Benutzer:Kurt Jansson/Vortrag auf dem 19C3
Auf dem 19. Chaos Communication Congress (kurz: 19C3) des Chaos Computer Clubs habe ich einen Vortrag über die Wikipedia gehalten. Der Kongress fand vom 27. bis 29. Dezember 2002 in Berlin (Haus am Köllnischen Park) statt. Den Vortrag hielt ich am ersten Tag um 12:00 in Saal 3; anschließend bestand ab 13:00 im Saal 5 die Möglichkeit zu weiterer Diskussion im kleineren Kreis.
Die Folien zum Vortrag habe ich jetzt online gestellt: http://www.jansson.de/19C3/Wp19C3.html
Audio- und Video-Files wird es wohl leider wegen technischer Probleme nicht geben :-(
Ideensammlung und Diskussion
Es folgt eine Ideensammlung und Diskussion, zu der ich im Vorfeld aufgerufen habe (siehe auch Benutzer_Diskussion:...):
- "Das Ziel des Kongresses ist es, den Austausch von technischen, gesellschaftlichen und politischen Ideen zwischen Hackern, Sicherheits--Experten, Künstlern, "Nerds" und anderen Lebensformen, die sich mit dem Einfluss von Technik auf die Gesellschaft beschäftigen, zu fördern." (von 19C3: Call for Papers)
Folgende Angaben habe ich eingereicht:
- Titel: Wikipedia, die freie Enzyklopädie
- URLs: http://www.wikipedia.de (deutsch) http://www.wikipedia.org (englisch)
- Kurzbeschreibung:
- Eine freie Gesellschaft braucht freies Wissen. Einen Beitrag hierzu versucht das Wikipedia-Projekt zu leisten. Mehrere tausend Freiwillige, darunter viele Studenten und Wissenschaftler, arbeiten seit Januar 2001 an einer "open content"-Enzyklopädie, deren Inhalte unter der GNU Freie Dokumentationslizenz stehen. Mitlerweile existieren über 100.000 Artikel in mehr als 20 Sprachen.
- In dem Vortrag wird es zunächst kurz um die technische Grundlage des Projekts gehen (Was ist ein Wiki?). Viel spannender ist jedoch die Frage: Warum funktioniert ein Wiki? An den Artikeln kann prinzipiell jeder sofort und ohne Anmeldung mitarbeiten. Warum sind viele der so produzierten Artikel von erstaunlich hoher Qualität, und warum findet man überraschend wenig Nonsens?
Der Vortrag und die anschließende Diskussion soll ca. 60 Minuten dauern. Danach besteht die Möglichkeit, sich mit Interessierten in einem anderen Raum zu treffen.
Ich werde versuchen, eine kleine live-Demonstration der Wikipedia vorführen (falls der Server nicht muckt, toitoitoi).
Themen- und Ideensammlung
- Enzyklopädien: Definition und (sehr) kurzer historischer Abriss
- Technik: Wiki-Grundprinzipien
- Live-Demonstration (an welchem Artikel?)
- => Nutzung der Wiki-Technik als Platform/Instrument zur Erstellung einer freien Enzyklopädie
- Unterschiede zu anderen Wikis
- Gemeinsamkeiten mit Open Source/Freie Software-Projekten
- kurze Geschichte der Wikipedia
- Gnupedia (nie über Planungsphase hinausgekommen)
- Nupedia
- deutschsprachige Wikipedia
- Warum funktioniert Wikipedia?
