Benutzer:Monika Wirthgen/Spielwiese/Sensualismus

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Der Sensualismus ist eine besonders in England, davon ausgehend aber auch in Frankreich, heimische philosophische Richtung, die Erfahrung auf individuelle Sinneseindrücke (d.h. aus neurophysiologischen Reizen) bzw. Wahrnehmungen bezieht. Der Sensualismus ist damit eine spezifische Form des Empirismus.

Der Begriff „Sensualismus“ war zum ersten Mal 1804 von dem Franzosen Joseph Marie Degérando in seiner Geschichte der Philosophie verwendet worden.[1] Er bezeichnete damit neuzeitliche Erkenntnistheorien die physisches Empfinden als Ursprung allen Denkens und Handelns auffassten. In der Folge wurde die Bezeichnung „Sensualismus“ als philosophiehistorische Kategorie genutzt und auch auf vergleichbare Sichtweisen antiker Philosophen angewendet.[2]

Antiker Sensualismus

Hauptartikel Philosophie der Antike

Vor Platon war das antike griechische Philosophieren sensualistisch orientiert. Eine weitere prominente Ausnahme war Pythagoras. Es werden Vertreter der Kyniker, Sophisten, Skeptiker und Stoiker zu den Sensualisten gezählt. Anaximander, Antisthenes, Protagoras, Gorgias, Epikur, Zenon, Pyrrhon, Sextus Empiricus gehörten zu den bekanntesten. Ihre sensualistischen Auffassungen waren sehr unterschiedlich ausgeprägt.[3]

Im Wesentlichen meinten diese Philosophen, dass Wahrnehmen den sinnlichen Empfindungen entspräche. Empfinden wurde daher mit Wahrnehmen gleich gesetzt. Was sich beim Wahrnehmen zeigte, nannte man „Phänomene“ (altgr.: „phainomena“). Mit diesem Wort hatte man davor nur die auf- und untergehenden Gestirne bezeichnet, nach deren Konstellationen die seefahrenden Griechen ihren Kurs nahmen. Philosophisch hieß das nun: Jeder gehe von dem aus, was sich ihm jeweils zeige und messe daran seine Entscheidungen. „Die Dinge sind für mich so, wie sie mir erscheinen und für Dich so, wie sie Dir erscheinen.“ meinte Protagoras. In diesem Sinne wurde jeder Mensch zum „Maß aller Dinge“. Daraus ergab sich auch: Wahr sei das, was jeder für wahr halte, bzw. alles sei falsch, meinte der Sophist Gorgias. Die Konsequentesten unter ihnen entschieden sich für Zurückhaltung: Für Wahrheit habe der Mensch kein Maß, bzw. kein Kriterium und darum solle man von Wahrheit gar nicht erst reden.

Wissen, war das Ergebnis eigener Erfahrungen und wurde daher als veränderlich und individuell bestimmt betrachtet. Es musste sich immer wieder neu bewähren. Sensualisten schlussfolgerten daraus: Ein Wissen, das immer und für jeden gleich gültig, d.h. allgemeingültig sei, gäbe es nicht. Das geflügelte Wort: „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“, knüpfte an diese Einsicht an.

Zwei weitere gemeinsame Merkmale ihrer Auffassungen waren die Ablehnung mythischer Auffassungen und die Akzeptanz der Grenzen menschlicher Wahrnehmung. Antike Sensualisten verneinten die Möglichkeit, Kenntnisse über Götter zu erhalten. Glauben könne man darüber hinaus, was man wolle. Sie stellten aber aus Angst vor Verfolgung selten ausdrücklich die Existenz der Götter in Frage. Grenzen menschlichen Wissens anzuerkennen und Zurückhaltung im Urteilen charakterisierte deshalb sensualistische Philosophen. Dies brachte ihnen die Bezeichnung „skeptikoi“ ein. Als „skeptikos“ galt unter den Griechen jemand, der gern und gründlich forschte.

