Benutzer:BeBa/Metropolis (Roman)

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Metropolis ist ein Roman von Thea von Harbou, der im Jahr 1926 erschienen ist. Er spielt als Science-Fiction oder Dystopie in der Stadt Metropolis, die durch eine ausgeprägte Zweiklassengesellschaft gekennzeichnet ist, und erzählt die Geschichte von Freder, dem Sohn des autokratischen Herrschers Joh Fredersen, in seiner Rolle als „Mittler“ zwischen den beiden Gesellschaftsschichten, in die er durch Maria, einem Mädchen aus der Arbeiterklasse, gerät.

Der Roman ist relevant vor allem in seiner Rolle als Ausgangsbasis für das Drehbuch zum Stummfilm Metropolis von Fritz Lang.

Inhalt

Handlung

Die Handlung des Romans wird hier relativ detailliert wiedergegeben, um den Vergleich mit der Handlung des gleichnamigen Stummfilms zu ermöglichen. Die in Gänsefüßchen stehenden Passagen sind Zitate aus den jeweiligen Kapiteln, die zum Teil wortgleich als Zwischentitel im Film vorkommen.

1. Kapitel

Freder phantasiert an seiner Orgel in seiner luxuriösen Wohnung, die in den oberen Stockwerken eines der höchsten Hochhäuser von Metropolis liegt, und in der er von Dienern und dem Schmalen, seinem persönlichen Sekretär, umgeben ist, über ein Mädchen („das herbe Antlitz der Jungfrau, das süße Antlitz der Mutter“), dem er im „Klub der Söhne“ begegnet ist, einem Bezirk von Metropolis mit Wohnungen, Theatern, Kinos, Hörsälen, Bibliotheken, Stadien und den „Ewigen Gärten“ für die Söhne der Oberschicht („Denn Väter, für die jede Umdrehung eines Maschinenrades Gold bedeutete, hatten ihren Söhnen dieses Haus geschenkt.“), wo sie eines Tages plötzlich mit einer Schar von ärmlich gekleideten und ausgemergelten Kindern erschienen war, um diesen ihre wohlhabenden „Brüder“ („Seht, das sind eure Brüder!“) zu zeigen. Niemand, auch der Haushofmeister des Klubs der Söhne nicht, konnte Freder sagen, wer das Mädchen wäre. Freder wollte aber auch nicht den Schmalen, der ihm von seinem Vater zur Überwachung an die Seite gestellt worden ist, auf die Suche nach dem Mädchen schicken.

Freder wird aus seinem Phantasietraum gerissen durch ein schon oft gehörtes Geräusch, der „Stimme von Metropolis“, dem „Brüllen der Maschinen von Metropolis“, das überall in der Stadt zu hören ist, und das ausgelöst wird von Joh Fredersen, seinem Vater, dem Herrscher und Erbauer von Metropolis, der in seinem Büro im „Neuen Turm Babel“ eine Taste betätigt, um den Schichtwechsel in den Maschinenhallen von Metropolis anzuzeigen: ermattete Arbeiter schlurfen aus den Hallen, neue Mannschaften, alle in gleicher Arbeitskleidung, ziehen im Gleichmarsch in die Fabrikhallen ein. Eine Schicht dauert zehn Stunden, es gibt für die Arbeiter keine Sonn- oder Feiertage.

Dennoch gibt es mitten in Metropolis, der 50-Millionen-Einwohner-Stadt, den gotischen Dom St. Michael, der jedoch von den Hochhäusern weit überragt wird, und der inzwischen ein Verkehrshindernis geworden ist. Fredersen hat den Abriss des Doms dennoch noch nicht in die Wege geleitet, weil er vor dem Konflikt mit den Gotikern, einer asketischen Sekte, gegründet von dem Mönch Desertus, die den Dom verteidigen, zurückschreckt.

