Benutzer:Phoenix794/Risikodeckungspotenzial

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Das Risikodeckungspotenzial eines Unternehmens bezeichnet das Eigenkapital (und die Liquiditätsreserve), dass die (aggregierten) Auswirkungen aller Risiken zu tragen hat.

Begriffliche Abgrenzung

In der Fachliteratur wird der Begriff des Risikodeckungspotenzials jedoch nicht einheitlich verwendet, da teilweise auch die Begriffe „Risikodeckungsmasse“ und „Risikotragfähigkeit“ auftauchen. Die Gesamtheit der Risikodeckungspotenziale bildet das ökonomische Kapital, was mindestens vorgehalten werden muss, um während einer Maximalbelastungssituation solvent zu bleiben. Als ökonomisches Kapital wird das für den Maximalbelastungsfall bestimmte Risikopotenzial determiniert, welches alle signifikanten Risiken abdecken muss. Das Risikodeckungspotenzial sollte in allen Fällen so dimensioniert werden, dass damit auch nicht vorhergesehene Risiken abgedeckt werden können und das Unternehmen ausreichend Zeit gewinnt, sich an eine neue Entwicklung anpassen zu können. Dabei ist zu beachten, dass im Bereich von Risikotragfähigkeitskonzepten eine Unterscheidung zwischen dem insgesamt verfügbaren und dem zur Abdeckung von Risiken tatsächlich eingesetzten Risikodeckungspotenzial erfolgt.

Angemessene Eigenkapitalausstattung

Das erforderliche Eigenkapital eines Unternehmens ist vom Risikoumfang abhängig.[1] Um die Frage nach der angemessenen Höhe des Eigenkapitals beantworten zu können, ist eine weitgehende Risikoanalyse unumgänglich. Dabei sollte neben den Markt- und Leistungsrisiken auch die Kostenstruktur des Unternehmens betrachtet werden. Da das Eigenkapital wesentlich teurer ist, als das Fremdkapital sollte eine unnötig hohe Ausstattung des Unternehmens mit Eigenkapital vermieden werden. Eine hohe Fremdkapitalausstattung macht das Unternehmen außerdem konjunkturanfälliger, da die Gefahr besteht mit steigenden Zinsen an Liquidität zu verlieren. Weiterhin ist eine angemessene Eigenkapitalausstattung unverzichtbar, um die Kreditwürdigkeit zu halten, solange der Bank keine anderen Sicherheiten angeboten werden können.

Möglichkeiten zur Berechnung

Die deutschen Risikotragfähigkeits- Anforderungen basieren auf den Vorgaben der zweiten Säule des Basel II Rahmenwerks aus 2004. Als zentrale Anforderung an die Institute wird darin die Einrichtung eines internen Prozesses zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit (ICAAP- Internal Adequacy Assessment Process) und damit einer ausreichenden Kapitalausstattung verlangt.[2] Ziel der Risikotragfähigkeitsrechnung ist es auch in zukünftigen Perioden eine ausreichende Kapitalausstattung zu gewährleisten. Im Rahmen dieser Rechnung wird geprüft, inwieweit die quantifizierbaren Risiken einen festgelegten Anteil am Risikodeckungspotenzial auslasten. Sind die Risiken geringer, als die zur Verfügung stehenden Mittel, so ist das Unternehmen in der Lage die Risiken zutragen. Generell lassen sich drei Verfahren zur Bestimmung des Risikodeckungspotenzials unterscheiden. Das barwertorientierte-, das periodische- und das regulatorische Verfahren.

Going-Concern- versus Gone-Concern-Ansätze

Die verschiedenen Risikotragfähigkeitskonzepte lassen sich nach dem vom Bankmanagement verfolgten Absicherungsziel in „Going-Concern-Ansätze“ (Fortführungsprinzip) und „Gone-Concern-Ansätze“ (Inkaufnahme der Unternehmensliquidation im „Worst Case“ Fall) unterscheiden. Liegt dem Konzept ein Going-Concern-Ansatz zu Grunde, bedeutet dies, dass das betreffende Kreditinstitut aus bilanzieller und regulatorischer Sicht selbst dann noch ohne Aufnahme neuer externer Kapitalmittel fortgeführt werden könnte, wenn das Risikodeckungspotenzial komplett verbraucht wurde. Man spricht von einem Gone-Concern- bzw. Liquidations-Ansatz, wenn ein vollständiger Verbrauch des Risikodeckungspotenzials dazu führen würde, dass der Geschäftsbetrieb ohne Zufuhr externer Mittel nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Dem Risikodeckungspotenzial können im Rahmen des Gone-Concern-Ansatzes daher deutlich umfangreichere Mittel zugerechnet werden. Weiterhin ist es methodisch konsistent, das Risikodeckungspotenzial in Going-Concern-Ansätzen bilanzorientiert und in Gone-Concern-Ansätzen wertorientiert abzuleiten. Der Umfang und die Zusammensetzung des Risikodeckungspotenzials stehen dabei in Zusammenhang mit dem gewählten Ansatz. Institute, die einen Gone-Concern-Ansatz gewählt haben, können in das Risikodeckungspotenzial alle Kapitalbestandteile einbeziehen, die im Fall einer möglichen Liquidation verlustabsorbierend wären. Dagegen geht die Definition des Risikopotenzials bei Instituten mit Gone-Concern-Ansatz von der aus Säule eins (SolvV) stammenden Nomenklatur der Eigenmittel aus. Als Risikodeckungspotenzial dient also höchstens der nach Abzug aufsichtlicher Kapitalanforderungen verbleibende und bei Fortführung verfügbare Teil des Kapitals.


