Benutzer:10bKlasse2019/Mit der Faust in die Welt schlagen

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Mit der Faust in die Welt schlagen ist der Debütroman des deutschen Autoren Lukas Rietzschel aus dem aus dem Jahr 2018. Er lässt sich zur Gegenwartsliteratur aber auch zur Post-DDR-Literatur oder Nach-Wende-Literatur zuordnen. Die Coming-of-Age-Geschichte dreht sich um die Protagonisten Tobias und Philipp Zschornack aus Neschwitz vom Jahr 2000 bis 2015. Die beiden Brüder durchleben eine von Orientierungslosigkeit geprägte Zeit und schließen sich letztendlich einer Gruppe Neo-Nazis an, mit der sie zu jungen Erwachsenen heranwachsen.

Lukas Rietzschel (Frankfurter Buchmesse 2018)

Autor

Lukas Rietzschel (*1994) ist ein deutscher Autor, der in Kamenz in Sachsen aufwuchs. An der Universität Kassel studierte er Politikwissenschaften und später auch Germanistik. Er verfasste Texte in verschiedenen Anthologien. Im September 2018 veröffentlichte Lukas Rietzschel dann den Roman Mit der Faust in die Welt schlagen. In diesem nahm er indirekt Bezug zu seiner eigenen Kindheit und seiner Heimat die (wie im Roman) von der Wende geprägt ist.


Inhaltsangabe

Lukas Rietzschels Roman spielt in Neschwitz, einer Provinzstadt in Ostsachsen. Er erzählt von den beiden Brüdern Philipp und Tobias und ihrem Aufwachsen 11 Jahre nach der Wende ( vom Jahr 2000 bis 2015). Die beiden Geschwister leben mit ihren Eltern in einem Einfamilienhaus, doch während des Handlungsverlaufs erleben sie den sozialen Abstieg. Durch den Tod ihres geliebten Großvaters leiden die beiden Jungen sehr, sie bemerken die Trostlosigkeit ihrer Heimat und erleben das Scheitern der Ehe ihrer Eltern. Philipp und Tobias sind von Erwachsenen umgeben, die ihnen ihre Fragen nicht beantworten und keinen Halt geben können, da sie sich um ihre eigenen Probleme kümmern müssen. Durch diese Orientierungslosigkeit wendet sich erst Philipp und später auch Tobias dem Neonazi Menzel, der selbst ein Halbsorbe ist, und seinen Freunden zu. Beide Brüder sind bei einer Aktion der Neonazis dabei. Philipp wirkt bei einem Anschlag auf eine Familie mit türkischstämmiger Adoptivtochter mit, bei dem Schweinereste auf die Wohnung geworfen werden. Tobias löst eine Prügelei bei dem Hexenfeuer aus. Anders als Philipp, der sich nach und nach aus der Neonaziszene zurückzieht, fühlt sich Tobias immer mehr zu der Szene um Menzel hingezogen. Durch seine Anziehung zu den Nazis gerät er immer tiefer in Probleme. Er übernimmt die Nazi-Ideologie und ist überzeugt, dass seine Heimat vor Ausländern geschützt werden muss. Der Roman endet mit einem Anschlag auf die alte Schule der beiden Brüder, wobei die Schule von Tobias, Menzel und Robert erst überschwemmt und dann angezündet wird.

Raum- und Zeitgestaltung

Die Handlungen spielen hauptsächlich in Neschwitz statt, dabei an ganz unterschiedlichen Orten in der Stadt, z.B.: im Einfamilienhaus der Familie Zschornack, in und an der Schule, am Steinbruch, etc.. Dennoch besuchen die Brüder mit ihren Großeltern auch Hoyerswerda. Die Geschichte ist chronologisch aufgebaut und enthält Zeitsprünge, da der Roman die Eintönigkeit des Lebens von Philipp und Tobias schon durch kurze Zeitabschnitte sichtbar macht. Es werden sogar 5 Jahre übersprungen. Der Roman setzt im Jahr 2000 ein und zieht sich bis zum Jahr 2015. Er ist in drei Bücher aufgeteilt ( 1. Buch: 2000 bis 2004; 2. Buch: 2004 bis 2006; 3. Buch: 2013 bis 2015). Dabei wird zeitraffend erzählt, was in den einzelnen Jahren geschieht.

