Anglo-Romani

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Angloromani

Gesprochen in

Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich[1], Australien Australien, Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten, Sudafrika Südafrika
Sprecher 195.000
Linguistische
Klassifikation
Sprachcodes
ISO 639-3

rme

Angloromani (engl.

Angloromani, Anglo-Romani, Anglo-Romany

; Eigenbezeichnung: Romanichal) ist eine Sprache, die Aspekte des Englischen mit denen des Romani kombiniert.

'Angloromani' ist ein Begriff, der benutzt wird, um die Verwendung von Wörtern mit Romani-Ursprung im Rahmen einer Unterhaltung auf Englisch zu beschreiben. Romani wurde in England bis ins späte 19. Jahrhundert gesprochen; vielleicht eine Generation länger in Wales. Es wurde durch Englisch als Alltags- und Familiensprache der britischen Romani ersetzt, aber das bedeutet nicht, dass die Sprache vollständig verschwunden wäre. Wörter mit Romani-Ursprung wurden noch als Teil einer Familiensprache benutzt. Wörter, die gelegentlich in auf Englisch geführte Unterhaltungen eingefügt werden, werden in der linguistischen Literatur über Romani als 'Para-Romani' bezeichnet: Die selektive Beibehaltung einiges aus dem Romani abgeleiteten Vokabulars folgt dem Verschwinden des Romani als einer alltäglichen Konversationssprache.

Angloromani ist daher eher ein Vokabular als eine ‘Sprache’ in engeren Sinne. Es wird im Rahmen englischer Unterhaltung, englischen Sätzen und englischer Grammatik sowie Aussprache verwendet, wie:

The mush was jalling down the drom with his gry. Bedeutet: 'Der Mann ging mit seinem Pferd die Straße runter.'[2]

Der Edinburgher Slang enthält auch eine große Zahl aus dem Romani abgeleiteten Wörter. Einige Wörter wie pal (ursprünglich ‘Bruder’) sind in den allgemeinen englische Sprachgebrauch eingegangen.[3]

Historische Dokumentation des Angloromani

Bis vor kurzem wurde dem Angloromani akademischerseits sehr wenig Beachtung geschenkt.

Die jüngste Entdeckung eines Dokuments (

Winchester confessions

) aus dem 17. Jahrhundert weist darauf hin, dass das britische Romani selbst (nur) ein Dialekt des nördlichen Zweiges des Romani ist, das eine enge Ähnlichkeit mit dem walisischen Romani aufweist.[4] Wie dem auch sei, hat sich die Sprache im modernen Kontext verschlechtert durch das auf dem Indischen basierende Vokabular, Morphologie und Einflüsse aus dem Griechischen und anderen Balkansprachen des 17. Jahrhunderts zu einem Para-Romani Dialekt typisch für das moderne Angloromani mit Satzendungen beeinflusst durch das Englische, während das walisische Romani (

Welsh Romani

) das originale grammatische System beibehält.

Historisch gesehen bildeten die walisischen und englischen Varianten des Romani eine Variante des Romani,[5] besitzen gemeinsame Charakteristika und sind historisch eng verwandt mit Dialekten in Frankreich, Deutschland (Sinti), Skandinavien, Spanien, Polen, Nordrussland und den baltischen Staaten. Diese Dialekte wurden von der ersten Welle der Romani-Einwanderer nach West-, Nord- und Südeuropa im späten Mittelalter abgeleitet.[6] Da nur wenige Dokumente bis heute überleben, heben die (Winchester confessions) ca. 1616 A.D. die Varianten des englischen Romani hervor und enthalten eine hohe Zahl an Wörtern, die noch immer in den modernen nordeuropäischen Romani-Dialekten verwendet werden und auch bis vor kurzen im Welsh Romani.[7]

Beispiele:

Balovas (pig meat bacon) Lovina (beer, alcohol) ruk (tree) Smentena (cream) Boba (beans) Folaso (glove)

All solche Wörter tauchen in allen westlichen Dialekten des Romani auf mit nur wenigen englischen Lehnwörtern.[8]

