Benutzer:AtzTiger/Heinrich Kohlhaussen

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Heinrich Kohlhaussen (ca. 1968)

Heinrich Kohlhaussen (* 29. Mai 1894 in Rauisch-Holzhausen bei Marburg an der Lahn, Hessen; † 25. Juli 1970 in Lorsch an der Bergstraße, Hessen) war ein deutscher Kunsthistoriker und Museumsdirektor.

Leben

1905-1914 Realgymnasium Marburg/Lahn. Nach dem Abitur Ostern 1914 Studium der Kunstgeschichte, Deutsch, Geschichte und geschichtlichen Hilfswissenschaften. Das Studium, durch Teilnahme am ersten Weltkrieg unterbrochen, erfolgte vorwiegend in Marburg/Lahn im Sommersemester 1914, im Wintersemester 1917 während der ersten Verwundung und von Herbst 1918 bis 1921, dabei ein Semester an der Universität Berlin. Es wurde mit der Promotion zum doctor philosophiae abgeschlossen, die Dissertation über “Der Schrein der Hl. Elisabeth zu Marburg“ Sommer und Herbst 1921 als Buch vorbereitet.

Ende 1921 Privatassistent bei Geheimrat Dr. Marc Rosenberg, ein Kenner alter Goldschmiedekunst.

Frühjahr 1922 bis Herbst 1933 Anstellung, anfangs als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, folgend als Assistent am Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Die museumsrelevante Arbeit wurde durch jährliche große Studienreisen im In- und Ausland und durch Publikationen vertieft. Besonders hervorzuheben sind dabei die Werke “Minnekästchen im Mittelalter“, Berlin 1928, und “Gotisches Kunstgewerbe in Europa“, in Band 5 der Geschichte des Kunstgewerbes aller Völker und Zeiten, Berlin 1932.

1933 erfolgte die Berufung von Kohlhaussen als Nachfolger von Prof. Dr. Masner an die Städtischen Museen in Breslau (Schlesisches Museum für Kunstgewerbe und Altertümer, Schloßmuseum, Villa Neisser). Er führte eine Neuordnung der dortigen Sammlungen durch. Anstelle einer technologischen überalterten Aufstellung wurde eine kulturgeschichtliche nach Zeitabschnitten mit völligem Umbau nach modernsten Gesichtspunkten durchgeführt. Helle Wände und Vitrinen, Aufstellungen der bedeutendsten Kunstwerke innerhalb der reichen Sammlungen in jeder Hinsicht nach dem Gesichtspunkt der Qualität. Bis zu seinem Fortgang aus Breslau waren die Umstrukturierungen der Sammlungen des Mittelalters, der Renaissance, des Barock und Rokoko, sowie der Volkskunst abgeschlossen. Die vorgeschichtlichen Sammlungen waren noch im Aufbau. Diese Breslauer Neuordnung und modernisierte Darbietungstechnik erregte Aufsehen und fand Anerkennung. Die Neuordnung des sogenannten Kirchensaales wurde auf der Pariser Weltausstellung 1937 unter den vorbildhaften Museumserneuerungen in Großfotos (alter gegen neuen Zustand) ausgestellt. Mit diesem Meilenstein in der Museumsausgestaltung hatte er sich auch einen Großteil des Weges zur ehrenvollen Berufung an das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg geebnet. Wesentliche Erwerbungen in der Breslauer Zeit: Kopf einer Riesenstatue, Breslau um 1366; Bronzekopf des Livius, Padua um 1500; sowie weitere gotische und barocke kirchliche Bildwerke Schlesiens.

Anfang Dezember 1936 wurde Kohlhaussen durch einstimmigen Beschluss des Verwaltungsrates des Germanischen Nationalmuseums zum 1. Direktor gewählt. Er übernahm die Leitung im Januar 1937. Auch hier stand wieder an, das gattungs- und materialbestimmte Ordnungsprinzip in eine gemischte Ordnung, welche querschnittartige kulturgeschichtliche Zusammenhänge bot, umzuwandeln. Auch wenn diese Ausstellungssystematik ihre theoretischen Wurzeln in den zwanziger Jahren hat, erscheint es verständlich, dass bei der Umsetzung einer derartigen „Revolution“ es auch zu Widerständen im Museumsumfeld kam. In der Gesamtheit behielt Kohlhaussen Recht und seine Ideen haben durchaus heute noch Gültigkeit. Die Tätigkeit seiner umfassenden Neuordnung wurde nach zweiundeinhalb Jahren durch den Beginn des zweiten Weltkrieges unterbrochen. Jetzt war Kohlhaussen als Organisator gefragt. Seine weitere Tätigkeit wurde bis zum Sommer 1945 weitgehend durch Bergungsplanungen und durchgeführte Bergungen in den Nürnberger Bunkern und auswärtigen Zufluchtsorten bestimmt. Fast das gesamte Inventar, einschließlich der wertvollen Bibliothek mit ca. einer viertel Millionen Bänden, wurde in die Bunker, von denen auf Drängen von Kohlhaussen bis 1944 immer neue entstanden und 18 Schlösser und Klöster zwischen Main und Donau verbracht. Es ist sein Verdienst, dass durch seine umsichtige und weitestgehend komplette Verlagerung 98% des Museumsbestandes erhalten geblieben ist. Wesentliche Erwerbungen in der Nürnberger Zeit: Behaim-Globus, Nürnberg 1492-1494; Standuhr Philipps des Guten von Burgund, um 1430; zwei Wilde-Mann-Teppiche, frühes 15. Jhd.; Weihnachtsbild des Johann Koerbecke, 1457; Stromersche Puppenhaus, 1693; Bilder von Joachim von Sandrart und Januarius Zick. Auch wenn seine Amtszeit in eine politisch sehr schwierige und herausfordernde Zeit gefallen ist, sah es Kohlhaussen als erreicht an, von der Überlieferung des Germanischen Nationalmuseums nicht abgewichen zu sein, in der die Pflege christlicher Kunst zentrale Bedeutung hat.

