Bel Taimpel
Die Kirche Bel Taimpel (rätoromanisch im Idiom Puter für «Schöner Tempel») ist ein denkmalgeschütztes evangelisch-reformiertes Gotteshaus im Dorfzentrum von Celerina im Oberengadin, Kanton Graubünden, Schweiz. Bel Taimpel war lange Zeit Haupt- und Predigtkirche des Ortes und wird nur noch selten für Sonntagsgottesdienste genutzt.
Geschichte und Baugeschichte
Der verheerende Dorfbrand von Celerina im Jahr 1631 muss wohl die Kapelle Sencha Trinited, welche nahe der Innbrücke in Celerina stand und deren Fundamente bei archäologischen Grabungen 1974 freigelegt wurden, stark beschädigt haben. Die Zerstörung mag die Idee zur Errichtung einer 'moderneren', repräsentativeren Dorfkirche aufgebracht haben, welche dann eine Generation später realisierte wurde[1]. 1665-1669 werden Turm und Kirche nach dem Vorbild der reformierten Kirche San Niculò (Pontresina) und Plänen von Casper Frizzoni als barocke Gesamtanlage gebaut. Renovationen im 18. Jahrhundert an Turm, Zifferblatt und Gesims. 1718 wird das Portal errichtet und die Frauenbänke erhalten Rückenlehnen. In den Jahren 1846, 1903 und 1934 wechseln die Aussenwände den Farbanstrich[2].
1914 wurde Bel Taimpel – zusammen mit San Gian (Celerina) und Reformierte Kirche Celerina Crasta – von der evangelischen Kirchgemeinde Celerina zu Eigentum übernommen (davor: Eigentum der Bürgergemeinde Celerina)[3]. Bei der umfassenden Restauration von 1994-1996 wird die ursprüngliche Farbfassung erneuert und im Innern Licht und Heizung installiert. Festgottesdienst zum Abschluss der Arbeiten am 30. November 1996.
Äusseres
Wandgliederung durch glatte Lisenen. Portal mit architektonischer Umrahmung aus Säulen mit ionisierenden Kapitellen und einem Gebälk mit aufgelöster Verdachung. Das Datum 1718 im Sturz bezieht sich nur auf dieses Portal mit der Inschrift A DIEU SULET GLORIA ED ONUR. Die Türe reich geschnitzt mit Ranken und Rosetten. Steiles, über dem Chor abgewalmtes Satteldach[4].
Inneres
Das Kirchenschiff ist tonnenartig gewölbt, im Schiff mit Stichkappen. Im Deckenfries an der Westwand Kartusche mit Salis-Wappen. Der Chor ist dreiseitig geschlossenen. Um den ganzen Kirchenraum läuft ein stark ausladendes Gesims, das durch einen orangerot marmorierten Fries und weitere fantasievolle Friesbänder gezeichnet ist. Über dem Gesims öffnen sich vier Fenster im Schiff und unter dem Gesims zwei Fenster im Chor. Ein mächtiges Tonnengewölbe mit kunstvollen Stuckmedaillons überdeckt den Raum. Das Gesims ist gekröpft über den Pilastern, welche ionisierende Kapitelle mit Engelsköpfen aufweisen und an ihrer Basis vom Getäfer (1770/80) aufgenommen werden, das mit Schnitzereien verziert ist. Der Chor ist nur leicht eingezogen, so dass die Einheit des Predigtsaales erhalten bleibt[5]. Die Stukkaturen von guter Qualität beschränken sich auf Milieustücke am Gewölbe. Sie sind stark plastisch, die Rosette des Chores mit hängendem Stempel. Chorbestuhlung mit Hochwänden. Familienstuhl mit geschweifter Bank. Eingelegte Renaissanceornamente und Wappen Salis, datiert 1645 mit Inschrift JOHANNES SALICAEUS / JOHANNES ET OTTHO EIUS FILLII.[6]
Turm
Aus der Achse gerückter Chorscheitelturm, bekrönt von einem achteckigen Aufsatz mit Kuppelhaube. Das Hauptglockengeschoss mit den rundbogigen Schallfenstern ist durch Gesimse herausgehoben. Die Treppe in den beiden unteren Geschossen ist aus der Mauer des Turmes und des Chorschlusses ausgespart. Der Turmschaft ist datiert mit 1669 und 1718. Die Jahreszahl 1718 weist wohl auf eine Renovation des Turms hin. 1996 wird die Kopie des Turmhahns mit beweglichen Flügeln (hergestellt durch den Kunstschmied Curdin Niggli, Samedan) sowie die Sonne und Mond darstellende Wetterfahne auf den Turm montiert[7][8][9]. Das funktionstüchtige Original des Turmhahns hängt im Kirchgemeindehaus Peidra Viva Celerina[10].