Dennoch haben die Winchester confessions, die die grammatikalischen Strukturen des Englischen beleuchtet, Sprecher des Angloromani (innerhalb eines Londoner Kontextes, wo das Dokument angesiedelt wird) eher zu einer (adjective-noun) Konfiguration beeinflusst als zu einer (noun-adjective) Konfiguration der anderen Romani-Dialekte, einschließlich des modernen Welsh Romani. Das Dokument legt eine komplette Trennung zwischen Thieves' Cant und der Variante des Angloromani jener Zeit nahe.[9] Dies führt zu einer besonderen Implikation bei der Datierung und der Entwicklung des Angloromani und der Abspaltung des Welsh Romani. Eine diesbezügliche Studie[4] glaubt, dass Angloromani-Sprecher allmählich ihre distinktive Syntax, Phonologie und Morphologie verloren, während andere führende Zeitgenossen[10] glauben, dass das Angloromani sich schon relativ kurz nach Ankunft der Romani-Gemeinschaften im 16. Jahrhundert entwickelt hat, ähnlich wie das Pidgin oder Creolsprachen[10]

Angloromani entwickelte sich bereits im 17. Jahrhundert, obwohl diese Veränderung aus dem ursprünglichen English Romani unklar war. Die (Winchester Confessions) widerlegen einen plötzlichen morphologischen Wandel.[11] und tendiert zu einer strikten linguistischen Trennung zwischen einer Gaunersprache (Cant) und dem Angloromani, dessen Sprecher eine separate und distinkte Romani-Sprache verwendeten, wenn sie untereinander sprachen. Diese Situation existierte hundert Jahre später, wie James Poulter 1775 bezeugt, da “the English Gypsies spoke a variant of their own language that none other could understand” (Deutsch: die englischen Zigeuner eine Variante ihrer eigenen Sprache sprachen, die niemand anders verstehen konnte), was anzeigt, das die Sprache sich von der üblichen “Canting tongue” (Deutsch: Gaunersprache) Englands unterschied. Das Romani jener Zeit war eine Sprache für die Alltagskommunikation, der täglichen Praxis und keine Geheimsprache.

Das ursprüngliche Romani wurde ausschließlich als Familien- oder Clan-Sprache während gelegentlicher Treffen zwischen verschiedenen Romani-Clans verwendet. Es war keine Schriftsprache, eher eine Gemeinsprache (

It was not a written language, but more “conversational language”

), die von Familien benutzt wurde, um die Unterhaltungen untereinander in der Öffentlichkeit (z. B. auf Märkten) für andere unverständlich zu machen. Es wurde in keiner Schulverwaltung oder Verwaltung verwendet und es gab dafür auch keine Bezeichnungen. Derartige Ausdrücke wurden einfach aus dem Englischen entlehnt. Trotzdem prägten Romani-Sprecher neue Begriffe, um die Sprache für Außenstehende unverständlich zu machen, die eine Kombination oder Variation des ursprünglichen englischen Ausdrucks waren. Beispielsweise wird ein ‘Förster’ veshengro genannt, aus dem Romani-Wort vesh für ‘Forst’; ein ‘Restaurant’ ist ein habbinkerr aus den Wörtern habbin ‘Nahrung’ und kerr ‘Haus’, also wortwörtlich ‘Nahrungshaus’; und ein ‘Bürgermeister’ ist ein gavmoosh, aus den Wörtern gav ‘Dorf, Stadt’ und moosh ‘Mann’, wortwörtlich ‘Stadt-Mann’. Allmählich begann das British-Romani seine Sprache zugunsten des Englischen aufzugeben, obwohl eine große Anzahl Vokabular beibehalten wurde, welches heute gelegentlich in bei Unterhaltung auf Englisch einfließt – als Angloromani.[12]

Seine Wurzeln sind in Indien und der Kern des Vokabulars und der Grammatik ähnelt immer noch modernen indischen Sprachen wie Urdu, Kashmiri oder Punjabi. Linguisten haben die Dialekte des Romani seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts untersucht und, obwohl keine schriftlichen Dokumente der Sprache existieren, war es möglich, die Entwicklung des Romani von den mittelalterlichen Sprachen Indiens bis zu den heutigen, in Europa gesprochenen Formen zu rekonstruieren. Obwohl die Sprache im Kern ähnlich bleibt, ist es manchmal ziemlich schwierig für Romani-Leute aus verschiedenen Regionen, einander zu verstehen, wenn sie zuvor noch keinerlei anderen Dialekten ausgesetzt waren.

Verflechtung (“Intertwining”)

Angloromani ist eine Mischsprache mit den Basissprachen Romani und Englisch (manchmal bezeichnet als Para-Romani in Romani-Linguistik).

Einige englische lexikalische Begriffe, die entweder archaisch sind oder die es nur noch in idiomatischen Ausdrücken im Standard-Englisch überlebten im Angloromani, z. B. moniker (Deutsch: Name, Spitzname) und swaddling (Deutsch: Windeln, Windel-).

