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Mit Franzosenzeit wird, insbesondere in der Umgangssprache, die zeitliche Epoche von 1792 bis 1815 bezeichnet, in der allmählich große Teile Europas, darunter der gesamte deutschsprachige Raum, direkt oder indirekt unter französische Herrschaft gerieten oder wenigstens zum französischen Einflußgebiet wurden.
Die Franzosenzeit, gelegentlich auch als "Französische Zeit" bezeichnet ,[1] wird oft zu Unrecht mit der Herrschaft Napoléons gleichgesetzt: In Wirklichkeit beginnt sie bereits einige Jahre vor Napoléons Machtergreifung, sie erreicht allerdings unter Napoléon ihren Höhepunkt und endet konsequenterweise auch nach dessen militärischer Niederlage in der Schlacht bei Waterloo.

Man kennt den Begriff außerdem als "franse tijd" in Belgien[2] und den Niederlanden[3] oder als "Fransousenzäit" in Luxemburg[4], auch in den romanischen Gebieten außerhalb Frankreichs existieren zum Teil ähnliche Begriffsbildungen[5][6].

Verlauf

Die Österreichischen Niederlande (1714-1794). Zusammen mit dem Fürstbistum Lüttich entspricht das Gebiet im Wesentlichen dem heutigen Belgien und dem Großherzogtum Luxemburg.

Vorgeschichte

Nachdem Preußen und Österreich 1791 in der Pillnitzer Deklaration ein Bündnis zur Zerschlagung der Französischen Revolution geschlossen hatten, kam es ab 1792 zum sog. Ersten Koalitionskrieg. Nach der Absetzung Ludwigs XVI. und Ausrufung der Ersten Französischen Republik am 21. September 1792 stießen dabei französische Revolutionstruppen als Reaktion auf die Preußisch-Österreichische Allianz ab November 1792 wiederholt zunächst in die Österreichischen Niederlande vor. Damit begann die Franzosenzeit 1792 zunächst in einem Gebiet, aus dem später hauptsächlich das heutige Belgien und das heutige Großherzogtum Luxemburg hervorgingen.

Die Franzosenzeit vor der Machtergreifung Napoléons

Nach einer vorübergehenden Rückeroberung durch Österreich besetzten französische Truppen ab 1794 das Gebiet erneut, außerdem auch das größtenteils von den Österreichischen Niederlanden umgebene Fürstbistum Lüttich. Beide Gebiete wurden ab dem 1. Oktober 1795 von Frankreich annektiert und als französisches Staatsgebiet vereinnahmt.[7][8]
Unter der französischen Herrschaft wurde die Verwaltung des Gebietes umstrukturiert, nach dem Vorbild des Französischen Mutterlandes kam es 1795 auf dem Gebiet der früheren Österreichischen Niederlande zur Bildung von insgesamt 9 neuen Départements, von denen die östlichsten drei bereits in den Deutschen Sprachraum hineinreichten:


Im linksrheinischen Teil Deutschlands beginnt die Franzosenzeit bereits mit der Besetzung durch französische Revolutionstruppen im Jahre 1794,[9] ansonsten umfasst die Epoche in etwa den Zeitraum zwischen den Jahren 1804 und 1815. Im engeren Sinne bezeichnet der Begriff den Abschnitt von der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 bis zur Völkerschlacht bei Leipzig 1813.
In der Franzosenzeit wurde in den von Frankreich besetzten Ländern der Code Napoléon eingeführt. Die Menschen in Deutschland kamen in Kontakt mit den Idealen der Französischen Revolution. Im von Frankreich nicht besetzten Preußen entstand eine eigene Dynamik, dort wurde neben anderen Reformen besonders die Verfassung reformiert. Napoleon kontrollierte die deutschen Fürsten im Rheinbund und errichtete für seinen Bruder Jérôme Bonaparte das Königreich Westphalen, das im Kern aus Kurhessen bestand.

Schon vor dem eigentlichen Beginn der Befreiungskriege kam es bereits zu Aufständen im französisch besetzten Deutschland. Wilhelm von Dörnberg war Initiator und Anführer der Hessischen Insurrektion und damit bereits 1809 Führer der ersten großen Erhebung. Nach dem vernichtenden Niedergang der Grande Armée Napoleons im Russlandfeldzug 1812 schloss der kommandierende General des preußischen Hilfskorps der Grande Armée, Yorck, am 30. Dezember 1812 in der Konvention von Tauroggen einen Waffenstillstand mit den russischen Truppen. Dies war der entscheidende Impuls zum Ausbruch der Freiheitskriege der folgenden Jahre.

