Aktivismus (Kurt Hiller)
Aktivismus nannte sich eine von 1914 bis in die 1920er Jahre bestehende pazifistische Bewegung in Deutschland. Sie wurde von dem Schriftsteller und Publizisten Kurt Hiller gegründet und erstrebte eine „Aktivierung des Geistigen zur Herbeiführung einer neuen Menschheitsära“ (Aufbruch zum Paradies).
Der Aktivismus bildete eine Art Nebenströmung des Expressionismus. Es handelt sich um einen losen Zusammenhang vor allem von Literaten, die einen überwiegend literarisch und literaturkritisch geprägten Diskurs pflegten.[1] Den verschiedenen Richtungen dieser Bewegung gemeinsam war die pazifistisch-sozialistische Tendenz. Eines der publizistischen Organe war Das Ziel. Jahrbuch für geistige Politik. Von 1916 bis 1924 erschienen insgesamt fünf Jahrbücher, zunächst in Berlin bei Georg Müller und München, dann Leipzig (Kurt Wolff). Nach Ursula Baumeister ist Aktivismus der kulturradikale Flügel des Expressionismus und ein ästhetisches Programm.[2]
Namhafte Vertreter und Mitarbeiter an den verschiedenen Organen der Bewegung waren Heinrich Mann, Kurt Hiller, Max Brod, Walter Benjamin, Hedwig Dohm, Alfred Wolfenstein, Ludwig Rubiner, Gustav Landauer, Kurt Pinthus, Hans Blüher, Helene Stöcker, Gustav Wyneken, Hellmut von Gerlach, Richard Nikolaus von Coudenhove-Kalergi, Armin T. Wegner, Rudolf Leonhard, Walther Rilla, Hugo Sinzheimer, Rudolf Kayser, Johannes Maria Verweyen, Frank Thieß, Magnus Hirschfeld, Otto Flake, Alfred Kerr, Friedrich Bauermeister, Frederik van Eeden, Salomo Friedlaender, Otto Ernst Hesse, Hermann Kesser, Alfred Kurella, Berta Lask, Alfred Lemm, Richard Mattheus, Leo Matthias, Hans Natonek, Carl Maria Weber, Alfred Kubin, Carl von Ossietzky, Hans Koch-Dieffenbach, Arnold Ulitz, Max Deri, Felix Emmel, Karl Gareis, Theodor Haubach, Ernst Hierl und Robert Müller.
Siehe auch
- Die Aktion (expressionistische Zeitschrift)
Literatur
- Knut Cordsen: Die Weltverbesserer: Wie viel Aktivismus verträgt unsere Gesellschaft? Aufbau Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-8412-3016-4.
- Kurt Hiller: Der Aufbruch zum Paradies. Ein Thesenbuch. München Desch 1952 (Erste Ausgabe der um einen zweiten Teil erweiterten Fassung. Der erste Teil des Bandes erschien 1922 bei Kurt Wolff unter dem Titel Der Aufbruch zum Paradies. Sätze.).
- Kurt Hiller: Geist werde Herr. Berlin: Erich Reiss, 1920 (Kundgebungen eines Aktivisten vor, in und nach dem Kriege.) Der Band sammelt die frühen politischen und pazifistischen Schriften Hillers, die außerhalb der Ziel-Jahrbücher über den Bund der Geistigen und den von Hiller kreierten Aktivismus entstanden.
- Kurt Hiller (Hg.): Das Ziel. Aufrufe zu tätigem Geist. Georg Müller, München-Berlin. 1916 (Dieser 1. Band der Ziel-Jahrbücher erschien Ende 1915. Er wurde wegen seiner pazifistischen Haltung 1916 verboten. Quelle: Zeitschriften-Raabe 105.).
- Kurt Hiller: Gustav Wynekens Erziehungslehre und der Aktivismus. Hannover Steegemann. 1919 (Die Silbergäule Bd. 4).
- Paul Raabe (Herausgeber): Ich schneide die Zeit aus. Expressionismus und Politik in Franz Pfemferts "Aktion". München 1964.
- Wolfgang Rothe (Herausgeber): Der Aktivismus 1915–1920. Mit Kurzbiografien der Beiträger. Mit einem Nachwort von Rothe. Mit Beiträgen von Heinrich Mann, Kurt Hiller, Max Brod, Ludwig Rubiner, Gustav Landauer, Kurt Pinthus u. a. München, Deutscher Taschenbuch Verlag, 1969.
- Eva Kolinsky: Engagierter Expressionismus. Politik und Literatur zwischen Weltkriegs und Weimarer Republik. Eine Analyse expressionistischer Zeitschriften. Stuttgart 1970.
- Helmut Kreuzer und Günter Helmes (Hrsg.): Expressionismus – Aktivismus – Exotismus. Studien zum literarischen Werk Robert Müllers 1887–1924. Mit zeitgenössischen Rezeptionsdokumenten und einer Bibliographie. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981.
- Juliane Habereder: Kurt Hiller und der literarische Aktivismus. Zur Geistesgeschichte des politischen Dichters im frühen 20. Jahrhundert. Frankfurt: Lang 1981, ISBN 3-8204-6202-3.
- Harald Lützenkirchen: Die "Ziel" Jahrbücher, Manifeste des Aktivismus. In: Schriften der Kurt Hiller Gesellschaft. Band 1. Hrg. v. Dr. Harald Lützenkirchen. Mit 1 Porträt und 4 ganzseitigen Abbildungen. Fürth: Klaußner 2001.
- Robert Müller: Aktivistische Sätze. In: Daimon, H. 4, Wien 1918, S. 210–213.
- Robert Müller: Der schreibende Politiker. In: Die Neue Bücherschau, H. 3, 1919, S. 17–23.
- Robert Müller: Der Aktivist. In: Der Neue Merkur, 4. Jg., 1. Halbband, April–Sept. 1920, S. 183–185.
- Robert Müller: Der Kreis des Aktivismus. Ein Dialog vom aktivistischen Charakter. In: Das Ziel. Jahrbücher für geistige Politik, Bd. 4, hrsg. von Kurt Hiller, München 1920, S. 190ff.
- Robert Müller: Thomas Mann, Frankreich, Aktivismus. In: Der Neue Merkur, 5. Jg., 1921/22, S. 717–725.
- Robert Müller: Der Untergang des Geistes. In: Künstlerhilfe-Almanach der Literaria, Wien-Leipzig 1924, S. 84–96.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Gerald Raunig: Der Autor als Verräter, in: republicart.net, 10/2004 (als pdf) Vorabdruck aus Gerald Raunig: Kunst und Revolution. Künstlerischer Aktivismus im langen 20. Jahrhundert, Inhaltsverzeichnis Turia + Kant, Wien 2005, ISBN 3-85132-425-0 (Dies ist ein Beitrag über Walter Benjamins Essay Der Autor als Produzent von 1934)
- ↑ Ursula Baumeister: Die Aktion 1911-1932. Publizistische Opposition und literarischer Aktivismus der Zeitschrift im restriktiven Kontext, Palm & Enke, Erlangen 1996, ISBN 3-7896-0807-6, S. 43 (referenziert im Beitrag von Raunig 2004)