Bankhaus D. & J. de Neufville

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Bankhaus D. & J. de Neufville
Rechtsform Privatbank
Gründung um 1650
Auflösung 1924
Auflösungsgrund Liquidation
Sitz Kleiner Hirschgraben 4,
Frankfurt am Main
Wappen der Familie de Neufville

D. & J. de Neufville war ein um 1650 gegründetes und 1924 still liquidiertes Bankhaus in Frankfurt am Main.

Geschichte

Die Familie de Neufville gehörte ursprünglich dem niederen Adel in der französischen Grafschaft Artois an, wo sie im Jahr 1047 erstmals urkundlich erwähnt wurden. Nach ihrem Übertritt zum hugenottischen Glauben mussten sie 1545 nach Antwerpen fliehen. Während des Spanisch-Niederländischen Kriegs (1568 bis 1648) kamen 1573 die Brüder Robert und Sebastian de Neufville („der Ältere“, 1545–1609) aus den Spanischen Niederlanden nach Frankfurt am Main und wurden 1575 bzw. 1580 Bürger der Stadt. Sie handelten zunächst mit flämischen Tuchen und brachte es rasch zu Reichtum. Sebastians Sohn, ebenfalls mit dem Namen Sebastian („der Jüngere“, 1681–1634), vervielfachte das Familienvermögen auf 270.000 Gulden, indem er den Handel erfolgreich um Pretiosen, Seiden, Juwelen und Metalle erweiterte. In diesem Zusammenhang wurden auch Wechsel- und Speditionsgeschäfte im großen Stil getätigt, was als erster Schritt vom Handels- hin zu einem Bankhaus gesehen werden kann.[1]

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648), ca. ab 1650, vollendeten die Brüder Peter (1623–1691) und David de Neufville (1623–1684) diesen Wandel. Seit 1690 führten David und dessen Sohn Jakob de Neufville (1680–1730) die Bank, die nun den Namen „D. & J. de Neufville“ führte. Darüber hinaus bestanden Teilhaberschaften an anderen Banken, insbesondere bei dem Frankfurter Bankhaus „Johann Mertens“,[2] mit dem die de Neufvilles seit 1607 verwandtschaftlich verbunden waren.[1] Gleichwohl beteiligten sich die kommenden Generationen neben dem reinen Geldgeschäft weiterhin als Spediteure und Kommissäre am Warenhandel. Zudem zählten die De Neufvilles 1685 zu den Gründungsmitgliedern der Frankfurter Börse.[3]

Die frühe Gründung D. & J. de Neufville und seine Internationalität – die Familie breitete sich nach Nürnberg, Breslau, Amsterdam, London, Paris und New York aus – machten das Bankhaus de Neufville für lange Zeit zu einer der führenden Adressen in der Frankfurter Bank- und Börsenwelt. Zu den Hauptkunden zählten im 17. Jahrhundert die Herzöge von Lothringen, aber man vermittelte auch den Verkauf österreichischen Stahls und ungarischen Kupfers. Im 18. Jahrhundert kamen nassauische Herrscherhäuser hinzu.[1] In der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts verlieh D. & J. de Neufville Geld an den aufstrebenden jüdischen Bankier Mayer Amschel Rothschild[4] und begann sich an der Emission von Staatsanleihen zu beteiligen. Dies wiederum öffnete den Weg um im 19. Jahrhundert mit einer großen Zahl weiterer Unternehmen und Standesherren ins Geschäft zu kommen (z. B. mit dem Eisen- und Stahlunternehmen „H.W. Remy & Cons.“ und der Rentkammer des Fürstentums Wied, beide in Neuwied).[5]

Das Bankhaus D. & J. de Neufville gehörte zu den Frankfurter Privatbanken, die sich seit den 1850er Jahren intensiv für die Gründung von Aktienbanken einsetzten. Zusammen mit Gebrüder Bethmann, Johann Goll & Söhne, B.H. Goldschmidt und anderen erhielt D. & J. de Neufville 1853 die Genehmigung der Stadt Frankfurt zur Gründung der Frankfurter Vereinskasse, die ein Jahr später in der Frankfurter Bank aufging (1970 fusionierte diese mit der Berliner Handels-Gesellschaft zur BHF-Bank).[6] Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte sich der damalige Vorstand und Teilhaber der Bank, Alfred de Neufville (1856–1900), sehr für den Aufbau der damals noch jungen Elektrizitätswirtschaft ein.[7]

1924, unter den letzten beiden Teilhabern Kurt (1883–1925) und Hugo de Neufville (1893–?), erfolgte nach der Inflation die stille Liquidation[8] des Bankhauses D. & J. de Neufville.[3] Bis zur Auflösung war das Stammhaus der Bank de Neufville mehr als 300 Jahre lang im „Zum Hirschkopf“ im Kleiner Hirschgraben 4 ansässig. Dieses 1590 erworbene und 1863 neuerrichtete Haus wurde zusammen mit dem Familienmuseum beim Luftangriff am 22. März 1944 zerstört.[1] Die Anfang der 1950er Jahre als Wohn- und Geschäftshaus errichtete Immobilie gehört noch immer der 1837 auf Initiative von Sebastian de Neufville (1790–1849) gegründeten „De Neufville’schen Familienstiftung“, die dort auch ihren Sitz hat.