Sinnliches Wahrnehmen war nicht nur Basis menschlichen Wissens, sondern auch Basis des Handelns und Verhaltens. Orientierungen dafür zu lieferen, hielten sie für die zentrale Aufgabe von Philosophen. Sie rieten, sich in allem Menschlichen an natürlichen Abläufen und Gegebenheiten, anstatt an traditionellen mythischen Auffassungen auszurichten. Jeder solle sich so verhalten, wie es ihm nach gründlichen Nachdenken selber Freude und Vergnügen mache. Dieser Ansatz wurde von neuzeitlichen Philosophiehistorikern als Hedonismus bezeichnet. Prinzipiell achteten Sensualisten die hellenische Moral und religiösen Bräuche. An die Stelle eines absoluten Guten setzten sie dasjenige, was allen gemeinsam nützt.[4]

Für die erfolgreiche, gemeinschaftliche Gestaltung des Lebens in den griechischen Stadtstaaten kam es auch darauf an, sich untereinander über Wissen auszutauschen. In den Volksversammlungen warben Einzelne für ihre Auffassungen zum Wohle der Stadt. Es war daher wichtig, sich klar und mitreißend ausdrücken zu können. Sensualistische Philosophen befassten sich mit Sprachforschung. Sie stellten ihre Kenntnisse jungen und erwachsenen Bürgern zu Verfügung und lehrten sie Reden zu halten, die andere überzeugen konnten. Diese Dienste nahmen politisch ambitionierte Athener gern in Anspruch. Da sensualistische Philosophen damit Geld verdienten, wurden sie von Philosophen der platonischen Akademie moralisierend kritisiert. Letztere hielten solche gesellschaftlichen Dienste für eine pflichtgemäße und kostenfreie Leistung.

Sensualismus im Mittelalter

Hauptartikel Philosophie des Mittelalters

Die Auffassung, dass sinnliche Wahrnehmung Ursprung von Wissen sei, blieb auch in den Erkenntnistheorien des Mittelalters erhalten. Im Mittelalter herrschte aber die christliche Weltanschauung, die sich deutlich von der antiken griechischen unterschied. Sensualistische Aspekte des Philosophierens waren nur bedingt akzeptabel.

In der antiken Weltanschauung bestimmten unberechenbare Götter auf willkürliche Weise das Leben der Menschen. Unberechenbare philosophische Auffassungen wie die sensualistische entsprachen diesem Lebensgefühl. Im Zentrum der christlichen Weltanschauung des Mittelalters dagegen stand ein Gottesbild, das einem rechtgläubigen Christen einen Rahmen gab, in dem alles in ganz bestimmter Weise geordnet war. Dieser Rahmen erforderte es, dass auch Wissen einen allgemeingültigen und verlässlichen Charakter brauchte. Protagoräische, individuelle Sichten als Ursprung des Wissens kamen deshalb nicht in Frage. Letztere wurden als ketzerisch empfunden und von nun an galten Skeptiker als Zweifler, die sich dem Heil der Wahrheit verweigerten.[5]

Bis ins Hochmittelalter war die augustinsche Erkenntnistheorie vorherrschend. Sie garantierte die Verlässlichkeit sinnlicher Erfahrung durch den Glauben daran, dass die Geist-Seele jedes Menschen unmittelbar mit Gott verbunden sei. Die Wahrnehmung habe lediglich die Funktion die Geist-Seele zu innerer Erkenntnis anzuregen. Die menschliche Tätigkeit des Erkennens werde von göttlicher Bewegung geführt, die Augustinus Vernunft nannte. Der jeweils eigene Glaube an die das eigene Leben umfassende Führung Gottes war der Garant dafür, dass man die wahre Ordnung und das wahre Wesen der Dinge und Ereignisse im „Licht der inneren Wahrheit“, bzw. mit Hilfe der „Vernunft Gottes“ erkennen konnte. Diese Erkenntnistheorie wurde als „Illuminationslehre“ bezeichnet. Sie wird auch heute noch von christlichen Philosophen zur Lösung erkenntnistheoretischer Probleme verwendet. Wissen, wie es kirchliche Autoritäten lehrten, wurde so auch für Philosophen zum objektiven Wissen. [6]

