Adonis
Adonis (altgriechisch Ἄδωνις Ádōnis) ist eine Gestalt aus der vorderorientalischen, griechischen und römischen Mythologie und war ursprünglich wohl ein syro-phönizischer Vegetationsgott.
Herkunft
Vermutlich kommt die Gestalt des Adonis aus dem semitisch-sprachigen Raum, weil sein Name von nordwestsemitisch Adon „Herr“ abgeleitet ist. Nach anderer Auffassung ist er ursprünglich eine phrygische Gottheit, deren Mythos aber schon früh rund um das Mittelmeer verbreitet war. Er ist auch sehr dem Inanna/Dumuzi-Mythos ähnlich. In Etrurien, wo er oft als Begleiter von Turan dargestellt wurde, war Adonis unter dem Namen Atunis bekannt.
Mythos
In der griechischen Mythologie ist Adonis das Sinnbild oder der Gott der Schönheit und der Vegetation und einer der Geliebten der Aphrodite (oder ihrer römischen Entsprechung Venus). Er wird als wunderschöner Jüngling beschrieben. Da Adonis ein Nachfahre von Pygmalion ist und dessen Beziehung mit dem Fleisch gewordenen Abbild der Aphrodite entstammt, kommt auch hier das Thema Inzucht beim Menschen wieder vor. Ihre Liebe musste Aphrodite allerdings mit Persephone teilen. Zeus verfügte, dass Adonis jeweils den dritten Teil seiner Zeit bei Aphrodite oder Persephone leben sollte. Über das restliche Drittel konnte er frei verfügen. Aphrodite habe der Sage nach sein auf den Boden fallendes Blut in ein Adonisröschen verwandelt, als ihn der eifersüchtige Ares (oder seine römische Entsprechung Mars), der sich in einen wütenden Eber verwandelt hatte, tötete. Als Adonis in den Armen von Aphrodite starb, vermischte sich sein Blut mit ihren Tränen und tropfte auf die Erde. An den Stellen, die das Blut des Adonis rot färbte, wuchsen dann rote Adonisröschen (Adonis flammea).
Es gibt viele verschiedene Fassungen dieses Mythos, bei denen Adonis stirbt, ohne sich mit Aphrodite zu vereinigen, und sein Blut Blumen oder einen Fluss im Frühjahr rot färbt.[2] An Stelle von Ares und Mars erscheint auch Apoll in einigen Mythen.
All diese Mythen handeln von unerfüllter Liebe, Tod und Auferstehung und enthalten vielleicht Züge des Glaubens an eine lebenspendende Muttergöttin.
Zur Abstammung des Adonis existieren unterschiedliche Versionen:
- Sohn der Myrrha (Smyrna) und ihres Vaters, König Kinyras von Assyrien. Weil Myrrha Aphrodite nicht gebührend huldigte, wurde sie von der Liebesgöttin in blinde Liebe zu ihrem Vater versetzt. Mit der Hilfe ihrer Amme gelang es Myrrha, sich ins Schlafgemach ihres Vaters zu schleichen, ohne dass dieser sie erkannte. Als die Wahrheit ans Licht kam und sich der Vater des begangenen Inzests bewusst wurde, wollte er seine Tochter töten. Diese wurde jedoch von den Göttern in einen Myrrhenbaum verwandelt. Der Baum sprang nach zehn Monaten auf und brachte Adonis hervor, der von Nymphen aufgezogen wurde.[3]
- Sohn der Alphesiboia (Arsinoë) und des Phoinix.[4]
Deutung
Jules Michelet identifiziert Adonis, Bacchus und Sabas als orgiastische Götter, die in Rom hauptsächlich von Sklaven und Frauen verehrt wurden.[5]
Rezeption
Ovid, William Shakespeare und andere haben diesen Sagenstoff bearbeitet:
- Venus and Adonis, Verserzählung von William Shakespeare (1593); siehe WikiSource und william-shakespeare.classic-literature.co.uk
- Adone, Oper von Jacopo Peri (1611)
- Adone, Epos in 45.000 Versen von Giambattista Marino (1623)
- Adone, Oper von Claudio Monteverdi (1639)
- La púrpura de la rosa, Oper, libretto von Pedro Calderón de la Barca, Musik von Juan Hidalgo de Polanco (1660)
- Venus and Adonis, Oper von John Blow (1683)
- Venus, oder die siegende Liebe, Oper von Georg Bronner (1694)
- Der geliebte Adonis, Oper von Reinhard Keiser (1697)
- Vénus et Adone, Oper von Henry Desmarets (1697)
- La púrpura de la rosa, Oper, libretto von Pedro Calderón de la Barca, Musik von Tomás de Torrejón y Velasco (1701)
- Venus and Adonis, Oper von Johann Christoph Pepusch (1715)
- Venus und Adonis, Oper von Hans Werner Henze (1997)
Namensgeber
Nach Adonis als Sinnbild eines Schönheitsideals ist der Adonis-Komplex benannt. Dagegen bezieht sich der deutsche Name frühe Adonisjungfer für Pyrrhosoma nymphula weniger auf deren Gestalt als auf ihre – blutroten Blüten von Adonisröschen wie Adonis aestivalis ähnliche – Färbung.
Literatur
- Carlo Caruso: Adonis. The Myth of the Dying God in the Italian Renaissance. Bloomsbury, London 2013, ISBN 978-1-78093-214-9.
- Ferdinand Dümmler: Adonis 2. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,1, Stuttgart 1893, Sp. 385–395.
- Roscher: Adonis. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,1, Leipzig 1886, Sp. 69–77 (Digitalisat).
- Jutta Weiser: Adonis. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 15–26.
Weblinks
- Carlos Parada: Adonis. In: Greek Mythology Link. 1997 (englisch, abgerufen am 13. Mai 2013).
- Aaron J. Atsma: Aphrodite Loves: Adonis. In: Theoi Project. 2011 (englisch, abgerufen am 13. Mai 2013).
- Stichwort Adonis. Aus: Vollmer’s Mythologie aller Völker. Stuttgart 1874 (abgerufen am 13. Mai 2013).
Einzelnachweise
- ↑ Die Geburt des Adonis aus dem Myrrhenbaum | Guercino (zugeschrieben) | Bildindex der Kunst & Architektur – Bildindex der Kunst & Architektur. Abgerufen am 1. November 2017.
- ↑ So wird vom Fluss Adonis berichtet, dem heutigen Nahr Ibrahim im Libanon.
- ↑ Stichwort Adonis. Aus: Vollmer’s Mythologie aller Völker. Stuttgart 1874.
- ↑ Stichwort Alphesiböa. Aus: Vollmer’s Mythologie aller Völker. Stuttgart 1874.
- ↑ Jules Michelet: Bible de l’humanité. Deutsch: Bibel der Menschheit. F. Chamerot, Paris 1864 (im Internet Archive online lesen, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche, auch als E-Book).