Behindertengleichstellungsgesetz (Schweiz)

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Basisdaten
Titel: Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen
Kurztitel: Behindertengleichstellungsgesetz
Abkürzung: BehiG
Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Schweiz
Rechtsmaterie: Grundrechte
Systematische
Rechtssammlung (SR)
:
151.3
Ursprüngliche Fassung vom:13. Dezember 2002
Inkrafttreten am: 1. Januar 2004
Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten.

Das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz, BehiG) von 2004 regelt die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in der Schweiz.

Entstehung

1998 wurde die eidgenössische Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte» lanciert und am 14. Juni 1999 eingereicht.[1] Sie verlangte die Verankerung eines neuen Artikels 4bis in der Bundesverfassung, um die Diskriminierung wegen einer Behinderung zu verbieten. Zudem sah sie eine Verpflichtung des Gesetzgebers vor, um Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen.

Das eidgenössische Parlament hatte bei der zeitgleich laufenden Totalrevision der Bundesverfassung in Artikel 8 zwei spezifische Bestimmungen zur Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen gutgeheissen. Sie wurden zusammen mit der neuen Bundesverfassung in der Volksabstimmung vom 18. April 1999 angenommen und traten am 1. Januar 2000 in Kraft. Artikel 8 Absatz 2 BV, bestimmt: «Niemand darf diskriminiert werden [...] wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung». Artikel 8 Absatz 4 beauftragt den Bundesgesetzgeber, «Massnahmen zur Beseitigung von Benachteiligungen der Behinderten» vorzusehen.

Zur Umsetzung dieses Gesetzgebungsauftrages wurde das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz; BehiG) vom 13. Dezember 2002 geschaffen. Es trat am 1. Januar 2004 in Kraft. Die Volksinitiative wurde am 18. Mai 2003 in einer Volksabstimmung abgelehnt.[1]

Inhalt

Das Gleichstellungsgesetz ermöglicht Behinderten die selbständige Nutzung des öffentlichen Verkehrs. Rollstuhlfahrerin beim Verlassen eines Zuges der SBB

Das Behindertengleichstellungsgesetz enthält Vorgaben, die es Menschen mit Behinderungen erleichtern, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Es «hat zum Zweck, Benachteiligungen zu verhindern, zu verringern oder zu beseitigen, denen Menschen mit Behinderungen ausgesetzt sind» (Art. 1 Abs. 1 BehiG). Dieses Benachteiligungsverbot gilt für öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen. Für Wohnbauten gilt es mit mehr als acht Wohneinheiten und für Betriebe mit mehr als 50 Arbeitsplätzen. Es gilt auch für den öffentlichen Verkehr, öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse, Dienstleistungen des Bundes, der Kantone und konzessionierten Unternehmen sowie für die Aus- und Weiterbildung.

Das Benachteiligungsverbot kann so weit durchgesetzt werden, als nicht der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt wird. Es muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Dabei ist zu prüfen, ob der erwartete Nutzen für Menschen mit Behinderungen höher zu gewichten ist als der wirtschaftliche Aufwand, die Interessen des Natur- und Heimatschutzes oder die Verkehrs- und Betriebssicherheit.

Das Gesetz verlangt nicht, dass auch private Unternehmen besondere Massnahmen ergreifen müssen, um ihre Dienstleistungen ohne Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu erbringen. Ihnen ist einzig verboten, Menschen mit Behinderungen zu diskriminieren. In einem solchen Fall können betroffene Personen oder Behindertenorganisationen eine Entschädigung bis höchstens 5000 Franken verlangen.

Es sieht zudem die Möglichkeit vor, dass der Bund Projekte zur Förderung der tatsächlichen Gleichstellung finanziell unterstützen kann.

Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB)

Zuständig für die finanzielle Förderung von Projekten im Bereich der Behindertengleichstellung ist das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB). Es prüft, begleitet und evaluiert die Projekte. Das EBGB informiert über das Behindertengleichstellungsrecht, es gibt Analysen und Untersuchungen im Bereich der Gleichstellung und Integration in Auftrag. Es koordiniert die Tätigkeiten der auf diesem Gebiet tätigen öffentlichen Stellen und privaten Organisationen.

Verordnungsrecht

Drei Verordnungen konkretisieren das Behindertengleichstellungsgesetz:

  • Behindertengleichstellungsverordnung (BehiV), SR 151.31
  • Verordnung über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (VböV), SR 151.34
  • Verordnung über die technischen Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (VAböV) SR 151.342

Literatur

  • Arbeitsgemeinschaft BASS/ZHAW: Evaluation des BehiG. Integraler Schlussbericht Bern 2015.
  • Eric Bertels: Die schweizerische Behindertengleichstellung. Entstehung, Entwicklung, Auswirkung. Basel 2016.
  • Bundesrat: Botschaft zur Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte» und zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Beseitigung von Benachteiligungen behinderter Menschen vom 11. Dezember 2000 (BBl 2001 1715).
  • Markus Schefer, Caroline Hess-Klein: Behindertengleichstellungsrecht. Stämpfli Verlag, Bern 2014, ISBN 978-3-7272-3116-2.

Weblinks

Einzelnachweise