Mit der Verbreitung der aristotelischen Schriften durch arabisch-muslimische Gelehrte wurden sensualistische Aspekte der Wahrnehmung wieder stärker in die Aufmerksamkeit der mittelalterlichen Philosophen gerückt. Thomas von Aquin ging davon aus, dass nichts vom Menschen erkannt werde, dass er nicht sinnlich empfunden habe: „Nichts ist im Geiste, was nicht vorher in den Sinnen war!“ Er schränkte die alles umfassende Illuminationslehre Augustins auf Glaubensaussagen ein. Für Aussagen über die Welt, über Dinge und Ereignisse, die wissenschaftlich erforscht werden konnten, verneinte er eine direkte Erleuchtung. Die Verlässlichkeit des Wissens garantierte Thomas mit seiner Variante der aristotelischen Abstraktionslehre , die er mit dem Rahmen der christlich-göttlichen Weltordnung verband. Er ging davon aus, dass natürliche Gesetzmäßigkeiten und das was ein jedes Ding eigentlich ausmacht, d.h. sein Wesen ausschließlich über die Sinne erkannt werden kann. Der Geist des Menschen sei in der Lage aus dem konkreten Einzelnen, die jeweils allgemeingültigen wirklichen Zusammenhänge und Wesensmerkmale herauszufiltern, wörtlich „abzuziehen“, um sie zu erkennen.[7]

Im 11. und 12. Jahrhundert wurde von den philosophierenden, franziskanischen Klerikern Roscelin von Compiègne und Peter Abälard diese Möglichkeit der Gewissheit in Frage gestellt. Sie bestritten nicht die Abstraktionslehre. Doch sie hielten Abstrahiertes nicht für wirklicher als das konkrete Einzelne, das Menschen wahrnehmen. Sie behaupteten sogar, dass das Einzelne die einzige Realität sei, auf das sich Erkenntnis beziehen könne. Dieser sensualistische Unterschied kennzeichnete das Problem der sich durch das gesamte Mittelalter ziehenden Meinungsverschiedenheiten im Universalienstreit, der weit aus radikaler schon in der platonischen Akadamie begonnen hatte.[8]

Mit Roscelin und Abälard hatte eine philosophische Entwicklung begonnen, die den Empirismus der Neuzeit und eine Wiederaufnahme sensualistischer Auffassungen einleitete. Roger Bacon wurde von dieser Entwicklung dazu angeregt, sich im 13. Jahrhundert entschieden für empirische Methoden in den Naturwissenschaften einzusetzen.

Neuzeitlicher Sensualismus

Hauptartikel Philosophie der Neuzeit

In der Neuzeit gab es weniger gemeinsame Merkmale sensualistischen Philosophierens als in der Antike. Neuzeitliche Philosophiehistoriker rechneten ihm alle philosophischen Systeme zu, sofern sie Wissen, Denken und Erkennen in irgendeiner Hinsicht auf Wahrnehmen bezogen und daraus neue Theorien des Bewusstseins, des Denkens und der Wissenschaftlichkeit entwickelten. Die jeweils unterschiedlich weit gefasste Bandbreite der philosophiegeschichtlichen Kategorie "Sensualismus" führte zu gegensätzlichen Aussagen wie: Der Sensualismus sei eine Varinate des Empirismus bzw. Der Empirismus sei eine Variante des Sensualimus. Schon Degérando hatte die Bezeichnung "Sensualimus" für Unterschiedliches verwendet .[9] Metaphysische Denkfiguren wie, dass Geist etwas wesensmäßig anderes als Materie sei, wurde von den meisten Sensualistien - u.a. Locke, Condillac und Berkeley - gewohnheitsmäßig verwendet. David Hume und Helvetius waren hier die Ausnahme. Den antiken griechischen Sensualisten war derartiges fremd gewesen.

