Benutzer:Lmargarete/Dschinns

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Dschinns ist der 2. veröffentlichte Roman der deutschen Schriftstellerin und Journalistin Fatma Aydemir. Der Generationenroman ist im Februar 2022 im Carl Hanser Verlag erschienen.

Inhalt

Handlung

Dschinns spielt sich großteils zwischen Deutschland und der Türkei ab. Der Roman handelt von der sechsköpfigen, deutsch-türkischen Familie Yilmaz. Die Geschichte spielt sich zwischen den 1970er Jahren bis in die frühen 2000er ab und beginnt in Istanbul. Nachdem der Familienvater Hüseyin dreißig Jahre lang bei einer deutschen Metallfabrik gearbeitet hat, erfüllt er sich in der Frühpension den Traum von einer Eigentumswohnung in der Türkei. Eine Woche bevor seine Frau Emine nachkommen soll, reist er an um dort die Wohnung vorzubereiten. Am selben Tag jedoch erleidet er einen Herzinfarkt und stirbt an den Folgen. Um dieses Ereignis wird die Geschichte aufgebaut. Statt zur Besichtigung der neuen Wohnung, reist die Familie zur Beerdigung von Hüseyin an. Der Roman weist kein traditionelles Handlungsmuster auf, sondern entfaltet sich anhand der Perspektiven der einzelnen Familienmitglieder. Die Erzählung springt dabei zwischen Vergangenheit und Gegenwart und streckt sich somit über 30 Jahre. Neben Generationskonflikten und Streitigkeiten in der Familie spielen auch Themen wie Herkunft, Identität und Geschlecht eine zentrale Rolle.[1]

Personen

Hüseyin

Hüseyin ist in seiner neuen Eigentumswohnung in Istanbul. Durch einen allwissenden Erzähler der Hüseyin direkt adressiert, erfährt man von seiner Vergangenheit. Seit er im Frühjahr 1971 auf seinem Weg nach Süddeutschland eine Woche in Istanbul bei Familie verbracht hat, hegt er den Traum in dieser Großstadt zu wohnen. Seine Frau Emine ist bereits schwanger mit ihrem ersten Kind als er sich aufmacht, um in der fiktiven deutschen Stadt "Rheinstadt" Arbeit zu finden. Seine Erwartungen erfüllen sich nicht, er arbeitet in einer Fabrik am Metallschmelzofen und erst acht Jahre später kann er seine Familie zu sich nach Deutschland holen. Nachdem die Metallfabrik in Konkurs geht, bekommt er kein Attest für die Frühpension und muss deswegen weitere fünf Jahre bei einer Kartonfirma arbeiten. Als er genug angespart hat, sucht er nach 28 Jahren Arbeit in Deutschland um die Frührente an und kauft sich eine Wohnung in Istanbul. Seine Familie soll eine Woche nach ihm anreisen, um den Sommer in der Türkei zu verbringen. Hüseyin steht zufrieden und glücklich in seinem Apartment als er einen Schmerz in seiner Brust spürt. beginnt das Stechen. Er kann gerade noch nach der Nachbarin rufen bevor er realisiert, dass er stirbt.

Ümit

Der 15-jährige Ümit ist überfordert mit dem plötzlichen Tod seines Vaters. Zusammen mit seiner Mutter Emine und seiner Schwester Peri reist er per Flugzeug nach Istanbul. Während seine Mutter und Schwester offensichtlich aufgebracht sind, macht er sich Gedanken darüber warum er nicht so trauern kann wie sie. Überfordert von den vielen Menschen, die in der neuen Wohnung auf ihn warten, zieht er sich in seine Gedanken zurück. So erfahren wir von Ümits Leben in Deutschland. Er spielt Fußball und ist in einen Kollegen aus der Mannschaft verliebt. Als sein Trainer davon erfährt, schickt er ihn zur Therapie zu einem gewissen Dr. Schumann. Dieser versucht Ümit auszureden, dass er homosexuell ist und analysiert seine Beziehung zu seiner Familie, insbesondere Hüseyin.Zurück in der Gegenwart fährt die Familie ins Krankenhaus, um Hüseyins Körper zu holen und zur Beerdigung zu bringen. Ümit nimmt mehrere Pillen, die ihm als Behandlungsmittel von Dr. Schumann verschrieben wurden und sieht alles nur noch benebelt vor sich. Am Ende des Kapitels, sieht Ümit die Leiche seines Vaters, woraufhin er ohnmächtig wird.

