Benutzer:Alva2004/vermeth

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Die Verschiebungsmethode ist die Standardformulierung der Finite-Elemente-Methode (FEM) bei der die Verschiebungen die primären Unbekannten sind. In der Berechnung von Problemen der Festkörpermechanik beschreiben die Verschiebungen die Translation, Rotation und Verformung eines Festkörpers. Die erste Anwendung der FEM war die lineare Behandlung von Festkörpern und Strukturen und davon ausgehend hat die FEM ihre Anstöße erhalten. Die der Verschiebungsmethode zugrunde liegende Gleichung ist das Prinzip von d'Alambert in der Lagrange'schen Fassung, das eine Bilanzgleichung für zeitabhängige Arbeiten an virtuellen Verschiebungen ist. Wegen ihrer Einsetzbarkeit in den meisten Problemstellungen werden in der Standardformulierung Isoparametrische Elemente verwendet, die nach dem Galerkinverfahren die virtuellen Verschiebungen gleich behandeln wie die Verschiebungen des Körpers. Die Verschiebungsmethode ist allen Finite-Elemente-Programmen verfügbar, mit denen Probleme der Festkörpermechanik berechnet werden können, wobei sich die Programme in den verwendeten Dehnungsmaßen, implementierten Nichtlinearitäten, Materialmodellen, numerischen Behandlungen und/oder Zeitintegrationsverfahren unterscheiden können.

Allgemeines Vorgehen

Der untersuchte Körper wird zunächst in Teilkörper, die finiten Elemente, unterteilt

.

Auf den Begrenzungsflächen oder auch im Inneren der Elemente liegen Knoten genannte Punkte, denen globale Koordinaten zur geometrischen Beschreibung des Körpers und Verschiebungen als Knotenvariable zur Beschreibung der Bewegung zugeteilt werden. In jedem der Finiten-Elemente werden die Elementbeiträge berechnet und in einem Assemblierungsschritt in dem globalen System aufsummiert. Es stellt sich heraus, das die virtuellen Verschiebungen im Prinzip von d'Alambert nur linear vorkommen und deshalb ausgeklammert werden können. So erhält man aus dem skalaren Funktional des Prinzips eine Vektorgleichung, die in jedem Zeitschritt erfüllt sein muss:

(I): .

Darin sind die Massenmatrix, Knotenbeschleunigen, von außen an den Knoten angreifende Kräfte und auf die Knoten umgerechnete Reaktionskräfte auf Grund von Elementspannungen. Diese Vektorgleichung wird je nach Problemstellung unterschiedlich behandelt:

  • Im linearen Fall hängen die Knotenreaktionskräfte linear von den Knotenverschiebungen ab, die nun ebenfalls ausgeklammert werden können. Die resultierende lineare Gleichung kann mit Mitteln der Modalanalyse behandelt werden und/oder über die Zeit integriert werden. Sind nur beschleunigungsfreie Gleichgewichtslagen gesucht, können die Knotenverschiebungen ohne Zeitintegration berechnet werden.
  • Im impliziten nichtlinearen Fall werden die Knotenverschiebungen in jedem Zeitinkrement iterativ, meist unter Verwendung des Newton-Verfahrens, bestimmt. Dies gilt auch bei der Suche nach Gleichgewichtslagen.
  • Bei expliziter Zeitintegration hochnichtlinearer dynamischer Systeme werden in jedem Zeitinkrement aus Gleichung (I) die Beschleunigungen berechnet aus denen sich dann die Geschwindigkeiten und Verschiebungen ergeben.

In der folgenden detaillierten Beschreibung der genannten Verfahren wird jede Abhängigkeit von den Geschwindigkeiten, wie sie bei viskosen Materialien oder geschwindigkeitsabhängigen Kräften vorliegt, der Einfachheit halber ausgeschlossen.

Elementmatrizen an den Integrationspunkten

Die Integrale, die im Prinzip von d'Alambert in der Lagrange'schen Fassung vorkommen, können im allgemeinen Anwendungsfall nicht exakt berechnet werden. Man behilft sich mit numerischen Integrationsverfahren wie der Gaussquadratur, bei denen das Integral durch gewichtete Summen der Integranden an Integrationspunkten näherungsweise berechnet wird.

In diesem Abschnitt werden später benötigte Matrizen, die an jedem Integrationspunkt aufzustellen sind, definiert.

Formfunktionen und ihre Ableitungen

Jedes Element stellt ein von den Knoten aufgespanntes Gebiet dar. Die Koordinaten der Punkte im Element werden mit Formfunktionen in Abhängigkeit lokaler Koordinaten

zwischen den Knoten des Elementes dargestellt:

,

worin der Vektor alle Komponenten der Knotenkoordinaten

und die Matrix

die Formfunktionen enthält. Die Ableitung der Formfunktionen nach den globalen Koordinaten wird mit der Jacobi-Matrix berechnet:

,

worin ein Index eine Ableitung nach der Variablen bezeichnet. Mit der Determinante der Jacobimatrix werden die für die Integration benötigten Volumenformen umgerechnet:

.