Es wurde üblich zwischen theoretischem und praktischem Sensualismus zu unterscheiden. theoretisch galt als Bezeichnung für alle dem Sensualismus zugeordneten Philosophien, wenn sie Wissen und Denken als Ergebnis von Wahrnehmen auffassten. "Praktischer Sensualismus" wurde üblicherweise für alle Ethiken verwendet, die hedonistischen Ansätzen bzw. Prinzipien folgten. In der Regel wird davon ausgegangen, dass der theoretische Sensualismus – nach Vorarbeiten von Thomas Hobbes – durch John Locke begründet wurde, der seinen Ansatz mit einem Gedanken des Thomas von Aquin rechtfertigte: "Nichts ist im Verstande, was nicht zuvor in den Sinnen war" (Nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu.)[10]. Seine 1690 erschienener Essai über den menschlichen Verstand forderte Leibniz heraus. Er schrieb seine Antworten in den Nouveaux Essais zwischen 1703 und 1705 nieder. Locke leitete in seinem Essai alle einfachen Begriffe von äußeren Eindrücken ab, die zusammengesetzten Begriffe wie (Substanzen, Zustände, Beziehungen) dagegen von „innerer Erfahrung“, die er Reflexion nannte.[11] Im Unterschied zu Kant hat Locke die Überlegenheit der äußeren Erfahrung über die innere stets verteidigt. Locke hat mit seinen Äußerungen ein Jahrhundertthema angeregt.[12]

Die Idee Lockes, dass ausschließlich Erfahrung als Kriterium für Wissen aufzufassen sei, wurde von [Gassendi] mit Berufung auf Epikur ausgeführt. Wie Locke bezog er die Lehre von der Abstraktion mit ein und blieb dabei, dass in der Mathematik die deduktive Methode sinnvoll sei. Sein Philosophieren machte deutlich, dass sensualistische Sichten und physiologische Gesetze mit christlichem Glauben vereinbar sind.

Auch David Hume hat die aufklärerische Idee verfolgt, die Übernahme tradierter Lehrmeinungen durch die eigene Erfahrung zu ersetzen. Im Unterschied zu Locke hielt er sämtliche Ideen, als von 'impressions' (Sinnesreizen) herkommend. Das Bewusstsein von etwas bezog er auf eine "Bündelung von 'impressions'". Der Verstand bzw. die Reflexion konnten darüber hinaus nicht weiter beschrieben werden. Er fasste Wissen ausschließlich als Ergebnis der Auswertung von 'impressions' auf. Dieser konsequent sensualistische Ansatz ergab einen deutlichen Unterschied zu den Auffassungen Lockes, was sich u.a. am Thema Kausalität zeigte. Hume stellte über Kausalität fest, dass es keine 'impressions' für die Kraft gäbe, die eine ganz bestimmte Wirkung hervorrufen könne. Diese Kraft bzw. Energie war bisher von Wissenschaftlern nicht in Frage gestellt worden. Hume dagegen glaubte entdeckt zu haben: Folgt man den 'impressions' könne lediglich eine Abfolge verschiedener Ereignisse beschrieben werden. Erst nach einer Reihe von ähnlichen Abfolgen, fühlten sich Menschen spontan veranlasst, eine bestimmte Abfolge im Sinne von Ursache und Wirkung miteinander zu verknüpfen. Diesen Sachverhalt erläuterte Hume näher mit der allgemeinen menschlichen Gewohnheit, von sich wiederholenden Ereignissen Verlässlichkeit zu erwarten. Er fasste daher zusammen: Wissen beziehe sich also stets auf das, was Menschen aus Gewohnheit voraussetzten. Dass Kausalität also ein für alle Zeit feststehendes Naturprinzip sei, wie dies Locke u.a. geäußert hatten, ließe sich von daher nicht begründen.[13] Hume schloss aus seinen Untersuchungen, dass die Wissenschaften seiner Zeit grundlegend revidiert und ihre bisherigen Auffassungen weitgehend durch andere ersetzt werden müssten.

