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Entwicklungsneurobiologie

Entwicklungsneurobiologie oder Neuroentwicklungsbiologie (englisch developmental Neuroscience oder developmental Neurobiology) beschäftigt sich mit der Entstehung und Reifung von Nervensystemen verschiedener Tiere (häufig verwendete Modellorganismen sind u.a. das Huhn, Gallus gallus, der Zebrafisch, Danio rerio, die kleine Fruchtfliege (Drosophila melanogaster), der Fadenwurm (Caenorhabditis elegans) und der Krallenfrosch (Xenopus laevis). Von Interesse ist dabei u. a. die Entwicklung von Vorläuferzellen und Stammzellen zu Nervenzellen und die Entwicklung von komplexen Teilen des Nervensystems (Musterbildung). Auch die Regeneration von Nervenzellen ist Gegenstand der Forschung und daher ist sie teilweise direkt medizinisch relevant.

Kurze Zusammenfassung der Entwicklung des Nervensystems von Wirbeltieren

Die Entwicklung des Nervensystems beginnt im Gastrulastadium, wenn ein Teil der ektodermalen Zellen dabei zu neuralem Ektoderm wird. Dieser Bereich wird Neuralplatte genannt. Hieraus entstehen dann sowohl Neurone als auch Gliazellen.

Kurz nach der Bildung dieser Zellschicht beginnt der Prozess der Neurulation. Dabei teilen sich Zellen am Rand der Neuralplatte so stark, dass es zu einer Einstülpung (Invagination) und schließlich zu einer Abschnürung kommt. Zwischen dem dabei entstandenen Neuralrohr und dem darüberliegenden Ektodem entstehen Neuralleistenzellen, die zu Spinalganglien und, je nach anterioposteriorer Lage im Embryo, später zum Beispiel zu Knochen und Knorpeln des Schädels (anteriore Lage) oder Zellen der Nebenniere (posteriore Lage) werden.

Aus dem Neuralrohr bilden sich im vorderen (anterioren oder rostralen) Teil drei Vesikel (Prosencephalon, Mesencephalon und Rhombencephalon). Aus dem hinteren (posterioren oder caudalen) entsteht das Rückenmark. Das Gehirn entwickelt sich durch fortschreitende Unterteilung der Vesikel: Aus dem Prosencephalon gehen Telencephalon (später u.a. Großhirnrinde, Hippocampus) und Diencephalon (wird u.a. Thalamus, Hypothalamus, Retina) hervor und das Rhombencephalon teilt sich in Metencephalon und Myelencephalon. Das Metencephalon ändert sich nicht in gleichem Maße und bleibt ein einzelnes Vesikel.

Während die frühe Entwicklung vor allem durch chemische Signale geprägt ist, kommt der Verfeinerung der synaptischen Verbindungen durch elektrische Aktivität mit zunehmendem Alter des Embryos eine immer größere Rolle zu. Diese Form der Entwicklung ist vor allem bei Säugetieren direkt nach der Geburt noch nicht abgeschlossen. Beim Menschen endet sie erst mit der Pubertät.

Auch das erwachsene Gehirn ist im Rahmen von Lernvorgängen noch zu erstaunlicher Plastizität fähig.

Schlüsselschritte und Mechanismen der Gehirnentwicklung

Zellentstehung, -migration und Zelltod

Die Zellen des Nervensystems gehen aus Vorläuferzellen (Progenitorzellen) hervor, die dem Neuralrohr bzw. der Neuralleiste entstammen. Zunächst entstehen durch symmetrische Teilung (=zwei gleiche Nachkommen) im frühen Entwicklungsstadium eine große Zahl von Vorläuferzellen, die im späten Embryo dann durch asymmetrische Teilungen (=zwei unterschiedliche Nachkommen) Neurone und Gliazellen generieren. Eine Reihe von Signalwegen stellt dabei den korrekten Ablauf der Histogenese sicher.

Hirnregionen mit verschiedenen Schichten, die jeweils unterschiedliche Zelltypen enthalten, entstehen meist dadurch, daß die Vorläuferzellen in festgelegter Reihenfolge für eine bestimmte Zeitspanne immer Zellen eines Typs hervorbringen, die in die entsprechenden Schichten einwandern. So entstehen nach und nach Ebenen von Zellen die sich dann untereinander und mit anderen Hirnteilen vernetzen.

Nicht alle Zellen, die geboren werden und in bestimmte Hirnregionen migrieren, überleben. Es ist ein grundsätzliches Prinzip, daß ein Überschuß von Zellen entsteht und nur ein Teil davon im adulten Tier noch vorhanden ist (Apoptose). Ob ein Neuron überlebt oder nicht hängt oft von der Verfügbarkeit von Neurotrophinen ab, dabei überleben diejenigen Zellen, die besser zum Funktionieren des Systems beitragen.

Axonales Wachstum und axonale Wegfindung

Für ein funktionierendes Netzwerk müssen Nervenzellen untereinander verbunden sein. Da spezifische Verbindungen zwischen bestimmten, teilweise weit auseinanderliegenden, Bereichen nötig sind, existieren eine Vielzahl von Mechanismen, die die auswachsenden Fortsätze der neugeborenen Neuronen zum für sie vorgesehenen Ziel leiten. An der Spitze dieser Fortsätze befindet sich der Wachstumskegel, der in der Lage ist, die in seiner Umgebung befindlichen chemischen Reize wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Diese Reize können lösliche Stoffe sein, die das Axon anziehen oder abstoßen (ähnlich Chemotaxis) und es so über größere Entfernungen leiten bzw. das Einwachsen in bestimmte Bereiche verhindern. Aber auch auf der Zelloberfläche gebundene Moleküle können solche Effekte haben wenn der Wachstumskegel mit ihnen in direkten Kontakt kommt. Dies ist von besonderer Bedeutung wenn Axone entlang von sogenannten Pionieraxonen (die wenigstens einen Teil des Wegs schon zurückgelegt haben) wachsen. Ein prominentes Beispiel für die axononale Navigation ist die Entstehung der Verbindung von Retina und den nachgeschalteten visuellen Zentren.



Quellen

  • Scott F. Gilbert: "Developmental Biology", 7th Edition.
  • Sanes, Reh, Harris: "Development of the Nervous System, 2nd Edition"
  • Eric Kandel: "Principles of Neural Science", 4th Edition.


Wachstumskegel

Der Wachstumskegel (engl. growth cone) ist eine Struktur an der Spitze eines auswachsenden Fortsatzes (Axon) einer Nervenzelle. Sie dient zum Auffinden der Nervenzellen oder Organe mit denen die Zelle vernetzt sein soll. Der Wachstumskegel nimmt seine Umgebung über chemische Signale aus anderen Zellen wahr und wird von diesen angezogen oder abgestoßen.

Dies ist möglich indem der Wachstumskegel chemische Signale in seiner Umgebung in Wachstumsbewegungen des Axons umsetzt. Benötigt wird dies bei neugeborenen Neuronen ohne synaptische Verknüpfungen, bei sich regenerierenden Verbindungen oder bei der Erweiterung der Konnektivität eines Neurons.

Ein Wachstumskegel besitzt dünne Filopodien und breite Lamellipodien. Die Filopodien besitzen in ihrer Membran Rezeptoren, die auf Stoffe in der Umgebung reagieren können und so deren anziehende oder abstoßende Wirkung vermitteln.