Benutzer:Olivia Wessesini/Flut
Flut (Barba ensopada de sangue) ist der vierte veröffentlichte Roman des brasilianischen Schriftstellers und Übersetzers Daniel Galera. Er erschien erstmals 2012 im Companhia das Letras und wurde 2013 auf Deutsch im Suhrkamp Verlag veröffentlicht. Der umstrittene Kriminalroman beschreibt das Leben eines brasilianischen Mannes, der aufgrund des Suizids seines Vaters einen neuen Lebensabschnitt beginnt. Auf dieser Reise wird er mit neuen Erfahrungen konfrontiert, die ihn schließlich dazu führen, sich mit seiner mysteriösen, geheimnisvollen familiären Vergangenheit auseinanderzusetzen.
Inhalt
Handlung
Der 33-jährige Protagonist, dessen Name unbekannt bleibt, befindet sich mit seinem Vater Hélio in dessen Büro. Auf dem Tisch liegt eine Pistole, die der Vater sich für seinen geplanten Suizid besorgt hat. Während die beiden ein ernsthaftes Gespräch führen, erfährt der Protagonist, dass sein Vater schwer krank ist und mit den Begleiterscheinungen nicht mehr zurecht kommt. Des Öfteren wird er mit seinem Großvater verglichen, der ihm sehr ähnlich ist und auf eine mysteriöse Art und Weise vor seiner Geburt gestorben ist.
Hélio bittet seinen Sohn seine Hündin Beta einzuschläfern, da sie ohne ihn nicht auskommen würde. Der Protagonist kann die Situation nicht richtig einschätzen und deutet es als leere Drohung. Als er schließlich die Nachricht vom Tod seines Vaters erhält, nimmt er Beta zu sich und verlässt Porto Alegre, seinen Geburtsort. Seine Reise führt nach Garopaba, wo er sich eine Wohnung am Strand mietet und einen Job als Schwimmlehrer beginnt. Bei einem Besuch in einem Café lernt er die 21-jährige Studentin Dália kennen. Sie kommt ursprünglich aus Caçador und lebt mit ihrem 6 Jahre alten Sohn bei ihrer Mutter. In dem Café arbeitet sie um Geld zu verdienen und zu sparen, da sie ein Studium für Naturheilkunde in Florianópolis beginnen möchte. Aufgrund der Prosopagnosie des 33-jährigen Schwimmlehrers hat er Schwierigkeiten, sich Gesichter zu merken. Doch er und Dália finden schließlich zusammen. Ihre Beziehung scheitert allerdings, da Dália ein Drogenproblem hat und sich nicht angemessen um ihren Sohn kümmern kann.
Nachdem die Beziehung gescheitert ist, möchte der 33-jährige sich auf die Suche nach dem Rätsel seines Großvaters machen. Er befragt einige Fischer im Dorf, die ihm aber nicht weiterhelfen wollen. Auch die Polizei lässt seine Fragen unbeantwortet. Kurze Zeit später erlebt er eine Vision von seinem eigenen Tod. Bonobo, ein Cafébesitzer, mit dem sich der Schwimmlehrer anfreundet, soll die Notiz seiner Vision aufbewahren, auf der steht, dass er in Garopaba ertrinken wird.
Bei einem Auftritt in Garopaba, welchen der Protagonist besucht, erkennt ihn ein Sänger names Indio Mascarenhas und wirkt daraufhin beunruhigt. Die Ähnlichkeit zu seinem Großvater sei sehr groß. Die Erinnerungen an ihn, der von allen im Dorf nur als „Gaucho“ bezeichnet wurde, ist geprägt von Kriminalität und Mord.
Mithilfe eines Reporters names Gonçalo findet er heraus, dass der Hauptkomissar des Falles, in Pato Branco lebend, einige Informationen über den Tod seines Großvaters besitzt. Er macht sich auf den Weg und findet heraus, dass sein Großvater während einer Feier erstochen, seine Leiche jedoch nicht gefunden wurde.
Nach einiger Zeit lernt der Protagonist erneut eine junge Studentin kennen, diesmal im Bereich Psychologie und mit dem Namen Jasmim. Während ihrer Beziehung träumt sie wiederholt von einem Schatz, der sich unter dem Haus ihres Partners befindet. Joaquín, ein Einheimischer und Bekannter der beiden, bekommt von den Träumen Wind und prophezeit ihr, falls sie ein drittes Mal von dem Schatz träumt und sie ihn ausgraben möchte, es ihr sicherer Tod sei.
