Anatolischer Leopard

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Anatolischer Leopard

Präparierter Anatolischer Leopard im Nationalmuseum Georgiens

Systematik
Unterordnung: Katzenartige (Feliformia)
Familie: Katzen (Felidae)
Unterfamilie: Großkatzen (Pantherinae)
Gattung: Eigentliche Großkatzen (Panthera)
Art: Leopard (Panthera pardus)
Unterart: Anatolischer Leopard
Wissenschaftlicher Name
Panthera pardus tulliana
(Valenciennes, 1856)
Ein ähnlich aussehender Persischer Leopard
Verbreitungsgebiet

Der Anatolische Leopard (Panthera pardus tulliana), auch Kleinasiatischer Leopard, ist eine Unterart des Leoparden, die in der Türkei und im Südkaukasus vorkommt. Das Taxon ist vom Aussterben bedroht und es ist unklar, ob es überhaupt noch lebende Exemplare gibt.

Geschichte

Knochenfunde aus frühbronzezeitlichen und frühchalkolithischen Kontexten des Çukuriçi Höyük legen nahe, dass Leoparden schon vor über 6000 Jahren in Anatolien gejagt wurden. Auch bildliche Überlieferungen in Çatalhöyük legen dies nahe.[1] Der anatolische Leopard wurde zuerst anhand eines Felles von Achille Valenciennes beschrieben. Dieser Leopard war im äußersten Westen Kleinasiens bei Izmir geschossen worden.[2]

Taxonomie

Die systematische Stellung des Anatolischen Leoparden ist noch nicht restlos geklärt. Bei der IUCN ist Panthera pardus tulliana derzeit ein Synonym von Panthera pardus ciscaucasica (Persischer Leopard).[3] Die Form könnte aber auch eine eigene Unterart von Panthera pardus bilden.[4]

Merkmale

Der anatolische Leopard ist dem persischen Leoparden in Aussehen und Fellfärbung sehr ähnlich. Seine Kopf-Rumpf-Länge beträgt 100 bis 150 cm, die Schwanzlänge 60 bis 70 cm. Das Gewicht kann bis zu 90 kg betragen.[5]

Verbreitung und Lebensraum

Anfangs galt der Lebensraum als beschränkt auf den Westen der Türkei.[6] Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des anatolischen Leoparden war aber wohl der ägäische Raum der Türkei, die Region um Adana, die Region des Euphrats, der Nordosten des Landes und die Berge südlich des Vansees.[7]

1974 wurde ein Leopard in Bağözü bei Beypazarı getötet, als er eine Frau angriff. 30 Jahre lang galt dies als letzte bestätigte Sichtung eines Leoparden.[8][9] Da es seit den 1980er Jahren in dieser Region gar keine Sichtungen von Leoparden mehr gab, zweifelten Zoologen, ob es dort noch Leoparden gäbe. Sichtungsberichte aus der Region um Alanya im Südwesten der Türkei führten zu Vermutungen, dass es in den 1990er Jahren noch eine kleine Population zwischen Finike, Antalya und Alanya geben könnte. Frische Kotspuren wurden 1992 dann im Nationalpark Termessos gefunden.[10] Untersuchungen und Befragungen Mitte der 2000er Jahre legten allerdings nahe, dass es zu diesem Zeitpunkt auch hier keine Exemplare mehr gab.[11]

Während Untersuchungen in den Jahren 1993 bis 2002 fanden Zoologen Hinweise darauf, dass es in den höheren Waldgebieten und den alpinen Zonen des Pontischen Gebirges im nördlichen Anatolien noch Leoparden geben könnte, deren Unterart-Zugehörigkeit allerdings unbekannt ist.[8] In dieser Region gehören zu den möglichen Beutetieren Huftiere, wie Hirsche, Gämse, Ziegen, Wildschweine, aber auch Feldhasen und Kaukasus-Birkhühner.[8] Auch im georgischen Nationalpark Tuscheti soll es Exemplare geben.[12]

2010 wurde ein Leopard in der Provinz Siirt getötet. Die erste Fotografie eines anatolischen Leoparden gelang im September 2013 mit einer Kamerafalle in der Provinz Trabzon am Schwarzen Meer.[13] Im November 2013 wurde ein Leopard aus Selbstschutz in der Provinz Diyarbakır getötet.[14] Eine DNA-Analyse ergab, dass es sich allerdings um einen persischen Leoparden handelte.[15]

Heute ist unklar, ob es noch eine nennenswerte Population der Tiere in der Türkei gibt. Es ist davon auszugehen, dass Trophäenjagden wohl als wesentlicher Faktor für das Aussterben der Tiere verantwortlich sind. So tötete alleine ein Jäger zwischen 1930 und 1950 mindestens 15 Leoparden.[9]