- (mögliche) Schwachpunkte
- des Konzepts
- Es hat keinen "subversiven Stachel", sondern ist IMHO ein Toleranzprojekte einer Klassengesellschaft. Es läßt bestehende (Besitz)verhältnisse unangetastet ("Enteignet M$!"). Es ist eine 'bürgerliche' Kompromißbildung, unparteiisch "NPOV". Das Motto lautet auch hier :Laßt uns möglich viel verändern "das wissen befreien", damit sich nix Grundlegenderes ändert.externer link --nerd
- Sicher wird Wikipedia das kapitalistische Schweinesystem nicht abschaffen, aber im Prinzip des copyleft sehe ich schon ein subversives Moment - nicht umsonst bezeichnet Microsoft es als "Virus". Inhaltlich ist sicher auch ein linkes, kritisches Enzyklopädie-Projekt denkbar ("Indypedia"?), aber das würde sicher in typisch linken Grabenkämpfen untergehen. Ich halte ein Projekt, das verschiedene, eben auch kritische Sichtweisen unparteiisch darstellt, für Otto Normalsurfer, der bei uns zufällig über Google reinstolpert, für sehr viel glaubwürdiger. Und darum letztlich wirksamer. Von der Möglichkeit, auf Knopfdruck aus der passiven Konsumentenhaltung heraustreten zu können und aktiv mitzugestalten gar nicht zu reden :-)
Das jetzt mal als optimistisch-aufklärerische Gegenposition. Aber ich kann Deine Meinung durchaus nachvollziehen und werde sie im Vortrag sicher auch nennen. --Kurt Jansson 16:39, 20. Dez 2002 (CET)
- Sicher wird Wikipedia das kapitalistische Schweinesystem nicht abschaffen, aber im Prinzip des copyleft sehe ich schon ein subversives Moment - nicht umsonst bezeichnet Microsoft es als "Virus". Inhaltlich ist sicher auch ein linkes, kritisches Enzyklopädie-Projekt denkbar ("Indypedia"?), aber das würde sicher in typisch linken Grabenkämpfen untergehen. Ich halte ein Projekt, das verschiedene, eben auch kritische Sichtweisen unparteiisch darstellt, für Otto Normalsurfer, der bei uns zufällig über Google reinstolpert, für sehr viel glaubwürdiger. Und darum letztlich wirksamer. Von der Möglichkeit, auf Knopfdruck aus der passiven Konsumentenhaltung heraustreten zu können und aktiv mitzugestalten gar nicht zu reden :-)
- Es hat keinen "subversiven Stachel", sondern ist IMHO ein Toleranzprojekte einer Klassengesellschaft. Es läßt bestehende (Besitz)verhältnisse unangetastet ("Enteignet M$!"). Es ist eine 'bürgerliche' Kompromißbildung, unparteiisch "NPOV". Das Motto lautet auch hier :Laßt uns möglich viel verändern "das wissen befreien", damit sich nix Grundlegenderes ändert.externer link --nerd
- "Ich halte ein Projekt, das verschiedene, eben auch kritische Sichtweisen unparteiisch darstellt". Sorry ich teile deinen Standpunkt der Unparteiischkeit (?:)) nicht. Schön das du auch ein subversivers Moment siehst, ich seh diesen nichr, subversiv heißt die Machtverhälnisse antasten, von "dem Kopf auf die Füße zu stellen". "Eneignet M$" wäre zB subversiv... Da würde eine Gegenmacht auftauchen.... Die "optimistisch-aufklärerische" Position ist heute allgenwärtig: jeder darf seine Geschichte erzählen/schreiben solange er nicht den Rahmen sprengt. Symtomatisch ist ja schon unserer Diskussion über Adolf Hitler: vergleichbar mit Josef W. Stalin , oder doch nicht? Hitler ein Dämon? Der Faschismus als Exzess des Kapitalismus, oder ist der Kapitalismus selber der Exzess? Da versuche mal jemand neutral zu bleiben.
"Indypedia"? Parteilichkeit (s.a die Diskussion zu dem Artikel, die sich auf die Medizinthemen bezieht) geht IMHO halt leider nicht ohne Zensur.--nerd
- "Ich halte ein Projekt, das verschiedene, eben auch kritische Sichtweisen unparteiisch darstellt". Sorry ich teile deinen Standpunkt der Unparteiischkeit (?:)) nicht. Schön das du auch ein subversivers Moment siehst, ich seh diesen nichr, subversiv heißt die Machtverhälnisse antasten, von "dem Kopf auf die Füße zu stellen". "Eneignet M$" wäre zB subversiv... Da würde eine Gegenmacht auftauchen.... Die "optimistisch-aufklärerische" Position ist heute allgenwärtig: jeder darf seine Geschichte erzählen/schreiben solange er nicht den Rahmen sprengt. Symtomatisch ist ja schon unserer Diskussion über Adolf Hitler: vergleichbar mit Josef W. Stalin , oder doch nicht? Hitler ein Dämon? Der Faschismus als Exzess des Kapitalismus, oder ist der Kapitalismus selber der Exzess? Da versuche mal jemand neutral zu bleiben.
