Altsächsische Sprache

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Altsächsisch (Sahsisk)
Zeitraum frühes 5. Jahrhundert bis 11. Jahrhundert

Ehemals gesprochen in

England, Nordwestdeutschland, Nordostniederlande, Süddänemark
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2

gem (Germanische Sprachen)

ISO 639-3

osx

Die altsächsische Sprache (abgekürzt As.) oder die altniederdeutsche Sprache (abgekürzt And.) ist die älteste Sprachstufe des Niederdeutschen („Plattdeutschen“). Sie wurde zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert im Siedlungsgebiet der Sachsen und der Angeln gesprochen, bildet die Vorläuferin des Mittelniederdeutschen und gehört zur Gruppe der westgermanischen Sprachen bzw. innerhalb dieser zur Gruppe der nordseegermanischen Sprachen.[1][2]

Begriffe

Der Begriff Altsächsisch bezieht sich auf das mittelalterliche Volk der Sachsen, vergleiche etwa Altalemannisch, Altbairisch, Altniederfränkisch, Altoberfränkisch, Angelsächsisch. Der Begriff Altniederdeutsch referiert auf die frühmittelalterliche Sprachstufe des Niederdeutschen, wird aber teilweise auch als Sammelbegriff für das Altsächsische und das Altniederländische (Altniederfränkische), zwei Sprachformen des Dialektkontinuums im niederdeutschen Land, gebraucht.[1] Die Bezeichnungen fügen sich in die auch bei anderen Sprachen übliche Reihung Alt-, Mittel-, Neu- plus Name der Sprache einfügen, vgl. etwa Alt-, Mittel-, Neuhochdeutsch; Alt-, Mittel-, Neuniederländisch; Alt-, Mittel-, Neuenglisch.

Historisches

Bereits im 5. Jahrhundert hatte sich die angelsächsische Sprache abgespalten, die sich in England – durchaus in Kontakt mit dem sächsischen Festland – zum Altenglischen entwickelte. Die Sprache der Angeln und Sachsen in England wird deshalb gewöhnlich nicht mehr zum Altniederdeutschen hinzugerechnet, gehörte aber über eine lange Zeit zum niederdeutschen Dialektkontinuum. Die Entwicklung der niederdeutschen Sprachformen auf dem Boden des Ostfrankenreichs, später des Heiligen Römischen Reichs ist seit der Eroberung und Zwangsbekehrung Norddeutschlands durch Karl den Großen von den hochdeutschen Mundarten beeinflusst worden.[3]

Verwandte

Dem Altsächsischen besonders ähnlich sind das Altenglische und das Altfriesische. Diese drei Sprachformen werden unter dem Begriff nordseegermanische Sprachen zusammengefasst. Weitere verwandte Sprachen sind das Altniederländische (Altniederfränkische) und das Althochdeutsche.[4][5]

Verbreitung

Das Gebiet des Altniedersächsischen im 9. Jahrhundert ist nur schlecht belegt, umfasst aber im Wesentlichen das heutige Niedersachsen, Westfalen, Lippe, Engern und Ostfalen, einschließlich der heute zu Sachsen-Anhalt gehörenden, linkselbischen Gebiete (etwa von Halle bis Magdeburg).

Im Süden verlief der Übergangsbereich zum Altfränkischen und damit zum Althochdeutschen (Mitteldeutschen) auf einer Linie von Merseburg, Göttingen, nordwestlich Kassels, Korbach bis zum Sauerland und Ruhrgebiet. Somit gehört auch der nordwestliche Teil Hessens zum altsächsischen Sprachgebiet.

Teile des Niederrheinlandes und ein Teil der Niederlande etwa nördlich vom Ruhrgebiet bis nach Groningen und im Westen bis an die Zuiderzee gehörten ebenfalls zum altniederdeutschen bzw. altniedersächsischen Sprachgebiet. Südlich davon begann das altniederfränkische bzw. altniederländische Sprachgebiet. Im Norden grenzte das Gebiet von Groningen bis nach Bremerhaven an das altfriesische Sprachgebiet sowie in Schleswig-Holstein ans altdänische und im Nordosten etwa auf der Linie Plön und bei Lüneburg die Elbgrenze entlang ans westslawische Sprachgebiet.

Quellen und Dokumente

Die altsächsischen Sprachformen sind nur in wenigen Dokumenten überliefert, so im Taufgelöbnis, das die Sachsen unter Karl dem Großen sprechen mussten, in der nur bruchstückhaft überlieferten altsächsischen Genesis und vor allem in der größten Dichtung, dem Heliand, der als episches Werk nach dem Muster germanischer Heldensagas die Geschichte von Jesus Christus erzählt. Die wenigen anderen Quellen sind zumeist Übersetzungen aus dem Lateinischen und daher in der Lexik begrenzt.

Bei der Untersuchung der schriftlichen Quellen muss zudem bedacht werden, dass sie meist nicht von Sachsen, sondern von Franken oder Baiern aufgezeichnet wurden, die vermutlich der sächsischen Sprache nur begrenzt mächtig waren. Erheblich reichhaltiger ist die Quellenlage für den angelsächsischen Raum, beispielsweise das Beowulf-Epos.

