Ballaststoff
Ballaststoffe sind weitgehend unverdauliche Nahrungsbestandteile, meist Kohlenhydrate, die vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Sie finden sich vor allem in Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Obst, Gemüse, Nüssen und Saaten.
Ballaststoffe gelten mittlerweile, ganz anders als die Bezeichnung vermuten lässt, als wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Sie beugen einer Vielzahl ernährungsmitbedingter Krankheiten vor. In Deutschland weisen 75 % der Frauen und 68 % der Männer eine Ballaststoffzufuhr unter dem Richtwert von mindestens 30 g pro Tag auf.[1]
Der Einfachheit wegen teilt man die Ballaststoffe in wasserlösliche (wie Johannisbrotkernmehl, Guar, Pektin und Dextrine) und wasserunlösliche (zum Beispiel Cellulose) ein. Sie sind nicht energielos. Die EU-Verordnung zur Nährwertkennzeichnung weist ihnen pauschal einen Brennwert von 8 kJ/g (≈2 kcal/g) zu.
Definition
Der in der Nährwertetabelle angegebene Ballaststoffgehalt eines Lebensmittels unterliegt gesetzlichen Bestimmungen. § 2 Nr. 11 der Nährwert-Kennzeichnungsverordnung (NKV) und Anhang I Nr. 12 der Lebensmittelinformationsverordnung definieren u. a.:
- „Ballaststoffe“ bedeutet Kohlenhydratpolymere mit drei oder mehr Monomereinheiten, die im Dünndarm des Menschen weder verdaut noch absorbiert werden und zu folgenden Klassen zählen:
- essbare Kohlenhydratpolymere, die in Lebensmitteln, wenn diese verzehrt werden, auf natürliche Weise vorkommen;
- essbare Kohlenhydratpolymere, die auf physikalische, enzymatische oder chemische Weise aus Lebensmittelrohstoffen gewonnen werden;
- essbare synthetische Kohlenhydratpolymere, die laut allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen eine positive physiologische Wirkung besitzen.
Abgrenzung zu Rohfaser
Der Ausdruck Rohfaser (engl. crude fiber) wurde vor mehr als 100 Jahren in der Futtermittelanalytik geprägt. Da manche Ballaststoffe auch eine faserige Struktur haben, werden sie oft irrtümlich mit diesen gleichgesetzt. Der Ballaststoffgehalt von Nahrungsmitteln übersteigt immer den Rohfasergehalt, der fast ausschließlich aus Cellulose besteht. In der Literatur werden Umrechnungsfaktoren zwischen 2 und 6 angegeben, also z. B. Rohfasergehalt × 6 = Ballaststoffgehalt. Bei Getreide und Hülsenfrüchten gelten eher Umrechnungswerte von 4 bis 6, bei Obst und Gemüse etwa 2 bis 3.
Arten und Vorkommen
Ballaststoffe kommen in pflanzlichen Nahrungsmitteln in unterschiedlicher Menge vor. Man teilt Ballaststoffe grob in wasserunlösliche und wasserlösliche ein; aufgrund ihrer Einsetzbarkeit als Verdickungsmittel (siehe auch Schleimstoffe) werden einige speziell für die Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff produziert (Alginate als Salze der Alginsäure aus verschiedenen Algen, Agar ebenfalls aus Algen, Xanthan usw.).
