Als ich im Sterben lag

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Als ich im Sterben lag, engl. As I Lay Dying, ist ein Roman von William Faulkner, der 1930 in den USA veröffentlicht wurde und den ereignisreichen Leichenzug einer armen Farmersfamilie beschreibt.

Erstausgabe von As I Lay Dying (1930)

Inhalt

Addie Bundren, eine arme Farmersfrau, stirbt und soll in ihrer Heimatstadt Jefferson im fiktiven Yoknapatawpha County beerdigt werden. Die Ereignisse auf dem Weg dorthin, 40 Meilen über die Landstraße auf einem Mauleselgespann, werden von den Mitgliedern der Familie, von Freunden und Nachbarn erzählt, ein Staffellauf der Berichte an einen nicht in Erscheinung tretenden Protokollanten der inneren Monologe und Bewußtseinsströme.

Es wirken 15 Erzählstimmen in 59 Beiträgen mit: unter anderem der Familienvater Anse, bucklig, anfangs ohne Zähne und Gebiss, selbstmitleidig, verschlagen, faul und feige, der sich aber doch durchzusetzen weiß; der älteste Sohn Cash, etwas einfältig, aber geschickt; der zweitälteste Darl, nachdenklich, immer schon für verrückt gehalten und es schließlich werdend; der dritte, Jewel, cholerisch, hartnäckig, mutig, ein Pferdenarr; die einzige Tochter, Dewey Dell, schwanger und still, nach dem von Darl gestörten Geschlechtsverkehr mit Lafe auch mit Groll gegen Darl; der jüngste, Vardaman, etwa fünf Jahre alt; die verstorbene Addie selbst sowie – neben weiteren Figuren – der fundamentalistische Prediger Whitfield, mit dem Addie ihren Mann Anse betrogen hat.

Wenn auch der Leichenzug den Hauptstrang der Erzählung bildet, wird eine Reihe von Nebenlinien in den Reisebericht zu einem komplexen Handlungsgewebe verwoben: vor Beginn des Transports das eben noch vorgezogene schnelle Geldverdienen mit einer Fuhre Holz, das Mitreiten Jewels auf dem einst ohne Wissen der Familie gekauften Pferd, die Überwindung eines über die Ufer getretenen Flusses, der erneute Beinbruch Cashs in den Strudeln – später von der Familie mit Zement geschient, der Verlust ihres Gespanns und der Kauf eines neuen, der Missbrauch Dewey Dells – ihr von einem Arztgehilfen als Mittel gegen die Schwangerschaft verkauft, Addies allmählich geruchsintensive Leiche, die Unterordnung der Familie unter Anses Nebenziele der Reise, den Erwerb eines neuen Gebisses und Addies Schwester als neuer Frau.

Das alles macht aus dem Leichenzug eine traurigkomische Höllenfahrt, an deren Ende der Brandstifter Darl ins Irrenhaus eingeliefert wird, Dewey Dell das Geld für eine Abtreibung, Jewel sein Pferd und Cash möglicherweise einen Fuß verliert. Die Unbeirrbarkeit der Protagonisten bei der Realisierung ihres zweifelhaften Plans,[1] der mitunter lebensgefährliche Einsatz der Familie für das „richtige“ Begräbnis Addies, der „Aufruhr des rohen Lebens gegen alle edlen und höheren Absichten,“[2] macht das ganze Unternehmen zu einer Groteske.[3]

Erzählweise

Faulkner entwickelt mit diesem Figurenexperiment eine Poesie des langsamen Erzählens und des Perspektivenwechsels. Alle Figuren haben anfangs nur vage umschriebene Charaktere, die erst allmählich in den wechselseitigen Spiegelungen, in spärlichen Dialogen und Handlungen an Konturen gewinnen, wobei einiges bis zum Schluss im Undeutlichen bleibt. „Heute sind solche multiperspektivischen Erzähltechniken vertraut, doch 1930 war das eine aufsehenerregende literarische Errungenschaft.“[4]

Ausführlich widmet sich Faulkner den Alltagsphilosophien der Figuren, so z. B. Anses Ausführungen zum Thema waagrecht und senkrecht, denen Dewey Delles übers Alleinsein, Darls über Sein und Nicht-Sein, denen des Nachbarn Tull über die Festigkeit der Dinge oder denen von Addie zum Verhältnis schöner Begriffe zur Wirklichkeit, damit seine Wertschätzung der Protagonisten offenbarend. Faulkner habe seine Heimat als „Goldmine von Menschen“ geschätzt, zu denen die Mitglieder der Familie Bundren als „hochkarätige Goldstücke aus dieser Mine zählen“.[5]

Diese Figurenperspektive ermöglicht es Faulkner, die Gefühlslagen nicht von außen zu behaupten oder zu kommentieren, sondern von innen, durch Handlungen und Figurenkommentare zu zeigen. Seine Bilder nutzt er als Leitmetaphern und arbeitet am inneren Film des Lesers durch Verbindung mehrerer Ebenen von Attributen, beispielsweise solchen der Kraft, der Zeit und der existentiellen Bedeutung: „… er zerrt es weiter, langsam, schrecklich.“ Dieser neuntägige Leichenzug mit einem Maultiergespann, im Jahr 1930 in eine Zeit der Fuhrwerke rückversetzt[6] und damit archaisiert und verallgemeinert, ist eine Tour de Force oder eine Odyssee, ein Gleichnis für einen Zustand, in dem sich die Menschheit weiter voran quält.[7]