Familie de Neufville

Außerhalb des Bankhauses D. & J. de Neufville betätigten sich Mitglieder der Familie de Neufville, vor allem seit dem 19. Jahrhundert, insbesondere als Kaufleute und Juristen, aber auch als Soldaten. Viele traten als karitative Stifter auf, betätigten sich in der Frankfurter Kommunalpolitik, engagierten sich in der 1808 gegründeten Frankfurter Handelskammer und übernahmen Führungspositionen in der Französisch-reformierten bzw. später auch in der Deutsch-reformierten Gemeinde Frankfurts. Heiratsverbindungen ging man aber nur mit gleichgestellten reformierten Familien ein, nicht aber mit den alten Patriziergeschlechtern Frankfurts. Gleichwohl gehörten die De Neufvilles der Frankfurter PatriziergesellschaftZum Frauenstein“ an.

Neben dem oben bereits erwähnten Stammhaus der Familie de Neufville „Zum Hirschkopf“ im Kleiner Hirschgraben 4, 1863–1864 von Rudolf Heinrich Burnitz neuerrichtet mit massiver Renaissancefaçade aus rotem und weißem Sandstein, besaßen Familienmitglieder in Frankfurt auch noch das 1799 von Nicolas Alexandre Salins de Montfort errichtete Palais de Neufville am Roßmarkt 23, die 1891–1893 von Franz von Hoven errichtete Villa de Neufville im Schaumainkai 53 (beherbergt seit 1958 das Museum für Kommunikation Frankfurt) und den Bergpark Eppstein mit der Villa Anna und dem Neufvilleturm in Eppstein am südlichen Rand des Taunus.[1] Einige Mitglieder erhielten die preußische und österreichische Adelsanerkennung unter dem Namen „von Neufville“. Wie bereits zuvor erwähnt, ließen sich Familienmitglieder ebenfalls in Amsterdam, Breslau, London, New York, Nürnberg und Paris nieder.[3]

Seit dem 18. Jahrhundert gründeten Mitglieder der Familie de Neufville auch außerhalb Frankfurts Banken, so z. B. Daniel de Neufville (1643–1678) in Amsterdam, Jean (John) de Neufville (1729–1796) ebenfalls in Amsterdam, Sébastien David Wilhelm de Neufville (1822–1891) in Paris und M. & J. de Neufville in London.

Der vor und während des Ersten Weltkriegs bedeutende deutsche Friedensaktivist Eduard de Neufville (1857–1942) war ein Mitglied der Bankiersfamilie de Neufville.[9]

Zu Ehren der Familie de Neufville wurde in Frankfurt am Main-Oberrad eine Straße nach ihr benannt.

Siehe auch

Literatur

  • Erich Achtenberg: Der Finanzplatz Frankfurt – Eine Chronik. Frankfurter Societäts-Druckerei, Frankfurt am Main 1955.
  • Frank Berger: 101 Geldorte in Frankfurt. Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2016, ISBN 978-3-95542-186-1.
  • Walter Selb (Im Auftrag der De Neufvillesche Familienstiftung): Acht Generationen Frankfurter Bürger in ihrer Zeit – Bilderchronik der Familie Neufville. Frankfurt am Main 1980, DNB 800867750.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Tobias Picard: de Neufville, Familie im Frankfurter Personenlexikon (Stand des Artikels: 8. Februar 1995, abgerufen am 19. Dezember 2020)
  2. 1605 gegründet, war die Bank Johann Mertens 1690 durch Erbschaft in den Besitz der hugenottischen Familie de Bary gelangt. Sie war lange Zeit die älteste existierende deutsche Bank, bis sie 1917 von der „Mitteldeutschen Creditbank“ übernommen und in ihre Frankfurter Filiale integriert wurde.
  3. a b c Manfred Pohl: Neufville, de in der Deutschen Biographie
  4. Niall Ferguson: „The House of Rothschild – Money's Prophet 1798–1848“, Penguin Books, London 1999, S. 46, ISBN 0-14-024084-5
  5. Hans Hermann Spoo: Das Bankgewerbe in Neuwied am Rhein im 19. und 20. Jahrhundert. (= Schriften zur rheinisch-westfälischen Wirtschaftsgeschichte. Band 39). Selbstverlag rheinisch-westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln e.V., Köln 1999, ISBN 3-933025-33-8, S. 65, 96 und 97.
  6. BHF-Bank (Hrsg.): Die Geschichte der BHF-Bank und ihrer Vorgängerinstitute. Frankfurt am Main 2011, S. 8.
  7. Bertold Picard: Mammutbäume und Hemlocktannen – ein Frankfurter Traum im Taunus Der Eppsteiner Bergpark Villa Anna der Familie von Neufville. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst. Band 74, Societäts Verlag, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-95542-048-2. (S. 1)
  8. Ziel der stillen Liquidation ist die Beendigung des Unternehmens. Dazu werden alle seine Vermögensgegenstände verkauft und so das im Unternehmen gebundene Kapital in „liquide“ Mittel (z. B. Bargeld) umgewandelt.
  9. Artikel zur Familie de Neufville von Ilse Romahn auf www.frankfurt-live.com