Freder betrachtet den Sonnenuntergang über Metropolis, das Licht- und Schattenspiel über der Stadt und die Jungfrau-Statue auf der Spitze des Doms, in der er auch seine verstorbene Mutter zu erkennen meint, und die Uhr auf dem Neuen Turm Babel, und entschließt sich, seinen Vater Joh Fredersen aufzusuchen.

2. Kapitel

Im Büro seines Vaters (der „Hirnschale des Neuen Turm Babel“) angekommen, wo Sekretäre Börsenkurse notieren, die über Lautspecher durchgesagt werden, ist er Zeuge davon, wie sein Vater seinen Ersten Sekretär Josaphat wegen eines Fehlers in den Kurstabellen fristlos entläßt („Die G-Bank ist angewiesen, Ihnen Ihr Gehalt auszuzahlen.“). Von Freder darauf angesprochen, erläutert Fredersen sein Menschenbild: die Mitmenschen interessieren ihn nur als funktionierende Arbeitskräfte, die mit dem perfekten Lauf der Maschinen von Metropolis zu konkurrieren haben. Freder, der über den Umweg durch die Maschinenhallen zu seinem Vater gekommen ist, um dort seine „Brüder“ zu sehen, bittet seinen Vater, diesen dort als „Sklaven der Gott-Maschinen“ stumpfsinnig arbeitenden Menschen zu helfen, aber Fredersen lehnt ab: „Sie sind, wo sie sein müssen. Sie sind, was sie sein müssen. Zu anderem und mehr sind sie untauglich.“ Fredersens erkärtes Ziel ist es, die unzulänglich funktionierenden und schnell verschleißenden Arbeiter in der Zukunft durch einen perfekten „Maschinen-Menschen“ zu ersetzen.

Nachdem Freder gegangen ist, erteilt Fredersen dem Schmalen den Befehl, Freder ab sofort zu überwachen: „Von jetzt an wünsche ich, über die Wege meines Sohnes genau unterrichtet zu werden.“

3. Kapitel

Im Paternoster des Neuen Turm Babel trifft Freder den entlassenen Josaphat, der in seiner Verzweifelung schon mehrere Runden auf- und abgefahren ist. Er bietet ihm seine Hilfe an („Wollen Sie zu mir kommen, Josaphat?“), läßt sich Josaphats Adresse geben und schickt ihn heim. Dann macht er sich auf in die Untergeschosse des Neuen Turm Babel, wo die Maschinerie steht, die das Gebäude antreibt. Hitze, Rauchschwaden, Geruch von heißem Öl füllen den Maschinenraum, Menschen ziehen schattenhaft durch den Raum. In der Mitte steht die Paternoster-Maschine „Ganescha“, die „kleiner ist als ein fünfjähriges Kind“ und ausgestattet mit „gleißenden Gliedern“ und vor- und zurückstoßenden Armen, und die den Boden zum Beben bringt. An dieser Maschine sieht Freder einen Arbeiter in der Einheitskluft der Arbeiter von Metropolis, der wie im Fieberwahn eine Uhrenskala beobachtet und Hebel bedient. Er phantasiert über den Begriff „Pater noster“ ein Vaterunser, mit dem er die Maschine als Gottheit preist. Freder führt ihn weg von der Maschine und fragt ihn nach seinem Namen: „11811“. Wie ihn seine Mutter genannt hätte? „Georgi“. Georgi schreckt auf: „Es muß ein Mensch an der Maschine sein!“ Feders Antwort: „Es wird ein Mensch an der Maschine sein; aber nicht du…“ – „Ich.“ Freder tauscht mit Georgi die Rolle und die Kleidung und schickt Georgi mit genauen Anweisungen auf den Weg zu Josaphats Wohnung, wo er auf ihn warten soll.

Als Freder an der Paternoster-Maschine arbeitet, spürt er schnell den Bann, den die Maschinen von Metropolis auf die Arbeiter ausüben; er versucht sich dagegen zur Wehr zu setzen. In den Taschen von Georgis Arbeitskleidung findet er ein Blatt Papier mit einem ihm unverständlichen Plan.

