Benutzer:Ampfinger/Baustelle4

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Neonazistische Fans

Der TSV 1860 war bis in die 2000er Jahre einer Aufarbeitung der eigenen Rolle im Dritten Reich aus dem Weg gegangen. Fehlende Distanzierungen führten dazu, dass sich auch Neonazis im Verein und im Stadion heimisch fühlten. Mancher bayerische NPD-Kader sei Stammgast bei den Löwen gewesen. Stadtbekannte Neonazis aus dem Umkreis des verurteilten Rechtsterroristen Martin Wiese seien ebenfalls gesichtet worden. Der Verein setzte den Umtrieben von NPD-Kadern und rechten Kameradschaften jedoch wenig entgegen.[1]

Anfang der 2010er Jahre standen regelmäßig 30 bis 50 Personen, die laut Fanprojekt München ganz klar dem rechten Spektrum zuzuordnen waren, im Block 132 der Allianz Arena, dazu Sympathisanten in schwankender Anzahl. Die Löwenfans gegen Rechts gingen 2011 von bis zu 100 Nazis im Block 132 aus. Die Nazis würden sich immer öfter „als Hausherren aufspielen“, die NPD versuche, mehr Einfluss zu gewinnen.[1] Der ehemalige Neonazi und Gründer der Aussteigerhilfe Bayern Felix Benneckenstein, der selber im Block 132 gestanden war, gab 2014 an, dass der Großteil der normalen Fans zwar keine Sympathien für die politischen Ideen der rechten Fans hatte, sie hätten aber auch nicht gegen die Rechten vorgehen wollen, so lange sie im Block nicht offen agitierten.[2] 2012 traten die rechtsextremen Fans organisiert als Gruppe Outsiders mit eigener Zaunfahne auf, dieser offene Zusammenschluss blieb aber nicht lange erhalten.[3]

Im Umfeld von Spielen waren immer wieder rechtsextreme Lieder und Parolen wie „Ajax ist ein Judenclub“, „Augsburger Zigeuner“, „Stern im Ausweis“ oder die „U-Bahn bis nach Auschwitz“ zu hören. Die Neonazis versuchten auch Nachwuchs bei den Löwen zu rekrutieren. So verteilten sie mehrfach einschlägige Flugblätter. Der Stern berichtete 2010, dass auch Mitglieder der Neonazi-Band Feldherren und der Skinhead-Schlägergruppe Kraken regelmäßig die Heimspiele besuchten.[1]

Nach einer Prügelei bei einem Heimspiel im April 2011, als sich Ultras den Neonazis entgegengestellt hatten, kündigte der Verein als Reaktion an, verstärkt gegen neonazistische Fans vorzugehen. Passiert sei aber wenig. Antirassistische Fan-Initiativen wie die Löwenfans gegen Rechts fühlten sich von der Clubführung im Stich gelassen.[1] Löwen-Vizepräsident Franz Maget wies den Vorwurf zurück und äußerte, man habe in der Satzung verankert, dass Rassismus zum Vereinsausschluss führe. Während Maget angab, dass in den anderen bayerischen Stadien genau so viele Nazis wie bei 1860 aktiv wären, stellten die Fanbeauftragten der süddeutschen Erst- und Zweitligaclubs klar, dass es bei den anderen Vereinen keine derart gefestigte rechte Szene gäbe.[1] Tatsächlich verweigerte der Verein beispielsweise Norman Bordin die Mitgliedschaft,[4] und distanzierte sich auch mehrmals öffentlich deutlich vom Rechtsextremismus,[3] eine klare Linie des Handelns gab es in diesen Jahren, in denen sich die Zusamensetzung der Vereinsführung stetig veränderte, aber nicht. Die rechten Fans versuchten auch, bei den Spielen der zweiten Mannschaft im Sechzgerstadion aufzutreten, stießen dort aber auf Widerstand der Fanszene.[5] Nachdem sich im Sommer 2016 die beiden Ultragruppen des TSV 1860 aufgelöst hatten, bestand die Befürchtung, die rechte Szene könnte nun die Führung in der Fankurve übernehmen,[3] was aber nicht geschah.