Zeitgeschichtlicher Hintergrund

Im Roman nimmt Lukas Rietzschel Bezug auf wahre Geschehnisse, was zur realitätsnahen Atmosphäre beiträgt. Ereignisse wie zum Beispiel der mit der Stadt verbundene Angriff 1991 auf ein Flüchtlingsheim werden erwähnt, jedoch nicht genauer erläutert. Die beiden Hauptfiguren erfahren nicht, was damals in Hoyerswerda passiert ist und als sie Fragen stellen, werden sie ignoriert. (S. 64/65) Dieser Ausschnitt zeigt, dass Philipp und Tobias von der Außenwelt abgeschnitten sind und ohne Bezug zur Realität bzw. Außenwelt in ihrer Filterblase leben. Durch den Fernseher ihrer Großeltern bekommen Tobias und Philipp jedoch beschränkt Informationen aus der Welt, wie beispielsweise das Ereignis 9/11 aus dem Jahr 2001.

Die Szene des Anschlags wird im Buch (auf S.46/47) geschildert. Auf dem Fernseher der Großeltern laufen die Nachrichten, bei denen über 9/11 berichtet wird. Philipp und Tobias sitzen staunend vor dem flimmernden Bildschirm und verfolgen gespannt das Ereignis. Zudem gibt es einen Dialog zwischen Philipp und seinem Freund Axel, indem Axel behauptet "Die Amis [seien] selbst schuld". Philipp antwortet darauf mit "Ja", obwohl er nicht weiß, warum (S.50/51). Die Frage des "Warums" taucht im Buch wiederholt auf. Es beschreibt die Situation der Brüder, die Stück für Stück rechtsextrem werden. Auch Tobias hat offensichtlich offene Fragen. Nach den Nachrichten über den Anschlag 9/11 kann er nicht schlafen, so malt er ein Bild eines Panzers mit der Frage ‚Krieg?‘ darunter. Diese unbeantworteten Fragen sind teilweise auch ein Grund dafür, dass Philipp und Tobias immer mehr in die rechtsextreme Szene rutschen.

Zentrale Themen

Da der Roman in der Nachwendezeit spielt, werden im Roman viele Auswirkungen der Wiedervereinigung thematisiert, wie fehlende Arbeitsplätze, die Zerstörung einzelner Stadtviertel und allgemein die Trostlosigkeit. Des Weiteren geht es in dem Buch um die Entwicklung der beiden Brüder Philipp und Tobias zu jungen Erwachsenen und auch um ihr Abrutschen in die rechtsextreme Szene und somit auch darum, welche Auswirkung rechtsextreme Gruppen auf Menschen (im Umfeld) haben. Unter anderem handelt es auch von der Flüchtlingskrise, und von der Unzufriedenheit gegenüber der Regierung.

Figurencharakteristik

Philipp

Am Anfang des Romans ist Philipp acht Jahre alt (S.11) und zum Ende ist er 23. Er hat eine schmale und zerbrechliche Figur.

Zu Beginn des Buches wohnt er mit seinem kleinem Bruder Tobias (Tobi) und seinen Eltern in einem Haus. Er macht seinen Realschulabschluss und arbeitet dann als Mechatroniker (S.260). Später zieht er in seine eigene Wohnung. (S.240).

Philipp will immer dazugehören, so auch zu der Gruppe von Menzel (S.195). Um dazugehören ist er bei Aktionen dabei, die er eigentlich nicht unterstützt (S.224). Durch sein Handeln will er auf andere cool wirken. Später entfernt er sich von der Gruppe und lässt sich von dieser nicht mehr beeinflussen.

Er ist einerseits sehr ängstlich und unsicher (S.289), aber andererseits hält er sich für etwas Besseres (S.162).

Philipp hat ebenfalls wie sein Bruder keine engen Freunde. Die Freundschaft zu Christoph und Axel, zwei Schulfreunde, schwindet zunehmend im Verlaufe des Buches. Er hat für eine kurze Zeit eine Freundin, namens Theresa, von der er sich aber trennt (S.260). Nach dem Ausstieg aus der Nazigruppe hat er ein schlechtes Verhältnis zu deren Mitgliedern (S.266). Mit dem Erwachsenwerden hat er nicht mehr das Bedürfnis dazugehören zu wollen (S.288).

Er zieht in eine eigene Wohnung, da er kein gutes Verhältnis zu seiner Familie hat. Nach der Trennung der Eltern geht es seiner Mutter schlecht, aber aufpassen tut er auf sie nicht (S.306). Am Ende versucht Tobi ihn zu überzeugen, sich mehr um sie zu kümmern. Es ist unklar, ob Philipp sich vollständig von seiner Familie abspaltet oder ob er sich um ein besseres Verhältnis bemüht. Das Buch lässt diese Frage am Ende ziemlich unbeantwortet (S. 317).

Während des Buches verändert er sich äußerlich nicht.