Dialektale Variation

Innerhalb des Angloromani gibt es vier Dialekte:

  • Südwalisisches und englisches Angloromani

Diese Dialekte haben ihren Ursprung dort, wo verschiedene Gruppen sich ursprünglich niederließen, als sie in das Vereinigte Königreich kamen. Die Mitglieder dieser Gruppen halten nicht nur ihre Dialekte für unterschiedlich, sondern auch ihre verschiedenen ethnischen Gruppen. Zur Zeit der Besiedelung spiegelten diese Unterteilungen in etwa die geografische Verteilung wider. Sie reisten zwar umher, jedoch waren ihre Wanderungen relativ lokal begrenzt bis Migrationen modern wurden.[13]

Phonologie und Syntax

Romani besaß eine phonemische Unterscheidung für /r/ – eines mit Zungenschlag und einen stimmhaften uvularen Frikativ, die im Angloromani verloren gegangen und durch ein einziges gerolltes /r/ ersetzt worden sind. Angloromani hat auch die phonemische Unterscheidung zwischen aspirierten und nicht-aspirierten Verschlusslauten verloren. Insgesamt gesehen spiegeln die Konsonanten des Angloromani das Konsonantensystem des

Standard British English

mit folgenden Ausnahmen:

  • Angloromani umfasst in manchen Dialekten den Konsonant /x/.
  • Angloromani ist rhotisch sogar in den Teilen des Landes, die nicht-rhotisch sind.

Romani lässt zwei Wortstellungen (Satzgliedstellungen) zu: SVO und VSO. Angloromani hat ausschließlich die SVO-Wortstellung.

Negation wird im Romani durch das Wort ‘kek’ bewirkt, z. B.

  • măndī can kek ker lĭs – “Ich kann es nicht tun”
  • there’s kekə pani left in kŭvə kurī – “Es gibt kein Wasser mehr in diesem Eimer”

Anm.: ‘Pani’ bedeutet im Hindi ebenfalls ‘Wasser’

Das Hilfsverb “sein” kann optional weggelassen werden:

  • tūte kūšta diken muš – “Du (bist) (ein) gutaussehender Mann”
  • tūte rinkna râne – “Du (bist) (eine) hübsche Frau”

Reduplikation wird zur Betonung eingesetzt, wie in:

  • dūvrī – “entfernt, weit weg”
  • dūvrī-dūvrī – “sehr/ganz weit weg”

Morphologie

Bis ins Jahr 1547 war das Romani eine Sprache mit fusionalem Sprachbau (Englisch: „inflected language“), die zwei Geschlechter, Plural und Fallendungen verwendet.

Auf Angloromani wird erstmals in den Jahren 1566–67 Bezug genommen.

Um das Jahr 1873 begannen – gemäß Leland – Personalpronomen im Romani inkonsistent markiert zu werden. Leland fällt des Weiteren auf, dass die Fallunterscheidung anfing sich insgesamt aufzulösen und dass die Markierung des Geschlechts auch verschwand. Borrow hält im Jahre 1874 fest, dass einige Romani-Sprecher immer noch eine vollständige Inflektion, während andere wiederum die englische Syntax mit Romani-Wortschatz verwenden. Um das Jahr 1876 scheint es, dass die Geschlechterunterscheidung nicht mehr gesehen wurde, allerdings wurden weiterhin die Pluralformen des Romani festgestellt gemeinsam mit der englischen Verbkonjugation. Im Jahre 1923, als noch der ein oder andere Plural mit Nomen verwendet wurde, wurden bereits nur noch englische Präpositionen anstelle von Postpositionen des Romani. Der derzeitige Gebrauch hat fast jegliche Morphologie des Romani eingebüßt und verwendet stattdessen die englische Morphologie zusammen mit Wörtern (Englisch: „lexical items“) aus dem Romani.

Beispiele für das Angloromani

Das Anglo-Romani Project, eine Initiative der Romani-Gemeinschaft von Blackburn und des Lancashire Traveller Education Service (Deutsch: Bildungsdienst für Fahrendes Volk, Lancashire), ist im Besitz von Mustern von Gesprächen in Angloromani sowie Dokumentationen, die es mit dem Ziel gesammelt hat, den Wortschatz des Angloromani und dessen regionale und Dialektvariation aufzuzeigen.