Kanzel
Polygonale Holzkanzel mit Schalldeckel. Im Fries datiert mit <ANNO DO. 1669> datiert, gefolgt von der Inschrift: <GUARDE CO VUS ODAS, PERCHE A QUEL CHI HO, VAIN DO ED A QUEL CHI NUN HO VAIN PRAINS EIR QUE CH'EL PAISA D'HAVAIR. LUC. 8, V.18>. Der Korpus ist mit fünf Säulen in Felder gegliedert. Deren Füllungen bestehen aus Intarsien, darüber aufgelöste Verdachungen. Der Schalldeckel ist kassetiert mit Reliefranken und Fratzen am Rand. Unter der Kanzel ein dreiteiliger Predigtstuhl. An der Rücklehne des Stuhls die Jahreszahl 1649 und die Initialen IS[11].
Taufstein
Spätgotischer Taufstein aus Tuff mit geschraubtem Schaftring aus dem Jahr 1530. Der Taufstein wurde – zu einem unbekannten Zeitpunkt – vermutlich von der Kirche San Gian (Celerina) nach Bel Taimpel gebracht. Durchmesser 95 cm. 1996 rötlich marmoriert bemalt mit einzelnen grünen Blättern[12]. Der Taufstein von Bel Taimpel ist vom Aufbau her ähnlich demjenigen Taufstein, der im Volksmund 'Taufstein von San Bastiaun (Zuoz)' genannt wird[13]. Ähnlichkeit des Taufsteins von Bel Taimpel besteht auch mit dem Taufsteinen in San Niculò (Pontresina) und in der Reformierte Kirche Chamues-ch. All diesen Taufsteinen sind die gedrungen geformten Becken mit den schweren Wulsten gemeinsam. Diese Form steht im Einklang mit der Architektur der Bündner Bauten mit der Neigung zur steingemässen Massigkeit. Diese Art der Taufsteine haben etwas vom Fels, aus dem das lebendige Wasser quillt[14].
Orgel
Vor 2002 stand in Bel Taimpel ein Harmonium der Firma Estey Organ & Co., Brattleboro, Utah, USA mit 1 Manual, 14 Registern und 2 Tretpedalen[15]. Seit 2002 steht in Bel Taimpel eine verschiebbare Truhenorgel. Dieses Instrument stand ab 1982 bis zum Umzug nach Bel Taimpel in der Kirche San Gian (Celerina), davor wahrscheinlich an einem anderen Ort. Der Erbauer dieses Instrumentes ist unbekannt. Es ist ein rein mechanisches Schleifladen-Instrument mit geteilten Schleifen (d/dis') und sechs Registern auf einem Manual (C-f3).[16]
Glocken
Am 10. Juni 1682 zerstörte ein Blitz den grossen Turm der Kirche San Gian (Celerina). Dabei schmolz auch die grosse Glocke von San Gian. Das Material dieser geschmolzenen Glocke soll dann das Material für neue Glocken in der Kirche Bel Taimpel geliefert haben[17]. Um 1870 soll die Glocke mit dem Durchmesser 77,5 cm und der Inschrift + DEUS DABIT BENIGNITATEM ET TERRA NOSTRA DABIT FRUCTUM SUUM. ANNO DOMINI MDCXV (1615) + im Bel Taimpel gehangen haben. Diese Glocke ist jetzt in der Kirche Celerina Crasta[18]. Weitere frühere Glocken in Bel Taimpel waren (i) eine Glocke von 1660, gegossen von Gaudentz Hempel in Chur mit Inschrift der Namen der Cuvihs (Vorsteher), des Pfarrers Zacharias Paliopi und des Mistrals Joh. Gaud. v. Salis, und (ii) eine Glocke gegossen 1810 von Jacob Grasmair in Feldkirch mit den Namen der Vorsteher und Kirchenvögte[19].
Seit anfangs des 20. Jahrhunderts hängen vier Glocken im Kirchturm von Bel Taimpel[20]:
- Durchmesser 151 cm. Gewicht 2090 kg. Inschrift: *GLORIA A DIEU NELLAS OTEZZAS* H. Rüetschi AG Aarau 1917-1921. Ornamente: Blumenranken und Girlanden oben rundum.
- Durchmesser 109 cm. Gewicht ca. 750 kg. Inschrift: *PÊSCH SÜN TERRA*. Pruneri Grosio 1903. Ornamente: Hand, Girlande oben, Blumenornament in der Mitte und unten 3 Stabreihen.