George Berkeley folgerte aus ähnlichen konsequent sensualistischen Überlegungen, dass ein Ding nur dadurch für uns existiere , weil wir es wahrnehmen („esse rei est percipi“). Menschen könnten daher nicht wissen , ob die Dinge noch existierten, wenn sie sie nicht wahrnehmen. Weil alles Wahrnehmen individueller Art sei, negierte er jedes Wissen über Objektivität hinsichtlich der Existenz von Dingen und der Art und Weise, wie sie sind. In diesem Zusammenhang übte er eingehend Kritik an der Lehre von der Abstraktion. Zu seiner Zeit galt für Metaphysiker wie für den Empiriker Locke, dass objektives und damit allgemeingültiges Wissen durch die menschliche Fähigkeit zu abstrahieren ('abziehen') begründbar sei. Berkeley hielt 'abstrahieren' für nicht durchführbar. Abstrahieren verlange nämlich im Wesentlichen, sich Dinge ohne individuelle Eigenschaften vorzustellen. Ihm selber sei dies nie gelungen. Er schlug im Unterschied dazu vor, ähnliche Dinge auf gemeinsame Merkmale hin zu beschreiben, wie z.B. die Tatsachen, dass Dreieicke drei Ecken haben und dass Winkel und Seiten in bestimmten Verhältnissen zueinander stehen. Diese bei allen Dreiecken vorkommenden Merkmale könne man sensualstisch abgewandelt als etwas Allgemeingültiges für Dreiecke ansehen. Diese Art von Allgemeingültigkeit bzw. Universalität reiche aus um einen hinreichenden Wissensstand zu ermöglichen.[14]

Dem Abbé Etienne Bonnot de Condillac war ebenso wie den anderen Aufklärern daran gelegen, die unreflektierten Annahmen in den großen Systemen des 17. Jahrhunderts herauszuarbeiten und so zu einem neuen Denken über den Menschen anzuregen. Er begründete seinen sensualistischen Ansatz als Folge des Sündenfalls. Sein Thema war, die Grenzen und Möglichkeiten menschlicher Fähigkeiten zu untersuchen, um die Grenzen und die Leistungsfähgikeit wissenschaftlicher Forschungen einschätzen zu können. Im Unterschied zu Hume und Berkeley erläuterte Condillac daher, wie sich durch Wahrnehmen die Operationen der menschlichen Seele entwickelten. Wie Locke blieb er der Cartesianischen Zweiteilung des Menschen in Leib und Seele treu und unterschied zwischen "idée" und "sentiment" in der Seele. Letztere werden durch 'sensations' (Sinnesreize) hervorgerufen. Davon ausgehend beschrieb Condillac an Hand einer fictiven Entwicklung einer Statue zu einem Menschen, die Reihenfolge der Entwicklungsschritte, die zur Ausprägung zuverlässiger geistiger Fähigkeiten führten. Ein zweiter Garant dafür, dass der Mensch zuverlässiges Wissen erwerben könne, sei die Sprache. Die Sprache sei der Erfahrungsschatz, den jeder vorfinde und den jeder über die sinnliche Erfahrung für sich wieder neu entdecken könne. Sprache trage so zur Bildung neuer Ideen bei. Sein Sensualismus stand ganz im Dienst der Wahrheitsfindung und er blieb innerhalb seiner Erklärungen beim üblichen Umgang mit der Metaphysik des Geistes.[15]

Diese sensualistischen Ansätze gelten als Antworten auf den Rationalismus u.a. von Descartes, Leibniz und Spinoza. Sie hielten Sinneseindrücke für nicht ausreichend, um ihre Wissensansprüche zu begründen. Aus sensualistischer Sicht waren diese Ansprüche nicht einlösbar.