Nährstoff | E-Nummer | Vorkommen / Gewinnung |
---|---|---|
Wasserunlösliche Ballaststoffe | ||
β-Glucane | ||
Cellulose | E 460 | Getreide, Obst, Gemüse (alle Pflanzen) |
Chitin | — | in Pilzen, Exoskelett von Insekten und Krustentieren |
Hemicellulosen | Getreide, Kleie, Holz, Hülsenfrüchte | |
Hexosane | — | Weizen, Gerste |
Pentosane | — | Roggen, Hafer |
Arabinoxylan | — | einige Vertreter sind unlöslich |
Arabinogalactane | — | |
Lignin | — | Obstkerne, Gemüse (Fäden bei grünen Bohnen), Getreide |
Xanthan | E 415 | Gewinnung mit Xanthomonas-Bakterien aus zuckerhaltigen Substraten |
Wasserlösliche Ballaststoffe | ||
β-Glucane | ||
Lichenin | — | Hafer & Gerste = 6–8 %; Weizen & Roggen < 2 % |
Hemicellulosen | — | Getreide, Kleie, Holz, Hülsenfrüchte |
Pentosane | — | Roggen, Hafer |
Arabinoxylan | — | einige Vertreter sind löslich |
Fructane | ersetzen oder ergänzen in einigen Pflanzentaxa die Stärke als Speicherkohlenhydrat | |
Inulin | — | in verschiedenen Pflanzen, z. B. Yacon, Topinambur, Chicorée etc. |
Polyuronide | ||
Pektin | E 440 | in der Obstschale (besonders Äpfel, Quitten), Gemüse |
Alginsäure (Alginate) | E 400 – E 407 | in Algen |
Natriumalginat | E 401 | |
Kaliumalginat | E 402 | |
Ammoniumalginat | E 403 | |
Calciumalginat | E 404 | |
Propylenglycolalginat (PGA) | E 405 | |
Agar | E 406 | |
Carrageen | E 407 | Rotalgen |
Raffinose | — | ersetzen oder ergänzen in Hülsenfrüchten die Stärke als Speicherkohlenhydrat |
Polydextrose | E 1200 | synthetisches Polymer, ca. 1 kcal/g |
Ballaststoffgehalte verschiedener Lebensmittel
Der Ballaststoffgehalt der Lebensmittel ist sehr unterschiedlich. Neben dem absoluten Gehalt ist das Verhältnis zum Kohlenhydratgehalt von ernährungsphysiologischem Interesse.
Die folgenden Tabellen geben einige Beispiele an. Eine ausführlichere Tabelle ist in den Weblinks angegeben.[2] Nach der vom Max Rubner-Institut herausgegebenen Nationalen Verzehrsstudie II sind Getreideerzeugnisse mit 41 % die wichtigste Ballaststoffquelle der Deutschen, vor Obst (21 %) und Gemüse (16 %).[3] Alle deutschen Typenmehle können nach den restriktiven EU-Richtlinien als Ballaststoffquelle bezeichnet werden, da sie mehr als 3 % Ballaststoffe aufweisen.[4]
Ballaststoffe können bis zum 100fachen ihres Eigengewichtes an Wasser binden. Sehr ballaststoffhaltige Produkte wie Leinsamen oder Weizenkleie sollten daher von ausreichend Flüssigkeit begleitet werden, da der Verdauungsbrei sonst im Darm verhärtet und eine Verstopfung begünstigt statt ihr entgegenzuwirken.
Ballaststoffgehalt | Lebensmittel |
---|---|
>10 % | Roggen, Roggenknäckebrot, Roggenvollkornmehl/-schrot, Weizenspeisekleie |
5 % … 10 % | Datteln, Dinkel, Erdnüsse, Feigen, Gerste, Graupen, Hafer entspelzt, Haferflocken, Haselnüsse, Holunderbeeren, Mais, Mandeln, Nüsse, Pumpernickel, Quitten, Roggenmehl: alle Mehltypen, Roggenmischbrot, Schwarze Johannisbeeren, Sultaninen, Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Walnüsse, Weizen, Weizengrieß, Weizenmehl Type 1050 |
2 % … 4,9 % | Äpfel, Aprikosen, Artischocken, Avocados, Bananen, Birnen, Blumenkohl, Bohnen, Erbsen, Fenchel, Grünkohl, Heidelbeeren, Himbeeren, Kürbis, Linsen, Möhren/Karotten, Rosenkohl, Sauerkraut, Toastbrot, Weizenbrötchen, Weizenmischbrot, Weizenmehl: Type 405 und 550, Zwiebeln |
<2 % | Ananas, Auberginen, Erdbeeren, Gurken, Kartoffeln, Kirschen, Kopfsalat, Mandarinen, Melonen, Pfirsiche, Pflaumen, Spargel, Spinat, Tomaten, Weintrauben, Zucchini |
- Gesamtballaststoffe in g je 100 g des jeweiligen Lebensmittels (alle Angaben beziehen sich auf das verzehrsfertige Frischgewicht, übliche Verzehrform)
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Eigenschaften und Wirkungen
Ballaststoffe sind vollständig oder teilweise unverdaulich, weil im Verdauungstrakt entweder kein Enzym zur Spaltung der vorliegenden (glycosidischen) Bindung oder kein Transportprotein für den aktiven Transport durch die Zellmembran aus dem Darm in die Darmschleimhaut gebildet wird. Der Mensch beispielsweise besitzt Enzyme, um glycosidische Bindungen vom Typ α-1→2 (Saccharose) oder α-1→4 (z. B. Maltose) zu spalten, aber keines für Verbindungen mit dem β-1→4-Typ (Cellulose). Ebenso besitzt der Mensch eine ganze Reihe von Glucosetransportern. Im Falle von Isomalt liegt eine Bindung vor, die gespalten werden kann; die Glucose, die 50 % ausmacht, wird durch die Darmwand resorbiert und in den Körperzellen metabolisiert, das Sorbitol und das Mannitol (je 25 %) hingegen können nicht durch die Darmwand resorbiert werden.