Wirkung

Die Franzosenzeit trug maßgeblich zum Entstehen des Einheitsgedankens und des Nationalbewusstseins in Deutschland bei. Die vielen Regionen mit ihren verschiedenen Dialekten fanden sich im Kampf gegen die Besetzung in einer gemeinsamen antifranzösischen Definition von „deutsch“ oder „Freiheit“ wieder. Auf dem Wartburgfest im Jahre 1817 formierte sich erstmals eine echte Bewegung unter den StudentenBurschenschaften und Studentenverbindungen entstanden. Die Farben Schwarz-Rot-Gold wurden zum Symbol dieser Sache. Während dann im sogenannten „Vormärz“ der Wunsch nach Freiheiten von der Obrigkeit unterdrückt wurde, kam es zur Märzrevolution 1848 und der Bildung eines ersten deutschen Parlaments, wenn auch nicht alle deutschsprachigen Gebiete beteiligt waren. In den preußischen Freiheitskriegen wurde die Wehrpflicht nach dem Vorbild der levée en masse von General Gerhard von Scharnhorst im Rahmen der explizit gegen die französische Besetzung formulierten preußischen Heeresreform eingeführt. Diese Preußischen Reformen (1807–1812) der Franzosenzeit gehören neben der formellen Abschaffung des Heiligen Römischen Reichs 1806 zu den größten politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen zwischen Frühneuzeit und Moderne in Deutschland. Mit dem Rückzug Franz II. in seine österreichischen Erblande entstand außerdem eine politische Trennung zwischen Preußen und Österreich, die bereits den Grundstein für die österreichische Unabhängigkeit in der deutschen Frage legte.

Regionen

Begriffsgeschichte

Der Begriff entstand erst allmählich und mit zeitlicher Verzögerung. Er wurde für den niederdeutschen Sprachraum entscheidend geprägt durch Fritz Reuters populäres Werk „Ut de Franzosentid“ (1860). Der Begriff ist nicht immer neutral gewesen, und kann es daher auch heute nicht sein. Die antifranzösische deutsche Identitätsbildung entstand in der Franzosenzeit; der Gegensatz zum sogenannten „Erbfeind“ wurde auch in der Geschichtsforschung der Kaiserzeit und der Zeit des Nationalsozialismus betont. Daher wurde „Franzosenzeit“ als Begriff zur Zeit der Bonner Republik gemieden. In diesem Sinne steht „Franzosenzeit“ nach wie vor für eine historische Betrachtung der französischen Besetzung im Kontext dieser antifranzösischen Identitätsbildung Deutschlands.

Literatur

  • Fritz Reuter: Ut de Franzosentid bei Wikisource
  • Annemarie Hopp: Feinde, Freunde, Fremde – Erinnerungen an die Tübinger „Franzosenzeit“. Tübingen 1995.
  • Silke Klaes: Die Post im Rheinland – Recht und Verwaltung in der Franzosenzeit (1792–1815). Köln 2001.
  • Helmut Stubbe-da Luz: „Franzosenzeit“ in Norddeutschland (1803–1814). Napoleons Hanseatische Departements. Bremen 2003. ISBN 3-86108-384-1.
  • Kerstin Theis / Jürgen Wilhelm (Hrsg.): Frankreich am Rhein. Die Spuren der „Franzosenzeit“ im Westen Deutschlands. Köln 2008. ISBN 978-3-7743-0409-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eduard Rothert: Rheinland-Westfalen im Wechsel der Zeiten , Düsseldorf 1900
    (Online-Präsentation der Universitätsbibliothek der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, abgerufen am 21. März 2011)
  2. Wikipedia: Franse tijd in België (niederländisch, abgerufen am 18. März 2011)
  3. Wikipedia: Franse tijd in Nederland (niederländisch, abgerufen am 18. März 2011)
  4. Nouvellen aus eiser Gemeng Nº6, Juli 2002 (luxemburgisch, Online-Broschüre der Gemeinde Waldbredimus (Lux), abgerufen am 21. März 2011)
  5. Wikipedia: Istorgia da la Svizra, Abschnitt 6: Il «temp franzos»: Helvetica e mediaziun dal 1798 fin il 1814 (rätoromanisch, abgerufen am 22. März 2011)
  6. Wikipedia: Redjime francès (wallonisch, abgerufen am 22. März 2011)
  7. Wikipedia: Österreichische Niederlande, Abschnitt 2: Geschichte (abgerufen am 23. März 2011)
  8. Wikipedia: Fürstbistum Lüttich, Abschnitt 2: Geschichte (abgerufen am 23. März; 2011)
  9. Das Rheinland unter den Franzosen 1794-1815 (Internet-Präsentation des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), abgerufen am 18. März 2011)