„Die tragikomische Odyssee einer armen Farmerfamilie, die sich aufmacht, den letzten Wunsch der verstorbenen Mutter zu erfüllen, gehört zu den Höhepunkten der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts.“[8]

Deutschsprachige Ausgaben

  • 1961 Als ich im Sterben lag, dt. von Albert Hess und Peter Schünemann, Zürich: Fretz und Wasmuth
  • 1961 Als ich im Sterben lag, gleiche Übersetzung, Stuttgart: Goverts
  • 1963 Als ich im Sterben lag, gleiche Übersetzung, , Frankfurt am Main: Bibliothek Suhrkamp
  • 1973 Als ich im Sterben lag, gleiche Übersetzung, Zürich: Diogenes Taschenbuch ISBN 3-257-20077-3
  • 1984 Als ich im Sterben lag, gleiche Übersetzung, Berlin/DDR: Volk und Welt
  • 2012 Als ich im Sterben lag, dt. von Maria Carlsson, Reinbek: Rowohlt ISBN 978-3-498-02133-7[9]

Weblinks

  • Davina: Meine Leseeindrücke - William Faulkner: „Als ich im Sterben lag“, in: Lyrisches Wir vom 29. März 2019, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2022 [2]
  • Eberhard Falcke: „Verwesungsgeruch und Totentanz“, in: Deutschlandfunk am 1. Juli 2012, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2022 [3]
  • Wolfgang Franken: „Hat es je einen solchen Unglücksrabe gegeben?“, in: Belletristik Couch, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2022 [4]
  • Getabstract: „Als ich im Sterben lag“, in: getabstract.com, mit ausführlicher Inhaltsangabe, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2022 [5]
  • Perlentaucher: Zusammenfassungen von Rezensionen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung und der Neuen Zürcher Zeitung, jeweils aus dem Juli 2012, zuletzt abgerufen am 16. Januar 2022 [6]

Sonstiges, Bearbeitungen

  • Die US-amerikanische Metalcore-Musikgruppe As I Lay Dying hat ihren Bandnamen dem Buchtitel entliehen, ohne zu diesem Zeitpunkt den Inhalt des Buches zu kennen.[10]
  • 2013 wurde der Roman von James Franco verfilmt. Er führte nicht nur Regie, sondern verfasste auch das Drehbuch und übernahm die Rolle des Darl Bundren.[11]
  • Hörspiel des SWR2 vom 15. Mai 2022 (drei Teile), zuletzt abgerufen am 16. Januar 2022 [7]

Einzelnachweise

  1. Addies Wunsch nach einem Begräbnis in ihrem 40 Meilen entfernten Heimatort lasse sich auch als „Rache für ein unglückliches Leben deuten“. Siehe Weblink Getabstract.
  2. Die Anstrengungen für die Erfüllung des Testaments ließen sich als „heroische Tat“ verstehen, auch wenn sie sich durch die Umstände als Groteske, als Don Quijoterie realisieren - „Sturheit“ der Familie ist eben nicht die erforderliche Tapferkeit. Vergleiche Weblink Getabstract .
  3. Darl, „der einzig Sehende wird aus der Gemeinschaft der Verblendeten ausgeschlossen“ und in eine Irrenanstalt eingewiesen, Addies Hass auf Anse wird von ihm ironisch mit bedingungslosem Einsatz beantwortet, Dewey Dell gibt sich als Mittel gegen ihre Schwangerschaft einem Arztgehilfen hin, ein gebrochener Fuß wird mit Zement geschient - ein Inventar von Absurditäten. „Mit anderen Worten: Faulkner zeigt uns, dass zur Produktion von Unglück, Unheil und Chaos keine besonderen Qualifikationen nötig sind.“ Faulkners Ironie zeige sich auch in der „haarsträubend mickrige(-n) Parodie eines Happy Ends.“ Siehe Weblinks Eberhard Falcke und Getabstract.
  4. „Durch die Aufsplitterung der Erzählperspektiven in diese vielen Figuren entsteht ein facettenreiches Bild des Geschehens, aber auch des handelnden Personals.“ Siehe Weblink Eberhard Falcke.
  5. Siehe Weblink Eberhard Falcke.
  6. Schon im Jahr 1908 lief das erste Model T von Henry Ford vom Band. Zwischen 1908 und 1927 wurden in den Vereinigten Staaten 15 Mio. Stück gebaut, und somit war es das meistverkaufte Automobil der Welt,
  7. Erzählt wird „ein großes Hindernisrennen, das sich ohne Weiteres als Gleichnis für das Dasein dieser Menschen überhaupt begreifen lässt.“ Siehe Weblink Eberhard Falcke.
  8. Siehe Weblink Getabstract.
  9. Rezensiert von Paul Ingendaay in der FAZ Nr. 155 vom 6. Juli 2012, S. 28.
  10. Interview mit Tim Lambesis (englisch), abgerufen am 21. Juli 2010
  11. [1] vgl. Eintrag auf Internet Movie Database (englisch), abgerufen am 24. März 2014