Benutzer:BlaueWunder/Artikelentwurf

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Macht der Bilder - Wikipedias Obsession mit dem Obszönen

Nach einigen schmerzhaften Erfahrungen in den letzten Wochen möchte ich über die dunkle und schmierige Seite der Wikipedia schreiben.

OK, es mag sein, dass ich einen Fehler gemacht habe, als ich - von der Empfehlung auf meiner Amazon-Seite für 50 Shades of Grey motiviert - das erste Mal auf BDSM- und damit verknüpfte Bondage-Seiten gegangen bin und es gewagt habe, darin zu editieren. Es war sicherlich unklug, sich neugierig und unbedarft in Grenzgebiete menschlichen Erlebens, Fantasierens und Verhaltens vorzuwagen, deren Regelwerk mir unbekannt war. Auch mag es naiv gewesen sein, anzunehmen, in der WP gäbe es für alle dieselben Regeln und Sperren immer nur für die anderen, die Vandalen. Vermutlich spielte auch eine gewisse Selbstüberschätzung eine Rolle in dem sicheren Gefühl, einen weitgehend akzeptierten Maßstab für Relevanz, Seriosität, Toleranz und Tabus zu besitzen. Aber schließlich kam ich von den Literatur- und Filmseiten, war an unterstützende Worte von Medizinern und Musikfreunden gewöhnt und der festen Ansicht, ein kultivierter Austausch und ein gepflegter, sachlicher Diskurs seien an der Tagesordnung. Dass mir, nur weil ich anstößige, Frauen degradierende Fotos lösche oder solche, die Gewalt und Lust miteinander koppeln, ein derartiger Gegenwind entgegenbläst, hat mich umgehauen. Ein Orkan, zusammengebraut aus Machoallüren, männlichen Seilschaften, Arroganz der Möchtegern-Mächtigen oder Mitläufertum! Das kam überraschend, und die dreitägige Sperre für einmal zu oft Löschen der wertvollen Quelle von "Mass Sadist - BDSM for dummies" ebenso. Ein Fall nicht nur für die Sperrprüfung, sondern gleich für Straßburg!! Und ein wertvolles Lehrstück in Punkto Machtstrukturen und Verflechtungen der jahrelang Vernetzten mit der Lizenz zum Löschen.

Dabei ist überall zu hören: "Der Wikipedia laufen die Autoren weg!", der niedrige Anteil weiblicher User wird bedauert und eigentlich soll der Wissensschatz der Generation, die im nichtdigitalen Zeitalter aufgewachsen ist und (aus)gebildet wurde, Zugang und Wertschätzung finden. Dann sollte man meinen, dass diese Gruppe nicht vergrault wird, um das Feld denjenigen zu überlassen, die ihre Haltung Anything goes - durch unvorstellbaren technischen Fortschritt und grenzenlose Möglichkeiten geprägt - zum gesellschaftlichen Ideal erklären. Jimmy Wales fragte in seiner mutigen Mission, die Bebilderung auf Wikipedia weniger anstößig, und die Würde des Individuums achtend, zu gestalten: "How many penises do we need?" In Abwandlung dieser Frage möchte ich formulieren:

  • Wie viele Bilder von Frauen mit Plastikknebeln im Mund oder mit durch Seile abgeschnittene Brüste brauchen wir und wieviele von Menschen, die sich nackt, geknebelt und gefesselt, hilflos am Boden winden und den Betrachter mit waidwunden Augen anschauen, um das Thema Bondage zu erklären? Und wieviele entblößte, an einer Spreizstange oder ans Kreuz fixierte oder gefesselt knieende Frauen sind notwendig, um das B und das D in BDSM zu verdeutlichen?
  • Wie viele nackte Hintern, als adrettes Paket verpackt, mit Schnüren durch die Vulva, brauchen wir wirklich (und nicht der Playboy oder das Erotikstudio in Leipzig, das neben dem Foto ganz zufällig die Einsteigerkurse zum Fesseln anbietet für das abenteuerlustige Paar, dem magische Momente beschert wird)?
  • Wie viele "historische" Tuschezeichnungen oder Radierungen von entkleideten, gefolterten, ausgepeitschten, kopfüber aufgehängten jungen Mädchen, umgeben von geilen, alten Böcken mit erigierten Gliedern benötigt der wissensdurstige Leser, und wieviel benötigt derjenige, der das Bild hochgeladen hat? Reicht die Verlinkung auf Fanseiten und auf Selbsthilfegruppen, um auf praktische Gefahren von Autobondage oder erotischer Luftabfuhr oder Würge"spielen" hinzuweisen? Es reicht doch, dass es ein Unterwiki zu den speziellen Vorlieben gibt, oder nicht?
  • Was genau ist der enzyklopädische Mehrwert einer Seite wie Poppen.de, deren Löschdiskussion mit Argumenten wie "Natürlich behalten!", "Lern erstmal unsere Abkürzungen und einen Löschantrag richtig zu stellen!" geführt wurde?
  • Welche seriöse Enzyklopädie besteht auf Lemmata wie die sichtbare Sliplinie, die dem Betrachter sofort einen Blick auf den üppigen Hintern einer vornübergebeugten Frau in Rock mit sich leicht abzeichnenden Abrissen ihrer Unterhose aufzwängt? Muss ich jetzt etwas zum "Wadenblitzer" nachschieben, um ansatzweise der Geschlechtergleichheit nachzukommen?
  • Brauchen wir auf der Seite Pornografie nicht nur die Statistiken über Sexualtechniken in Pornos, sondern auch die Detailverliebtheit, mit der gleich mehrfach in expliziten Worten darauf hingewiesen wird, zu wieviel Prozent (zu 97,8%) nicht in die Vagina, sondern in den Anus, auf die Brüste, in den Mund oder in das Gesicht der Frau ejakuliert wird, und welche Kompetenz erlangen wir mit den englischen Begriffen für befremdliche Praktiken? Welche Bilder entstehen gerade bei dir, lieber Leser, im Kopf? Würdest du am Ende auch zu dem vorsichtig formulierten Satz gelangen: "Darüber hinaus argumentieren die Forscher, dass insbesondere physische und verbale Gewalt gegen Frauen sowie dargestellte Sexualakte wie die männliche Ejakulation im Mund der weiblichen Figur und „Ass-to-mouth“ Frauen erniedrigten." Wer hätte das gedacht? Dass die Forscher so argumentieren, merkwürdig aber auch...