Magen
Ballaststoffe in der Nahrung vergrößern das Nahrungsvolumen, ohne zugleich den Energiegehalt bedeutend zu steigern. Einige Ballaststoffe wie Kleie oder Flohsamenschalen können sehr viel Wasser binden. Sofern sie nicht schon vor der Aufnahme hinreichend gequollen sind, nehmen sie im Magen weiteres Wasser auf. Die daraus resultierende Volumenzunahme führt zu einer weiteren Dehnung des Magensackes nach der Mahlzeit, die ihrerseits zu einer Senkung des appetitanregenden Ghrelin-Spiegels und somit zur Zunahme des Sättigungsgefühls führt.
Ballaststoffe verlängern die Magenverweildauer des Speisebreis.[5] Zum einen dauert das Aufquellen eine gewisse Zeit, zum anderen muss nachträglich Flüssigkeit getrunken oder Wasser vom Magen sezerniert werden, um diesem die Herstellung der zur Magenpassage des Nahrungsbreis nötigen Mindestfluidität bzw. Maximalviskosität zu ermöglichen.
Darm
Die im Speisebrei vorhandenen Ballaststoffe sorgen durch ihre Fähigkeit, Wasser zu binden, für eine Zunahme des Volumens. Der Druck, den ballaststoffreicher Speisebrei auf die Darmwand ausübt, regt die Peristaltik an, was die Verweildauer ballaststoffreicher Kost im Darm verkürzt (im Gegensatz zum Magen).
Kein höheres Tier besitzt eigene Enzyme zur Spaltung wasserunlöslicher Ballaststoffe, insbesondere Cellulose. Wiederkäuer können Cellulose mithilfe der Mikroorganismen, die ihren Pansen besiedeln, dennoch enzymatisch spalten. Im Dünn- und auch im Dickdarm dagegen fehlen entsprechende Bakterien, so dass wasserunlösliche Ballaststoffe den weiteren Verdauungstrakt praktisch unverändert passieren.
Ein Teil der wasserlöslichen Ballaststoffe wird hingegen durch die Darmflora des Dickdarms fermentiert (siehe Präbiotika). Dabei entstehen verschiedene Mengen an geruchlosen Gasen wie z. B. Kohlenstoffdioxid, Methan und Wasserstoff, aber auch kurzkettige Fettsäuren (engl. short chain fatty acids, SCFA) wie Acetat, Propionat und Butyrat, die gegenüber mittel- und langkettigen Fettsäuren eine Reihe von Besonderheiten aufweisen (siehe Fettverdauung). Sie werden von der Dickdarmschleimhaut weitgehend resorbiert und tragen zur Ernährung der Schleimhautzellen bei.
