Arabischer Aufstand

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Der arabische Aufstand, arabisch thawra[1] dt. Revolution,[1] auch Großer arabischer Aufstand bezeichnet eine Serie von Gewaltakten arabischer Einwohner gegen den jüdischen Jischuv und die Briten im Völkerbundsmandat für Palästina von April 1936 bis 1939. Als Führer des Aufstands schwang sich Mohammed Amin al-Husseini auf, der einen Generalstreik initiierte. Der Aufstand, an dem sich etwa 2000[1] Aufständische beteiligten, wurde von den über 20.000[2] Mann starken britischen Truppen, darunter viele im Anglo-Irischen Krieg erprobte Veteranen,[1] niedergeschlagen. Zeitgenössische britische Quellen bezeichneten den Aufstand als disturbances.[3]

Vorgeschichte

Bereits 1921 und 1929 war es im Mandatsgebiet Palästina zu gewalttätigen Ausschreitungen von arabischer Seite gekommen, insbesondere zu den Unruhen von Jaffa (1921) und dem Massaker von Hebron (1929). Grund für die Ausschreitungen war der arabisch-jüdische Gegensatz und die Weigerung der britischen Regierung, das Mandatsgebiet als arabischen Staat in die Unabhängigkeit zu entlassen. Der zunehmende Antisemitismus in Europa, insbesondere in Nazi-Deutschland, führte zu einer Einwanderungswelle von Juden. Zwischen 1931 und 1939 stieg die jüdische Bevölkerung des Mandatsgebiets von 175.000 auf 460.000 an. Der Aufstand von 1936 nahm größere Ausmaße als die vorhergehenden an. Dies wird in Teilen auf die Hebung des Bildungsstandards sowie die bessere infrastrukturelle Vernetzung des Landes zurückgeführt.[4]

Verlauf

Palästinensisch-arabische Aufständische, 1936

Der genaue Beginn der Revolte ist umstritten. In den ersten Monaten des Jahres 1936 kam es wiederholt zu Gewalttätigkeiten von arabischer Seite gegen britische und jüdische Einrichtungen. Am 19. April 1936 erreichte die Gewalt in Jaffa einen ersten Höhepunkt. Dort töteten Araber sechzehn jüdische Hafenarbeiter. Anlass für die Übergriffe war das Gerücht, wonach Juden eine Frau und drei syrische Arbeiter ermordet hätten. Die britische Polizei griff ein und erschoss sechs Araber.[5] Im Rahmen der von der britischen Mandatsregierung als Terrorbekämpfung durchgeführten „Operation Anker“ wurden 1936 große Teile der Altstadt von Jaffa zerstört.[6]

Im weiteren Verlauf griffen kleine Gruppen bewaffneter Araber im ganzen Land jüdische Verkehrskonvois und Passanten an.[7] Mohammed Amin al-Husseini versuchte sich am 25. April mit der Gründung des Arabischen Hochkomitees an die Spitze der Bewegung zu stellen. Das Komitee unter seinem Vorsitz leitete am 15. Mai einen Generalstreik ein. Husseini ließ den Generalstreik im Oktober nach 173 Tagen einstellen, offiziell auf Bitten der arabischen Monarchen Ägyptens, Transjordaniens und des Irak.[5] Ein gewichtiger Grund zur Niederlegung des Streiks war die anstehende Zitrusfruchternte, welche für die städtischen Notablen eine Haupteinnahmequelle darstellte. Bis zum Oktober 1936 kostete die Revolte 28 Briten, 80 Juden und rund 200 Araber das Leben. Die britische Regierung versuchte, durch die Einsetzung der Peel-Kommission Ruhe zu schaffen.[7]

Im Juni 1937 verhängte die britische Mandatsregierung die Todesstrafe für unerlaubten Waffenbesitz, der vor allem bei nichtjüdischen Palästinensern verbreitet war; entsprechend war die Mehrzahl der 112 Gehenkten im Gefängnis Akkon wegen unerlaubten Waffenbesitzes zum Tode verurteilt worden.[8] Als die Peel-Kommission jedoch in ihrem Abschlussbericht am 7. Juli eine Teilung des Mandatsgebietes in einen jüdischen und einen arabischen Teil in Aussicht stellte, erneuerte Husseini die Revolte im September 1937. Die Planung der Aufstandsbekämpfungskampagne stand unter der Leitung von Charles Tegart, einem Kolonialoffizier, der sich auf diesem Gebiet in Britisch-Indien bewährt hatte. Während der Kampagne wurden rund 25.000 zusätzliche Polizei- und Militärkräfte nach Palästina versetzt.[9] Anlass für den Politikwechsel war die Ermordung des britischen Gouverneurs von Galiläa durch arabische Aufständische. Es kam wiederum zu guerillaartigen Angriffen auf jüdische sowie britische Ziele, darunter viele Zivilisten. Die jüdischen Paramilitärs der Irgun Tzwa’i Le’umi antworteten mit Bombenanschlägen als Vergeltungsmaßnahme. Ebenso führte die Hagana militärische Operationen als Vergeltung gegen arabische Dörfer und Stadtteile durch, in denen sie eine Basis der arabischen Guerilla vermutete.[7][5]