- Was soll eigentlich subversiv heißen? (Kurzer Ausflug in den Duden: zerstörend, umstürzlerisch) Oder anders: warum muss das eigentlich einen "subversiven Stachel" haben? Wenn es denn so halbwegs gelingt, ist die Neutralität doch gerade die Stärke. Seht her, wir schreiben alle Fakten und kommen zu folgenden Schlüssen ... Das ist ja geradezu subversiv! Du meinst subversiv wohl als gegen eine Gruppe gerichtet, die ihre Meinungen und Interessen durchdrückt. Solche Machtausübung hat doch immer mit Information (oder Desinformation) zu tun. Und hier wird es versucht, also objektive zu vermitteln. Das ist für dich vielleicht nicht subversiv genug, aber doch dringend notwendig - ohne so was ist das sonst pervers, denn du machst genau das gleiche, d.h. deine Meinung durchdrücken. --Vulture 15:36, 21. Dez 2002 (CET) Oh, wenn ich den Duden schon zur Hand hab: unparteisch: neutral, nicht parteiisch - unparteilich: keiner bestimmten Partei angehörend - Unparteilichkeit - also Unparteiischkeit steht nicht drin, obwohl es das logisch gegen müsste.
- NPOV als besonderer Problempunkt: Tendenz zur Vertreibung von Experten à la Julie durch endlose Edit wars, Danny oder Dan Keshet (verwechsel die beiden immer) hat sich grade genervt von RK zurückgezogen, Wichtigkeit von Mediatoren, die in edit wars eingreifen und versuchen, Konflikte zu regeln. Trotz aller NPOV-Bemühungen dominieren in der englischen Wikipedia anglo-amerikanische Perspektiven.
- technische Schwachstellen (-> SoftSecurity vs. HardSecurity, IP sprerren (Proxyproblematik), Angriffe per Bot, rollback-Funktion...)
- Wie weit bist du damit gekommen? Den Security-Teil könnte ich auch übernehmen, Stoff hab ich von den Mailinglistendiskussionen ja genug. --elian
- Hiermit ernenne ich dich zur 19C3-Wikipedia-Vortrag-Security-Expertin :-) --Kurt Jansson 21:44, 23. Dez 2002 (CET)
- Wie weit bist du damit gekommen? Den Security-Teil könnte ich auch übernehmen, Stoff hab ich von den Mailinglistendiskussionen ja genug. --elian
- soziales: Community Building
- Da sollte man evtl. den Wiki-Lebenszyklus erwähnen, von dem auf der Mailingliste mal gesprochen wurde, für die englische Wikipedia ergibt das allerdings keine besonders gute Prognose ("Kleinstadt", zunehmende Anonymisierung -> dem Untergang geweiht). IRC, Mailinglisten, geplante Reallife-Wikipediatreffen (Ostküste, Westküste, Esperantokongresse, Berlin ;-)
- Statistiken zur Projektentwicklung
- Artikelwachstum (drei Kurven: alle, >500, >1500 Zeichen), dt./engl.
- Mitgliederwachstum (nur Leute mit Wp-Homepage), dt./engl.
