Ausschreitungen in Safed 1929
Die Ausschreitungen in Safed während der Unruhen in Palästina im Jahr 1929 gipfelten im Massaker an 18 bis 20 jüdischen Bewohnern Safeds am 29. August 1929.[1]
Ablauf
Bereits zuvor hatten sich 1920 die Nabi-Musa-Unruhen[2] und 1921 die Unruhen von Jaffa ereignet, doch verliefen die Auseinandersetzungen zumeist auf politischer Ebene und wurden durch politische und religiöse Autoritäten reguliert. Eine ihrer Abmachungen sah vor, dass Juden das Recht hatten am Kotel (Klagemauer) zu beten und dazu eine enge Zugangspassage zu benutzen, sie durften jedoch an der Mauer keine Einrichtungen hinterlassen. Am 24. September 1928,[3] dem Jom Kippur, brachten die Anwesenden jedoch Sitzbänke[3] sowie eine Trennwand[3][4] zur optischen Abzutrennung des Männerbereiches vom Frauenbereich mit. Muslimische Kommentatoren sahen darin eine Verletzung des status quo[5] aus der osmanischen Zeit für die Heiligen Stätten und erwirkten deren Entfernung durch die britische Polizei. Auf den Vorfall reagierten beide Seiten mit gegenseitigen Provokationen.[4]
Als im November 1928 der „Großmufti“ von Jerusalem, Mohammed Amin al-Husseini, an der Spitze des Obersten Islamischen Rates mit seinen Anhängern eine Vereinigung zum Schutz der heiligen Stätten[2] (dies sind die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem und Hebron, die beiden sogenannten Haram) gründete, führte dies zu Gegenreaktionen radikaler Zionisten um deren Anführer Wladimir Zeev Jabotinsky,[2] die am 15. August 1929[3] beim Kotel demonstrierten und diesen für sich beanspruchten. Am folgenden Tag versammelten sich arabische Demonstranten an dem Ort am Fuß des Haram al-Sharif (Tempelberg) und es kam zu Zusammenstößen und zu gewalttätigen Ausschreitungen seitens der arabischen Bevölkerung in der Jerusalemer Altstadt,[2] in Wohngegenden außerhalb der Stadtmauer[2] und in Jaffa,[2] Hebron[2] (Massaker von Hebron), Gaza[5] und Safed. Insgesamt starben dabei 133[2][3][4] Juden (339[3] Verletzte) und 116[2][3][4] Araber (232[3] Verletzte). Die getöteten Araber starben überwiegend durch die Aufstandsbekämpfung der britischen Sicherheitskräfte.[3][4]
In Safed wurden zwischen 18 und 20 Juden getötet und 80 verwundet.[6] Die wichtigste von Juden bewohnte Straße wurde geplündert und die Häuser in Brand gesetzt.[7][8]
David Hacohen, Einwohner von Safed, beschrieb das Blutbad nach eigenem Erleben und den Berichten von Zeugen in seinem Tagebuch. Die Polizei habe während des ganzen Pogroms keinen Schuss abgefeuert.
„Wir gingen am Samstag Morgen nach draußen….Ich konnte meinen Augen nicht glauben….Ich traf einige der Ältesten der Stadt, die mir um den Hals fielen und bitterlich weinten. Wir gingen die Gassen und Treppen hinunter zur Altstadt. In den Häusern sah ich verstümmelte und verbrannte Körper der Opfer des Massakers und den verbrannten Körper einer Frau, die an das Gitter eines Fensters gebunden war. Indem ich von Haus zu Haus ging, zählte ich zehn Leichen, die noch nicht geborgen waren. Ich sah die Zerstörung und die Spuren von Feuer. In meinen schlimmsten Phantasien hätte ich mir nicht vorstellen können, was ich in Safed finden würde, wenn ‚Ruhe‘ eintrat.
Die örtlichen Juden gaben mir eine genaue Beschreibung davon, wie die Tragödie begonnen hatte. Das Pogrom hatte am Donnerstag Nachmittag des 29. August begonnen und war von Arabern aus Safed und den nahe gelegenen Dörfern ausgeführt worden, die mit Waffen und Kerosindosen bewaffnet waren. Während sie auf der Straße der sephardischen Juden von Kfar Meron und Ein Zeitim voranschritten, plünderten sie die Häuser und setzten sie in Brand, wobei sie einander anspornten, das Töten fortzusetzen. Sie schlachteten Aphriat, den Schullehrer ab, mit seiner Frau und Mutter und schnitten den Anwalt Toledano mit ihren Messern in Stücke. In den Waisenhäusern schlugen sie den Kindern die Köpfe ein und schnitten ihnen die Hände ab. Ich selbst habe die Opfer gesehen. Yitshak Mammon, ein Einheimischer von Safed, der mit einer arabischen Familie zusammen lebte, wurde mit unbeschreiblicher Brutalität ermordet. Man stach immer wieder zu, bis der Körper ein blutiges Sieb wurde, darauf wurde er totgetrampelt. Während des ganzen Pogroms hörte man keinen einzigen Schuss von der Polizei.“[9]
Die Ehefrau des in Safed wirkenden schottischen Missionars Semple zitierte dessen Erfahrungen:
„Am Samstag, dem 24. August, gab es eine Demonstration von Moslems auf der Straße am Missionsgelände. Sie trommelten und schlugen die Fenster der jüdischen Häuser auf dem Weg ein…. Am Nachmittag des 29. …kam ein Mitglied der Kirche zu uns gerannt um uns zu sagen, dass alle Juden getötet würden. Ein paar Minuten später hörten wir das Freudengeschrei der Frauen aus dem Moslemviertel und sahen Männer mit Äxten und Knüppeln vorbeirennen, die von den Frauen angefeuert wurden…. Wir hörten Gewehr- und Maschinengewehrsalven überall um uns herum…. Wilde Araber waren unerwartet aus dem Tal in das jüdische Viertel gekommen und begannen sofort mit der systematischen Abschlachtung der Juden. Einige entkamen mit Verwundungen, aber 22 wurden direkt in der Stadt getötet…. Die Unmenschlichkeit des Angriffs überstieg jede Vorstellung. Frauen wurden in die Brust gestochen, Babys wurden an Händen und Füßen geschnitten, alte Leute wurden getötet und ausgeraubt.“[10]
Vertreter der Shaw Commission besuchten Safed am 1. November 1929.[11] Die Kommission unter der Leitung von Sir Walter Shaw[3] legte am 31. März 1930[3] ihren Bericht vor, dieser stellte sich auf den Standpunkt, dass die Aufnahmefähigkeit Palästinas für weitere jüdische Einwanderung erschöpft sei, zudem sei die Zahl der Landverkäufe an jüdische Organisationen zu groß.[3][4] Die Städte Hebron und Gaza verloren ihre gesamte jüdische Bevölkerung,[5] von der ein großer Teil, als Angehörige des sogenannten Alten Jischuv,[4] distanziert oder sogar ablehnend zum Zionismus stand.[4]
Einzelnachweise
- ↑ Reign of Terror in Safed. In: Glasgow Herald. 14. September 1929 (news.google.com).
