Eduard Zeller
Eduard Gottlob Zeller (* 22. Januar 1814 in Kleinbottwar; † 19. März 1908 in Stuttgart) war ein deutscher Theologe und Philosoph.
Leben
Der Sohn eines Verwaltungsbeamten besuchte ab 1827 vier Jahre lang das evangelische Seminar (Gymnasium) in Maulbronn. Ab 1831 studierte er in Tübingen Theologie und Philosophie und lebte im Tübinger Stift. Dort trat er 1831 der Burschenschaft „Patrioten Tübingen“ bei. Hier lernte er David Friedrich Strauss und Friedrich Theodor Vischer näher kennen. Mit einer Arbeit über Platons Schrift Nomoi wurde er 1836 promoviert. Die Habilitation erreichte er 1840. Als ein Vertreter der Tübinger Schule wandte er die Methoden der historisch-kritischen Altertumswissenschaften an.[1]
Zusammen mit seinem Lehrer Ferdinand Christian Baur gab er seit 1847 das Organ der Jüngeren Tübinger Schule, die „Theologischen Jahrbücher“ heraus, die aber schon seit 1842 bestanden. Die „Jahrbücher der Gegenwart“ begründete Zeller 1843. An der Universität Bern lehrte er als a. o. Professor seit 1847, hierbei kam es zum sogenannten Zellerhandel[2], Theologie, um dann 1849 nach Marburg zu wechseln. 1847 heiratete Zeller Emilie Baur, eine Tochter Ferdinand Christian Baurs.
In Marburg erfolgte der Ruf an den theologischen Lehrstuhl, den er jedoch wegen Einwänden gegenüber seiner liberalen Theologie und der historisch-kritischen Forschungsansätze nicht besetzen konnte. Auf Erlass der Regierung musste er an die philosophische Fakultät wechseln. In Heidelberg lehrte er von 1862 bis 1872 als a. o. Professor Philosophie. Mit dem Thema seiner Antrittsrede, „Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntnistheorie“ führte er den Begriff Erkenntnistheorie endgültig in die deutsche Literatur ein. Von 1871 bis 1872 war Zeller als Vertreter der Universität Heidelberg Mitglied in der Ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung.[3] In Berlin lehrte er an der Friedrich-Wilhelms-Universität von 1872 bis 1894 Philosophie, wobei er seine Antrittsrede zum Thema „Über die gegenwärtige Stellung und Aufgabe der deutschen Philosophie“ hielt.
1864 wurde er in die Preußische, 1873 in die Bayerische und 1890 in die Österreichische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. 1877 wurde ihm der Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste verliehen. Von 1895 an lebte er in Stuttgart. Mit seinem Schüler Ludwig Stein begründete er 1888 das Archiv für die Geschichte der Philosophie mit. Sein erster Beitrag zu dieser Reihe trug den Titel Die Geschichte der Philosophie, ihre Ziele und Wege. Während seiner Zeit als Professor in Marburg begründete er gemeinsam mit Heinrich von Sybel eine wohltätige Einrichtung, die den Armen der Stadt Nahrung und anderes Nötige zukommen ließ.
Zeller war ein bedeutender Vertreter der historisch-kritischen Methode. In der Theologie behandelte er Fragen des Urchristentums. In der Philosophie orientierte er sich erst an Hegel, später an Immanuel Kant. Er ist einer der ersten Vertreter des Neukantianismus und des Neukritizismus. Zudem ist er einer der bedeutendsten Philosophiehistoriker der antiken griechischen Philosophie. Sein mehrbändiges Werk Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung weist bis heute zahlreiche Auflagen und Nachdrucke auf und wurde in verschiedene Sprachen übersetzt. In der systematischen Philosophie umriss er 1862 in seiner Schrift Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntnistheorie als erster die genauen Gegenstände und das Konzept einer Erkenntnistheorie.[4]
Werke
- Platonische Studien, 1839 in der Google-Buchsuche.
- Die Philosophie der Griechen. Eine Untersuchung über Charakter, Gang und Hauptmomente ihrer Entwicklung, 1844–1852; Teil 3/1: Die Philosophie der Griechen in der Google-Buchsuche.
- Geschichte der christlichen Kirche. Uebersichtlich dargestellt, 1848 in der Google-Buchsuche.
- Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung, 1856–1868; Leipzig: R. Reisland 3. A. 1876–1882, [1] von Gallica; 3. Auflage (von 1880) Darmstadt 2006, ISBN 978-3-534-19504-6.
- Übersetzungen: frz.: La philosophie des Grecs considérée dans son développement historique, Paris: Hachette, 1877–1884, Bd. 2, 1882, von Gallica; ital.: La filosofia dei greci nel suo sviluppo storico, edizione italiana a cura di Rodolfo Mondolfo, Firenze, La Nuova Italia, 1932; autorisierte englische Übersetzungen: A History of Greek Philosophy, London 1881, (Bd. 1,Bd. 2 von Case Western Reserve) und in Einzelausgaben, verlegt jeweils bei Longmans, Green and Co. in London:
- Socrates and the Socratic schools, 2. A. 1877, archive.org und archive.org.