- Evtl. Entwicklung der großen, nicht-englischen (www.wikipedia.org/wiki/Non-English+Wikipedias) zeigen, und etwas zur 'Eigendynamik' sagen, d.h. erst bei einer kritischen Masse kommen mehr Besucher und mehr Beiträge? -- Schewek
- Gibt es denn eine kritische Masse? Ich hab den Eindruck, dass Wachstum ist exponentiell. Da es nur begrenzt viele Menschen gibt wird es nat. irgendwann weniger schnell wachsen und dann ganz zum erliegen kommen. --Coma
- Ich dachte eine 'minimale' kritische Masse, unterhalb derer kein Zuwachs geschieht (vgl. die Statistiken der Nicht-englischen WPs). - Ganz zum erliegen sollte es aber nur dann kommen, wenn das Wissen nicht mehr wächst, oder Benutzer abwandern (aber wer würde uns den verlassen). -- Schewek
- 3D-Grafik vom Artikel-Namensraum - Schewek? :-)
- Tut mir leid, wir haben zu viele Links, ich habe bislang nichts sinnvolles dargestellt bekommen. Die Vernetzung ist zu eng, als dass man viel sehen könnte, da der durchschnittliche Abstand zwischen zwei beliebigen Artikels unter 5 Links ist. [Vielleicht kann unser Graphentheoretiker (Coma) praktisch helfen :)?] -- Schewek
- Ist wohl eine Art zufälliger Graph. Wenn der so dicht ist wie beschrieben, ist er nicht mal ansatzweise planar. Da läßt sich dann auch nichts vernünftig in der Ebene darstellen (und letzlich ist jeder Bilschirm nur eben, da hilft dann auch kein 3D-Bild). Bleibt also nur den "Graphen" irgendwie zu reduzieren (Kanten und Knoten weglassen), aber da kommt dann vermutlich auch nur das raus, was bei der Reduzierung halt rauskommen soll, ist also wenig aussagekräftig. Vermutlich ist es am sinnvollsten ein paar Grapheneigenschaften zu nennen. Anzahl Artikel (Knoten) und Links (Kanten) sind da natürlich die einfachsten. Sinnvoll wäre noch Durchschnitsgrad und Maximalgrad. Mittlerer Abstand wurde schon genannt. Zusammenhang wäre noch eine schicke Eigenschaft. Vermutlich wird die Startseite aber für Zusammenhang sorgen. Deshalb sollte man die Eigenschaften ohne Startseite bestimmen. Wäre doch spannend, ob "unser Graph" dann noch (stark) zusammenhängend ist, oder ob es nicht voneinander völlig isolierte Teile gibt und wenn ja, wie groß die sind (im Internet gibts sowas wohl, wobei es einen großen Brocken gibt und viele kleine). --Coma 11:39, 20. Dez 2002 (CET)
- Das klingt interessant, wenn ihr mir ein paar Daten dazu nennt baue ich das gerne ein. Aber ich habe davon keinen Plan, Erläuterungen wären ggf. nett :-) --Kurt Jansson 16:39, 20. Dez 2002 (CET)
- Ausblick
- evtl. Wachstumsprognose aus der Statistik
- Statische Wikipedia auf CD-ROM (siehe auch [1])
- Larrys Wikipedia-Filter
- Ist jemand von Euch auf dem 19C3? Wp-Treffen nach dem Vortrag?
- 20 Euro für einen Tag ist mir leider zuviel. Bin trotzdem für ein Treffen, aber dann natürlich außerhalb. --Coma
- z.B. 3-Tageskarte 40* - aber es lohnt sich! Ich bin dabei und bringe einige Ideen mit ;-) -- Jakob
- Ich muß mal schauen, wie ich mit Lernen und meinen Finanzen klarkomme, würde aber schon gerne dabeisein. Hätte jemand evtl. einen Platz in Berlin, wo ich meine Isomatte ausrollen kann? --elian
- Bin leider in Singapur, werde das ganze aber aus der Ferne beobachten. Also bitte darauf achten, dass die Aufnahme gut wird - letztes Jahr war das Archiv des CCC ein wahrer Schatz. --Zenogantner
- Werde versuchen laut und deutlich zu sprechen, aber garatieren tu ich gar nix. Vielleicht gibt's ja sogar ein Video, dann wink ich Dir mal zu. :-) --Kurt Jansson 21:44, 23. Dez 2002 (CET)
Weblinks
- http://www.ccc.de/congress/2002/
- http://www.ccc.de/congress/2002/fahrplan/event/391.de.html - Vortragsankündigungsseite