Privatbankier

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Privatbankier, auch Bankhaus oder Privatbank, bezeichnet ein Unternehmen des privaten Bankgewerbes. Der Begriff wird unterschiedlich eng oder weit gefasst verwendet. Im engeren Sinn werden unter diesem Begriff private Banken der Rechtsform der Einzelunternehmen oder einer der Rechtsformen der Personengesellschaft (Kommandit- oder offene Handelsgesellschaft in Deutschland; Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft in der Schweiz) eingeordnet. Die Entscheidungsbefugnisse liegen dadurch in der Hand der Eigentümer und es besteht persönliche Haftung.

Umgangssprachlich wird auch die Person des Inhabers eines Bankhauses als Privatbankier oder Bankier (aus dem Französischen: Banquier) bezeichnet.

Begriffsabgrenzung

Der Begriff Privatbank lässt sich in unterschiedlicher Weise definieren. In der umfassendsten Definition werden alle privaten Banken als Privatbank bezeichnet, also jene Banken, die sich in privatem Besitz befinden, unabhängig von der jeweiligen Struktur und Geschäftstätigkeit der Bank sowie der Eigentumsverhältnisse. Im engeren Sinn wird der Begriff der Privatbank an die Rechtsform der Einzelunternehmung oder Personengesellschaft geknüpft. So nähert sich die Begriffsdefinition jener des Privatbankiers beziehungsweise ist mit dieser identisch.

Privatbankiers im engsten Sinne sind Bankhäuser, bei denen ausschließlich Eigentümer und deren Familienangehörige in der Geschäftsführung vertreten sind. Eine weiter gefasste Beschreibung des Begriffs Privatbankier beinhaltet, dass die Geschäftsleitung daneben oder ausschließlich aus persönlich haftenden Gesellschaftern bestehen kann. Hierbei dehnt sich die Begrifflichkeit Privatbankier über die Rechtsform hinaus aus und betitelt zusätzlich auch die geschäftsführenden Gesellschafter und Eigentümer der Bank.[1]

Hiervon abzugrenzen ist der Begriff Private Banking. Dieser Begriff beschreibt zum einen die Betreuung für meist vermögende Kunden, die intensiver, individueller und/oder persönlicher ist als im Massenkundengeschäft. Zum anderen wird die Bezeichnung Private Banking für den Geschäftsbereich einer Bank, die Private Banking betreibt, genutzt. Obgleich die Ähnlichkeit der Begriffe Privatbankier, Privatbank und Private Banking oftmals zur fälschlichen Schlussfolgerung führt, dass Private-Banking-Dienstleistungen ausschließlich von kleinen Privatbanken und Privatbankiers angeboten werden würden,[2] wird Private Banking heute von jeglichen Banken, unabhängig von Rechtsform und Eigentümerschaft, angeboten und erbracht. Privatbankiers oder Privatbanken (im Sinne der engen Definition) stellen zwar den historischen Ursprung des Private-Banking-Geschäfts dar, jedoch längst nicht mehr die größte Anbietergruppe.[3]

Rechtsgrundlagen

Deutschland

In Deutschland unterstehen Privatbanken dem Kreditwesengesetz (KWG). Die Eigentümer benötigen nach § 32 KWG eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und haben nach § 32 Abs. 1 Nr. 4 KWG eine erforderliche fachliche Eignung nachzuweisen. Nach § 39 KWG dürfen die Bezeichnung „Bank“, „Bankier“ oder eine Bezeichnung, in der das Wort „Bank“ oder „Bankier“ enthalten ist, in der Firma, als Zusatz zur Firma, zur Bezeichnung des Geschäftszwecks oder zu Werbezwecken nur Kreditinstitute führen. Damit sind diese Begriffe gesetzlich geschützt und dürfen nur vom Inhaber eines Bankgeschäfts genutzt werden. Hierdurch soll eine Irreführung der Öffentlichkeit durch Missbrauch verhindert werden.

Durch Novellierung des KWG ist seit 1976 die Neugründung von Kreditinstituten in der Rechtsform des Einzelkaufmanns nicht mehr möglich.[4]

Schweiz

Im Bankengesetz (BankG) der Schweiz nimmt der Privatbankier eine eigene rechtliche Stellung ein. Art. 1 Abs. 1 BankG ordnet dem Privatbankier die Rechtsformen Einzelunternehmen, Kollektiv- und Kommanditgesellschaft zu. Privatbankiers benötigen eine Bewilligung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA).