Entgegen der Warnung träumt sie ein drittes Mal davon und findet tatsächlich unter der Eingangstreppe den besagten Schatz: einen Kerzenständer und einen Pokal. Sie verschwindet kurzerhand aus Garopaba mit dem Grund, ihre verlorene Orientierung in Porto Alegre wiederfinden zu wollen. Daraufhin widmet sich der 33-jährige wieder der Suche nach Informationen zu seinem Großvater und findet daraufhin auch Anhaltspunkte. Der Ehemann der Vermieterin gibt ihm den Namen der ehemaligen Freundin Gauchos, welche Santina heißt, woraufhin er sich gleich auf den Weg macht. Von ihr erfährt er, dass der Grund für den Angriff vermutlich eine junge Frau war, die er getötet haben soll. Sie selbst habe nichts von dem Anschlag auf ihren damaligen Freund gewusst, jedoch gehört, dass er danach zum Meer gelaufen sei, um darin zu schwimmen.
Während einer Wanderung mit seiner Hündin trifft der Protagonist auf ein Ehepaar, das ihm von einem alten Mann in einer Höhle erzählt. Dort angekommen stellt er fest, dass es sich um seinen Großvater handelt, der gerade dabei war ihn anzugreifen. Daraufhin flieht er aus der Höhle und vergisst seine Hündin Beta, die er am nächsten Tag angebunden im Wandertal vorfindet. Beim Versuch sie zu befreien, wird er ohne ersichtlichen Grund von Wanderern zusammengeschlagen und wird daraufhin in ein Krankenhaus gebracht.
Viviane, seine Ex Freundin und Ehefrau seines Bruders, besucht ihn im Krankenhaus mit der Nachricht, dass sie schwanger sei. Im selben Atemzug bittet sie ihn um eine Patenschaft, die er jedoch ablehnt, da er keinen Kontakt mit ihr oder seinem Bruder möchte. Siebzehn Jahre später ertrinkt der Protagonist beim Versuch eine junge Frau im Meer zu retten. Es wird jedoch keine Leiche gefunden und die Beerdigung findet nur symbolisch statt.[1]
Personen
Protagonist
Er wird als sanftmütig und gut erzogen beschrieben. Neben der Tatsache, dass sein Name im Roman nicht erwähnt wird, hat er auch eine Wiedererkennungsstörung, die sich Prosopagnosie nennt. Er kann sich die Gesichter von Menschen nicht merken. In Porto Alegre arbeitet er als Schwimmlehrer, bis er 17 Jahre nach der Begegnung mit seinem Großvater im Meer ertrinkt.
Hélio
Er ist der Vater des Protagonisten und leidet an einer schweren Grunderkrankung, weswegen er sich für den Suizid entscheidet. Seine Hündin Beta gibt er in die Obhut seines Sohnes und erzählt diesem am Tag vor seinem Suizid von dessen Großvater.
Gaucho
Der Großvater des Protagonisten ist im Dorf sehr gefürchtet. Sein Ruf als Frauenmörder hat ihn bekannt gemacht. Eines Tages wurde ein Attentat auf ihn geplant, die Leiche jedoch niemals gefunden. Nach dem Angriff floh er allerdings zum Meer und versteckt sich seitdem in einer Höhle.
Dália
Sie ist 21 Jahre alt, Studentin, Mutter und in weiterer Folge Partnerin des Protagonisten. Aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit und Vernachlässigung ihres Sohnes scheitert allerdings die Beziehung zu ihrem Partner.
Bonobo
Der Cafébesitzer und Freund des Schwimmlehrers verbringt oft Zeit mit ihm. Eines Tages wird er gebeten, auf einen Notizzettel aufzupassen. Darauf steht eine Vision des Protagonisten, in der er sich selbst als Ertrinkender im Meer sieht.
Jasmim
Sie ist nach Dália die Partnerin des Protagonisten. Als Psychologiestudentin an der Universität von Porto Alegre arbeitet sie in einem Tourismusbüro. Nach wiederholten Träumen findet sie einen Schatz unter der Eingangstüre ihres Freundes. Zusammen mit dem Schatz verlässt sie ihn und fängt ein Leben in Porto Alegre an.
Dona Cecina
Sie ist die Grundbesitzerin und Vermieterin der Strandhäuser. Ihr Ehemann vermittelt dem Protagonisten den Namen der ehemaligen Freundin des Großvaters.
Santina
Sie ist die ehemalige Freundin des Großvaters. In ihrer Beziehung war es chaotisch und wechselhaft. Als ihr Partner damals erstochen wurde, war sie nicht dabei, liefert aber die Information, dass der Großvater damals nicht am Tatort gestorben sei.