Einige Ballaststoffe werden von Pflanzen gebildet, um Fraßfeinde abzuwehren. Solche schlecht verdauten Ballaststoffe können in toxische Gärungsalkohole und biogene Amine umgesetzt werden, welche Darmschleimhaut und Immunabwehr schädigen.[6]
Neben Wasser binden Ballaststoffe auch Mineralstoffe, Toxine, Gallensäuren sowie Mikroorganismen, die dann im Stuhl ausgeschieden werden. Bei ausgewogener Mischkost stellt das kein Problem dar, bei zusätzlicher Zufuhr von Ballaststoffen (etwa als Nahrungsergänzungsmittel) kann jedoch längerfristig ein Mineralstoffmangel auftreten.[7]
Ernährungsphysiologische Einschätzung
Die Vorstellung, dass eine ballaststoffreiche Kost gesundheitsförderlich ist und der Vorbeugung gegen Zivilisationskrankheiten dient, basiert u. a. auf einer epidemiologischen Studie von Burkitt und Trowell in den 1970er Jahren,[8] die nahelegte, dass Afrikaner, die sich ballaststoffreich ernähren, erheblich seltener an bestimmten Zivilisationskrankheiten erkranken als Europäer und Amerikaner mit moderner, ballaststoffarmer Kost. Aufgrund methodischer Mängel gilt diese Studie heute nicht mehr als Nachweis der gesundheitsfördernden Wirkung.
Aus anderen Studien weiß man heute aber, dass Ballaststoffe das Risiko für zahlreiche ernährungsmitbedingte Krankheiten verringern, insbesondere für Adipositas, Bluthochdruck und koronare Herzkrankheit (KHK). Ballaststoffe aus Vollkornprodukten wirken sich positiv auf den Cholesterinspiegel aus und senken mit wahrscheinlicher Evidenz das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck und Koronare Herzkrankheit. Ballaststoffe aus Obst können das Risiko für Fettstoffwechselstörungen senken.[9]
Cholesterin
Eine ballaststoffreiche Ernährung hat möglicherweise einen cholesterinsenkenden Effekt.
Der Stuhl ist die einzige Möglichkeit des menschlichen Körpers, Cholesterin auszuscheiden. Ballaststoffe erhöhen die Gallensäureausscheidung über den Stuhl, indem sie Gallensäuren bzw. deren Salze binden und so ihre Rückresorption im Ileum verhindern.[10] Dies wiederum führt zu einer kompensatorisch gesteigerten Gallensäuresynthese, die ihrerseits Cholesterin verbraucht.
Es gibt aber auch Studien, die eine cholesterinsenkende Wirkung nicht bestätigen.[11][12]
Koronare Herzkrankheit
Mehrere Studien belegen, dass eine ballaststoffreiche Kost das Risiko, an der Koronaren Herzkrankheit zu erkranken, und somit das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, vermindert.[13][14][15][16][17][18]
Ein möglicher Mechanismus hierfür könnte der cholesterinsenkende Effekt der Ballaststoffe sein.
In einem Tierversuch fütterten Forscher Mäuse mit hohem Blutdruck mit Propionat, welches natürlicherweise im Darm entsteht (siehe oben). Danach hatten die Tiere weniger ausgeprägte Herzschäden oder abnormale Vergrößerungen des Organs, was sie weniger anfällig für Herzrhythmusstörungen machte. Auch Gefäßschäden, wie z. B. Atherosklerose, nahmen bei Mäusen ab. Das Forschungsteam hofft nun, ihre Ergebnisse zu bestätigen, indem es die Auswirkungen der Substanz auf den Menschen untersucht.[13]
Cholezystolithiasis (Gallensteinleiden)
Es gibt Hinweise darauf, dass eine ballaststoffreiche Kost das Risiko der Bildung von cholesterinhaltigen Gallensteinen reduziert.[19][20] Dieser Umstand könnte auf die erhöhte Ausscheidung von Gallensäure im Stuhl zurückzuführen sein.
Blutzuckerspiegel
Ballaststoffe senken die glykämische Last des Nahrungsbreis.
Aus ballaststoffreicher Nahrung werden die Kohlenhydrate im Darm langsamer aufgenommen. Dies bewirkt einen langsameren Blutzuckeranstieg nach dem Essen und dementsprechend weniger steilen späteren Blutzuckerabfall nach der Spaltung der Stärke. Deshalb wird Diabetikern empfohlen, sich ballaststoffreich zu ernähren.