Zudem ist der Begriff Privatbankier durch eine Kollektivmarke geschützt, die im Namen der Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum hinterlegt ist. Die meisten Privatbankiers sind in dieser Vereinigung zusammengefasst. Der Gebrauch dieser Marke ist den Mitgliedern sowie anderen Banken vorbehalten, die als Einzelunternehmen bzw. Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft organisiert sind und die einen oder mehrere persönlich und unbeschränkt haftende Bankiers haben.

Geschichtliche Entwicklung

Die Privatbankiers stellen die älteste Unternehmensform im Bankwesen dar. Ihre Ursprünge reichen bis ins 13. Jahrhundert, als Florenz zu einer Handelsmacht aufstieg und das dortige Bankgeschäft ganz besonders zu florieren begann. Als ursprüngliche Warengroßhändler, Kommissionäre oder Spediteure wandten sie sich, über das mit dem Warengeschäft zusammenhängende Kredit- und Wechselgeschäft, immer mehr dem Bankgeschäft zu.

Zu den ersten und damals bedeutendsten Bankiersfamilien zählten die Bardi, die Peruzzi und die Acciaiuoli aus Florenz. Diese unterhielten zu Beginn des 14. Jahrhunderts Filialen in praktisch den sämtlichen wichtigsten Städten Europas und hielten de facto das Monopol der päpstlichen Finanzen. Als der Englische König Eduard III. sich 1345 weigerte, seine durch den Hundertjährigen Krieg angehäuften Schulden zurückzuzahlen, gerieten diese in enorme Schwierigkeiten und verloren schließlich ihren Einfluss.

Als bekanntester Vorläufer der heutigen Privatbankiers gilt allerdings Vieri di Cambio de' Medici. Dieser baute zwischen 1348 und 1392 ein weit verzweigtes Bankhaus mit mehreren Filialen in den wichtigsten europäischen Städten auf. Unter seinen Zöglingen und späteren Partnern befand sich auch sein Neffe, Giovanni di Bicci de’ Medici, der zuerst die Filiale in Rom führte und diese 1393 übernahm. Während das einst sehr erfolgreiche Bankhaus von Vieri di Cambio de' Medici, nach seinem altersbedingten Rückzug 1393, unter der Führung seiner beiden Söhne unterging, war das Bankhaus seines Neffen äußerst erfolgreich. Zwei Jahre nach dem Tod seines Onkels verlegte Giovanni di Bicci de' Medici 1397 seine Aktivitäten nach Florenz und gründete den Banco Medici. Dieser bildete die Grundlage des späteren Aufstiegs der Medici zu einer der mächtigsten Familien der damaligen Zeit in Europa.[5]

In dieser Zeit gab es etliche Bankiers und Bankiersfamilien, deren Auf- bzw. Abstieg mit den wirtschaftlichen, politischen und militärischen aber auch religiösen Machtverschiebungen in Europa einhergingen.

Noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts waren kleine Geldhäuser von Privatbankiers, typischerweise in der Form eines Familienunternehmens, die vorherrschende Organisationsform im Bankenbereich. Zu jenen Zeiten handelten sie als Universalbankiers, die ihren Kunden die gewünschten Kredite vermittelten. Die Privatbankiers waren bis in die Zeit der Vor- und Frühindustrialisierung die wichtigsten und einflussreichsten Träger des gesamten Kreditwesens.

In der Gründerzeit veränderte sich das Bankwesen in Deutschland deutlich. Nun wurden mehrere Banken in Form von öffentlich gehandelten Aktiengesellschaften gegründet. Die bekanntesten Gründungen dieser Zeit in Deutschland waren die Disconto-Gesellschaft (1851), Deutsche Bank (1870), Commerzbank (1870) und Dresdner Bank (1872).

Der Trend, dass Zahl und Bedeutung der Privatbankiers gegenüber den anderen Bankengruppen (Großbanken, Sparkassen, Genossenschaftsbanken) abnahm, setzte sich bis in unsere Zeit fort.