Viviane
Viviane, Exfreundin und Ehefrau des Bruders des Protagonisten, nimmt im Roman eine Nebenrolle ein. Sie besucht den Schwimmlehrer im Krankenhaus, um ihm eine Patenschaft ihres ungeborenen Babys anzubieten, die er jedoch ablehnt.
Themen
Symbol des Meeres
Der Titel Flut bezieht sich anders als die portugiesische wortgetreue Übersetzung („Blutgetränkter Bart“) auf die Kraft des Meeres und ihren Bezug zum Protagonisten. Ihre Verbindung ist sehr groß, sein Großvater war ebenfalls ein Schwimmer, weswegen die Bedeutung von Wasser und Meer auch innerfamiliär bedeutend ist. Als Schwimmlehrer hat er den Sport im Wasser zu seinem Beruf gemacht und erfährt auch eine gewisse Heilung durch das Schwimmen im Meer.[2]
Laut Daniel Galera hat das Meer für die Geschichte zwei Funktionen: Als Symbol des ständigen Begleiters des Protagonisten, das sich auf seine tägliche Befindlichkeit auswirkt. Die zweite Funktion wirft die Frage auf, wie das Meer die Bewohner einer Kleinstadt beeinflusst, die einst von der Fischerei lebten, jetzt aber immer mehr in einem Touristenort wohnen.[3]
Der Großvater-Mythos und die Suche nach Identität
Während der Suche nach der Vergangenheit des Großvaters findet der Protagonist auch seine eigene Identität. Zu Beginn war er orientierungslos und die Ähnlichkeit zu seinem Großvater wird zu einem Bestandteil seiner Identität. Die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner fürchten den Protagonisten daraufhin und meiden ihn wie seinen Großvater. Doch er findet sich im Laufe des Romanes selbst und kann sich von seinem Großvater distanzieren. Damit beschreibt Galera nicht nur die Identitätssuche des Protagonisten, sondern auch den Konflikt der Familie, welcher sich über drei Generationen zieht.[4]
Form
Der Roman wurde in einer chronologischen Form und auktorialen Perspektive verfasst, mit mehreren Gedankensprüngen des Protagonisten. Diese sind an gewissen Stellen mit Fußnoten versiert, die sich über mehrere Seiten erstrecken und somit einen Nebenstrang zur Hauptgeschichte bilden.
Die Erzählweise wird als äußerst realistisch beschrieben. Der Autor fokussiert sich auf Details und verleiht dem Roman so eine realistische Komponente.[4]
In Dialogen wird die wörtliche Rede kurz gehalten und ohne Satzzeichen geführt, was von einigen Rezipientinnen und Rezipienten als verwirrend empfunden wird. Dadurch wird die Einsicht in die Persönlichkeit des Protagonisten nur bedingt gegeben.[5]
Eine weitere Besonderheit des Romans stellt der Protagonist selbst dar, der über die gesamte Geschichte hinweg namenlos bleibt. Er wird lediglich als Schwimmlehrer oder in Bezug auf sein Alter beschrieben, sein Name wird jedoch nicht erwähnt.
Stellung in der Literaturgeschichte
Einordnung in das Werk des Autors
Flut von Daniel Galera ist sein vierter Roman und der erste, der in die deutsche Sprache übersetzt wurde. Vor seinem Werk hat er mehrere Erzählungen, eine Graphic Novel und drei Romane verfasst, die auf Portugiesisch verfasst wurden. Flut ist demnach sein erster Roman, mit dem er internationale Bekanntheit als jünger brasilianischer Autor erlangt hat.[6]
Entstehungsgeschichte
Der Roman ist angelehnt an eine reale Mordgeschichte in einem Dorf, die Galeras Vater von einem Fischer erzählt bekommen hat. Diese Erzählung diente ihm als Vorlage für den Roman. Sie enthielt ebenfalls die Themen von Einsamkeit, Alleinesein und Nichtdazugehören, die Galera in sein Werk mit einfließen hat lassen.[3]
Rezeption
Rezeption beim Erscheinen
Flut von Daniel Galera zählt zu den meist besprochenen Romanen der brasilianischen Literatur. Es wird sowohl die brasilianische Landschaften und geographische Besonderheiten genannt als auch die Kultur und Bevölkerung Brasiliens.[2]
Der Schreibstil und der Roman an sich wird unter anderem von Rezipientinnen und Rezeptienten als eine Mischung von Ernest Hemingway und Ingmar Bergman beschrieben.[7]
Bezüglich des Genres wird bei Flut viel diskutiert, da eine eindeutige Zuordnung von Kritikerinnen und Kritikern nicht möglich ist. Viele beschreiben den Roman als einen Krimi, da er das Thema eines ungeklärten Mordfalles behandelt. Einige wiederum sehen ihn als Familiendrama mit Kriminalelementen. Es gibt jedoch auch Rezipientinnen und Rezipienten, die der Meinung sind, dass es sich nicht um einen Kriminalroman handelt, da andere Elemente wie die Selbstfindung, Lebensstil, familiäre Hintergründe und zwischenmenschliche Beziehungen im Vordergrund stehen.[5] [8][7]
Auszeichnungen
Die Rezeption des Werkes fiel größtenteils sehr positiv aus und Galera bekam für seinen Roman auch den Prêmio São Paulo de Literatura in der Kategorie „Bestes Buch des Jahres“.[9] Ebenfalls erlangte er für Flut den Prêmio Jabuti de Literatura für den dritten Platz in der Kategorie Roman.[10]
Literatur
Textausgaben
Daniel Galera: Flut. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-42409-4.