Sevda

Sevda ist die älteste der Geschwister. Sie hat zwei Kinder und besitzt ein Lokal in einem Dorf in Deutschland. Als ihre Mutter und Geschwister zu Hüseyin nach Deutschland ausgewandert sind, haben sie Sevda zunächst bei ihren Großeltern in der Türkei zurückgelassen. Erst zwei Jahre nach ihrer Familie reist auch sie nach Deutschland, als sie bereits 16 Jahre alt ist. Nachdem sie die ersten Monate nur bei ihren Eltern in der Wohnung verbracht hatte, darf sie auf ihr Bitten hin einen Deutschkurs besuchen. Sie investiert viel Zeit in den Kurs mit dem Ziel von ihrer Familie wegzukommen. Diese wollen stattdessen Sevda verheiraten und arrangieren Treffen mit befreundeten Familien. Ihsan, den Cousin eines befreundeten Paares ihrer Eltern findet Sevda sympathisch und nach einigen Treffen wird die Verlobung beschlossen. Kurz nach Sevdas 18. Geburtstag heiraten die beiden und ziehen in seine Eigentumswohnung in der fiktiven deutschen Kleinstadt Salzhagen. Sevda fühlt sich dort sehr einsam und Ihsan erlaubt ihr nicht den Hauptschulabschluss zu machen, da er es für überflüssig hält. Er selbst ist kaum zuhause, da er untertags in einer Fabrik arbeitet und nach der Arbeit mit seinen Kollegen unterwegs ist. Mit den Geburten ihrer zwei Kinder verfliegt Sevdas Langeweile und es stört sie auch nicht länger, dass Ihsan nie zuhause ist. Sobald beide Kinder in den Kindergarten gehen, sucht sich Sevda einen Job in der Wäscherei. Als sie eines Abends nach der Arbeit nachhause kommt, steht ihr Wohnhaus in Flammen. Die Brandursache ist unklar. Später vermutet Sevda Brandstiftung mit fremdenfeindlichen Motiv. Eigentlich hätte Ihsan auf die Kinder aufpassen sollen, doch zum Zeitpunkt des Brandes waren sie alleine zuhause und wurden von einem Nachbarn gerettet. Sevda zieht mit den Kindern daraufhin für mehrere Wochen zu ihren Eltern, bis Ihsan eine neue Unterkunft für sie gefunden hat. Bei ihrer Familie beschließt Sevda ihn zu verlassen. Ihre Eltern wollen jedoch, dass sie zu ihm zurückkehrt und beschließen gegen Sevdas Willen, dass sie mit den Kindern in die neue Wohnung ziehen soll. Das ist das letzte Mal, dass Sevda mit ihren Eltern vor der Beerdigung spricht. Sie hätte sich mehr Unterstützung von ihnen erwartet, doch Emine ist der Ansicht, dass sie ihren Mann nicht verlassen sollte. Im Erdgeschoss des neuen Wohnhauses gibt es eine Pizzeria und nachdem sich Sevda mit der Besitzerin anfreundet, beginnt sie dort als Kellnerin zu arbeiten. Nach zwei Jahren Arbeit, übernimmt Sevda die Geschäftsführung weil die Besitzerin in Pension geht. Ihsan ist dagegen aber als er fristlos in der Fabrik gekündigt wird, bleibt ihm nichts anderes übrig als Sevdas Plänen zuzustimmen. Die neue finanzielle Unabhängigkeit gibt Sevda die Möglichkeit Ihsan zu verlassen. Nach einem seiner Wutausbrüche, lässt sie das Wohnungsschloss austauschen und lebt fortan alleine mit den Kindern.