Der Kaplani von Samos

Im Naturgeschichtliche Museum der Ägäis auf Samos wird ein ausgestopfter Leopard ausgestellt, der in den 1870er Jahren auf der Insel geschossen wurde. Er wird als Kaplani, griechisch Καπλάνι bezeichnet und es wird vermutet, dass der Leopard aus Kleinasien auf die Insel kam. Größe, Aussehen und Fellfarbe sind allerdings eher ungewöhnlich für einen Leoparden, dies könnte aber an dem unsachgemäßen Konservierungs- und Taxidermieprozess liegen.[16] Die Geschichte des Leoparden inspirierte die griechische Autorin Alki Zei zu der Kindergeschichte „Wildkatze unter Glass“ (griechisch Το καπλάνι της βιτρίνας).[17][18]

Das Tier lebte in einer Höhle und unternahm Jagden in der Umgebung auf das Vieh der Bauern und Schäfer. Die kamen auf die Idee, die Höhle mit schweren Steinen zu verschließen, sodass das Tier an Hunger und Durst sterben würde. Nach drei Monaten öffnete Gerasimos Gliarmis die Höhle und kletterte unbewaffnet hinein. Der Leopard hatte überlebt und griff den Dorfbewohner an. Gliarmis’ Bruder Nikolaos konnte seinem Bruder zu Hilfe eilen und tötete das Tier. Gerasimos Gliarmis war bei dem Angriff der Wildkatze schwer verletzt worden und starb wenig später an einer Infektion. Ob diese Geschichte der Wahrheit entspricht, ist allerdings unklar.[16]

Weblinks

Commons: Anatolischer Leopard (Panthera pardus tulliana) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. A. Galik, B. Horejs, B. Nessel: Der nächtliche Jäger als Beute. Studien zur prähistorischen Leopardenjagd. In: Prähisthistorische Zeitschrift, 2012, 87 (2), S. 261–307, degruyter.com (PDF)
  2. M. A. Valenciennes: Sur une nouvelles espèce de Panthère tuée par M. Tchihatcheff à Ninfi, village situé à huit lieues est de Smyrne. In: Comptes rendus hebdomadaires des séances de l’Académie des sciences, Nr. 42, 1856, S. 1035–1039
  3. Panthera pardus in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN. Eingestellt von: I. Khorozyan, 2008.
  4. Igor G. Khorozyan, Gennady F. Baryshnikov, Alexei V. Abramov: Taxonomic status of the leopard, Panthera pardus (Carnivora, Felidae) in the Cuacasus and adjacent areas. In: Russian J. Theriol., 5(1), 2006, S. 41–52
  5. Der anatolische Leopard in der Zootierliste
  6. O. E. Can: Status, conservation and management of large carnivores in Turkey. Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats. Standing Committee, 24th meeting, 29 November-3 December 2004, Strasbourg 2004.
  7. Turhan Baytop: Neue Beobachtungen über die Verbreitung des kleinasiatischen Leoparden (Panthera pardus tulliana) in der Türkei. In: Zoologisches Bulletin, Heft 3, 24/1973, S. 183 f.
  8. a b c Sagdan Baskaya, Ertugrul Bilgili: Does the leopard Panthera pardus still exist in the Eastern Karadeniz Mountains of Turkey? In: Oryx, Vol. 38, Nr. 2, April 2004, S. 1–5, ktu.edu.tr (PDF; 108 kB)
  9. a b M. Ertüzün: The last Anatolian Panther. 2006
  10. B. Ullrich, M. Riffel: New evidence for the occurrence of the Anatolian Leopard, Panthera pardus tulliana (Valenciennes, 1856), in Western Turkey. In: Zoology in the Middle East, 1993, 8 (1), S. 5–14
  11. G. Giannatos, T. Albayrak, A. Erdogan: Status of the Caracal in Protected Areas in Southwestern Turkey. In: Cat News, 2006, 45, S. 23–24
  12. Naturschutzgebiete & Nationalparks. Georgia Insight; abgerufen am 12. April 2016
  13. “Panthera pardus” spotted in Turkey. World Bulletin, 11. September 2013.
  14. Anatolischer Leopard wurde schon einmal beschossen. Focus Online, 6. November 2013
  15. DNA-Analyse: Getöteter Leopard stammte nicht aus Anatolien. (Memento des Originals vom 12. April 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de Deutsch-Türkische Nachrichten, 20. November 2013
  16. a b Marco Masseti: Homeless mammals from the Ionian and Aegean islands. In: Bonn zoological Bulletin, 57 (2), 2010, S. 367–373, alt.zfmk.de (Memento vom 22. März 2016 im Internet Archive) (PDF)
  17. Alki Zei: Το Καπλ́ανι τ́ης βιτρ́ινας μυθιστ́ορημα. Κ́ερδος, Athen
  18. Alki Zei: Wildcat under Glass. Holt, Rinehart & Winston, New York 1968