Abteilung Fremde Heere

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Die Abteilung Fremde Heere war eine im Mai 1917 begründete Dienststelle zur Bewertung der Feindlage des deutschen Heeres. Unter Tarnnamen wurde die Stelle auch nach der Niederlage 1918 bei der Reichswehr weitergeführt. Sie bestand auch bei der Wehrmacht in der Zeit des Nationalsozialismus. 1938 wurden zwei Generalstabsabteilungen gebildet, eine für Fremde Heere West und eine für Fremde Heere Ost. Der Leiter der letzteren, Reinhard Gehlen, arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg für die US-amerikanische Besatzungsmacht. Seine Organisation Gehlen wurde die Keimzelle für den späteren Bundesnachrichtendienst, den deutschen Auslandsgeheimdienst.

Geschichte

Unmittelbar mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurden innerhalb des kaiserlichen Heeres Schritte zur „Bearbeitung der Feindlage“ eingeleitet. Ziel war es auf diesem Weg objektive Analysen über die Kräfteverteilung, Organisation und die Kriegsführung der gegnerischen Streitkräfte verfügbar zu haben. Ihr erster Leiter war der Chef der Nachrichtenabteilung Oberstleutnant Richard Hentsch.[1] Aus der ursprünglichen Nachrichtenabteilung hervorgegangen wurde dieser Aufgabenbereich im Großen Generalstab des deutschen Heeres ab 20. Mai 1917 als Abteilung Fremde Heere im Großen Generalstab bezeichnet. Die Stelle wertete in erster Linie Informationen, die durch die Feindlageoffiziere an den Frontabschnitten, die Stellvertretende Sektion III b und die Abteilung III b geliefert wurden, aus.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Abteilung nur formal aufgelöst (wie auch andere Dienststellen, wegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages). Bereits 1919 setzte sie ihre Tätigkeit fort, nun aber unter dem Tarnnamen „Statistische Abteilung“ als „Abteilung T 3“ des Truppenamtes im Reichswehrministerium. Anfang 1922 wurde dann die Bezeichnung „Heeresstatistische Abteilung“ verwandt. Seit 1919 gehörte auch die militärische „Abwehr“ strukturell zur Abteilung T 3. Sie wurde aber erst seit 1926 offiziell in den Ranglisten der Reichswehr geführt.[2] Als im Sommer 1927 die durch den Leiter der Seetransportabteilung Walter Lohmann organisierten Machenschaften um Geheimrüstungen der Öffentlichkeit bekannt wurden und darin auch Personal der Abwehr verwickelt[3] war, mussten politische Konsequenzen gezogen werden. Deshalb wurden 1928 der Marinenachrichtendienst aus dem Marineamt und die militärische Abwehr aus der T 3 herausgelöst und dem Reichswehrminister direkt unterstellt. [4] Dieser Schritt sicherte aber auch eine Trennung zwischen der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung und der Datenauswertung. Damit verblieb der Bereich „Fremde Heere“ nunmehr allein in der Heeresstatistischen Abteilung. Zwei Jahre später erfolgte eine innere Strukturierung der Arbeit in die Ländergruppen Ost, West und Süd. Im Jahr 1931 wurde die offizielle Benennung als Abteilung Fremde Heere wieder eingeführt.

1938 kam es zu internen Umstrukturierungen, die zur Aufteilung in zwei getrennte Abteilungen des Generalstabs, nämlich Fremde Heere West (3. Abteilung) und Fremde Heere Ost (12. Abteilung) führten. Beide Abteilungen standen zusammen mit der Attaché-Gruppe unter der Leitung des Oberquartiermeisters IV (O Qu IV) im Generalstab des Heeres.

Die Abteilung Fremde Heere Ost wurde von dem General der Infanterie, damals Oberst Eberhard Kinzel geleitet und agierte schon in der Schlacht vor Moskau unglücklich. Diese erkannte noch einen Tag vor Beginn der Schlacht um Moskau nicht deren Vorbereitung und stellte in einer Lagebeurteilung fest, dass ohne Zuführung von Reserven die sowjetischen Truppen zu einem Gegenangriff nicht fähig wären.

Die Abteilung wurde nachfolgend von 1942 bis April 1945 von Reinhard Gehlen geleitet, der zuletzt den Rang eines Generalmajors bekleidete. Bei der Aufklärung der sowjetischen Kräfte im Bereich der Heeresgruppe Mitte blieben seit Beginn 1944 die 6. Garde-Armee und die 5. Garde-Panzer-Armee bis zum Beginn der sowjetischen Operation Bagration unerkannt, für deren Auswertung und Lagefeststellung sowie Lagebeurteilung die Abteilung Fremde Heere Ost unter Gehlen zuständig war.

Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte sich Gehlen der US-Armee, trat in ihre Dienste und übernahm wenig später von den Besatzungsbehörden in der Amerikanischen Besatzungszone den Auftrag, einen Geheimdienst nach amerikanischem Vorbild mit deutschem Personal aufzubauen. Er wurde später nach ihrem Leiter Organisation Gehlen genannt. In dieser Eigenschaft gewann Gehlen eine namhafte Zahl seiner früheren Mitarbeiter dafür, nunmehr für diesen neuen Dienst zu arbeiten. Durch Übernahme der nichtstaatlichen Organisation Gehlen in die bundesdeutsche Verwaltung entstand 1956 der Bundesnachrichtendienst.

Leiter der Abteilung Fremde Heere

Abteilung beim Großen Generalstab

Abteilung T 3/Fremde Heere

weiter verantwortlich als Oberquartiermeister IV

Leiter der FHO

Leiter der FHW

Literatur

  • David Thomas: Foreign Armies East and German Military Intelligence in Russia 1941–45. In: Journal of Contemporary History Vol. 22, Nr. 2, 1987, ZDB-ID 790667-5, S. 261–301.
  • Reinhard Gehlen: Der Dienst. Erinnerungen 1942–1971. von Hase & Köhler, Mainz u. a. 1971, ISBN 3-920324-01-3.
  • Magnus Pahl: Fremde Heere Ost. Hitlers militärische Feindaufklärung. Ch. Links Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86153-694-9.
  • Spencer C. Tucker (Hrsg.): The European Powers in the First World War. An Encyclopedia. 1996, S. 337.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gerhard P. Groß: Das große Hauptquartier im Ersten Weltkrieg. De Gruyer Verlag, Oldenburg 2022, ISBN 978-3-11-078000-0, S. 120 ff.
  2. Reichswehrministerium (Hrsg.): Rangliste des Deutschen Reichsheeres für das Jahr 1926. Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1926.
  3. Bernd Remmele: Die Lohmann Affäre. Geheime Rüstungsmaßnahmen der Reichsmarine in den Zwanziger Jahren. 1997 (MA der Albert-Ludwigs-Universität Freiburgi.Br.).
  4. Reichswehrministerium (Hrsg.): Rangliste des Deutschen Reichsheeres für das Jahr 1928. Mittler & Sohn Verlag, Berlin 1928.
  5. Magnus Pahl: Fremde Heere Ost. Hitlers militärische Feindaufklärung. Ch. Links Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86153-694-9, S. 61 ff.