Benutzer:HilberTraum/Baustelle2

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Nigiri-Sushi: Bei der Zusammen­setzung der Wörter nigiri („Ballen“) und sushi wird im Japanischen der normalerweise stimmlose Konsonant /s/ stimmhaft als /z/ ausgesprochen: nigirizushi

Rendaku (jap.

連濁

, zusammengesetzt aus

, „nachfolgen“ und

„trüb/stimmhaft werden“) ist ein morphonologisches Phänomen in der japanischen Sprache, bei dem in zusammengesetzten Wörtern der erste Konsonant der zweiten Komponente stimmhaft wird. So beginnt zum Beispiel das Wort kami („Papier“) mit dem stimmlosen Konsonanten /k/, in einem Kompositum wie origami verändert er sich jedoch in das stimmhafte /g/. Wegen der Unregelmäßigkeiten, mit denen das Phänomen eintritt oder unterbleibt, stellt es nicht nur beim Erlernen des Japanischen als Fremdsprache eine Schwierigkeit dar, sondern mitunter auch für Muttersprachler, vor allem bei selten verwendeten Wörtern und insbesondere bei Eigennamen. Aus diesem Grund ist Rendaku auch ein häufiger Untersuchungsgegenstand der Linguistik. Eine in vielen Fällen anwendbare Bedingung, die zuverlässig Rendaku unterdrückt, ist Lymans Gesetz. Auch die Etymologie der beteiligten Wörter spielt eine wichtige Rolle.

In diesem Artikel wird das Hepburn-System zur Umschrift des Japanischen in das lateinische Alphabet verwendet; zur Aussprache siehe Japanische Sprache#Phonologie, insbesondere wird /z/ als stimmhaftes /s/ wie in deutsch „Rasen“ und /j/ ungefähr wie in englisch „Jeep“ gesprochen.

Übersicht

Zusammenfassung der Konsonantenwechsel bei Rendaku
Stimmlos Stimmhaft
k g
s, sh z, j
t, ch, ts d, j, z
h, f b

In der japanischen Sprache können, ganz ähnlich wie im Deutschen, Wörter zu Komposita zusammengesetzt werden. Beispiele wie natsu + yasuminatsuyasumi („Sommer“ + „Rast/Freizeit“ → „Sommerferien“) oder ko + inukoinu („Kind“ + „Hund“ → „Welpe“) zeigen, dass dabei die Wörter im Allgemeinen einfach unverändert aneinandergesetzt werden. Wenn jedoch das zweite Wort mit einem stimmlosen Konsonanten beginnt, so wird dieser häufig – aber nicht immer – durch einen stimmhaften ersetzt.[1] Im Einzelnen ergeben sich dabei die folgenden Fälle mit Beispielen:

  • /k/ → /g/: yuki + kutsuyukigutsu („Schnee“ + „Schuhe“ → „Schneeschuhe“)
  • /s/ → /z/: ama + sakeamazake („süß“ + „Sake“ → „Amazake“)
  • /sh/ → /j/: takara + shimatakarajima („Schatz“ + „Insel“ → „Schatzinsel“)
  • /t/ → /d/: me + tamamedama („Auge“ + „Ball“ → „Augapfel“)
  • /ch/ → /j/: hana + chihanaji („Nase“ + „Blut“ → „Nasenbluten“)
  • /ts/ → /z/: tachi + tsukuetachizukue („Stehen“ + „Schreibtisch“ → „Stehpult“)
  • /h/ → /b/: su + hakosubako („Nest“ + „Kasten“ → „Nistkasten“)
  • /f/ → /b/: watashi + funewatashibune („Überqueren“ + „Schiff“ → „Fähre“)

Im Wesentlichen wird also der jeweilige stimmlose Konsonant durch seine stimmhafte Version ersetzt. Der irregulär erscheinende Wechsel zu /b/ lässt sich linguistisch dadurch erklären, dass in der altjapanischen Sprache, der ältesten Sprachstufe des Japanischen, für die Schriftquellen vorliegen, die Konsonanten /h/ und /f/ beide als /p/ ausgesprochen wurden.[2] Die übrigen Unregelmäßigkeiten in der obigen Übersicht entstehen durch die Transkription in das lateinische Alphabet; bei Verwendung der japanischen Silbenschriften Hiragana oder Katakana ergibt sich der Wechsel einheitlich durch Hinzufügen von zwei kleinen Strichen oben rechts, genannt Dakuten, an das Schriftzeichen, zum Beispiel

た, ち, つ, て, と → だ, ぢ, づ, で, ど
    (ta, chi, tsu, te, to → da, ji, zu, de, do).