August 1945 Entlassung durch die amerikanische Militärverwaltung. In der nun folgenden wirren Nachkriegszeit erlebte er eine sehr harte und bedrückende Zeit, zumal er auch politisch denunziert wurde. Durch Zeugenaussagen und Dokumente konnte er seine Distanz zum “Dritten Reich“ nachvollziehbar darlegen, trotz der im Sommer 1937 nachgekommenen Aufforderung in die Partei einzutreten (mit Rückdatierung auf den 1. Mai), was schließlich zu seiner Rehabilitation führte.

Mai 1950 bis zum Ausscheiden aus dem aktiven Dienst 1959 Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Und wieder begann Kohlhaussen die völlige Umgestaltung der Sammlungen, die Sicherung der berühmten Grafiksammlung von 300.000 Blatt, Konservierung ihrer wichtigsten Bestände sowie Konservierung der großen Waffensammlung durch neuberufene Fachkräfte. In diese Jahre fallen auch der Wiederaufbau und die Neueinrichtung des ausgebrannten Herzoginnenbaues auf der Veste. Für Coburg entdeckte und erwarb er die „Goldene Bamberger Madonna“, die bedeutendste altgefaßte Holzskulptur dieser Kunstregion um 1330. Weitere wesentliche Erwerbungen in der Coburger Zeit: Vorgeschichtssammlung von Schrödel; Türkenzelt des 17. Jhd.; Gotischer Schild mit Aufseßwappen; zwei große Bildteppiche der Neu-Indien-Folge, Paris um 1756.

1955 Rückkehr nach Nürnberg, da die Bibliothek des Germanischen Museums und seine Sammlungen ihm wissenschaftliche Facharbeit gewährleisteten. „Nürnberger Goldschmiedekunst des Mittelalters und der Dürerzeit 1240 bis 1540" (1968), das Hauptwerk seines Schaffens, entstand im Ruhestand.

Für seine Verdienste um die Rettung von über tausend Kunstgegenständen aus der Region Nürnberg, Bamberg und Coburg erhielt er 1960 das Bundesverdienstkreuz 1. Kalasse.

Er starb in Lorsch/Hessen nach kurzer Krankheit.

Familie

Vater: Karl (1865-1945), Förster, Sohn d. Försters Christoph Heinrich u. d. Anna Katharina Schmidt; Mutter: Mathilde (1872-1959), Tochter d. Johs. Eschstruth, Gastwirt und Ökonom, u. d. Marie Luise Ruhlberg. Heirat Baden-Baden 1921 Paula (1891-1984), Tochter d. Schuhmachermeisters Erhard Weber u. d. Agathe Glaser. Zwei Kinder: Johann-Heinrich und Genovefa

Auszeichnungen

  • 1960: Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland

Veröffentlichungen

Übersicht

  • E. Königer: Bibliogr. H.K. (bis 1963) zu seinem siebzigsten Geburtstag, in: Anz. d. German. Nat.mus 1964, S. 156-60
  • M. Mende: Zur Bibliogr. H.K., Nachträge und Ergänzungen zu d. Verz. v. E. Königer 1971

Einzelveröffentlichungen (Auswahl)

  • Der Schrein der Hl. Elisabeth zu Marburg (Maschinenschr.) Phil. Diss. Marburg 1921. Gedruckt unter dem Titel: Hamann, Richard und Heinrich Kohlhaussen, Der Schrein der Hl. Elisabeth zu Marburg, Marburg 1922
  • Minnekästchen im Mittelalter, Berlin Dt. Verlag f. Kunstwissenschaft 1928
  • Gotisches Kunstgewerbe in Europa, in Band 5 der Geschichte des Kunstgewerbes aller Zeiten und Völker, Berlin 1932
  • Geschichte des deutschen Kunsthandwerks, München 1955
  • Nürnberger Goldschmiedekunst des Mittelalters und der Dürerzeit 1240 bis 1540. Berlin, Dt. Verlag f. Kunstwissenschaft 1968, ISBN
  • Europäisches Kunsthandwerk, Band 1: Vorromanik, Romanik Umschau Verlag, Frankfurt/ Main, 1969
  • Europäisches Kunsthandwerk, Band 2: Gotik, Spätgotik Umschau Verlag, Frankfurt/ Main, 1970
  • Europäisches Kunsthandwerk, Band 3: Renaissance, Barock Umschau Verlag, Frankfurt/ Main, 1972 Fortgeführt von P. W. Meister nach Vorarbeiten von H. Kohlhaussen
  • Jahresberichte Germanisches Nationalmuseum Nürnberg 84-90, 1938 bis 44

Literatur

  • Das Germanische Nationalmuseum. Nürnberg 1852-1977. B. Deneke u. R. Kahsnitz (Hrsg.), Deutscher Kunstverlag München 1978, S. 1126 f. u. Reg. S. 1224, ASIN B002SUXKA2
  • Zwischen Kulturgeschichte und Politik. Das Germanische Nationalmuseum in der Weimarer Republik und der Zeit des Nationalsozialismus. Luitgard Sofie Löw, Matthias Nuding, Germanisches Nationalmuseum (Hrsg.), Germanisches Nationalmuseum Abt. Verlag 2014, ISBN 3936688893

Nachlass

  • Archiv f. bildende Kunst (2008 Umbenennung in Deutsches Kunstarchiv) des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, recherchierbar unter: Zentrale Datenbank Nachlässe

Weblinks