- ↑ a b c d e f g h i Vincent Lemire, avec Katell Berthelot, Julien Loiseau et Yann Potin: Jérusalem, histoire d’une ville-monde des origines à nos jours. In: Collection Champs histoire. Albin Michel. Éditions Flammarion, Paris 2016, ISBN 978-2-08-138988-5, S. 376 f.
- ↑ a b c d e f g h i j k l Thomas G. Fraser: Contested Lands – A History of the Middle East since the First World War. Haus Publishing, London 2021, ISBN 978-1-913368-24-1, S. 65.
- ↑ a b c d e f g h Gregory Harms, Todd M. Ferry: The Palestine-Israel Conflict – A Basic Introduction. 4. Auflage. Pluto Press, London 2017, ISBN 978-0-7453-9926-3, S. 61, 77 f.
- ↑ a b c Jean-Pierre Filiu: Le Milieu des mondes – Une histoire laïque du Moyen-Orient de 395 à nos jours. Éditions du Seuil, Paris 2021, ISBN 978-2-02-142024-1, S. 259.
- ↑ Neil Caplan: Futile Diplomacy: Early Arab-Zionist Negotiation Attempts, 1913–1931. Vol. 1, Frank Cass, London 1983. (fehlende Seitenangabe)
- ↑ Arab Attack At Safed. In: The Times. 31. August 1929; S. 10, Ausgabe 45296, col D.
- ↑ The Safed Disorders. In: The Times 2. September 1929, S. 12, Ausgabe 45297.
- ↑ David Hacohen: Time to Tell. An Israeli Life, 1898–1984. Associated University Presses, 1985, ISBN 0-8453-4789-6, S. 37–38 (books.google.co.uk). „We set out on Saturday morning… I could not believe my eyes… I met some of the town’s Jewish elders, who fell on my neck weeping bitterly. We went down alleys and steps to the old town. Inside the houses I saw the mutilated and burned bodies of the victims of the massacre, and the burned body of a woman tied to the grille of a window. Going from house to house, I counted ten bodies that had not yet been collected. I saw the destruction and the signs of fire. Even in my grimmest thoughts I had not imagined that this was how I would find Safed where ‘calm’ prevailed.
The local Jews gave me a detailed description of how the tragedy had started. The pogrom began on the afternoon of Thursday, August 29, and was carried out by Arabs from Safed and from the nearby villages, armed with weapons and tins of kerosene. Advancing on the street of the Sefardi Jews from Kfar Meron and Ein Zeitim, they looted and set fire to houses, urging each other on to continue with the killing. They slaughtered the schoolteacher, Aphriat, together with his wife and mother, and cut the lawyer, Toledano, to pieces with their knives. Bursting into the orphanages, they smashed the children’s heads and cut off their hands. I myself saw the victims. Yitshak Mammon, a native of Safed who lived with an Arab family, was murdered with indescribable brutality: he was stabbed again and again, until his body became a bloody sieve, and then he was trampled to death. Throughout the whole pogrom the police did not fire a single shot.“ - ↑ Reign of Terror in Safed. In: Glasgow Herald. 14. September 1929 (news.google.com). „On Saturday August 24, there was a demonstration of Moslems along the road past the mission property. They came beating drums and breaking the windows of Jewish houses en route…. On the afternoon of Thursday the 29th… one of our church members came running to tell us that ‘all the Jews were being killed.’ A few minutes later we heard women shrieking their 'jubilant refrain' from the Moslem quarter and saw men running with axes and bludgeons in their hands, urged on by women…we heard rifle and machine gun fire all around us...Wild Arabs had come up from the valley unexpectedly into the Jewish quarter and began at once a systematic slaughter of the Jews. Some escaped with injury only but 22 were killed outright in the town…. The inhumanity of the attack was beyond conception. Women were gashed in the chest, babies were cut on the hands and feet, old people were killed and plundered.“
- ↑ Palestine Inquiry Commissioners To Visit Safed. In: The Times. 2. November 1929, S. 11, Ausgabe 45350, col E.