Bei der Schreibung von Wörtern mit Kanji, also mit den aus der chinesischen Schrift übernommenen Zeichen, bleibt Rendaku hingegen unmarkiert, d. h. die Aussprache kann nicht direkt aus dem geschriebenen Wort erschlossen werden.[1]

Bedingungen, die Rendaku beeinflussen

Lymans Gesetz

Lymans Gesetz beschriebt eine phonologische Bedingung, die zuverlässig Rendaku verhindert. Es besagt: Wenn ein Wort einen stimmhaften Obstruenten (/g/, /z/, /j/, /d/ oder /b/) enthält, dann bleibt in Zusammensetzungen der erste Konsonant stimmlos; es tritt dann also kein Rendaku ein.[3] Zum Beispiel enthält das Wort kabe („Wand“) den stimmhaften Obstruenten /b/, bleibt also nach Lymans Gesetz in Komposita wie ishi + kabeishikabe („Stein“ + „Wand“ → „Steinwand“) immer unverändert. Weitere Beispiele für Lymans Gesetz mit anderen stimmhaften Obstruenten sind

  • tsuno + tokagetsunotokage („Horn“ + „Echse“ → „Hornechse“),
  • kita + kazekitakaze („Norden“ + „Wind“ → „Nordwind“),
  • ha + kujirahakujira („Zahn“ + „Wal“ → „Zahnwal“),
  • tori + hadatorihada („Vogel“ + „Haut“ → „Gänsehaut“).

Das erste Beispiel zeigt dabei auch, dass sich der stimmlose Obstruent nicht unbedingt in der zweiten Silbe befinden muss.

Lymans Gesetz ist benannt nach Benjamin Smith Lyman (1835–1920), der es 1894 erstmal in der westlichen Literatur beschrieb. Es wurde allerdings bereits zuvor von japanische Linguisten entdeckt und formuliert.

Wortherkunft

Der japanische Wortschatz lässt sich nach seiner Herkunft in vier Gruppen einteilen: reinjapanische Wörter, Lehnwörter aus dem Chinesischen, Lehn- und Fremdwörter aus anderen Sprachen (Gairaigo) und onomatopoetische Wörter. Rendaku ist im Wesentlichen ein Phänomen, das reinjapanische Wörter betrifft. So fallen alle in diesem Artikel bisher genannten Beispiele in diese Kategorie. In den anderen drei Gruppen tritt Rendaku – mit abnehmenden Wahrscheinlichkeiten – deutlich seltener auf. Genauer lässt sich feststellen:[4][5]

  • Chinesische Lehnwörter: Aufgrund des großen Einflusses der chinesischen Kultur in Ostasien seit der Antike enthält die japanische Sprache viele Wörter, die aus dem Chinesischen entlehnt wurden. Insbesondere in formelleren oder technischen Texten ist häufig der Anteil an Begriffen aus dieser Kategorie hoch – grob vergleichbar mit der Rolle lateinischer Fremdwörter im Deutschen. Rendaku ist in Komposita mit chinesischen Lehnwörtern nicht sehr häufig, kommt aber durchaus vor, vor allem in geläufigen Zusammensetzungen wie beispielsweise chū + kokuchūgoku („Mitte“ + „Land“ → „China“) oder kabushiki + kaishakabushikigaisha („Aktie“ + „Firma“ → „Aktiengesellschaft“).
  • Gairaigo: In der japanischen Sprache werden auch zahlreiche Wörter aus anderen Sprachen verwendet, seit dem 20. Jahrhundert vor allem aus dem Englischen. Rendaku ist in dieser Kategorie sehr selten, Ausnahmen gibt es vor allem bei Wörtern, die bereits vor Längerem übernommen wurden und gut integriert sind, zum Beispiel bei Komposita mit kappa („Regenmantel“), das sich aus dem portugiesischen Wort capa herleitet.
  • Onomatopoesie: Das Japanische ist reich an Wörtern, die Geräusche nachbilden oder die allgemeiner durch ihren Klang eine Eigenschaft von Objekten oder ein Gefühl darstellen. Bei solchen onomatopoetischen Wörtern findet kein Rendaku statt. So bleibt beispielsweise bei Reduplikationen wie tonton („Klopfen“), kirakira („funkelnd“) oder fuwafuwa („flauschig/flockig“) der zweite Teil des Wortes unverändert.

