Anwendung des Esperanto
Die Anwendung des Esperanto findet überwiegend im privaten Rahmen innerhalb der Esperanto-Sprachgemeinschaft statt. Außerhalb dieses privaten Rahmens wird die Plansprache nur vereinzelt angewendet, so bieten einige Staaten auch Radio-Programme oder Broschüren in Esperanto an.
Trivia
Für Esperantosprecher werden lokale, nationale und internationale Kongresse, Seminare, Kulturveranstaltungen und Feste angeboten. Darüber hinaus sind Internetforen und Chaträume auf Esperanto verfügbar.
Ein internationaler Gastgeberdienst namens Pasporta Servo informiert über Esperantosprecher, die bereit sind, andere Esperantosprecher kostenlos für eine kurze Zeit bei sich übernachten zu lassen. Brieffreundschaften auf Esperanto vermitteln beispielsweise der Korrespondenzdienst Koresponda Servo Mondskala[1] und Edukado.net.[2] Weit wichtiger als Brieffreundschaften ist heute aber die Kommunikation per Internet über E-Mail, Mailingliste oder Voice over IP.
Literatur auf Esperanto
Bei der esperantosprachigen Literatur unterscheidet man zwischen Übersetzungen und original auf Esperanto verfassten Werken.
Die ersten längeren Texte im Esperanto waren Übersetzungen von Werken der Weltliteratur, der erste Originalroman erschien 1907. Eine Blüte der originalen Literatur war erst nach dem Ersten Weltkrieg zu verzeichnen.
Autoren, die heute auf Esperanto schreiben, sind beispielsweise der Satiriker Jorge Camacho aus Spanien, die Kroatin Spomenka Štimec und der Schwede Sten Johansson. Als die Grande Dame der Esperanto-Literatur gilt die Engländerin Marjorie Boulton.
Radio, Film und Internet
Bisher wurden vier Spielfilme auf Esperanto produziert: Angoroj (1964), Inkubo (1965, mit William Shatner), Gerda Malaperis (2006) und La Patro (2007). Außerdem wird Esperanto in einigen wenigen Filmen verwendet, beispielsweise für Länder, die man nicht als eine bestimmte Nation kennzeichnen wollte.
Regelmäßige Radiosendungen auf Esperanto kommen unter anderem von Radio China International und Radio Vatikan.[3]
Im Internet gab es zunächst private Seiten mit Esperanto-Inhalten sowie die Angebote von Esperanto-Verbänden (bereits im Juni 1993 die des Flämischen Esperanto-Bundes). Später kamen Sites und Funktionen innerhalb großer internationaler Projekte hinzu, beispielsweise im Open Directory Project. In der Esperanto-Wikipedia sind seit August 2014 über 200.000 Artikel verfügbar. Eigenständige Internetangebote sind etwa die Sprachlernsite lernu.net der Gruppe E@I (seit 2002). Ein reines Internet-Magazin ist Libera Folio (seit 2003).
Musik
Musikalisch unterscheidet sich Esperanto-Musik nicht von anderer; gemeint ist Musik mit Texten auf Esperanto. Esperanto-Musikgruppen veröffentlichen CDs bzw. treten auf Esperanto-Treffen auf, dabei sind die verschiedensten Stilrichtungen vertreten.
Wissenschaft und Technik
In über 200 Fachwörterbüchern sind Fachausdrücke von etwa fünfzig wissenschaftlichen Disziplinen erfasst. Die unter maßgeblicher Beteiligung von Esperantisten gegründete Internationale Akademie der Wissenschaften (IAS) verwendet Esperanto als eine von fünf Hauptsprachen.
Förderung und Verwendung außerhalb der Sprachgemeinschaft
Esperanto wurde im 20. Jahrhundert nur vereinzelt von Staaten als Kommunikationsmittel eingesetzt, im 21. Jahrhundert kaum noch. Meist handelte es sich dabei um touristische Informationen oder Landesbeschreibungen. In Deutschland gab es beispielsweise das Standardbuch des Presse- und Informationsamtes als Faktoj pri Germanujo, und das Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen informierte über die deutsche Teilung oder die Ostgebiete. Anlässlich des Weltkongresses in Mainz (1958) brachte die Deutsche Bundesbahn Informationsmaterial auf Esperanto heraus.[4]
Einige kommunistische Staaten haben auch politische Schriften auf Esperanto herausgegeben; so druckte z. B. China Werke Maos und die Sowjetunion Reden Gorbatschows. In China und Kuba gibt es Esperanto-Versionen von staatlichen Internet-Auftritten. In der Zeit des Nationalsozialismus haben manche deutsche Esperantisten Reden oder Artikel Hitlers übersetzt, Ungarn haben ein Werk von Mussolini auf Esperanto veröffentlicht.
