Idiophon
Idiophon (von altgriechisch ἴδιος ídios, deutsch ‚eigen‘ und
‚tönen‘) bedeutet „Selbsttöner“ oder Selbstklinger und bezeichnet ein Musikinstrument, das als Ganzes schwingend zum klang- bzw. tonerzeugenden Medium[1] wird oder schwingungsfähige Teile enthält, die keine gespannten Saiten oder Membranen sind. Idiophone sind insbesondere als Rhythmusinstrumente in allen Kulturen der Welt vertreten, finden aber auch (beispielsweise in Form mehrtöniger Stabspiele) als Melodieinstrumente Verwendung. Idiophone bestehen meist aus Holz (Xylophon), Metall (Metallophon), Stein (Lithophone) oder Glas (Glasharfe).
Die Unterscheidung von Schlaginstrumenten in (selbstklingende) Idiophone und Membranophone, bei denen eine Membran ihre Schwingungen an einen Korpus abgibt, stammt aus der altindischen Musiklehre. Im europäischen Mittelalter wurde eine solche Unterscheidung nicht getroffen. In der Klassifikation der Musikinstrumente von Victor Charles Mahillon 1880 tauchen die Selbstklinger erstmals nach dem indischen Vorbild unter der Bezeichnung autophones auf. 1914 wurde diese nun Idiophone genannte Gruppe als eine der vier Hauptkategorien in die Hornbostel-Sachs-Systematik übernommen.
Unterscheidung
- Schüttelidiophone oder Rasseln: Der Spieler schüttelt einen Gegenstand, der aus mehreren beweglichen Teilen besteht, die gegeneinander schlagen. Beispiele: Schellenbaum, Schüttelrohr, angklung, chimta, Flexaton, Shaker.
- Aufschlagidiophone: Das Instrument wird mit der Hand oder einem nicht klingenden Gegenstand angeschlagen. Beispiele: Schlagbalken, Triangel, Gong, Glocke, Becken, Vibraphon, Bouteillophone, Hang, Steel Pan, Schlitztrommel, Wassertrommel, Tempelblock, Reisstampftrog lesung (Indonesien), kyizi (Myanmar), gong ageng, kemanak (Indonesien), ghatam (Südindien), jaltarang, (Indien), sahn nuhasi (Jemen), zhu (China). Holzbrett als Ersatz für Glocke: semantron, naqus. Ein Stampfstock oder ein Stampfrohr wie das ka'eke'eke in Hawaii wird auf den Boden geschlagen. Mehrtönige Aufschlagidiophone mit mehreren Klangplatten sind Stabspiele.
- Gegenschlagidiophone, auch Klappern, deren Ursprung im Händeklatschen liegt: Zwei oder mehr klingende Teile werden gegeneinander geschlagen. Beispiele: Zimbeln, zil, Claves, Kastagnetten, qarqaba, Löffel.
- Zupfidiophone, eine Zunge wird mit dem Finger angezupft: Maultrommeln wie morsing in Indien und qopuz in Zentralasien. Bei Lamellophonen sind mehrere Zungen auf ein Brett montiert.
- Schrapidiophone: Der Spieler bewegt einen klingenden oder nicht klingenden Gegenstand über einen klingenden oder nicht klingenden gezahnten Gegenstand und verursacht so eine geräuschhafte Serie von Einzelschlägen. Beispiele: güiro, güira.
- Reibidiophone: Ein Gegenstand wird durch Reibung in Schwingungen versetzt und produziert einen anhaltenden Ton von bestimmbarer Höhe. Beispiele: Glasharfe, Glasharmonika, Daxophon, Nagelgeige, lounuat (Neuirland).
- Blasidiophone: Obsolete Gruppe von Melodieinstrumenten mit Stäben, die durch Blasluft in Schwingungen versetzt werden. Orgelartige Tasteninstrumente im 19. Jahrhundert hießen Aeolsklavier (Schortmann, 1821[2]), Aeolodion und Windharmonika.
Literatur
- Howard Mayer Brown, Frances Palmer: Idiophone. In: Grove Music Online, 2001
- Gisa Jähnichen, Vincent J. Novara: Idiophones. In: Janet Sturman (Hrsg.): The SAGE International Encyclopedia of Music and Culture. Band 3: G–M, SAGE Publications, London 2019, S. 1127–1146
- Sibyl Marcuse: A Survey of Musical Instruments. Harper & Row, New York 1975, s.v. Teil 1: Idiophones, S. 3–114
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Wieland Ziegenrücker: Allgemeine Musiklehre mit Fragen und Aufgaben zur Selbstkontrolle. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1977; Taschenbuchausgabe: Wilhelm Goldmann Verlag, und Musikverlag B. Schott’s Söhne, Mainz 1979, ISBN 3-442-33003-3, S. 169.
- ↑ Erich Valentin: Handbuch der Musikinstrumentenkunde. Mit Zeichnungen von Franz Mazura. Gustav Bosse, Regensburg 1954, S. 372.