- Plato and the Older Academy, (Übers. der 3. dt. A.) 1876–88 (Ausgabe Longmans, Green, 1876, Ausgabe Longmans, Green, and Company, 1888 in der Google-Buchsuche, archive.org, archive.org).
- Aristotle and the earlier Peripatetics, 1897 (Bd. 1, Bd. 2).
- The Stoics, Epicureans and Sceptics, 1880 (archive.org).
- A history of eclecticism in Greek philosophy, 1883 (archive.org, archive.org).
- Übersetzungen: frz.: La philosophie des Grecs considérée dans son développement historique, Paris: Hachette, 1877–1884, Bd. 2, 1882, von Gallica; ital.: La filosofia dei greci nel suo sviluppo storico, edizione italiana a cura di Rodolfo Mondolfo, Firenze, La Nuova Italia, 1932; autorisierte englische Übersetzungen: A History of Greek Philosophy, London 1881, (Bd. 1,Bd. 2 von Case Western Reserve) und in Einzelausgaben, verlegt jeweils bei Longmans, Green and Co. in London:
- Die Apostelgeschichte kritisch untersucht, 1854 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche); engl. Übers.: The contents and origin of the Acts of the Apostles, London 1875–1876, Bd.1, Bd. 2 bei archive.org.
- Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntniss-Theorie. Ein akademischer Vortrag. Groos, Heidelberg 1862 (Digitalisat und Volltext im Deutschen Textarchiv).
- Vorträge und Abhandlungen, 1865–1884; Leipzig: R. Reisland, 1875–1884, 3. Sammlung von Gallica (3. Serie, 1884 in der Google-Buchsuche).
- Religion und Philosophie bei den Römern, 1866.
- Staat und Kirche. Vorlesungen an der Universität zu Berlin gehalten, 1873.
- Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz (= Geschichte der Wissenschaften in Deutschland, Bd. 13), 1873.
- Grundriss der Geschichte der griechischen Philosophie, 1883; (Outlines of the History of Greek Philosophy, London 1914 in der Google-Buchsuche, [2], [3]).
- Über die Gründe unseres Glaubens an die Realität der Außenwelt, 1884.
- Friedrich der Große als Philosoph, 1886.
- Geschichte der christlichen Kirche, 1898 (Weiteres auf Wikisource unter Eduard Zeller).
Literatur
- Gerald Hartung (Hrsg.): Eduard Zeller. De Gruyter, Berlin / New York 2010, ISBN 978-3-11-020857-3
- Margret Lemberg (Hrsg.): Briefwechsel (1849–1895). Heinrich von Sybel und Eduard Zeller. Elwert, Marburg 2004, ISBN 3-7708-1261-1.
- Bernhard Zeller: Erinnerung an Eduard Zeller. Vortrag bei der Feier anlässlich seines 175. Geburtstages in Kleinbottwar am 22. Januar 1989. Anhang zur Festschrift Eduard Zeller zum 175. Geburtstag. Evang. Pfarramt, Steinheim-Kleinbottwar 1989.
- Klaus-Gunther Wesseling: Zeller, Eduard Gottlob. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 14, Bautz, Herzberg 1998, ISBN 3-88309-073-5, Sp. 388–402.
- Ulrich Sieg: Das Fach Philosophie an der Universität Marburg 1785–1866. Ein Beitrag zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung von Problemen der Lehre und des Studiums (= Hessische Forschungen zur geschichtlichen Landes- und Volkskunde. Bd. 18). Kassel 1989, S. 50–52.
Nachlass
Teilnachlässe (1–3) Zellers befinden sich in verschiedenen Archiven bzw. Universitätsbibliotheken.[5]
Weblinks
- Literatur von und über Eduard Zeller im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeller, Eduard Gottlob. Hessische Biografie. (Stand: 15. April 2021). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- ↑ Christoph Horn: Vorwort zur Neuauflage von Eduard Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. In: Eduard Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Erster Teil. Erste Abteilung. Allgemeine Einleitung. Vorsokratische Philosophie. Erste Hälfte, Darmstadt 2006 (8. unveränderte Auflage der 6. Auflage 1919), S. XVII f.
- ↑ Kurt Guggisberg: Der Zellerhandel in Bern, 1847. In: Zwingliana 8/1. 1944, abgerufen am 9. September 2020.
- ↑ Ludwig Bauer, Bernhard Gißler: Die Mitglieder der Ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung von 1819–1912. Fidelitas, 5. Auflage, Karlsruhe 1913, S. 86.
- ↑ Christoph Horn: Vorwort zur Neuauflage von Eduard Zeller, „Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung“. In: Eduard Zeller: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Erster Teil. Erste Abteilung. Allgemeine Einleitung. Vorsokratische Philosophie. Erste Hälfte, Darmstadt 2006 (8. unveränderte Auflage der 6. Auflage 1919), S. XIX.
- ↑ Bundesarchiv. Zentrale Datenbank Nachlässe.
Personendaten | |
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NAME | Zeller, Eduard |
ALTERNATIVNAMEN | Zeller, Eduard Gottlob (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Theologe und Philosoph |
GEBURTSDATUM | 22. Januar 1814 |
GEBURTSORT | Kleinbottwar |
STERBEDATUM | 19. März 1908 |
STERBEORT | Stuttgart |