Periodisches Verfahren

Unter die periodische bzw. Bilanz- und GUV- orientierte Ermittlung des Risikodeckungspotenzials kann letztlich auch die Ermittlung der regulatorischen Eigenmittel subsumiert werden, weil sich die darin einzubeziehenden Komponenten ebenfalls aus Größen der externen Rechnungslegung ableiten. Zur Ermittlung des Risikodeckungspotenzials nach dem periodischen Verfahren werden die Nettogewinne des Geschäftsjahres verwendet. Das bilanzielle Eigenkapital, das Planergebnis des nächsten Geschäftsjahres, sowie die realisierbaren stillen Reserven werden dem Ergebnisrisiko des Geschäftsjahres im Sinne einer Aufwandserhöhung oder Ertragsminderung gegenüber gestellt.[3] Dieses Verfahren stellt sehr stark auf die handelsrechtlichen Ergebnisse des Geschäftsjahres ab. Rückstellungen, Standardrisikokosten, Übergewinn, Mindestgewinn, stille Reserven, offene Reserve, Rücklagen, gezeichnetes Kapital, sowie Ergänzungskapital bilden additive Bestandteile, wobei die genaue Zusammensetzung vom Umfang des Risikodeckungspotenzials und von der jeweiligen Entscheidung des Vorstandes abhängig ist.

Barwertorientiertes Verfahren

Bei der barwertorientierten Bestimmung des Risikodeckungspotenzials steht der Nettobarwert im Mittelpunkt. Ist dieser Nettobarwert positiv verfügt die Institution über einen positiven Vermögenswert. Dieser Vermögensüberhang kann im Sinne des Risikodeckungspotenzials als Verlustpuffer eingesetzt werden. Falls ein Going-Concern-Ansatz gewählt wird, setzt sich das Risikodeckungspotenzial aus dem Substanzwert und dem als wahrscheinlich angenommenen Vermögenszuwachses des aktuellen Geschäftsjahres zusammen. Die Ermittlung des Substanzvermögens erfolgt über die Bewertung aller Aktiv- und Passivpositionen zu aktuellen Marktwerten. Für jene Bilanzpositionen die über keinen unmittelbaren Markt- oder Börsenpreis verfügen, erfolgt die Bewertung mittels Discounted-Cashflow-Methode. Dafür müssen alle Positionen in ihre Einzel-Cashflows (Geldbeträge mit Vorzeichen und den entsprechenden Fälligkeiten) zerlegt und mit einem geeigneten Diskontierungszinssatz bewertet werden. Bei illiquiden Vermögenswerten wie beispielsweise Immobilien muss ein Marktpreis auf Grundlage von Vergleichswerten geschätzt werden. Um den Barwert richtig bestimmen zu können, sind auch erwartete Verluste angemessen zu berücksichtigen. Dies kann einerseits durch die Verwendung einer risikoadjustierten Zinskurve für die Diskontierung der prognostizierten Zahlungsströme erfolgen. Auf der anderen Seite können die prognostizierten Cashflows um die erwarteten Verluste korrigiert und mit einer risikolosen Zinskurve diskontiert werden. Performance bildet den Barwert, des als wahrscheinlich angenommenen Vermögenszuwachses während des betrachteten Planungshorizontes. Diese hängt ebenfalls stark von Modellannahmen und Diskontierungszinsen ab. Sämtliche Erträge und Aufwendungen müssen in der betrachteten Periode prognostiziert und anschließend z.B. mit Hilfe einer Value at Risk-Betrachtung auf das gewünschte Sicherheitsniveau korrigiert werden. Abschließend erfolgt das Aufaddieren zu einer Gesamt-Perfomance. Die barwertige Ermittlung des Risikodeckungspotenzials ist im Vergleich zur periodischen Ermittlung deutlich stärker von der Wahl geeigneter Modellannahmen abhängig. Dadurch können ehr Fehleinschätzungen entstehen.

Literatur

  • Gleißner, Werner: Grundlagen des Risikomanagements im Unternehmen.München 2008
  • Gleißner, Werner: Grundlagen des Risikiomanagements im Unternehmen.München 2011
  • Gleißner, Werner: Praxishandbuch Rating und Finanzierung: Strategien für den Mittelstand. München 2014
  • Menningen, Michael: Aufbau, Bestandteile und Problemfelder ökonomischer Risikotragfähigkeitskonzepte in Banken.Hamburg 2015
  • Schierenbeck, Henner; Lister, Michael; Kirmße, Stefan: Ertragsorientiertes Bankmanagement. Wiesbaden 2008
  • Wegmann, Jürgen: Betriebswirtschaftslehre mittelständischer Unternehmen: Praktiker-Lehrbuch. Oldenburg 2006
  • Gleißner, Werner: Fachartikel zum Thema Risikomanagement: http://www.werner-gleissner.de/publikationen-fachartikel-risikomanagement.php
  • Gleißner, Werner: Fachartikel zum Thema Rating/Finanzierung: http://www.werner-gleissner.de/publikationen-fachartikel-rating.php

Einzelnachweise