Weitere Kriterien

Wie die bisherigen Beispiele zeigen, ergibt sich im Japanischen, wie auch im Deutschen, die Bedeutung eines Kompositums A + BAB im Allgemeinen dadurch, dass das Grundwort B durch A genauer bestimmt wird (sogenanntes Determinativkompositum). Manche Zusammensetzungen haben hingegen eher die Bedeutung „A und B“ (Kopulativkompositum oder auch Dvandva genannt). In diesem zweiten Fall wird Rendaku regelmäßig unterdrückt. Ein Minimalbeispiel ist yama + kawayamakawa („Berg“ + „Fluß“ → „Berg und Fluss“) im Gegensatz zu yamagawa („Bergfluss“).[4]

Die sogenannte Verzweigungsbedingung ist ein Kriterium für Rendaku bei Komposita aus mehr als zwei Wörtern. Diese können rekursiv als Zusammensetzungen von Komposita aufgefasst werden. Wenn dabei die zweite Komponente eines Kompositums selbst zusammengesetzt ist (A + BCABC), dann wird in deren erstem Teil B Rendaku unterdrückt. Ein Minimalbeispiel ist

nuri + kasa + irenurikasaire („Lack“ + „Schirm“ + „Behälter“ → „Lack-Schirmbehälter / ein lackierter Behälter für Schirme“) ohne Rendaku, im Gegensatz zu nurigasaire („Lackschirm-Behälter / ein Behälter für lackierte Schirme“).[6]

Einige Wörter wie beispielsweise kita („Norden“), hime („Prinzessin“) oder katachi („Form“) sind aus bisher unbekannten Gründen völlig immun gegen Rendaku, bleiben also bei Zusammensetzungen stets unverändert.[7] Zudem gibt es einige Präfixe, die Rendaku beim folgenden Wort unterdrücken, beispielsweise han- („halb“), altjapanische Zahlwörter wie hito- („eins“), futa- („zwei“) usw. oder die Honorativpräfixe o- und go-.[8]

Literatur

  • James Low: Issues in Rendaku: Solving the Nasal Paradox and Reevaluating Current Theories of Sequential Voicing in Japanese. Pomona 2009 (online [PDF; abgerufen am 26. September 2018]).
  • Haruo Kubozono: Rendaku: Its domain and linguistic conditions. In: J. van de Weijer, K. Nanjo, T. Nishihara (Hrsg.): Voicing in Japanese. De Gruyter, Berlin Dezember 2005 (online [PDF; abgerufen am 26. September 2018]).
  • Mark Irwin: Rendaku Dampening and Prefixes. In: NINJAL Research Papers. Band 4, 2012, S. 27–36.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b James Low: Issues in Rendaku: Solving the Nasal Paradox and Reevaluating Current Theories of Sequential Voicing in Japanese. Pomona 2009, S. 3–5.
  2. Mark Irwin: Rendaku Dampening and Prefixes. In: NINJAL Research Papers. Band 4, 2012, S. 28.
  3. James Low: Issues in Rendaku: Solving the Nasal Paradox and Reevaluating Current Theories of Sequential Voicing in Japanese. Pomona 2009, S. 6.
  4. a b James Low: Issues in Rendaku: Solving the Nasal Paradox and Reevaluating Current Theories of Sequential Voicing in Japanese. Pomona 2009, S. 9–11.
  5. Kirsten Dexter: Rendaku: Why Hito-Bito isn’t Hito-Hito. In: Tofugo. 14. August 2018, abgerufen am 30. September 2018 (englisch).
  6. James Low: Issues in Rendaku: Solving the Nasal Paradox and Reevaluating Current Theories of Sequential Voicing in Japanese. Pomona 2009, S. 7–8.
  7. James Low: Issues in Rendaku: Solving the Nasal Paradox and Reevaluating Current Theories of Sequential Voicing in Japanese. Pomona 2009, S. 28.
  8. Mark Irwin: Rendaku Dampening and Prefixes. In: NINJAL Research Papers. Band 4, 2012, S. 27–36.