Sensualistische Ethik

In ethischer Beziehung versteht man unter Sensualismus die im Altertum namentlich von der Epikureischen Schule (Aristippos von Kyrene), in der neuern Zeit von Thomas Hobbes und den französischen Naturalisten vertretene Ansicht, wonach es für die Begriffe Gut und Böse keinen andern Maßstab als die sinnliche Lust und Unlust geben soll. Diese Spielart schlägt die Brücke zum Utilitarismus. Die schottischen Philosophen Francis Hutcheson und Adam Smith dagegen machten anstatt der Sinnenlust den angeborenen Sinn für Moral (moral sense oder common sense) zum Maßstab in sittlichen Dingen. Dieser moralische Sensualismus wurde wiederum in Deutschland fortgeführt von Friedrich Heinrich Jacobi.

Kritik am Sensualismus

Dem Sensualismus wird vorgehalten, er sei geistfeindlich und öffne dem Materialismus Tür und Tor. Étienne Bonnot de Condillac etwa habe im Traité des sensations (1754) sämtliche Funktionen der Seele auf rein mechanische Weise auf die ihnen zugrundeliegenden Empfindungen zurückgeführt und so die Persönlichkeit des Menschen verneint. Auf der anderen Seite legte der Sensualist Berkeley großen Wert auf die Bedeutung des Geistes (durch den Gott die Empfindungen vermittelt), und der Kernpunkt von Jacobis Moralphilosophie ist „die schöne Seele“.[16]

Weblinks

Literatur

  • Pott & Danneberg & Schönert & Vollhardt: Säkularisierung in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit. Band 2: Zwischen christlicher Apologetik und methodologischem Atheismus. Berlin (Gruyter) 2002.
  • Ernst Laas: Idealismus und Positivismus. Eine kritische Auseinandersetzung, Bände 1-2. Berlin (Weidmann) 1879.
  • Heinrich Ritter: Geschichte der Philosophie, Band 12. Hamburg (Perthes) 1853.
  • Ders.: Die christliche Philosophie nach ihrem Begriff, ihren äußern Verhältnissen und in ihrer Geschichte bis in die neuesten Zeiten. Göttingen (Dieterichsche Buchhandlung) 1859, da v.a. S.3ff und S. 197ff.
  • Wilhelm Windelband: Lehrbuch der Geschichte der Philosophie. Berlin (Siebeck) 1993. Vor allem Abschnitt V. Philosophie der Aufklärung.
  • Balz & Krause & Müller: Theologische Realenzyklopädie, Band 31. Berlin (Gruyter) 2000, S.148ff.
  • Ludwig Busse: Der Weltanschauungen der großen Philosophen der Neuzeit. Teubner 1907. Wiederauflage Kessinger Pub 2010.
  • Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit. Zum ersten Mal 1927-31 in 3 Bänden erschienen. Einbändige Sonderausgabe, München (Beck ) 2010.
  • Elmar Holenstein: Phänomenologie der Assoziation. Zur Struktur und Funktion eines Grundprinzips der passiven Genesis bei Edmund Husserl. Den Haag (Nijhoff) 1972.
  • Richard Falckenberg: Geschichte der neueren Philosophie: von Nikolaus von Kues bis zur Gegenwart. Berlin (Gruyter) 1927, da v.a. das Kapitel Theoretischer und praktischer Sensualismus.
  • Karl Vorländer: Die Geschichte der Philosophie, Bd.2. Hamburg (rowohlt tb) 1990.
  • Eduard Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung: Abt. 1, Vorsokratische Philosophik. Tübingen (Fues) 1844.
  • Brady Bowman: Sinnliche Gewissheit. Zur systematischen Vorgeschichte eines Problems des deutschen Idealismus. Berlin (Akademie) 2003.
  • Sebastian Vogl: Symbolische Beziehung und sinnlich-reflexives Erleben. Norderstedt (GRIN) 2009.
  • Annemarie Gethmann-Siefert: Einführung in die Ästhetik. München (Fink) 1995, da v.a. Kap. Kunst als Erkenntnis, S.27ff.