Peri

Peri ist zum Germanistikstudium nach Frankfurt gezogen, wo sie seit fünf Jahren lebt als Hüseyin stirbt. In Istanbul versucht sie möglichst gefasst zu sein um ihre Mutter und Ümit zu unterstützen, doch der plötzliche Tod des Vaters bringt auch Erinnerungen an den Suizid ihres ersten Freund zurück. Als Peri ins Gymnasium ging, testete sie ihre Grenzen so gut es ging aus. Sie begann Nachmittage bei ihrem Mitschüler Armin zu verbringen, unter dem Vorwand bei Freundinnen zu lernen. Armin wurde bald ihr fester Freund und zusammen mit ihm machte Peri erste Erfahrungen mit Drogen. Sie hält ihre Beziehung zu Armin geheim vor ihren Eltern, weswegen sie auch alleine in ihrer Depression ist als dieser Selbstmord begeht. Das Germanistikstudium setzt Peri fort, doch in Frankfurt fühlt sie sich zunehmend einsam und hat suizidale Gedanken. Eines Abends begegnet sie in einer Bar Ciwan, mit dem sie von da an jeden Abend spazieren geht. Es entwickelt sich eine innige platonische Beziehung zwischen den beiden, auch wenn Ciwan nicht viel über sich preisgibt und sich körperlich distanziert hält. Angeregt durch Ciwan, der Kurde ist, hinterfragt Peri zum ersten Mal ihre Herkunft. Ihre Eltern haben vor langer Zeit aufgehört Kurdisch miteinander zu sprechen und den Kindern die Sprache nie gelernt. Die beiden führen viele politische Diskussionen, die Peri neue Perspektiven eröffnen. Langsam entwickelt sie Gefühle für Ciwan, doch als sie diesen zu sich nachhause einlädt und ihn auf ihre Beziehung zueinander anspricht wird er Verlegen. Ihre Freundschaft findet ein abruptes Ende als Peri ihn das erste Mal darauf anspricht, dass er trans ist. Peri erzählt Ümit von ihrer Zeit mit Ciwan als sie in Istanbul sind und hat bis zu diesem Zeitpunkt nichts mehr von ihm gehört.

Hakan

Hakan ist selbstständig als Gebrauchtautohändler und wohnt mit seiner Freundin Lena gemeinsam in einer Wohnung. Als er Nachricht von Hüseyins Tod bekommt, lügt Hakan sie an und sagt, dass er noch am Leben ist und sich einer Operation in der Türkei unterziehen muss. Dann bricht er alleine nach Istanbul auf mit dem Auto auf. Auf dem Weg wird er von der Polizei aufgehalten, die ihm mit Vorurteilen und rassistischen Bemerkungen begegnen. Sie nehmen ihn mit auf die Wache, weil laut ihnen Verdacht auf Drogeneinfluss besteht. Durch diese Unterbrechung kommt Hakan zu spät für die Beerdigung in Istanbul an. Als er nach 30 Stunden Fahrt ankommt sitzen alle Familienmitglieder betrübt in der Wohnung, ausgelaugt von der Beerdigung. Er beschließt kurzerhand nach Antalya zu seinem ehemals besten Freund zu fahren und nimmt Peri, Ümit und Sevdas Kinder mit.

Emine

Emine ist nun alleine mit Sevda in der Wohnung, die unter dem Vorwand geblieben ist, dass es noch etwas zu klären gibt. Sie führen das erste Gespräch seit fünf Jahren und nachdem Sevda ihr erzählt hat, dass sie sich endgültig von ihrem Mann getrennt hat, beginnt auch Emine von ihrem Leben zu erzählen. Sie hatte vor Sevda ein Kind geboren, dieses wurde gegen ihren Willen als Baby an Hüseyins großen Bruder und dessen Frau gegeben, da diese keine Kinder bekommen konnten. Sie bezeichnet das Kind in der Erzählung immer nur als o, türkisch für er/sie/es. Nachdem ihre Schwägerin und ihr Schwäger das Kind mit nach Österreich genommen hatten, verfällt Emine eine Depression, die sich erst mit ihrer nächsten Schwangerschaft mildert. Doch Sevdas Geburt ist schwer und schmerzvoll, Emine trägt noch mehrere Monate Schäden davon. Sie vergleicht die beiden Kinder andauernd und trauert ihrem ersten Kind immer noch nach. Sie schließt de Erzählung ab indem sie Sevda offenbart, dass ihr erstes Kind vor einigen Monaten bei einem Autounfall verstorben war und Ciwan hieß. Einige Monate zuvor hatte er Hüseyin vor der Arbeit abgepasst und ihm offenbart, dass er sein Kind ist. Hüseyin wusste nicht zurecht wie er reagieren soll und meinte er könne nicht mit zu ihm nachhause kommen, da er seine Frau zuerst vorwarnen müsse. Hüseyin hat allerdings nie mit Emine darüber gesprochen und so erfuhr sie erst nach Ciwans Tod von dem Kennenlernen. Emine ist sich sicher, dass Ciwan bei ihnen behüteter aufgewachsen wäre, denn ihre Schwägerin hatte ihn verstoßen als er sich als trans outete. Sevda ist nach dieser Erzählung wütend auf Emine und wirft ihr vor, dass es Ciwan mit ihnen als Eltern genauso ergangen wäre, dass sie ihm gegenüber auch nicht toleranter gewesen wären. Emine ist verletzt und weist jegliche Schuld von sich. Die beiden haben einen heftigen Streit und gehen in getrennte Zimmer als plötzlich der Boden zu beben anfängt und die Wand Risse bekommt, es gibt ein Erdbeben. Durch den allwissenden Erzähler bekommt der Lesende noch einen letzten Einblick in Emines Gedanken als sie stirbt, begraben unter den Trümmern der türkischen Wohnung.