Unlösliche Ballaststoffe (Cellulose, Hemicellulose, Lignin) verbessern den Blutzuckerspiegel bei Menschen mit Prädiabetes,[21] insbesondere wenn eine Kombination aus gestörtem Nüchternzucker und gestörter Glukosetoleranz vorliegt.[22]
Zahnkaries
Eine ballaststoffreiche Ernährung regt zum ausgiebigen Kauen an. Sie massiert und strafft das Zahnfleisch und reinigt mechanisch Teile der Zahnoberfläche.[23] Reichliches Kauen erhöht außerdem die Speichelmenge. Der Speichel wirkt als pH-Puffer und das im Speichel enthaltene Kalziumphosphat sorgt für eine Remineralisation des Zahnschmelzes.[24]
Divertikulose/Divertikulitis
Zur Wirkung von Ballaststoffen auf Patienten mit Divertikulose und deren entzündlicher Form, der Divertikulitis, gibt es unterschiedliche Studien, die teilweise zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Eine Studie besagt, dass eine ballaststoffarme Kost das Auftreten dieser Krankheiten begünstigt und dass die Divertikulose durch ballaststoffreiche Kost behandelt werden kann.[25] Dies konnte dadurch belegt werden, dass man bei Divertikulose-Patienten einen hohen Druck im Dickdarminneren fand, der sich durch Langzeitbehandlung mit Weizenkleie gegenüber Placebo signifikant senken ließ.[26] Dieser hohe Druck wird neben anderen Faktoren für die Entstehung der Dickdarm-Divertikel (Ausstülpungen) verantwortlich gemacht.
Es gibt jedoch auch eine Studie,[27] die zu dem Schluss kommt, dass ballaststoffreiche Kost das Risiko, an Divertikulose bzw. Divertikulitis zu erkranken, sogar erhöht.
Darmkrebs
Es kann davon ausgegangen werden, dass das individuelle Darmkrebsrisiko von der genetischen Prädisposition, der Belastung der Nahrungsmittel mit Karzinogenen, von der Nahrungszusammensetzung sowie von der Ernährungsweise insgesamt abhängig ist. Umstritten ist, welchen Anteil die einzelnen Faktoren an Zunahme oder Abnahme des Risikos haben. Es wird vermutet, dass die beschleunigte Darmpassage durch ballaststoffreiche Kost den im Nahrungsbrei mehr oder weniger reichlich vorhandenen Karzinogenen weniger Zeit lässt, auf die Darmwand einzuwirken.
Experimentelle Befunde in vitro belegen, dass das bei der Ballaststoff-Fermentation gebildete Butyrat (s. o.) einer gestörten Zellvermehrung vorbeugt und damit die Krebsentstehung hemmt.[28][29] Diese Befunde lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das In-vivo-Milieu im Darm des Menschen übertragen.
Biopsien belegen, dass rund 90 Prozent aller Colonkrebsfälle sich entweder aus Dickdarmpolypen oder aus Adenomen entwickeln. Eine Vermeidung von Polypen oder Adenomen durch eine ballaststoffreiche Kost konnte bislang nicht nachgewiesen werden.[30] Auch sind keine Studien bekannt, die belegen, dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Risiko der Entartung von benignen zu malignen Tumoren senkt.
Die Studienlage ist uneinheitlich: Die Metaanalyse von fünf Interventionsstudien zeigte keinen vor Darmkrebs schützenden Effekt.[31] Dagegen belegt die EPIC-Studie,[32] dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Darmkrebsrisiko um ca. 40 Prozent senkt. Der Grund für die Diskrepanz könnte in der uneinheitlichen Ausführung der klinischen Studien liegen. So kann die EPIC-Studie z. B. Störfaktoren nicht ausschließen.
Aktuelle Empfehlungen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu sich zu nehmen, am besten durch Vollkornprodukte, Gemüse, frisches oder getrocknetes Obst und Nüsse. Auf eine gleichzeitige ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten.[33] Die Nationale Verzehrsstudie II ergab allerdings, dass 68 Prozent der Männer und 75 Prozent der Frauen deutlich weniger Ballaststoffe zu sich nehmen.[34]
Der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) empfiehlt, die Ballaststoffzufuhr nur schrittweise anzuheben. Dies kann durch einen gesteigerten Verzehr von bissfest gegartem Gemüse und eine spätere langsam gesteigerte Aufnahme von Rohkost erfolgen. Auch kann Weißmehl schrittweise durch Vollkornmehl ersetzt werden.[35] Eine hohe Ballaststoffzufuhr wird durch Vollwerternährung erreicht.