Georgi konnte unterdessen den Neuen Turm Babel in Freders weißseidener Kleidung – mit mehr als ausreichend Geld in den Taschen – unbehelligt verlassen und nimmt auf den Straßen Metropolis’ das Leben erstmals als Mensch und nicht als Arbeiter wahr. Berauscht von der Pracht der Stadt steigt er in ein Auto, um sich zu Josaphat bringen zu lassen. Unterwegs vergleicht er sein bisheriges Arbeiterleben in der unterirdischen Arbeitersiedlung mit tristen Wohnblöcken, an deren Haustüren Tafeln mit den Nummern der dort wohnenden Arbeiter angebracht sind, mit dem Leben der überirdischen, prächtigen Stadt. Mehr und mehr fällt ihm Reklame mit dem Wort „Yoshiwara“ auf, das ihm nichts sagt. An einer Ampel werden Reklamezettel vom Yoshiwara in das Auto geworfen: offenbar eine Vergnügungsstätte; Georgi verfällt in wollüstige Gedanken in Bezug auf die „Himmel-Höllen-Stadt“ Metropolis. Im Wagen neben seinem sieht er eine auffallend geschminkte Frau in eleganter Kleidung, die mit entblößter Schulter lasziv in den Autopolstern sitzt. Das Wort „Yoshiwara“ wird immer eindringlicher und überwältigender, als Leuchtreklame, als Lichtraketen. Georgis Auto schlägt eine neue Richtung ein.

4. Kapitel

Mitten in Metropolis, in der Nähe des Doms, steht ein jahrhundertealtes, düsteres Haus, von dem das Gerücht geht, ein Magier „mit roten Schuhen“ habe es einst in sieben Nächten erbaut. An allen Türen des Hauses befindet sich ein Pentagramm. Irgendwann haben die Bewohner Metropolis’ bemerkt, daß der Magier spurlos verschwunden war. Allen späteren Bestrebungen, es abzureißen, hat sich das offenbar verwunschene Haus widersetzt: durch Erschlagen der Eindringlinge mit herabfallenden Steinen, durch Verschlucken in sich plötzlich öffnenden Löchern im Boden, durch Auslösen unbekannter Krankheiten. Dadurch war es auch sicher vor Dieben, denen man Straffreiheit gewähren wollte, wenn sie das Haus abreißen würden. Eines Tages kam ein Mann namens Rotwang in das schon groß gewordene Metropolis, den niemand außer Joh Fredersen kannte, und wollte das Haus haben.

Jetzt steht Joh Fredersen vor Rotwangs Haus und begehrt Einlaß. Die Türen öffnen und schließen sich von alleine; Fredersen kennt sich aus und findet den Weg in einen Raum mit einem schwarzen Vorhang vor einer Nische. Er zieht den Vorhang auf und steht vor einem Denkmal mit einer Frauenbüste, laut Inschrift „Hel. / Geboren / mir zum Glück, allen Menschen zum Segen. / Verloren an Joh Fredersen. / Gestorben, / als sie seinem Sohne Freder das Leben schenkte.“ Rotwang spricht − ohne im Raum anwesend zu sein − mit Fredersen über ihr Verhältnis nach Hels Tod; Fredersen sucht Rotwang immer nur dann auf, wenn er keinen anderen Rat mehr weiß. Diesmal sucht Fredersen die Bedeutung zu einem Plan mit unerklärlichen Wegeskizzen und einer Stelle mit Kreuzen.