Verschiebungen und ihr Gradient

Der Verschiebungsvektor wird in isoparametrischen Elementen analog zum Ortsvektor interpoliert:

worin der Vektor die Verschiebungskomponenten und in x-, y- bzw. z-Richtung

an den Knoten enthält. Es wird noch der Verschiebungsgradient erstellt:

,

wobei sich die Ableitungen der Verschiebungskomponenten mit den abgeleiteten Formfunktionen berechnen lassen, z. B.

.

In der Methode von Galerkin werden die virtuellen Verschiebungen genauso behandelt wie die Knotenverschiebungen:

.

Verzerrungsverschiebungsmatrix B

Der symmetrische Green'sche Verzerrungstensor berechnet sich aus dem Verschiebungsgradient

und seine sechs unabhängigen Komponenten werden in einen Vektor eingetragen (Voigtsche Notation):

.

Der Grund für den Faktor zwei in den Schubanteilen wird im Zusammenhang mit den Spannungen deutlich. Die Verzerrungsverschiebungsmatrix ist die Ableitung des Vektors nach den Knotenverschiebungen:

.

Die differenziellen virtuellen Verzerrungen ergeben sich dann aus den virtuellen Knotenverschiebungen

.

Geometrisch linearer Fall

Im geometrisch linearen Fall ist

weshalb die B-Matrix nicht von den Knotenverschiebungen abhängig ist und die übersichtliche Form

besitzt.

Geometrisch nichtlinearer Fall

Im geometrisch nichtlinearen Fall muss zur geometrisch linearen B-Matrix noch der Anteil aus

addiert werden, der durch Ableitung nach den Knotenverschiebungen auf die Matrix

mit den Blöcken

führt. Die resultierende B-Matrix

ist nun von den Verschiebungen abhängig.

Einbau des Materialmodells

Auf Elementebene muss eine Materialroutine die Spannungen

aus den Verzerrungen und evtl. weiteren inneren Variablen des Modells berechnen. Bei geschichtsabhängigen Materialmodellen, wie der Plastizität, müssen neben den Spannungen auch die neuen Werte der inneren Variablen vom Algorithmus ausgegeben werden.

Der konsistente Tangentenoperator ist die Ableitung der Spannungen nach den Verzerrungen:

.

Die Konsistenz bezieht sich darauf, das der Tangentenoperator aus der Ableitung des Algorithmus und nicht etwa im analytischen Materialmodell berechnet wird, das durch numerisch umgesetzt wird.

Die Faktoren zwei in den Schubverzerrungsanteilen im Verzerrungsvektor stellen sicher, dass das Skalarprodukt des Spannungstensors mit dem Verzerrungstensor gleich ist zum Matrixprodukt in Voigtnotation:

.

Aufbau der Matrizen

Im Prinzip von d'Alambert in der Lagrange'schen Fassung

kommen vier Integrale vor, die in jedem Element berechnet werden müssen. Mit den oben eingeführten Matrizen schreibt sich diese Gleichung für ein Element:

Weil diese Gleichung für alle virtuellen Knotenverschiebungen gilt und dies nur mit dem Verschwinden des Terms in der eckigen Klammer sichergestellt werden kann, ergibt sich Gleichung (I) (Wiederholung von oben)

(I): .

Gleichung (I) stimmt auch für einen aus mehreren Elementen aufgebauten Körper, wobei die vorkommenden Matrizen und Vektoren im Assemblierungsschritt lediglich an Größe zunehmen.

Linearer Fall

Schwinung eines einseitig eingespannten Balkens

Im linearen Fall hängen die Spannungen linear von den Knotenverschiebungen ab:

worin Eigenspannungen und eine in diesem Fall konstante Materialmatrix ist. In Gleichung (I) eingesetzt bekommt man die Bestimmungsgleichung für die Knotenverschiebungen:

.

Diese lineare Gleichung mit konstanter Massenmatrix und Steifigkeitsmatrix kann nun in den Modalraum übertragen werden und/oder mit dem Newmark-beta Verfahren über die Zeit integriert werden, mit einem Resultat wie im Bild. In dem im Newmark-beta Verfahren die Beschleunigungen als (lineare) Funktion der Verschiebungen ausgedrückt werden, kann in jedem Zeitschritt die Verschiebung und daraus die Geschwindigkeit und Beschleunigung an jedem Knoten berechnet werden. Ist nur die Gleichgewichtslage mit gesucht, hat man

,

woraus die Knotenverschiebungen direkt berechnet werden können. Auch wenn im linearen Fall eine lineare Abhängigkeit der äußeren Kräfte von den Knotenverschiebungen einfach zu berücksichtigen wäre, wird hiervon normalerweise kein Gebrauch gemacht.