Einzelnachweise

<references> 1. ^ Johannes Hirschberger. Geschichte der Philosophie. Köln (Komet) 2007, S. 9 ff.

  1. "Fragt man: Welches sind die ersten Elemente unserer Erkenntnisse?, so antwortet der Eine: sie sind nur in den Eindrücken unserer Sinne zu finden; man giebt diesen Systemen den Namen Empirismus, Sensualismus." Wilhelm Gottlieb Tennemann (Übers.):Joseph Marie Degérando: Vergleichende Geschichte der Systeme der Philosophie mit Rücksicht auf die Grundsätze der menschlichen Erkenntnisse, Band 2. Marburg (Neue akademische Buchhandlung) 1806, S.4. Google-Buch
  2. Johannes Hirschberger. Geschichte der Philosophie. Köln (Komet) 2007, S. 9 ff.
  3. Vgl. u.a. dazu David Neumark: Geschichte der jüdischen Philosophie des Mittelalters. Nachdruck der Ausgabe von 1907 u. 1913. Berlin (Gruyter)1907, S.249
  4. Wolfgang Röd (1995): Der Weg der Philosophie. München (Beck) 2. Auflage, 2009.
  5. Johannes Hirschberger: Geschichte der Philosophie. Freiburg (Herder)13./14. Auflage, 1991. S. 345-374; 464-529.
  6. Christoph Horn (1995): Augustinus. München (Beck) S. 61 ff.
  7. Maximilian Forschner (2006): Thomas von Aquin. München (Beck), S. 36ff.
  8. Alain de Libera (2005): Der Universalienstreit: von Platon bis zum Ende des Mittelalters. München (Wilhelm Fink).
  9. Vgl. Joseph Marie Degérando: Vergleichende Geschichte der Systeme der Philosophie mit Rücksicht auf die Grundsätze der menschlichen Erkenntnisse, Band 2. Marburg (Neue akademische Buchhandlung) 1806, S.4, 31, 162, 426.
  10. Thomas von Aquin, Quaestiones disputatae de veritate, q. 2, a. 3, arg. 19 .
  11. Die "innere Erfahrung" sei kein Merkmal sensualistischen Philosophierens. Die Annahme, dass Locke den Sensualismus begründet habe, sei deshalb ein Missverständnis. Vgl. Lorenz Krüger: Der Begriff des Empirismus. Berlin (Gruyter) 1973, S. 57.
  12. Vgl. Kurt Flasch: Empirie oder Neue Metaphysik, in: Ders.: Kampfplätze der Philosophie. Frankfurt am Main (Klostermann) 2008, S.293ff.
  13. Vgl. Lambert Wiesing (Hg.):David Hume: Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2007, S. 84 ff.)
  14. George Berkeley: A TREATISE Concerning the PRINCIPLES OF HUMAN KNOWLEDGE. London 1734. Introduction: "Universalität – so weit ich sie überhaupt verstehen kann – hat aus meiner Sicht nichts mit einer den Dingen innewohnenden, universellen Natur zu tun, die wir wahrnehmen und über Konstruktionen abstrakt vorstellen könnten. Die Vorstellung 'Universalität' bezieht sich m.E. auf Relationen zwischen einzelnen, bestimmten Dingen, die aufeinander verweisen bzw. füreinander stehen können." (ebd.XV)
  15. Etienne Bonnot de Condillac: Essai über den Ursprung der menschlichen Erkenntnisse. Leipzig (Reklam jun.) 1977. Die vielen Facetten seines Philosophierens im Kontext der Beiträge anderer Philosophen schilderte u.a. Ernst Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung. Hamburg (Meiner) 2007.
  16. Karl Vorländer: Geschichte der Philosophie. Hamburg (rowohlt tb)1990.