Merkmale

Das Altsächsische zeigt zahlreiche ingwäonische Merkmale, wie das Nasal-Spirans-Gesetz. Dieses beschreibt, dass die Kombinationen von Vokal-Nasal-Spirans in späteren Sprachstufen den Nasallaut verloren. Anders als das Englische und Friesische hat das Niedersächsisch jedoch viele Nasale später neu aufgenommen:

Sprache Historischer Sprachstand Moderner Sprachstand Historischer Sprachstand Moderner Sprachstand
Urgermanisch *uns *gans
Altfriesisch/Westfriesisch ūs ús gōs goes
(Alt-)Englisch ūs us gōs goose
Altsächsisch/Niederdeutsch ūs us gās Goos (mundartlich auch Gaus)
Altfränkisch/Niederländisch uns ons gans gans
(Alt-)Hochdeutsch üns uns gans Gans

Grammatik

Konjugation

Das Altsächsische weist im Gegensatz zum Althochdeutschen einen Einheitsplural auf, allerdings in zwei unterschiedlichen Formen, ind.prs.pl. -ad, konj.prs.pl. -en. In der späteren (nach-as.) Sprachentwicklung sind Indikativ und Konjunktiv (Optativ) Präsens zusammengefallen, wobei die Formen des (modernen) Westniederdeutschen auf dem as. Indikativ (-et), die des Ostniederdeutschen und Niederländischen auf dem as. Konjunktiv (-en) beruhen (Wiesinger 1983, S. 824):[6]

as. ahd.
Indikativ
1.pl farad farên
2.pl farad faret
3.pl farad farent
Optativ (Konjunktiv)
1.pl faren farên
2.pl faren farêt
3.pl faren farên

Sprachprobe

Sprachprobe aus dem Heliand; der Abschnitt entspricht in episch nacherzählender Form den Anfangsversen des 2. Kapitels aus dem Evangelium nach Lukas:

Thô ward fon Rûmuburg rîkes mannes
obar alla thesa irminthiod Octaviânas
ban endi bodskepi obar thea is brêdon giwald
cuman fon them kêsure cuningo gihuilicun,
hêmsitteandiun sô wîdo sô is heritogon
obar al that landskepi liudio giweldun.
Hiet man that alla thea elilendiun man iro ôdil sôhtin,
helidos iro handmahal angegen iro hêrron bodon,
quâmi te them cnôsla gihue, thanan he cunneas was,
giboran fon them burgiun. That gibod ward gilêstid
obar thesa wîdon werold.

Da geschah von Rom aus, (dass) des herrschenden Mannes
über alle diese Menschheit, Octavians,
Bann’ und Botschaft an die, über die er breite Gewalt hatte,
gekommen (ist) von dem Kaiser, an jegliche Könige
Fürsten (und), soweit seine Herzöge
über alle diese Landschaft die Leute beherrschten.
(Darin hieß es), dass (alle) im Ausland (lebenden) Menschen ihre Heimat aufsuchen sollten,
die Helden ihren Stammsitz, ihrer Herren Boden entgegen,
ein jeder käme zu der Sippe, von der er Abstammung habe,
zu der Burg, von der er geboren sei. Das Gebot wurde befolgt
über diese weite Welt.

Literatur

  • Johan Hendrik Gallée: Altsächsische Grammatik. Mit Berichtigungen und Literaturnachträgen. Nach Wendelin Försters letzter Ausgabe in Auswahl bearbeitet und mit Einleitung und Glossar versehen. Mit Beiträgen von Johannes Lochner. Bearbeitet von Heinrich Tiefenbach (= Sammlung kurzer Grammatiken germanischer Dialekte. A: Hauptreihe, Band 6). Niemeyer, Tübingen 1993 (1. Auflage 1891, 2. Auflage 1910).
  • Steffen Krogh: Die Stellung des Altsächsischen im Rahmen der germanischen Sprachen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996.
  • Rudolf Schützeichel (Hrsg.): Althochdeutscher und Altsächsischer Glossenwortschatz. Bearbeitet unter Mitwirkung zahlreicher Wissenschaftler des In- wie Auslandes und im Auftrag der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. 12 Bände, Tübingen 2004.
  • Heinrich Tiefenbach: Altsächsisches Handwörterbuch. A Concise Old Saxon Dictionary. de Gruyter, Berlin 2010.

Weblinks

Wiktionary: altsächsisch – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. a b Steffen Krogh: Die Stellung des Altsächsischen im Rahmen der germanischen Sprachen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 3-525-20344-6, S. 70, 83–84.
  2. Claus Jürgen Hutterer: Die germanischen Sprachen. Ihre Geschichte in Grundzügen. Akadémiai Kiadó Budapest 1975 bzw. C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1975, ISBN 3-406-05292-4, S. 244.
  3. Claus Jürgen Hutterer: Die germanischen Sprachen. Ihre Geschichte in Grundzügen. 2. Auflage. Drei-Lilien-Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-922383-52-1, Kap. IV.3.61, S. 243.
  4. Claus Jürgen Hutterer: Die germanischen Sprachen. Ihre Geschichte in Grundzügen. 2. Auflage. Drei-Lilien-Verlag, Wiesbaden 1987, ISBN 3-922383-52-1, Kap. IV.3.1, S. 195.
  5. Adolf Bach: Geschichte der deutschen Sprache. 9. Auflage. VMA-Verlag, Wiesbaden 1970, DNB 730244261, S. 78 ff., § 44.
  6. WIESINGER, P. (1983). Areale Bereiche deutscher Dialekte im Überblick. BESCH, Werner/KNOOP, Ulrich/PUTSCHKE, Wolfgang/WIEGAND, Herbert Ernst (eds.), 789–900.