Plötzlich tritt ein künstliches Wesen in Frauengestalt, mit durchscheinender Haut, fleischlos und mit sichtbaren silbrigen Knochen und Gelenken, das kein Gesicht, sondern nur angedeutete Augen, Ohren und Nase am kahlen Kopf hat, an Fredersen heran und nimmt den Plan weg. Das Wesen strömt Kälte aus, Blut scheint nicht in seinen Adern zu fließen. Es gerät ins Straucheln und fällt Fredersen entgegen. Jetzt taucht auch Rotwang auf, Fredersen fragt ihn, was das Wesen sei, er hätte einen Maschinen-Menschen bestellt, den er in seinen Fabriken einsetzen kann, und kein Spielzeug. Rotwang erwidert, er wäre noch nicht fertig mit seiner Schöpfung. Ein makelloses, kühles, gehorsames, weibliches Wesen wäre das allernützlichste Werkzeug. Das Wesen hat mittlerweile Fredersens Plan an Rotwang übergeben.

Rotwang will in entsetztem Zorn wissen, woher Fredersen den Plan hat: von seinem Maschinenmeister Grot, der ihn bei einem an der Geysir-Maschine verunglückten Arbeiter gefunden hat. Der Plan scheint unter den Arbeitern zu kursieren, aber auch Grot kannte seine Bedeutung nicht. Rotwang kennt den Plan: Fredersen stünde gerade auf der Falltür zu den unterirdischen Gängen, die der Plan bezeichnet, und die in Rotwangs Haus endeten. Die Gänge führten zu der tausendjährigen Gräberstadt, die tief unter den Tiefbahnen von Metropolis läge. Auch der Magier, dem Rotwangs Haus gehört hatte, hatte sie gekannt. Er hat sich in den Gängen aber verirrt; Rotwang hat sein Skelett mit den roten Schuhen dort gefunden.

Rotwang und Fredersen verabreden sich, in der kommenden Nacht herauszufinden, was die Arbeiter in die Unterwelt von Metropolis treibt. Das künstliche Wesen begleitet Fredersen zum Ausgang, wieder Kälte und einen schwachen Lichtschimmer ausstrahlend. Zum Abschied bittet es Fredersen, ihm bald ein Gesicht zu geben.

Zurückgekehrt in den Neuen Turm Babel, meldet der Schmale Fredersen das spurlose Verschwinden seines Sohns.

5. Kapitel

Freder arbeitet mit letzter Kraft an der Paternoster-Maschine und meint, sein Vater hätte erstmals das Signal zum Schichtwechsel vergessen, als es endlich über Metropolis ertönt. Andere Arbeiter führen den erschöpften Freder weg von der Maschine, einer von ihnen raunt ihm zu: „Sie hat gerufen… Kommst du mit?“ Ohne zu wissen, was das bedeutet, trottet Freder mit, durch dunkle Gänge, immer tiefer unter die Erde. Endlich kommen sie in einem gruftartigen, matt beleuchteten Gewölbe an, und Freder weiß nicht, ob er vor Müdigkeit schläft und träumt, oder ob es Wirklichkeit ist, daß er eine sanfte Frauenstimme vernimmt – wie er meint, die seiner geliebten „Jungfrau-Mutter“.

In der Höhle spricht eine junge Frau, die die Arbeiter mit „meine Brüder“ anredet und ihnen die Geschichte vom Turmbau zu Babel erzählt:

Ein schöner und starker Mensch, der sich Gott verbunden fühlt, hat eines Tages die Idee, einen Turm bis an den Himmel zu bauen, an dessen Spitze er sein Bekenntnis in goldenen Lettern schreiben will: „Groß ist die Welt und ihr Schöpfer! Und groß ist der Mensch!“

Die Menschen beginnen, gemeinschaftlich den Turm zu bauen. Je weiter das Werk voranschreitet, desto mehr helfende Hände werden angeworben. Diese Hände arbeiten zunehmend nicht mehr für das gemeinsame Ziel, sondern nur noch um Lohn. Entfremdung tritt ein zwischen dem „Hirn“, das den Turmbau zu Babel geträumt hat, und denen, die ihn bauen: „Hirn und Hände waren sich fern und fremd. Feindlich wurden sich Hirn und Hände. Lust des einen wurde Last des anderen. Lobgesang des einen wurde Fluch des anderen.“ Der Ausruf „Babel!“ entzweit die Menschen, der Turmbau mißlingt.