Jahr Anzahl der deutschen
Privatbankiers[6][7]
Geschäftsvolumen Gesamteinlagen
1902 1.386
1913 1.221
1919 1.100
1925 1.406
1932 709
1938 491 (520) 1.260 Mio. RM
1956 222 3.342 Mio. DM 2.127 Mio. DM
1960 209 5.952 Mio. DM 4.156 Mio. DM
1964 217 9.868 Mio. DM 7.124 Mio. DM
1966 205 11.567 Mio. DM 7.981 Mio. DM
1968 184 15.108 Mio. DM 11.705 Mio. DM
1970 170 20.848 Mio. DM 15.248 Mio. DM
1971 165 20.407 Mio. DM 14.706 Mio. DM
1974 138

Die Deutsche Bankenkrise 1931 führte zu einer deutlichen Reduzierung der Zahl der Privatbankiers. Viele kleinere Banken brachen zusammen oder wurden auf größere Banken verschmolzen. Hierbei spielten insbesondere die Stützung der Großbanken durch den Staat eine Rolle (die zu Kundenverlusten bei den Privatbankiers führten). Ebenfalls eine Rolle spielte die Notverordnung des Reichspräsidenten, mit der die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder auf 30 begrenzt wurde. Damit verloren vielfach Vertreter der Privatbankiers Aufsichtsratsmandate und damit Geschäftsmöglichkeiten.[8]

Ein weiterer Rückschlag erfolgte mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und der damit einhergehenden Arisierung, denn vielfach waren Privatbankiers jüdischer Abstammung.

Spiegelbildlich zu der Reduzierung von Zahl und Bedeutung der Privatbankiers stieg die Bedeutung des öffentlichen und genossenschaftlichen Bankwesens. Insbesondere die Sparkassen und deren Spitzeninstitute konnten den Marktanteil auf ca. 50 % steigern.

Die meisten der historisch traditionellen Privatbankiers sind im Verlaufe der Zeit verschwunden. Die ersten Bankiersfamilien verschwanden hauptsächlich durch die verschiedenen politischen Machtverschiebungen in Europa. Später, besonders während der Industrialisierung, waren es die stark zunehmenden Kreditbedürfnisse, denen etliche Privatbankiers nicht mehr gerecht werden konnten. Auch die fehlende Nachfolge, die eine erfolgreiche Weiterführung des Bankhauses von Generation zu Generation erheblich erschwerte, war mit ein Grund. So wurden die meisten ehemals im Familienbesitz befindlichen Bankhäuser verkauft oder in Kapitalgesellschaften umgewandelt.

Die verbliebenen Privatbankiers konnten wirtschaftlich nur überleben, weil sie ihr Geschäftsmodell änderten: Sie gaben das Universalbankgeschäft weitestgehend auf und spezialisierten sich auf das Private Banking, d. h. die Betreuung von vermögenden Kunden und die Betreuung ihrer Vermögen. Dazu nutzten sie den Nimbus ihrer Familientradition, die sich bis ins 18. Jahrhundert und früher zurückverfolgen lässt („Luxusbanking“).

Seit 1997 ist der Begriff Privatbankier in der Schweiz geschützt und auf bestimmte Rechtsformen beschränkt. Seit 1999 führt die Deutsche Bundesbank die Gruppe des Privatbankiers nicht mehr in ihrer Statistik.[9]

Liste aktiver Privatbankiers

Deutschland

2017 listete der Bundesverband deutscher Banken 22 Privatbankiers auf:[10]

Privatbankiers sind in der Satzung des Bundesverbands deutscher Banken wie folgt definiert:

„Privatbankiers sind Kreditinstitute, die in der Rechtsform der offenen Handelsgesellschaft oder der Kommanditgesellschaft geführt werden. Kommanditgesellschaften auf Aktien gelten als Privatbanken sofern

a) die persönlich haftenden Gesellschafter natürliche Personen sind und
b) die Aktien der Gesellschaft nicht über die Börse gehandelt werden und
c) die Übertragung der Aktien an die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter gebunden ist.“[11]

Schweiz

In der Schweiz gibt es die Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers (VSPB). Sie schreibt (Stand Februar 2017) unter anderem:

„In der Schweiz entspricht die Bezeichnung ‚Privatbankier‘ einer genauen Definition im Sinne des Bankengesetzes: Es handelt sich um Banken in der Rechtsform von Einzelfirmen, Kollektiv und Kommanditgesellschaften. Die spezifische Stellung der Privatbankiers ist durch die Präsenz in ihren Rängen von einem oder mehreren unbeschränkt für ihre Bank haftbaren Teilhaber gerechtfertigt.

[...]