Tobi(as)

Zu Beginn des Romans ist Tobi fünf Jahre und am Ende 20 Jahre alt (S.11). Zum Ende hin ist er groß und kräftig gebaut. Trotz seines jungen Alters hat er schon Falten vom übermäßigem Alkohol Überfluss (S.288). Er stammt aus einer Familie der Arbeiterschicht – seine Eltern sind Krankenschwester und Elektriker S.15 und S.199). Außerdem hat er einen älteren Bruder namens Philipp. Die Familie hat sich ein eigenes Haus gebaut (S.270), was sie jedoch am Ende aus Geldmangel wieder verlassen müssen. (S.270). Philipp hat einen Hauptschulabschluss und arbeitet in einer Kamenzer Fahnenfabrik.

Tobi beobachtet seine Umgebung und hat dadurch eine gute Menschenkenntnis (S.77), jedoch ist er ein stiller Typ und spricht nicht viel mit seinen Mitmenschen (S.26). Aber seine oft auftretende Aggressivität fällt ihm trotzdem nicht leicht zu zügeln (S.100).Er will schon früh nicht mehr als Kind behandelt werden und will später nicht mehr Tobi genannt werden (S.100). Außerdem macht er andere, zum Beispiel seine Eltern oder seien Bruder, für sein Leiden verantwortlich (S.296). Deswegen hat er unteranderem ein relativ schlechtes Verhältnis zu seinem Bruder (S.306). Außer zu Menzel, mit dem er ein gutes Verhältnis hat, besitzt er keine Freunde (S.292). Zu seinen Schulfreunden Marco und Felix hat er später keinen richtigen Kontakt mehr. Ein gutes Verhältnis hat er auch zu seinem verstorbenen Opa gehabt (S. 288). Tobi fühlt sich seiner Mutter gegenüber verpflichtet und er kümmert sich um sie (S.272). Daraus lässt sich schließen, dass er ein sehr verantwortungsbewusster Mensch sein kann. Im Laufe des Buches wird er größer als sein Bruder und auch von einem schmalen kleinen Jungen zu einem großen und gut gebauten Mann. Er wird mit zunehmendem Alter auch immer aggressiver und auch selbstbewusster (S.284). Er lässt sich von niemandem etwas sagen (S.273). Trotz dessen bleibt er immer noch beobachtend, einsam, orientierungslos und auch neidisch (S.314). Tobi hat einen widersprüchlichen, zerrissenen und vielschichtigen Charakter.

Menzel

Menzel Deibritz ist am Ende des Buches Ende 20 (S.191). Er ist Halbsorbe (S.196) und wohnt in Neschwitz. Er gehört vermutlich der Arbeiterschicht an und wird von der Gesellschaft ausgegrenzt, weil ihn seine Frau ins schlechte Licht gerückt hat (S.263). Er hat weiße blasse Haut, grünlich schimmernde Adern an den Schläfen und starre eingefallene Augen (S.192). Außerdem besitzt er eine Glatze (S.191). Menzels Kleidung ist einfarbig und schlicht, da er oft ein einfaches schwarzes T-Shirt trägt (S.192). Außerdem trägt er oft schwarze Handschuhe (S.220). Seine Familie besteht aus den verstorbenen Großeltern, die in der Kantine und als Optiker gearbeitet haben, und seinem verstorbenen Onkel Uwe. Dieser ist der Grund für die soziale Ausgrenzungen, da seine Frau Gerüchte verbreitet hat, dass Uwe bei der Staatssicherheit gewesen wäre und sie geschlagen hätte. Er hat sich in einem Steinbruch in Neschwitz ertränkt. Zu seinem Vater hat Menzel anscheinend keinen Kontakt und über die Mutter ist auch nichts bekannt. (S.262/263). Menzel ist ein Mensch, der „von einem Moment auf den nächsten stumm und traurig und dann wieder hasserfüllt und ekstatisch sein konnte“ (S.293). Außerdem versucht er andere Menschen dazu zu bringen etwas zu unternehmen (S.293). Seine Einstellung ist eindeutig gegen Ausländer (S.196) und er kritisiert die Regierung von Merkel (S.240). Er ist in der Rolle des Anführers, unter anderem dadurch, dass er die anderen einschüchtert (S.228). Nur eine Person seiner Nazi-Gruppe kann ihm die Stirn bieten (S.196). Am Ende des Buches legt er auch Wert auf die Meinung Tobis (S.294). Eine äußere Entwicklung ist bei ihm nicht vorhanden. Die innere Entwicklung spiegelt sich dadurch wider, dass er viel mit Tobi macht und ihm auch zuhört und seine innersten Gefühle preisgibt (S.293).

Erzähler

Die Geschichte ist in der Er/Sie- Perspektive verfasst worden, weil die Geschichte aus der Sicht verschiedener Figuren beschrieben ist. Die Erzählperspektive ist somit auktorial. Man bekommt unterschiedliche Eindrücke von den jeweiligen Personen und auch alle Handlungen werden somit vermittelt. Das Wissen über die Gefühle und Gedanken der handelnden Figuren ist unbegrenzt.

