Benutzer:Marcus Cyron/Die Zukunft der Wissensspeicher
Am 5. und 6. März 2015 nahm ich auf Einladung der Gerda Henkel Stiftung an der Tagung „Die Zukunft der Wissensspeicher: Forschen, Sammeln und Vermitteln im 21. Jahrhundert“ (weiterführende Links, Presseberichte, Bilder und Präsentationen der Referenten) teil. Die Stiftung unterstützte diese Veranstaltung, die von der Universität Konstanz geplant und in den Räumlichkeiten der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste in Düsseldorf durchgeführt wurde. Obwohl Wikipedia natürlich auch zu den modernen Wissensspeichern gehört, war sie dieses Mal nicht das Thema der Veranstaltung, vielmehr kreiste der Fokus um wissenschaftliche Wissensspeicher und um den bestmöglichen Umgang mit Kulturgütern in der Zukunft. Unter den Referenten fanden sich illustre Namen wie Jürgen Mittelstraß, Verena Metze-Mangold, Horst Bredekamp, Ulrich Johannes Schneider, Valentin Groebner, Gudrun Gersmann, Jürgen Renn, Maren Lorenz oder Hubertus Kohle.
Die Vorträge hatten durchaus sehr verschiedene Themen. So sprach Mareike König über Blogs als Orte der Forschungsvermittlung, Ulrich Johannes Schneider über moderne Bibliotheken und Jürgen Renn über die Vernetzung im 21. Jahrhundert. Gudrun Gersmann richtete einen flammenden Appell an die Forscher, Archive zu erschließen während Harald Reiterer viele der Anwesenden mit seinen zum Teil schon in Prototypen umgesetzten Ideen über die „Bibliotheken der Zukunft“ verblüffe. Den wohl größten Widerspruch erntete Valentin Groebner für seine eher pessimistische Sicht der modernen Möglichkeiten, wiewohl auch er zum selben Ergebnis kam, wie die meisten Teilnehmer der Tagung: moderne Wissenschaft muß heute Analog und Digital stattfinden, beide Teile sollten sich ergänzen und nicht gegeneinander stehen. Auf die Frage „Konservieren“ oder „Digitalisieren“ meinte etwa Gudrun Gersmann unter der Zustimmung eines Großteils der Anwesenden, weder das Eine, noch das Andere, Beides. Ein komplettes Verlegen auf die digitale Welt kann derzeit noch nicht geschehen, weil das haptische Moment, das einzig in der realen Autopsie am Objekt erfolgen kann, sonst verloren ginge. Dennoch sind auch die digitalen Möglichkeiten, angefangen bei der Präsentation und automatischen Durchsuchbarkeit Mittel, auf die man heute nicht mehr verzichten möchte. Problematisch bleibt jedoch, daß Aussagen wie „das Internet vergisst nichts“ nicht wirklich stimmen, und Sicherungen einzig in digitaler Form heute noch problematisch sind. Hinzu kommen häufig wechselnde Standards, so dass heute nicht einmal mehr alle Daten lesbar sind, die vor 10 Jahren gespeichert wurden. Insbesondere die Langzeitdatenspeicherung erschien sehr vielen Teilnehmern heute noch als Problem. Auch das häufige wechseln der URLs wurde beklagt, womit sie als Verweise in wissenschaftlichen Arbeiten oft schwerlich zu gebrauchen sind.
Wie bei einer Tagung zu diesem Thema schon fast zu erwarten, erfolgte die Diskussion zu den einzelnen Beiträgen nicht nur direkt, sondern auch virtuell. Über Twitter (aufgearbeitet bei L.I.S.A., dem Wissenschaftsportal der Gerda Henkel Stiftung - auf der Plattform werden nach und nach auch die Videos der Tagung publiziert werden) wurde fast intensiver diskutiert als vor Ort. Aus persönlicher Sicht war der Höhepunkt das Zusammentreffen und der recht rege Austausch mit dem Althistoriker Ulrich Gotter, der Wikipedia eine äußerst positive Entwicklung in seinem Fachbereich in den letzten 10 Jahren von einem schwerlich zu nutzenden Instrument zu einem heute nützlichen Hilfsmittel bescheinigte. Überhaupt war bei dieser Tagung das Networking in Hinblick auf die Zukunft bedeutender, als eine aktive Präsentation der Wikimedia-Projekte, wie wohl vor allem in Gesprächen auch das erfolgte. Dennoch gab es auch ganz praktische Ergebnisse in Form von mehr als 100 Bildern der Tagung, die zum Großteil Artikel erstmals bebildern konnten (Commons-Link). Wikimedia Deutschland hat mich dankenswerterweise mit der Fahrtkostenübernahme unterstützt.