Im September 2016 berichtete die Mittelbayerische Zeitung über den oberpfälzischen Fanclub "Löwenfreunde Lamer Winkel" und Verbindungen dessen Mitglieder zur aus der verbotenen Kameradschaft Freies Netz Süd hervorgegangenen rechtsextremistischen Kleinpartei Der III. Weg.[6] Ein Reaktion des Vereins, der Profifußballfirma oder der für die Fanclubs zuständigen Arge blieb zunächst aus. Der Spiegel griff im Frühjahr 2017 das Thema auf und thematisierte neben den rechtsextremen Verbindungen der Fanclubangehörigen auch das Ausbleiben einer Distanzierung oder weiterer Maßnahmen des Vereins. Die für Fanclubs zuständige Fanbeauftragte Jutta Schnell habe die rechtsextremen Verbindungen verharmlost. Ein Sprecher der Löwenfans gegen Rechts nannte dieses Verhalten „typisch“: Man ducke sich bevorzugt weg.[7] Nach dieser bundesweiten Berichterstattung wurde der Fanclub aus dem Verein ausgeschlossen und löste sich im Anschluss auf.[8]

Auch nach dem Abstieg und der Rückkehr ins Sechzgerstadion sind weiter neonazistische Fans in der Kurve anwesend, die ihre Gesinnung teils auch offen zu Schau stellen. Michael Scharold, Geschäftsführer der KGaA, distanzierte sich im Namen des Vereins „von Stadionbesuchern, die den TSV 1860 München dazu nutzen, um rechtes Gedankengut zu verbreiten“, sah sich aber außer Stande, gegen diese Personen vorzugehen, solange kein Verstoß gegen die Stadionordnung vorliege.[9] Im Februar 2020 unterzeichnete Präsident Reisinger zusammen mit Fanvertretern, Stadträtin Verena Dietl, Sportreferentin Beatrix Zurek sowie Vertretern von Türkgücü und FC Bayern, den beiden anderen Vereine im Stadion, eine Antidiskriminierungsvereinbarung, die besonders im Stadion und dessen Umfeld umgesetzt werden solle.[10]

  1. a b c d e Tobias Lill: Neonazis bei 1860 München: "So schlimm wie jetzt war es noch nie". In: Spiegel Online. 16. Dezember 2011, abgerufen am 23. März 2020.
  2. Christoph Ruf: Rechte Szene und Gegenwehr. In: bpb.de. Bundeszentrale für politische Bildung, 18. Juni 2014, abgerufen am 23. März 2020.
  3. a b c Benedikt Niessen: Übernehmen nach Auflösung der zwei 1860-Ultragruppen rechte Fans die Macht in der Kurve? In: vice.com. 26. Juli 2016, abgerufen am 23. März 2020.
  4. Neonazi darf nicht Mitglied werden. In: abendzeitung-muenchen.de. 21. März 2012, abgerufen am 23. März 2020.
  5. Löwen-Fans vertreiben Neonazis aus der Kurve. In: abendzeitung-muenchen.de. 25. Juli 2013, abgerufen am 23. März 2020.
  6. Christoph Klöckner: Sechziger-Fans mit brauner Weste. In: mittelbayerische.de. 16. September 2016, abgerufen am 23. März 2020.
  7. Christoph Ruf: "Dritter Weg" bei Münchner Traditionsklub: Neonazis dürfen bei 1860 ungestört mitjubeln. In: Spiegel Online. Abgerufen am 6. Juni 2017.
  8. Florian Weiß: Umstrittener 1860-Fanklub aus ARGE ausgeschlossen und aufgelöst. In: merkur.de. 12. Juni 2017, abgerufen am 23. März 2020.
  9. Matthias Eicher: TSV 1860 kann rechtem Fan nicht das Stadion verbieten. In: abendzeitung-muenchen.de. 7. August 2018, abgerufen am 23. März 2020.
  10. Antidiskriminierungsvereinbarung. In: tsv1860.org. 16. Februar 2020, abgerufen am 23. März 2020.