Komposition

Mit der Faust in die Welt schlagen ist episodenhaft erzählt und ist unterteilt in drei Bücher. Sie zeigen die Lebensgeschichte der zwei Brüder Philipp und Tobias Zschornack. Die verschiedenen Bücher sind dabei in Zeitabschnitte geteilt, die dem Leser Einblick in die Entwicklung der Geschwister bieten. Dabei handelt es sich im ersten Buch um die Jahre zwischen

Des Weiteren ziehen sich durch die Bücher Leitmotive, durch die das Wohlergehen der Figuren erkennbar wird. Das Haus der Familie Zschornack ist eines dieser Motive, die den Leser zu verstehen geben soll, wie sich die Familie fühlt und entwickelt. Während es am Anfang des Buches den sozialen Aufstieg der Familie verdeutlicht, beschreibt es am Ende die Probleme und den Abstieg der Familie.

Auch das verlassene Schamottenwerk, das häufig im Buch erwähnt wird, erlebt im Laufe der Handlung eine Wandlung. Das Schamottenwerk ist ein Symbol für die Wandlung der Stadt Neschwitz, in der immer mehr Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit herrscht. Die immer größere Zerstörung des Schamottenwerkes zeigt die zerstörte Gesellschaft, in der die beiden Brüder aufwachsen.

Sprachliche Gestaltung

Die Tristheit des Romans zeigt sich auch in der sprachlichen Gestaltung. Es werden sehr kurze, knappe Sätze verwendet, zum Teil auch Ellipsen, die den Leser Raum zum Nachdenken geben. Dadurch fehlen auch ausführliche Beschreibungen der Umgebung und Gefühle und eine eintönige und hoffnungslose Atmosphäre wird geschaffen. In den Dialogen zwischen den Jugendlichen, werden häufig Jugendwörter verwendet, die die Aggressivität und Traurigkeit der Personen verdeutlicht.

Rezensionen

Die Bewertungen des Buches liegen im Bereich „weniger gut“ bis „ausgezeichnet“. Dabei ist die Mehrheit bei „sehr gut“.Besonders oft betonen die Rezensenten die gelungene Aktualität und Beschreibung der Trostlosigkeit. Der Sprachstil, sehr kurze abgehackte Sätze, hat den Lesefluss der meisten gestört. Dennoch meinen andere, dass genau dieser Stil ausgezeichnet war. Alles in allem ist es ein Buch, welches zum Nachdenken anregt, aber trotzdem kein Verständnis für Rechtsradikalität erzeugt.

Preise und Nominierungen

2018 war Lukas Rietzschel mit seinem Buch Mit der Faust in die Welt schlagen Finalist für den Aspekte – Literaturpreis. Dieser wird vom ZDF für das beste deutschsprachige Prosa-Debüt vergeben. 2019 gewann er den Gellert-Preis, welcher Künstler mit Wohnsitz in Mitteldeutschland für aktuelle und herausragende Leistungen auszeichnet.

Bühnenfassungen

Am 13. September 2019 wurde die Dramenfassung des Buches vom Staatsschauspiel Dresden, unter der Regie von Liesbeth Coltof, im Kleinen Haus uraufgeführt. Die Inszenierung zeigt überwiegend die Schlüsselszenen des Romans. Das Bühnenbild ist einfach gehalten. Mit einem kleinen Becken werden Szenen wie der Ausflug von Tobi und Christoph am See, der Steinbruch, in dem Uwe Suizid begeht, und der Pool der Nachbarn Kathrin und Andreas dargestellt. Ein weiteres Bühnenmittel ist eine Kameraansicht, die an eine Leinwand projiziert wird. Die Kamera steht nicht sichtbar für das Publikum am Rande der Bühne. Sie wird genutzt, um die Szenen, die vor dem Fernseher stattfinden, darzustellen, aber auch für den Angriff auf eine Familie mit einem adoptierten türkischen Mädchen. Insgesamt lebt das Stück von den Figuren, die auf der Bühne agieren und als Erzähler die Umstände beschreiben. Zuständig für dieses Bühnendesign, war Guus van Geffen, auch unter seinem Künstlernamen ‚Consigne 8‘ bekannt.

Am 26. September 2019 folgte die Premiere einer Inszenierung im Düsseldorfer Schauspielhaus. Sie ist immer noch zu sehen, genauso wie die Inszenierung des Theater Heilbronn.


Links und Quellen

Einzelnachweise

  1. ↑David Krenz: Die Tage der Schande. In:Spiegel
  2. Sechs Romandebüts stehen im Finale, boersenblatt.net, 7. September 2018, abgerufen am 10. Dezember 2019