteldeutsche Zeitung vom 19. Juli 2007 (zuletzt abgerufen am 27. Januar 2014)
  4. Opinion | Sarajevo's uniqueness and Europe's weakness. The Brussels Times, 30. Dezember 2020, abgerufen am 20. Januar 2021 (englisch).
  5. Serbenführer Dodik: Bosnien ist ein Teufelsstaat in: derstandard.at vom 26. Mai 2013 (zuletzt abgerufen am 27. Januar 2014)
  6. 10 Years After Dayton, an Unfair Peace, auf dw.de der Deutschen Welle, 21. November 2005 (zuletzt abgerufen am 27. Januar 2014)
  7. Thomas Schmid: Lebende Tote, in: Berliner Zeitung vom 18. November 2009 (zuletzt abgerufen am 27. Januar 2014)