- Durchmesser 91 cm. Gewicht ca. 450 kg. Inschrift: *BAINPLASCHAIR VI ALS CRASTIAUNS*. Pruneri Grosio 1903. Ornamente: Girlande oben, Blumenornament in der Mitte und unten 3 Stabreihen.
- Durchmesser 65,5 cm. Gewicht ca. 175 kg. Inschrift *AMEN - SCHLARIGNA 1909*. Pruneri Grosio. Onrnamente: 2 schwebende Engel mit Schriftband <AMOR>, Girlanden oben, Blumenornamente in der Mitte rundum.
Kirchliche Organisation
Kirchlich gehörte Celerina zunächst zu Zuoz und dann zu Samedan[21]. Celerina löste sich 1527 von der Mutterpfarrei Samedan[22]. Celerina – damals mit den Kirchen San Gian (Celerina) San Gian, Celerina Crasta und der abgegangenen Kapelle Sencha Trinited – trat 1577 zum evangelischen Glauben über. Erster Pfarrer wurde Nikolaus Kesel[23]. Innerhalb der evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden gehörte Celerina mit den beiden anderen reformierten Celeriner Kirchen Crasta und San Gian zum Kolloquium VII Engiadin'Ota-Bregaglia-Poschiavo-Sursès. Seit 2017 gehört Celerina zur Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Oberengadin (romanisch: Baselgia evangelica-refurmeda Engiadin'Ota), umgangssprachlich Refurmo genannt.
Galerie
Weblinks
- Die Kirche Bel Taimpel mit Photographie der Aussenansicht auf baukultur.gr.ch
Einzelnachweise
- ↑ Ludmila Seifert-Uherkovich: Celerina/Schlarigna. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Schweizerische Kunstführer. Serie 90, Nr. 894. Marti Media AG, Hinterkappelen 2011, ISBN 978-3-03797-024-9, S. 32–33.
- ↑ Refurmo: Kirche Celerina/Schlarigna, Bel Taimpel. In: www.refurmo.ch. Refurmo, 2017, abgerufen am 28. Juli 2022.
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur, ISBN 3-85637-287-3, S. 57.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 335.
- ↑ Refurmo: Kirche Celerina/Schlarigna, Bel Taimpel. In: www.refurmo.ch. Refurmo, 2017, abgerufen am 28. Juli 2022.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Nr. 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 336.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 336.
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag, Chur, ISBN 3-85637-287-3, S. 57.
- ↑ Kantonsbibliothek Graubünden: Reformierte Kirche 'Bel Taimpel'. In: Baukultur Graubünden. Kantonsbibliothek Graubünden, abgerufen am 28. Juli 2022.
- ↑ Mitteilung vom 3. August 2022 von Heidy Weisstanner, ehemalige Kirchgemeindepräsidentin Celerina
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur, ISBN 3-85637-287-3, S. 58.
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur, ISBN 3-85637-287-3, S. 58.
- ↑ Brief Denkmalpflege Graubünden, Johannes Florin vom 27. August 2012
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. In: Gesellschaft für schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 1. Birkhäuser Verlag, Basel 1937, S. 136.
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur 2003, ISBN 3-85637-287-3, S. 57.
- ↑ Jutta Kneule: Orgeln im Engadin - Geschichte und Gegenwart. In: Baselgias Engiadinaisas. Walter Isler, 2021, abgerufen am 27. Juli 2022.
- ↑ Arnold Nüscheler: Die Gotteshäuser der Schweiz. Hrsg.: Schweizerische geschichtsforschende Gesellschaft. Erstes Heft - Bisthum Chur. Orell, Füssli und Comp., Zürich 1864, S. 122.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden. Hrsg.: Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 333.
- ↑ Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler es Kantons Graubünden. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler der Schweiz. Band 3. Verlag Birkhäuser, Basel 1940, S. 338.
- ↑ Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band 1. Casanova Druck und Verlag AG, Chur, ISBN 3-85637-287-3, S. 58–59.
- ↑ Dr. H. Tribolet: Celerina. In: https://www.digibern.ch/katalog/historisch-biographisches-lexikon-der-schweiz. Universität Bern, 1926, abgerufen am 27. Juli 2022.
- ↑ Ludmila Seifert-Uherkovich: Celerina/Schlarigna. In: Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.): Schweizerische Kunstführer. Serie 90, Nr. 894. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2011, ISBN 978-3-03797-024-9, S. 21.
- ↑ Hans Berger: Bündner Kirchengeschichte. Hrsg.: Evangelischer Kirchenrat Graubünden. 2. Teil Die Reformation. Verlag Bischofberger AG, Chur 1987, ISBN 3-905174-02-2, S. 103.
Koordinaten: 46° 30′ 47,7″ N, 9° 51′ 36,8″ O; CH1903: 785818 / 154194