Explizite Zeitintegration

Visualisierung einer FEM-Simulation der Verformung eines Autos bei asymmetrischem Frontalaufprall

Im Fall der expliziten Zeitintegration ist Gleichung (I) bereits die Bestimmungsgleichung für die einzige Unbekannte . Eine weitere Vereinfachung wird durch Diagonalisierung der Massenmatrix erreicht ( engl. "lumped mass matrix" ), so dass

besonders schnell ausgewertet werden kann. Das ist auch nötig, denn dieses Verfahren ist nur unterhalb einer kritischen Zeitschrittweite stabil, die in der Praxis im Bereich von Mikrosekunden liegt. Für Zehntelsekunden andauernde Bewegungen sind daher oftmals hundertausende Zeitschritte zu berechnen. Vorteilhaft ist, dass Nichtlinearitäten leicht (ohne Linearisierung) berücksichtigt werden können, weshalb dieses Verfahren bei hochgradig nichtlinearen, dynamischen und kurzweiligen Vorgängen wie Crashtestsimulationen eingesetzt wird, siehe Bild. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Aufwand für die Berechnung der Beschleunigungen nur linear mit der Anzahl an Knoten steigt, so dass sich dieses Verfahren auch für sehr große Probleme unter quasi statischen Bedingungen eignet.

Implizites Verfahren

Geometrisch nichtlineare Berechnung eines elastischen Gummibalkens mit der Verformung folgenden Querkraft

Die rechte Seite von Gleichung (I) hängt im nichtlinearen Fall nichtlinear von den Knotenverschiebungen ab. Um diese zu bestimmen wird standardmäßig das Newton-Verfahren eingesetzt, das eine Linearisierung der Gleichung vorsieht. Linearisierung der Reaktionen liefert

,

worin die mit dem Superskript gekennzeichneten Größen von den Verschiebungen abhängen. Die geometrische Steifigkeitsmatrix tritt nur im geometrisch nichtlinearen Fall auf.

Geometrische Steifigkeitsmatrix am Integrationspunkt
Die Geometrische Steifigkeitsmatrix hat eine Blockstruktur

mit Blöcken aus Diagonalmatrizen

,

die die Diagonalglieder

besitzen.

Die Steifigkeitsmatrix kann über den Tangentenoperator nichtlineares Materialverhalten abbilden. Bei Verschiebungsabhängigen äußeren Kräften wird auch der Knotenkraftvektor linearisiert:

.

In Gleichung (I) eingesetzt bekommt man

(II): .

In dem im Newmark-beta Verfahren die Beschleunigungen als (lineare) Funktion der Verschiebungen ausgedrückt werden, kann wie im linearen Fall in jedem Zeitschritt die Verschiebung und daraus die Geschwindigkeit und Beschleunigung an jedem Knoten berechnet werden. Ist nur die Gleichgewichtslage mit gesucht, hat man

(III): .

Die Berechnung der Knotenverschiebungen zu einem Zeitpunkt werden aus den zur Zeit bekannten Knotenverschiebungen, -geschwindigkeiten und -beschleunigungen an Hand des folgenden Schemas berechnet.

  1. Die gesuchte Lösung wird mit der bekannten Lösung und der Iterationszähler mit initialisiert.
  2. Die in den Randbedingungen vorgegebenen Verschiebungen werden in die Näherung eingetragen.
  3. Die Matrizen und sowie die Reaktionen und neuen Kräfte werden bereitgestellt.
  4. Gegebenenfalls werden die Beschleunigungen durch die zu suchenden Verschiebungen ausgedrückt und die Systemmatrix aus einer Linearkombination der Massen- und Steifigkeitsmatrix erstellt.
  5. Mit Gleichungen (II) oder (III) wird das Inkrement berechnet.
  6. Fallen geeignete Normen der Vektoren und unter eine vorgegebene Schranke, wird die Näherungslösung akzeptiert und gesetzt. Der Zähler wird inkrementiert und in Schritt 1. fortgefahren oder die Analyse beendet.
  7. Falls die Normen der Vektoren und inakzeptabel sind, wird die Näherungslösung mittels aktualisiert, und im Schritt 3 fortgefahren.

Das Schema kann auch im statischen Fall angewendet werden. Dort verschwinden zwar die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen und die Zeit hat lediglich eine ordnende Funktion für die aufeinander folgenden Gleichgewichtslagen. Auf das Schema hat das aber keinen Einfluss.

Literatur

  • Klaus-Jürgen Bathe: Finite-Elemente-Methoden: Matrizen und lineare Algebra, die Methode der finiten Elemente, Lösung von Gleichgewichtsbedingungen und Bewegungsgleichungen. Springer 1986, ISBN 3-540-15602-X.

Kategorie:Numerische Mathematik Kategorie:Computer Aided Engineering