Die FoodDrinkEurope (FDE) empfiehlt in ihren Guideline Daily Amounts 25 Gramm pro Tag.[36]
Die Harvard School of Public Health empfiehlt die tägliche Aufnahme von mindestens 20 Gramm, am besten in Form von Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen.[37] Die American Heart Association empfiehlt täglich 25 Gramm.[38]
Siehe auch
Literatur
- Hans-Dieter Belitz, Werner Grosch, Peter Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin 2001, ISBN 978-3-540-73201-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Mehr Ballaststoffe bitte! Abgerufen am 13. Januar 2022.
- ↑ Infos zu Ballaststoffen inkl. Tabelle Ballaststoffgehalt der Lebensmittel (PDF; 27 kB) Vereinigung Getreide-, Markt- und Ernährungsforschung
- ↑ Nationale Verzehrsstudie II. (PDF) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- ↑ Pressemitteilung des VDM vom 16. August 2011
- ↑ Werner Baltes, Reinhard Matissek: Lebensmittelchemie. 7. Auflage, Springer 2011, ISBN 978-3-642-16538-2, S. 13.
- ↑ Udo Pollmer, Susanne Warmuth: Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. München 2006, S. 324
- ↑ Gesundheitskost – gesunde Kost? Verbraucherzentrale NRW, 5. Aufl. 1996, S. 35
- ↑ DP. Burkitt, HC. Trowell: Dietary fibre and western diseases. In: Ir Med J., 1977 Jun 18, 70(9), S. 272–277.
- ↑ Mehr Ballaststoffe bitte! Abgerufen am 13. Januar 2022.
- ↑ D.T. Forman et al.: Increased excretion of fecal bile acids by an oral hydrophilic colloid. In: Proc Soc Exper Biol Med., 127, 1968, S. 1060, doi:10.3181/00379727-127-32870.
- ↑ Der Mythos von den Ballaststoffen. Odysso – Wissen entdecken, SWR Fernsehen, 11. Januar 2007.
- ↑ Lisa Brown, Bernard Rosner, Walter W Willett, Frank M Sacks: Cholesterol-lowering effects of dietary fiber: a meta-analysis. In: The American Journal of Clinical Nutrition. Band 69, Nr. 1, Januar 1999, S. 30–42, PMID 9925120 (freier Volltext).
- ↑ a b Wie Ballaststoffe und Darmbakterien den Herz-Kreislauf schützen. In: mdc-berlin.de. 12. Dezember 2018, abgerufen am 17. Dezember 2018.
- ↑ H. Wu et al.: Dietary fiber and progression of atherosclerosis: the Los Angeles Atherosclerosis Study. In: Am J Clin Nutr., 2003 Dec, 78(6), S. 1085–1091, PMID 14668268.
- ↑ AT. Erkkila et al.: Cereal fiber and whole-grain intake are associated with reduced progression of coronary-artery atherosclerosis in postmenopausal women with coronary artery disease. In: Am Heart J., 2005 Jul, 150(1), S. 94–101, PMID 16084154.
- ↑ LA. Bazzano et al.: Dietary fiber intake and reduced risk of coronary heart disease in US men and women: the National Health and Nutrition Examination Survey I Epidemiologic Follow-up Study. In: Arch Intern Med., 2003 Sep 8, 163(16), S. 1897–904, PMID 12963562.
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- ↑ TK. Asano, RS. McLeod: Dietary fibre for the prevention of colorectal adenomas and carcinomas. Cochrane Database of Systematic Reviews 2002, Issue 1. Art. No.: CD003430. doi:10.1002/14651858.CD003430
- ↑ EPIC-Studie (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive).
- ↑ Müssen die Ernährungsempfehlungen für die Ballaststoffaufnahme geändert werden? In: DGE.de.
- ↑ Nationale Verzehrsstudie II (PDF) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
- ↑ Wohl bekomm’s: Ballaststoffreich essen. In: UGB.de, abgerufen am 19. August 2013.
- ↑ fibre. (Memento vom 23. September 2014 im Internet Archive) Guidelines der FDE; abgerufen am 10. März 2013.
- ↑ Fiber: Start Roughing It! (Memento vom 2. Januar 2013 im Internet Archive) Harvard School of Public Health.
- ↑ Whole Grains and Fiber. American Heart Association, abgerufen am 20. Mai 2013.