Um die Verwässerung und die missbräuchliche Verwendung des Begriffs ‚Privatbankier‘ durch Personen oder Unternehmen, die nicht den gesetzlichen Bedingungen entsprechen, zu vermeiden, wurde die Kollektivmarke ‚Privatbankier‘ (in der Einzahl und Mehrzahl, in verschiedenen Sprachen) 1997 durch die Vereinigung Schweizerischer Privatbankiers beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum hinterlegt.“[12]

Stand Februar 2017 entsprechen fünf der neun Mitgliedsbanken der VSPB der Definition eines Schweizer Privatbankiers und dürfen sich eben so bezeichnen:[12]

Liste ehemaliger Privatbankiers

Beispiele ehemaliger Privatbankiers, die u. a. inzwischen teilweise oder gänzlich im Eigentum von Großbanken und Versicherungskonzernen sind:

Personen

Als bekannte Bankiers gelten die Rothschilds, die dadurch, dass sie im 19. Jahrhundert gleichzeitig in Frankfurt, London, Wien, Paris und Neapel aktiv waren, durch Rezessionen bedingte Verluste in einem Land durch Gewinne der anderen Bankhäuser leicht kompensieren konnten. Zudem besaßen sie oft einen Informationsvorsprung, der ihnen bei einigen Geschäften große Gewinne einbrachte.

Weitere Privatbankiers sind oder waren u. a.:

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Bankier – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Patrick Zenz-Spitzweg: Die Wahl des Anbieters im Private Banking (= Hamburger Schriften zur Marketingforschung. Bd. 50). Rainer Hampp Verlag, München 2007, ISBN 978-3-86618-164-9, hier insbes. S. 38 und Tabelle 2 auf S. 41; vgl. Dominik Löber: Private Banking in Deutschland: Strategie und Organisationsarchitektur (= Schriften zum europäischen Management). Springer Gabler, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8349-3558-8, S. 27; vgl. Robert Wolf: Privatbankiers in Deutschland. Kampf ums Überleben? Diplomica Verlag, Hamburg 2013, ISBN 978-3-8428-8217-1, S. 2 ff.
  2. Patrick Zenz-Spitzweg: Die Wahl des Anbieters im Private Banking (= Hamburger Schriften zur Marketingforschung. Bd. 50). Rainer Hampp Verlag, München 2007, ISBN 978-3-86618-164-9, S. 40.
  3. Patrick Zenz-Spitzweg: Die Wahl des Anbieters im Private Banking (= Hamburger Schriften zur Marketingforschung. Bd. 50). Rainer Hampp Verlag, München 2007, ISBN 978-3-86618-164-9, S. 27.
  4. Eberhart Ketzel: Das Kreditwesen in der Bundesrepublik Deutschland. Bund-Verlag, Köln 1982, ISBN 3-7663-0508-5, S. 87; Stephan Schöning: Privatbankier. In: Gabler Wirtschaftslexikon. abgerufen am 25. März 2014.
  5. Mediateca Palazzo Medici Riccardi, Firenze (italienisch).
  6. Statistik der Reichsbank/Bundesbank; zitiert nach: Der Privatbankier – Nischenstrategien in Geschichte und Gegenwart. (= Bankhistorisches Archiv, Beihefte. Bd. 41). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08311-1, S. 28.
  7. Zahlenbilder. Nr. 461511, Erich Schmidt Verlag, Januar 1972.
  8. Der Privatbankier (= Bankhistorisches Archiv, Beihefte. Bd. 41). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-515-08311-1, S. 35–36.
  9. Dominik Löber: Private Banking in Deutschland: Strategie und Organisationsarchitektur (= Schriften zum europäischen Management). Springer Gabler, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8349-3558-8, S. 27.
  10. Mitglieder Privatbankiers. Bundesverband deutscher Banken, abgerufen am 29. Oktober 2017.
  11. Satzung (PDF, S. 8). Bundesverband deutscher Banken, Stand: August 2014, hier: § 5b Nr. 3. Abgerufen am 6. April 2016.
  12. a b Unsere Mitglieder. Website der Vereinigung Schweizer Privatbankiers, abgerufen am 2. März 2017.
  13. Die Bank für Handel und Industrie in Darmstadt schloss sich 1922 mit der Nationalbank für Deutschland zur Darmstädter und Nationalbank zusammen, die wiederum 1931 auf Anordnung der Reichsregierung mit der Dresdner Bank fusionierte. Die Dresdner Bank ging ihrerseits 2009 in der Commerzbank auf
  14. H. Upmann Bank Building. Archiviert vom Original am 7. Oktober 2017; abgerufen am 7. Oktober 2017 (englisch).