Die Rednerin überträgt das Gleichnis auf den Neuen Turm Babel und meint, daß ein Mittler zwischen Hirn und Händen gebraucht wird: „Mittler zwischen Hirn und Händen muß das Herz sein…“

Die Arbeiter fragen, wo denn dieser Mittler wäre, das Mädchen, dem sie bedingungslos trauen, bitte sie um Geduld und fordert zu Friedfertigkeit auf. Die Arbeiter lassen sich vorerst von kämpferischen Aufständen abhalten. Freder fühlt sich zur Rolle des Mittlers berufen: „Ich will es sein…“ Nach Abzug der Arbeiter aus dem Gewölbe erkennt das Mädchen den zurückgebliebenen Freder.

Sie ist mißtrauisch, warnt Freder, die Arbeiter bei seinem Vater zu verraten und fragt ihn, warum er in der blauen Arbeiterkleidung herumläuft. Freder fragt sie nach ihrem Namen – Maria – und wirbt um Vertrauen. Seit sie im Klub der Söhne aufgetaucht war, habe er sie gesucht; seit er die Situation der Arbeiter am eigenen Leibe erfahren habe, sei er für die Rolle des Mittlers reif. Sie schenkt ihm Vertrauen, faßt seine Hände, und die beiden küssen sich.

Die ganze Szene wird von zwei Männern – offenbar Rotwang und Fredersen – aus einer angrenzenden Totenkammer beobachtet, die „wie ein spitzes Teufelsohr geformt“ ist. Fredersen nennt Rotwang Maria als Vorbild für das Gesicht der „Futura“, des Maschinen-Menschen. Rotwang fragt Fredersen, ob er noch einmal schuldig werden wolle, und ob er wisse, daß Schuld und Leiden Zwillingsschwestern wäre. Er will seinen Sohn nicht verlieren und bejaht die Frage.

Maria fordert Freder zum Gehen auf, weil sie nicht mit ihm gesehen werden will, um sich den Arbeitern gegenüber nicht erklären zu müssen. Sie weist ihm den Weg aus den unterirdischen Labyrinth. Nachdem sich die beiden getrennt haben, geht sie durch die dunklen Gänge, in denen sie sich nie gefürchtet hat, noch ganz in Gedanken an Freder.

Plötzlich hört sie Schritte, die sich schleichend ihr nähern. Sie versteckt sich in einem ihr unbekannten Gang und löscht die Lampe, um den Fremden vorbeiziehen zu lassen. Direkt vor ihrem Versteck halten die Schritte inne. In der Stille hört sie ihr eigenens Herz schlagen. Sie tastet sich an den Wänden des Ganges entlang, die Schritte ihr nach. Kalter Atem in ihrem Nacken, dann Stille, Warten, Auf-der-Lauer-liegen. Im Schimmer taucht ein unbekanntes Geschöpf mit erschreckendem Kopf auf, Maria wirft sich vorwärts, verletzt sich, flieht und stolpert kopflos die Gänge entlang, verfolgt von dem Wesen. Sie kommt am Skelett des Magiers mit den purpurroten Schuhen vorbei und flieht weiter, verfolgt von Füßen, die in roten Schuhen gehen, ruft Freders Namen um Hilfe an, kommt zu einer Treppe, die sie hochstolpert, und gelangt durch eine Falltür in einen Raum, in dem sie endlich eine mit Pentagramm gekennzeichnete Tür ohne Schloß und Riegel findet. Am Rande der Falltür taucht Rotwang auf, Maria wird ohnmächtig.