Form

Dschinns hat 368 Seiten und ist in sechs Abschnitte geteilt. Jedes Kapitel widmet sich einem der sechs Familienmitglieder. Die Kapitel über die beiden Elternteile sind in der 2. Person geschrieben. Der unbekannte, allwissende Erzähler adressiert dabei die Eltern direkt und spricht mit ihnen. Es wird darauf angespielt, dass es sich um eine Art Dschinn handelt. Im ersten Kapitel ist die Stimme bei Hüseyins Herzinfarkt anwesend und versichert dem Sterbenden, dass sie auf seine Familie aufpassen werde. Auch Emines letzte Gedanken erfahren wir durch die Stimme. Die restlichen Kapitel der Kinder in erlebter Rede erzählt werden. Die erzählende Stimme ist allwissend und berichtet von der Handlung von außen.

Rezeption

Der Roman wurde bei Erscheinen in vielen deutschen Medien rezipiert und ist für den Deutschen Buchpreis 2022 nominiert. Weitgehend wird er von Kulturjournalistinnen und Journalisten positiv aufgefasst. So schreibt zum Beispiel Meike Fessmann von der Süddeutschen Zeitung, dass Dschinns ist ein "Wunderwerk an Präzision und Einfühlung“[2] ist. Auch Eva Thöne vom Spiegel schreibt, dass Aydemir einen "fast epischen Familienroman" geschrieben hat, der viele Perspektiven miteinschließt.[3] Ein weiterer Punkt, der in einigen Artikeln genannt wird ist, dass sich Aydemir in dem Roman mit vielen politischen Themen auseinandersetzt. So schreibt Christoph Schröder vom Deutschlandfunk "es gibt kaum ein Schlagwort des aktuellen Diskurses, das Fatma Aydemir auslässt." Obwohl er den Roman inhaltlich lobt, kritisiert er, dass der Roman keine gute Form aufweist und zu offensichtlich politisch Stellung bezieht.[4] Auch Iris Radisch von der Zeit-Online kritisiert, dass sich Dschinns an Klischees und Stereotypen über Deutschland bedient und dass sich der Roman dadurch in "gesinnungsästhetischen Manövern" verliert.[5]

Literatur

Fatma Aydemir: Dschinns. Carl Hanser Verlag, München 2022. ISBN 978-3-446-26914-9

Einzelnachweise

  1. Meike Fessmann: Verdichtete Trauer. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Februar 2022, abgerufen am 22. Juni 2022 (deutsch).
  2. Meike Fessmann: Verdichtete Trauer. In: Süddeutsche Zeitung. 15. Februar 2022, abgerufen am 22. Juni 2022 (deutsch).
  3. Eva Thöne: Lauter Gefühlsgeheimnisse. In: Spiegel Kultur. 14. März 2022, abgerufen am 22. Juni 2022 (deutsch).
  4. Christoph Schröder: Leben ohne Partykeller. In: Deutschlandfunk. 13. Februar 2022, abgerufen am 23. Juni 2022 (deutsch).
  5. Iris Radisch: Verficktes Land. In: Zeit Online. 27. Februar 2022, abgerufen am 23. Juni 2022 (deutsch).