Gesprächsbeispiele und ihre Bedeutung können hier gefunden werden: Samples of Anglo-Romani, Audio files (Memento vom 5. Mai 2007 im Internet Archive)

Mustertext Vaterunser:

Moro Dad, so see adré mi Duvelesko keri, te wel teero kralisom; Too zee be kedo adré chik, jaw see adré mi Duvelesko keri. Del mendi kova divvus moro divvusly mauro; ta fordel mendi moro wafedo-kerimus, pensa mendi fordels yon ta kairs wafedo aposh mendi, ta lel mendi kek adré wafedo-kerimus. Jaw keressa te righer mendi avrí wafedo. Jaw see ta jaw see.
Wester Boswell,
with a little help in paraphrasing the English
.[14]

Literatur

  • Thomas Acton: The Value of “Creolized” Dialects of Romanes (Deutsch: Der Wert von „kreolisierten“ Dialekten des Romanes). In: International Symposium Romani Language and Culture. Sarajevo 1989
  • Thomas Acton und Gerwyn Davis: Educational Policy and Language Use Among English Romanies and Irish Travellers (Tinkers) in England and Wales (Deutsch: Erziehungspolitik und Sprachverwendung unter englischen Romani und Irish Travellers (Tinkers)). In: International Journal of the Sociology of Language. Band 19–22, 1979, S. 91–110
  • Thomas Acton, Vangelis Marselos und Laszlo Szego: The Development of Literary Dialects of Romanes, and the Prospects for an International Standard Dialect. In: Thomas Acton and Morgan Dalphinis (Hrsg.): Language, Blacks, and Gypsies. Whiting and Birch, London 2000
  • George Borrow, George Henry Borrow: Romano Lavo-Lil. Hazell, Watson & Viney, London 1923
  • David Deterding: The formants of monophthong vowels in Standard Southern British English pronunciation. In: Journal of the International Phonetic Association. Band 27, 1997, S. 47–55
  • Ian Hancock: Duty and Beauty, Possession and Truth: The Claim of Lexical Impovershment as Control. In: Diane Tong (Hrsg.): Gypsies: A book of interdisciplinary readings. Garland Publishers, New York 1996
  • Charles Godfrey Leland: The English Gipsies and Their Language (Deutsch: Die englischen Zigeuner und ihre Sprache), 1874, Sprache: Englisch; Download siehe Weblinks

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Thomas Acton und Donald Kenrick (Hrsg.): Romani rokkeripen to-divvus. Romanestan, London 1984.
  2. The Romani Project, Manchester (Memento vom 18. Februar 2007 im Internet Archive)
  3. BBC Website ‘Languages of the UK’, 2004.
  4. a b Kenrick. Donald. S. (1971) The sociolinguistics of the development of British Romani. In current changes of British Gypsies and their place in international patterns of development. Thomas Action, ed. (Deutsch: Die Soziolinguistik der Entwicklung des britischen Romani. In: Der aktuelle Wandel britischer Zigeuner und ihre Stellung in internationalen Entwicklungsmustern. Thomas Action, Hrsg.)
  5. J. Sampson: The Dialect of the Gypsies of Wales (Deutsch: Der Dialekt der Zigeuner von Wales). Chlarendon Press, Oxford 1926.
  6. Bakker: Review of McGowan, The Winchester Confessions. In: Journal of the Gypsy Lore Society. 5. Serie, Band 7, Heft 1, 1997, S. 49–50.
  7. J. Sampson: The Dialect of the Gypsies of Wales. Chlarendon Press, Oxford 1926.
  8. B. C. Smart und Crofton H. T.: The Dialect of the English Gypsies. Asher & Co., London 1875
  9. Alan McGowan: The Winchester confessions 1615–1616. Romani and Traveller History Society, 1996
  10. a b Hancock. Ian. F. (1971). Comment on Kenrick. In Proceedings in the research and conference of policy the National Gypsy Council. Thomas action, ed. Oxford national Gypsy education council. (Deutsch: Kommentar zu Kenrick. In: Vorgehensweisen in der Forschung und Strategiekonferenz des Nationalen Zigeunerrates.)
  11. Baaker: An early vocabulary of British Romani (1616): a linguistic analysis. (Deutsch: Ein frühes Vokabular des British Romani (1616): Eine linguistische Analyse). In: Romani studies. 5. vol 12, 2002.
  12. BBC Website ‘Languages of the UK’, 2004. (Memento vom 3. Juli 2007 im Internet Archive) (PDF; 76 kB)
  13. Anglo-Romani: The Mixed Language of Romani Peoples (Deutsch: Angloromani: Die Mischsprache der Romani-Völker), Krislyn McWilliams, Manuela Nelson, & Meghan Oxley (PDF; 344 kB)
  14. B. C. Smart & H. T. Crofton: The Dialect of the English Gypsies. 2. Aufl., London, 1875, S. 225f. als Pater noster. Vgl. S. 191: „
    these compositions are (as far as our experience goes) written in the "deepest" English Rómanes extant.