6. Kapitel

Der Schmale fährt beim Yoshiwara vor und wird von dessen Besitzer, September, einem undurchsichtigen Menschen von „vertrackter Rassenmischung“, der einen verstörten Eindruck macht, eingelassen. September klagt über einen Verrückten in weißer Seide, der am Vorabend ins Yoshiwara gekommen ist und die Gäste verschreckt hat, und von dem der Schmale ihn erlösen soll. Im Yoshiwara dröhnt das Brüllen einer Menschenstimme, die Freudenmädchen des Hauses sitzen weinend und durchgedreht da, einige haben Selbstmordversuche unternommen.

Auf die Frage des Schmalen, wie diese Situation entstanden sei, antwortet September: „Maohee…“ − etwas, was man in ganz Metropolis nicht kennt, was aber jeder im Yoshiwara kennt. Der Schmale mutmaßt Rauschgift, September erläutert, daß es ein ganz besonderes Rauschgift ist, „weil es das einzige ist, das uns den Rausch der anderen empfinden läßt.“

September erklärt dem Schmalen, daß es im Yoshiwara einen Rundraum gibt, gebaut wie eine gewundene Muschel. In den Windungen dieser Muschel trieben die Maohee-Berauschten in Trance immer weiter zum Zentrum, „Maohee, Maohee“ ausrufend, in der Mitte das Ziel ihrer Begierde erwartend, das aus ihren Reihen hervorginge. In der Mitte stünde dann auf einer milchweißen Scheibe ein Mensch im Zustand des „menschgewordenen Inbegriffs vom Rausche aller“, mit Schaum vorm Mund, nichts mehr wissend von sich selbst und ekstatisch die Gefühle aller Berauschten durchlebend. September führt den Schmalen in den Rundraum, es ist dort dämmrig, aus der Tiefe dringt ein schwacher Schein hervor, der Schmale fordert mehr Licht. Er sieht Menschen in dem Raum, die knien und kauern, die Stirn zum Boden gesenkt haben, mit verkrampften Händen, manche in rhythmischen Bewegungen, manche weinend; „alle aber erschienen als Mägde des Mannes, der auf der schneelichtleuchtenden Scheibe stand.“

Der Mann auf der Scheibe trägt die weiße Seidenkleidung der Privilegierten von Metropolis, September klagt, er habe seine Muschel zum Vorhof der Hölle gemacht, er würde den Rausch der Verdammnis durchleben: er glaubt, Maschine zu sein, und betet sich selbst an, und hat die anderen gezwungen, ihn anzubeten. Man sieht ihn in seiner Maschinen-Ekstase, in der er gebetsartige Sprüche ausstößt, mit dem Körper die Stoßbewegungen von Maschinen nachahmend.

Auf den scharfen Ruf „11811!“ des Schmalen bricht der Mann wie vom Schlag getroffen zusammen, die übrigen Berauschten im Rundraum geraten in Entsetzen. Der Schmale stürmt hin zu dem Gefallenen, nimmt ihn auf die Arme, bringt in aus dem Yoshiwara in sein Auto und fährt mit ihm zu einer Krankenstation. Dort kommt Georgi langsam wieder zu Bewußtsein, und der Schmale befragt ihn, wie er zu der weißen Kleidung gekommen wäre: Freder habe sie mit ihm getauscht. Und dann? Er sollte auf ihn warten, im neunundneunzigsten Block, Haus sieben, siebenter Stock. Warum er nicht lieber dorthin gegangen sei? Die Stadt, das viele Licht, Geld mehr als genug – habe ihn verführt. Dann schläft Georgi ein.

Der Schmale steht ratlos da, wehrt den Polizisten ab, der ein Protokoll über den Vorfall aufnehmen will, – und weiß nicht, daß jegliche Erinnerung an das Rauschgift Maohee auslöscht durch den ersten Schluck Wasser oder Wein, den man danach zu sich nimmt. Er läßt sich zum neunundneunzigsten Block fahren.

7. Kapitel



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