Albert von Koelliker

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Albert von Koelliker; Porträt aus: Albert Koelliker: Erinnerungen aus meinem Leben. (1899)
Köllikers Hand im Röntgenbild

Rudolf Albert von Koelliker, vor 1869 Rudolf Albert Kölliker (* 6. Juli 1817 in Zürich; † 2. November 1905 in Würzburg) war ein schweizerisch-deutscher Anatom und Physiologe, der die mikroskopische Anatomie zu einem eigenständigen medizinischen Lehrfach erhob und als Begründer der modernen, systematisch durchgeführten Gewebelehre,[1] der modernen Entwicklungsgeschichte[2] und der Zellularphysiologie gilt.[3]

Leben

Rudolf Albert Kölliker war der Sohn des Bankbeamten Johannes Kölliker (1790–1836) und der Anna Maria Katharina geb. Füßli (1796–1860). Er selbst heiratete 1848 Maria Schwarz (1823–1901), mit der er drei Kinder hatte.[4]

Kölliker studierte 1836 bis 1839 an der Universität Zürich, dann an der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn für ein Semester und anschließend bis 1841 in Berlin und in Heidelberg. Er war Schüler von Friedrich Arnold, Johannes Peter Müller, Jakob Henle (Mikroskopische Anatomie) und Christian Gottfried Ehrenberg.[5] 1841 wurde er in Zürich in Philosophie, 1842 in Heidelberg in Medizin promoviert.

Nach Tätigkeiten als Assistent und ab 1842 als Prosektor unter dem inzwischen in Zürich tätigen Jakob Henle habilitierte er sich in Zürich 1843 mit einer Arbeit über die Entwicklung wirbelloser Tiere und wurde im Jahr 1844 außerordentlicher Professor für vergleichende Anatomie und Physiologie an der Universität Zürich.

1847 erhielt er seinen Ruf an die Universität Würzburg, wo er zunächst als Ordinarius einen Lehrauftrag für vergleichende Anatomie und Experimentalphysiologie erhielt. 1848 war er Mitglied des Vorparlaments.[6] 1849 wurde er Ordinarius für Experimentalphysiologie, vergleichende Anatomie sowie für den von ihm eingeforderten Lehrstuhl für Anatomie; außerdem war er Vorstand der anthropotomischen, zootomischen und physiologischen Anstalten.[7] Seinen Lehrstuhl für vergleichende und topographische Anatomie überließ er 1858 Heinrich Müller. Den Physiologie-Lehrstuhl gab Kölliker 1865 ab. 1897 wurde Geheimrat Albert von Koelliker emeritiert, leitete aber noch bis 1902 das Institut für vergleichende Anatomie, Embryologie und Histologie.[8]

In Würzburg war er 1849 Gründungsmitglied der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft. Vor dieser Gesellschaft stellte Wilhelm Conrad Röntgen am 23. Januar 1896 die kurz zuvor entdeckten Röntgenstrahlen vor. Dabei wurde die Hand von Kölliker als Anschauungsobjekt benutzt. Nach der Vorstellung schlug Kölliker die Benennung als Röntgenstrahlen vor. Bis dahin hatte Röntgen die Bezeichnung X-Strahlen benutzt.

Kölliker im Kreise seiner Würzburger Kollegen 1850. Stehend von links: Rudolf Virchow, Kölliker; sitzend von links: Joseph von Scherer, Franz Kiwisch von Rotterau, Franz von Rinecker

Seit 1849 war Kölliker mit Carl von Siebold Herausgeber der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Darin veröffentlichte er 1864 seinen Vortrag über „die Darwin'sche Schöpfungstheorie“. Dem von Charles Darwin vorgeschlagenen Mechanismus, der Selektion von Variablen, schrieb Kölliker keine Wirkung zu. Stattdessen stellte er eine „Theorie der heterogenen Zeugung“ auf.[9] Kölliker nahm an, dass die Lebewesen unter dem Einfluss eines allgemeinen Entwicklungsgesetzes aus von ihnen gezeugten Keimen andere abweichende hervorbringen. Eine Analogie dazu sah er im Generationswechsel. Einzelne Grundformen sollten sich immer mehr entfalten und verzweigen zur Vielfalt der Lebewesen, wobei Kölliker eher sprunghafte Übergänge zwischen den Arten annahm (im Unterschied zu der allmählichen Entwicklung bei Darwin).

Um die Werke von Santiago Ramon y Cajal lesen zu können, lernte Kölliker 1889 Spanisch. Kölliker machte die Entdeckungen dieses spanischen Histologen und Nobelpreisträgers in Deutschland bekannt.