Sekundärliteratur
- Das Meer im Mann - Daniel Galera „Flut“. In:Zeichen und Zeit. 9. Dezember 2014, abgerufen am 28. August 2022
- Meike Düffler: Schwimmen hilft. Ein Mann und ein Mythos. Der Brasilianer Daniel Galera hat einen eindrucksvollen Roman über das menschliche Ausgeliefertsein geschrieben. In: Die Zeit. 2. Oktober 2013, abgerufen am 28. August 2022
- Tobias Gunst: Im Alltag schwimmen lernen. Daniel Galeras Roman „Flut“ erzählt vom banalen Leben. In:Literaturkritik. 28. Januar 2014, abgerufen am 28. August 2022
- Richard Kämmerling: Wie der Gaucho im Surferparadies zu Tode kam. In: Welt. 30. September 2013, abgerufen am 28. August 2022
- Ricarda Otte: Ein Land voller Stimmen - Gastland Brasilien. In: Virofilm. Virofilm, 2013, abgerufen am 29. August 2022 (Minute 07:15-08:47)
- Rebekka Schuttny: Wie man zur Legende wird! Daniel Galera: Flut. In: Lehrstuhl Neugermanistik II, Ruhr-Universität Bochum (Hrsg.): Bochumer Literaturkritik. Nr. 8, 2015, ISSN 2191-3455
Einzelnachweis
- ↑ Daniel Galera: Flut. 1. Auflage. Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, ISBN 978-3-518-42409-4.
- ↑ a b Unbekannt: Das Meer im Mann - Daniel Galera „Flut“. In: Zeichen und Zeit. 9. Dezember 2014, abgerufen am 28. August 2022.
- ↑ a b Ricarda Otte: Ein Land voller Stimmen - Gastland Brasilien. In: Virofilm. Virofilm, 2013, abgerufen am 29. August 2022 (Minute 07:15-08:47).
- ↑ a b Meike Düffler: Schwimmen hilft. Ein Mann und ein Mythos. Der Brasilianer Daniel Galera hat einen eindrucksvollen Roman über das menschliche Ausgeliefertsein geschrieben. In: Die Zeit. 2. Oktober 2013, abgerufen am 28. August 2022.
- ↑ a b Rebekka Schuttny: Wie man zur Legende wird! Daniel Galera: Flut. In: Lehrstuhl Neugermanistik II, Ruhr-Universität Bochum (Hrsg.): Bochumer Literaturkritik. Nr. 8, 2015, ISSN 2191-3455, S. 33 (rub.de [PDF]).
- ↑ Andrea Effinger: Buchtitel für Erwachsene Januar 2014. Januar 2014, abgerufen am 29. August 2022.
- ↑ a b Richard Kämmerling: Wie der Gaucho im Surferparadies zu Tode kam. In: Welt. 30. September 2013, abgerufen am 28. August 2022.
- ↑ Tobias Gunst: Im Alltag schwimmen lernen. Daniel Galeras Roman „Flut“ erzählt vom banalen Leben. In: Literaturkritik. 28. Januar 2014, abgerufen am 28. August 2022.
- ↑ Unbekannt: Daniel Galera erhält Prêmio São Paulo de Literatura. In: Tfmonline. 26. November 2013, abgerufen am 28. August 2022.
- ↑ Câmera Brasileira do Livro divulga os vencedores do 55 Prêmio Jabuts. 8. November 2013, abgerufen am 29. August 2022 (port).