Die politische Spannbreite der Staaten und Bewegungen, die auf Esperanto geworben haben, ist sehr breit und reicht von flämischen Nationalisten und dem militaristischen Japan über den tschechischen Sokol und den finnischen Neutralismus bis zu den Paneuropäern des Grafen Coudenhove-Kalergi und Pazifisten aller Couleur.[5]
Ein Kuriosum ist Esperanto. The Aggressor Language, ein Handbuch der amerikanischen Armee von 1962. Bei einem Manöver gegen den fiktiven Feind Aggressor wurde diesem Feind auch eine Sprache mitgegeben. Da Aggressor ausdrücklich ein neutrales Land sein sollte, hatte man Esperanto gewählt.[6]
Arbeiterbewegung
Esperanto wurde zeitweise auch in Teilen der internationalen Arbeiterbewegung angewandt. Das Häuserverzeichnis der Naturfreunde erschien bis 2003 auf Deutsch, Englisch, Französisch und Esperanto. Außerdem gab die inzwischen aufgelöste „Fachgruppe Esperanto“ der deutschen Naturfreunde bis 2005 die Zeitschrift „La Migranto“ (Der Wanderer) heraus. Seit 2012 ist die „Esperanta Naturamikaro“ Mitgliedsverband der Naturfreunde Internationale.
Religion
Der Sprachgründer Ludwik Lejzer Zamenhof war Jude und entwickelte mit dem Homaranismo gemeinsame Leitsätze einiger Religionen auf der Grundlage der Toleranz.
Die japanische Ōmoto-kyō-Sekte hat Esperanto 1923 als ihre internationale Sprache angenommen und bezeichnet Esperanto als die Sprache des Himmels.[7]
Unter den Esperantosprechern gibt es neben Anhängern vieler unterschiedlicher Religionen auch Atheisten und Agnostiker.
Esperanto als Stilmittel
Zuweilen wurde Esperanto in der Kunst verwendet. In Charlie Chaplins Der große Diktator sind die Ladenaufschriften im jüdischen Ghetto auf Esperanto,[8] und in Idiot's Delight mit Clark Gable wird in einer unbenannten europäischen Diktatur Esperanto gesprochen – man wollte nicht ein bestimmtes Land darstellen und wich daher auf die Kunstsprache aus. Ähnlich war es bei Street Fighter (1994) und Blade: Trinity (2004).
Der 1965 publizierte Art-House-Horrorfilm Inkubo des US-amerikanischen Regisseurs Leslie Stevens mit dem damals noch unbekannten William Shatner in der Hauptrolle gilt bis heute als eine der seltsamsten Produktionen der Filmgeschichte, nicht zuletzt deshalb, weil der gesamte Dialog in Esperanto verfasst wurde. Der Film existiert ansonsten nur mit Untertiteln.
In der Science-Fiction-Literatur wurde Esperanto vereinzelt als die Hauptsprache einer fernen Zukunft genutzt, beispielsweise im Flusswelt-Zyklus von Philip José Farmer. Auch im Stahlrattenzyklus des SF-Autors Harry Harrison spielt Esperanto die Rolle einer intergalaktischen Verkehrssprache. Teilweise sind Orte und Personen mit Esperantoworten benannt.
Einzelnachweise
- ↑ Koresponda Servo Mondskala (Memento vom 18. Dezember 2009 im Internet Archive)
- ↑ Edukado.net
- ↑ Amikaro de Esperanto en Radio
- ↑ Helmut Arntz: Faktoj pri Germanujo. Esperanto-eldono eldonita de la Gazetara kaj Informa Oficejo de la Federacia Registaro, o. O. (Druckort Limburg) 1958, 1960, 1966. Peter Aurich (Hg.): Germanaj orientaj teritorioj: Eŭropa problemo, Leer: Rautenberg, 1960. Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen (Hg.): Mitten in Deutschland - Mitten im 20. Jahrhundert. Die Zonengrenze, 4. Auflage, Bonn 1959. Bundesbahn-Infomaterial im Archiv der UEA, Kongressmaterial 1958.
- ↑ Marcus Sikosek: Die neutrale Sprache. Eine politische Geschichte des Esperanto-Weltbundes, Bydgoszcz: Skonpres, 2006, S. 14 (mit Literaturhinweisen), 215.
- ↑ Exemplar in der Bibliothek Hector Hodler.
- ↑ "Oomoto adopted Esperanto as its universal language in 1923. Many followers study it, and Oomoto promotes Esperanto through conferences, publications, and workshops." Website Oomoto.or.jp, eingesehen am 10. Februar 2017
- ↑ Vgl. z. B. den Ausschnitt aus dem Der Große Diktator (HD-Trailer).
Siehe auch
Literatur
- A. Bednarik (Hrsg.): Apliko de Esperanto en scienco kaj tehxniko, Zilina 1981
- Zdenek Pluhar (Hrsg.): Fakaj aplikoj de Esperanto, Dobrichovice: KAVA-PECH, 2001
- Humphrey Tonkin: One hundred years of Esperanto: A survey. In: Language Problems and Language Planning 11 (1987), S. 264–282