1873 hatte Kölliker die Bedeutung der viele Jahre zuvor schon von John Howship beobachteten Osteoklasten erkannt.[10] Kölliker führte für den veralteten Begriff Protoplasma den heute noch benutzten Begriff Cytoplasma für den Inhalt der Zellen von Lebewesen ein. Seine Forschungen haben weltweit das Gebiet der mikroskopischen Anatomie beeinflusst.[11]

Ehrungen und Mitgliedschaften

Orden (Bayern)

(nach den Angaben der Hof- und Staatshandbücher)

Schriften (Auswahl)

  • Verzeichniss der Phanerogamischen Gewächse des Cantons Zürich, 1839 (doi:10.7891/e-manuscripta-32362)
  • Beiträge zur Kenntniß der Geschlechtsverhältnisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Thiere. Berlin 1841 (zugleich Druckfassung der Phil. Diss. Zürich 1841).
  • Untersuchungen uber die Bedeutung der Samenfaden, 1842
  • Entwicklungsgeschichte der Tintenfische, 1844
  • Handbuch der Gewebelehre. 1852
  • Die Eruption des Aetna von 1852. In: Verhandlungen der Physikalisch-Medizinischen Gesellschaft zu Würzburg. Band 4, 1854, S. 37–43.
  • Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. Akademische Vorträge von Albert Kölliker. Engelmann, Leipzig 1861 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv)
  • Über die Darwin'sche Schöpfungstheorie (Vortrag 1864 in Würzburg). In: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie 14 (1864) S. 174–186 (auch als Sonderdruck bei Wilhelm Engelmann, Leipzig 1864, 15 Seiten)
  • Die normale Resorption des Knochengewebes. F. C. W. Vogel, Leipzig 1873.
  • Grundriß der Entwicklungsgeschichte des Menschen und der höheren Tiere. 1880.
  • Die Bedeutung der Zellenkerne für die Vorgänge der Vererbung. In: Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band 45, 1885, S. 1–46.
  • Erinnerungen aus meinem Leben. Engelmann, Leipzig 1899.

Literatur

  • Erhart Kahle: Koelliker, Albert Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 322 f. (Digitalisat).
  • Werner E. Gerabek: Koelliker, (Rudolf) Albert von. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 771 f.
  • Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert Koelliker und seine wissenschaftlichen Kontakte zum Ausland. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 2, 1984, S. 101–115.
  • Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert von Koelliker und sein Kreis. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 3, 1985, S. 127–151.
  • Thomas Sauer, Ralf Vollmuth: Briefe von Mitgliedern der Würzburger Medizinischen Fakultät im Nachlaß Anton Rulands. Quellen zur Geschichte der Medizin im 19. Jahrhundert mit Kurzbiographien. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 9, 1991, S. 135–206, hier: S. 154–157.
  • Bernd Krebs: Beiträge zur Begriffsgeschichte der Nomenklatur der Zellenlehre bis zum Anfang des 20.Jahrhunderts. Dissertationsschrift, Ruhr-Universität Bochum, Bochum 2013, S 54–55 (online).

Weblinks

Commons: Albert von Kölliker – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans Zuppinger: Albert Kölliker (1817–1905) und die mikroskopische Anatomie. Juris, Zürich 1974 (= Zürcher Medizingeschichtliche Abhandlungen. Band 101), insbesondere S. 13.
  2. Neue Deutsche Biographie, Band XII, S. 323.
  3. Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert von Koelliker und sein Kreis. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 3, 1985, S. 127–151, insbesondere S. 127–128.
  4. Erhart Kahle: Koelliker, Albert Ritter von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, ISBN 3-428-00193-1, S. 322 f. (Digitalisat).
  5. Reinhard Hildebrand: Rudolf Albert von Koelliker und sein Kreis. 1985, S. 129.
  6. Bundesarchiv: Mitglieder des Vorparlaments und des Fünfzigerausschusses (PDF-Datei; 79 kB)
  7. Georg Feser: Das Anatomische Institut in Würzburg 1847–1903. Medizinische Dissertation Würzburg 1977, S. 43–48.
  8. Thomas Sauer, Ralf Vollmuth: Briefe von Mitgliedern der Würzburger Medizinischen Fakultät im Nachlaß Anton Rulands. Quellen zur Geschichte der Medizin im 19. Jahrhundert mit Kurzbiographien. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 9, 1991, S. 135–206, hier: S. 154.
  9. Über die Darwin'sche Schöpfungstheorie, S. 181. Vgl. Franz Stuhlhofer: Charles Darwin – Weltreise zum Agnostizismus. 1988, S. 110–133: „Aufnahme des Darwinismus in Deutschland“.
  10. Hermann Ecke, Uwe Stöhr, Klaus Krämer: Unfallchirurgie. In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.): Chirurgie historisch gesehen. Anfang – Entwicklung – Differenzierung. Mit einem Geleitwort von Rudolf Nissen. Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle, Deisenhofen bei München 1973, ISBN 3-87185-021-7, S. 204–216, hier: S. 211.
  11. Rudolf Fick: Rudolf Albert Kölliker. In: Biographisches Jahrbuch und Dt. Nekrolog 10, 1907, S. 130–137.
  12. Lotte Burkhardt: Verzeichnis eponymischer Pflanzennamen. Erweiterte Edition. Botanic Garden and Botanical Museum Berlin, Freie Universität Berlin Berlin 2018. [1]
  13. Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783–2002. (PDF-Datei) Royal Society of Edinburgh, abgerufen am 28. Dezember 2019.
  14. kalliope-verbund.info