Im September und Oktober 1937 leitete die britische Führung energische Maßnahmen zur Niederschlagung der Revolte ein. Ein Grenzzaun, teilweise vermint, wurde errichtet, um die Rebellen vom Nachschub aus dem Libanon abzuschneiden. Ebenso bewaffneten die Briten rund 3.000 Juden als Hilfspolizei (sogenannte Notrim) sowie kleinere Einheiten loyaler Araber. Daneben bauten die Briten zahlreiche befestigte Polizeistationen, um die Verkehrswege des Landes zu kontrollieren. In Jaffa, einer der Hochburgen des Aufstandes, wurde fast die komplette Altstadt von britischen Truppen zerstört. Darüber hinaus verboten die Briten das Arabische Hochkomitee und setzten 300 Palästinenser der Führungsschicht gefangen, darunter Husseini, der jedoch ins Ausland fliehen konnte.[7][5]

Im Frühjahr 1938 erreichte die Rebellion mit rund 15.000 bewaffneten Aufständischen, davon rund 10 % als Vollzeitkämpfer, ihren Höhepunkt. Der maximale militärische Erfolg der Rebellion war, die Altstadt Jerusalems kurzzeitig zu besetzen. Im Sommer 1938 zerstörten jedoch 2.000 britische Soldaten unter General Archibald Wavell den Kern der Guerilla in einer regulären Schlacht bei Dschenin. Zuvor war es den britischen Behörden gelungen, den nominellen Oberbefehlshaber des Aufstands in Palästina, Abd-al-Rahman Al Haj Muhamad, zu töten. Die Rebellion kam infolgedessen langsam zum Erliegen. Individuelle Terror- und Gewaltakte setzten sich bis ins Jahr 1939 fort.[7][5]

Folgen

Von britischer Seite führte der Aufstand vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs zu Zugeständnissen gegenüber der arabischen Seite. Diese wurden in Form einer Einwanderungsbeschränkung im Weißbuch von 1939 festgeschrieben. Die Wirtschaftskraft der palästinensischen Araber wurde stark geschädigt; rund 10 %[2] der waffenfähigen, männlichen Bevölkerung war tot, interniert oder außer Landes geflohen.[7] Die jüdische Seite erzielte durch den Aufstand militärische Sachkenntnis durch die Gründung der Jewish Settlement Police und den Special Night Squads.[5]

Auf arabischer Seite sorgte der Aufstand durch seine hohe Publizität für eine Internationalisierung des Konfliktes. In den arabischen Ländern wurden die Ereignisse in Palästina genauer verfolgt und im Sinn des Panarabismus als gesamtarabischer Konflikt verstanden.[10] In Ägypten wurde der Aufstand von einer Kampagne zahlreicher gesellschaftlicher Akteure unterstützt. Führend hierin waren die Muslimbrüder, welche Spenden für die Unterstützung des Aufstands sammelten und zum Boykott jüdischer Geschäftsleute aufriefen. Die Unfähigkeit der ägyptischen Regierung selbst den palästinensischen Arabern Hilfe zukommen zu lassen untergrub deren Legitimität in den Augen der Bevölkerung.[11]

Siehe auch

Literatur

  • Benny Morris: 1948. A History of the First Arab-Israeli War. Yale University Press, New Haven CT u. a. 2008, ISBN 978-0-300-12696-9.
  • Noah Flug, Martin Schäuble: Die Geschichte der Israelis und Palästinenser. Hanser, Wien u. a. 2007, ISBN 978-3-446-20907-7.
  • Ted Swedenburg: The Role of the Palestinian Peasantry in the Great Revolt (1936–1939). Wiederabdruck in: Albert Hourani u. a. (Hrsg.): The Modern Middle East. A Reader. I. B. Tauris, London u. a. 2004, ISBN 1-86064-963-7, S. 467–503.
  • Edward Horne: A Job Well Done. Being a history of the Palestine Police Force 1920–1948. Anchor Press, Tiptree 1982, ISBN 0-9508367-1-2.

Einzelnachweise

  1. a b c d Jean-Pierre Filiu: Le Milieu des mondes – Une histoire laïque du Moyen-Orient de 395 à nos jours. Éditions du Seuil, Paris 2021, ISBN 978-2-02-142024-1, S. 260.
  2. a b Martin Bunton: The Palestinian-Israeli Conflict (= A Very Short Introduction. Nr. 359). Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-960393-0, S. 42 f.
  3. Dan Diner: Ein anderer Krieg – Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg, 1935–1942. Deutsche Verlags-Anstalt (Penguin Random House), München 2021, ISBN 978-3-421-05406-7, S. 36.
  4. Benny Morris: 1948. A History of the First Arab-Israeli War. 2008, S. 12–14.
  5. a b c d e f Martin van Crefeld: The Sword and the Olive. A critical history of the Israeli Defence Force. Public Affairs, New York NY 2002, ISBN 1-58648-155-X, S. 36–41.
  6. The significance of “Operation Anchor” for the Cultural Heritage of Jaffa.
  7. a b c d e f Benny Morris: 1948. A History of the First Arab-Israeli War. 2008, S. 16–21.
  8. Gudrun Krämer: A History of Palestine: From the Ottoman Conquest to the Founding of the State of Israel, Princeton: Princeton University Press, 2008, ISBN 978-0-691-11897-0, S. 292.
  9. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. 4. Auflage. Pantheon, München 2006, ISBN 3-570-55009-5, S. 455–465.
  10. Michael Oren: Six Days of War. June 1967 and the Making of the Modern Middle East. Oxford University Press, New York NY 2002, ISBN 0-19-515174-7, S. 3.
  11. Brynjar Lia: The Society of Muslim Brothers in Egypt – The Rise of an Islamic Mass Movement 1928 – 1942. Reading, 1998, S. 235–241.