Ich habe verschiedene Tests gestartet, um die Reflexe der User zu testen, die bestimmte Bilder und Informationen immer wieder herstellen wollen. Sie funktionieren, sehr schnell und 24/7. In einem Test bin ich zur Komplizin der neuen, prekären Richtung in der WP geworden und habe in einem weiteren Lemma, das die Welt nicht braucht, mitgeschrieben. Es handelt sich um den äußerst relevanten und vielschichtigen Artikel zur Spezies der MILF. Aus Paritätsgründen habe ich den DILF (dad, I´d like to fuck) hinzugefügt; warum sollten Väter im mittleren Lebensalter nicht als attraktiv wahrgenommene Lustobjekt gewürdigt werden oder sogar GILFs (Grandfather I´d like to fuck) wie Sean Connery oder Til Schwaiger, die beide das Kriterium "Ü 50" erfüllt haben? Nun ja, ihr könnt euch denken, was passierte, und sicherlich nicht aus Gründen der fehlenden seriösen Bequellung? Schneller als ich in meiner neuen Identität als Kampfemanze ebenso reflexartig MCP (male chauvinist pig) ausstoßen konnte, war der DILF wieder weg. Zurückgesetzt. Gemein. Gefährlich auch. Denn: Wer darf demnach Lustobjekt sein und wer nicht, und wen interessieren die Porno-Awards für den besten YXZ-Job? Wissen, das man weder für WWM benötigt noch für gepflegte Konversation und vermutlich auch nicht für die Forschung über sozio-ökonomische Lagen der PornodarstellerInnen oder die miesen hygienischen, sexualmedizinisch bedenklichen Bedingungen, das Aids-Risiko oder die lächerliche Entlohnung beim Dreh in Bananenrepubliken. Von echter Freiwilligkeit der MILFS oder der blutjungen Lolitas ganz zu schweigen, s. Linda Lovelace. Im Gegenteil: Suggeriert die Aufnahme derartiger, belämmerter Themen jungen Menschen mit weniger Reflexionsvermögen, Bildungs- und finanziellem Hintergrund oder mit weniger moralischen Skrupeln nicht, wie man vermeintlich leicht Geld verdienen (lassen) kann? Zuhälterei ist schließlich immer noch ein lukratives Gewerbe. Was ist passiert, dass so viel Seichtes, Halbseidenes und Sexistisches die Seiten verklebt und anstößige Bilder in Artikel positioniert werden ohne Rücksicht auf den Jugendschutz und ohne Rücksicht auf die bekannten Wirkprozesse von Bildern auf das reifende Gehirn von Kindern und Jugendlichen? Ich meine nicht Nacktheit oder Sexuelles an sich, sondern die entwürdigende Darstellung von Frauen und Männern, dazu in Verbindung mit Gewalt, Zwang, Demütigung. Liegt es daran, dass "50 Shades of Grey", der Mommy-Porn, S/M-Praktiken absolut wohnzimmertauglich gemacht hat wie ehemals Madonna das nabelfreie Top? Möglicherweise führt die Kompensation eines realen Mangels mit zu der Konstruktion immer abstruserer Annahmen über wertvolles Wissen. Dann gäbe es in der Userschaft begründete Ursachen, die dafür sorgen, welche Lemmata als enzyklopädiewürdig eingestellt werden. Bevor die Wikipedia vollends zum Spielplatz für "fashion victims", Serienjunkies, Promi-Stalker, postadoleszente Pornografie-Liebhaber und Paraphilie-Faszinierte gerät, sollte die Relevanzfrage neu diskutiert werden. Damit die sexuelle Revolution nicht ihre Kinder frisst. Erinnern wir uns: Wikipedia ist keine Demokratie. Aber hoffentlich auch keine Pornokratie.