Benutzer:Roland Rattfink/Bugatti-Flugmotoren
Bugatti-Flugmotoren entstanden von etwa 1915 bis 1939; Ettore Bugatti entwarf diese Flugmotoren parallel zu den deutlich bekannteren Automobilen, anfänglich während des Ersten Weltkriegs in Paris für die französische Regierung, später – nach Kriegsende – wieder in seinem Unternehmen Bugatti in Molsheim im Elsass, einer Region, die nun – wie schon vor 1871 – wieder Frankreich angegliedert war.
Hintergrund
Ettore Bugatti, 1881 im italienischen Mailand geboren, hatte von 1907 bis 1909 für die Gasmotoren-Fabrik Deutz AG in Köln Verbrennungsmotoren und komplette Personenkraftwagen entworfen, war dort jedoch nach Meinungsverschiedenheiten über die Verwendung des Entwicklungsetats gegen Zahlung einer hohen Abfindung ausgeschieden. Vermittelt von dem Bankier Augustin de Vizcaya von der Darmstädter Bank hatte Bugatti in Molsheim die leerstehenden Gebäude einer Färberei gepachtet und am 1. Januar 1910 mit Unterstützung des französischen Mechanikers und Automobilrennfahrers Ernest Friederich sein eigenes Automobilbauunternehmen gegründet. Er kannte die Region, die seit 1871 zum Deutschen Kaiserreich gehörte, durch seine Zeiten als technischer Leiter des Automobilherstellers De Dietrich in Niederbronn (1902 bis 1904) sowie von Hermes-Simplex in Graffenstaden (1904 bis 1906). Erste Erfolge Bugattis hatten sich mit dem ab 1910 in Serie gebauten Type 13 eingestellt, ferner 1911 mit dem Verkauf der Lizenzrechte für den kleineren Bugatti Type 19 an Peugeot beziehungsweise Lion-Peugeot, wo er als Type BP („Peugeot Bébé“ der zweiten Generation) produziert wurde, ehe die Personenwagenfertigung mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 zum Erliegen kam.
Mit Kriegsbeginn war Ettore Bugatti mit seiner Familie zunächst aus dem Elsass nach Mailand geflüchtet. Bereits gegen Ende 1914 war er mit mehreren Zeichnern nach Paris gezogen und hatte im Mai 1915 seine Familie nachgeholt, nachdem nunmehr auch Italien in den Krieg eingetreten war. Für ihre Luftstreitkräfte benötigten die Kriegsparteien fortan leistungsfähige und zuverlässige Flugmotoren, die sich schnell und möglichst kostengünstig in großen Stückzahlen herstellen ließen. Gestützt auf seine Kreativität und die Erfahrungen im Entwurf auch großvolumiger Verbrennungsmotoren brachte auch Bugatti seine Vorschläge ein.
Bereits zuvor, möglicherweise schon ab etwa 1910, hatte sich Ettore Bugatti auch für Flugmotoren interessiert. Ein Auslöser war seine Freundschaft zu dem französischen Flugpionier Roland Garros, der als Testpilot für den 1911 gegründeten französischen Flugzeughersteller Morane-Saulnier tätig war, Langstrecken-Flugrekorde aufstellte, während des Ersten Weltkriegs zu einem der berühmtesten Jagdflieger wurde, aber in den letzten Kriegstagen selbst abgeschossen wurde und starb.
Die einzelnen Flugmotortypen
Ettore Bugatti entwarf im Laufe der Jahre immer wieder einzelne Flugmotortypen. Die bedeutsamsten und eigenständigsten Typen waren:
- der Bugatti-Achtzylinder-Flugmotor von 1915; Reihenmotoren mit gut 12 bis rund 14,5 Liter Hubraum und einer Leistung von 200 bis 250 PS
- der Bugatti U-16 von 1916; ein U-Motor mit zwei parallelen Reihen-Achtzylindern mit zusammen fast 24,5 Liter Hubraum und 450 PS Leistung
- der Bugatti Type 34 (U-16 von 1925); ein U-Motor mit zwei parallelen Reihen-Achtzylindern mit zusammen fast 34,5 Liter Hubraum und 700 PS Leistung
- der Bugatti Type 50B von 1938 für die Bugatti 100P / Bugatti 110P; Reihen-Achtzylindermotor mit gut 4,7 Liter Hubraum, Kompressoraufladung und etwa 480 PS; für den geplanten Einsatz im Flugzeug wurden zwei Triebwerke miteinander gekoppelt
- der Bugatti Type 60 von 1939; Reihen-Achtzylindermotor mit 4,1 Liter Hubraum und Vierventiltechnik
Gemeinsamkeit aller Bugatti-Flugmotoren war die technische Verwandtschaft mit den Automobilmotoren: Dementsprechend basieren Bugattis Motoren auf schlanken Reihenmotoren, die durch ihre kleine Stirnfläche aerodynamische Vorteile boten; sie unterschieden sich dadurch von den Sternmotoren, wie sie andere, zumeist nicht im Automobilbereich tätige Motorenhersteller nutzten. Im Gegenzug benötigten die leistungsstarken Bugatti-Flugmotoren eine Wasserkühlung (statt einer Luftkühlung), was sich nachteilig auf das Gewicht des Motors und den Schwerpunkt des Flugzeugs auswirkt.
Bedeutung erlangten die Bugatti-Flugmotoren vor allem durch die Vorwegnahme technischer Neuerungen. So übertrug Ettore Bugatti im weiteren Verlauf mehrere Ideen auf die von ihm gebauten und vielfach im Motorsport erfolgreichen Automobile, so die Mehrventiltechnik bei Viertaktmotoren, anfänglich mit drei, später mit vier (statt lediglich zwei) Ventilen je Zylinder, oder die Kopplung zweier Vierzylinder-Reihenmotoren zu einem mit acht Zylindern und zweier Achtzylinder zu einem Sechzehnzylindermotor. Auch dürfte Bugatti bei seinen Flugmotorstudien erstmals mit mechanisch angetriebenen Kompressoren in Berührung gekommen sein, die bei Flugmotoren eine hohe Motorleistung auch in großen Höhen bei dünner Luft gewährleisteten, die Bugatti im weiteren Verlauf aber auch erfolgreich im Motorsport einsetzte.
Neben den oben genannten Flugmotoren finden sich bei (Ettore) Bugatti weitere Entwicklungen mit Bezug zur Luftfahrt, mitunter nur in einzelnen Quellen und teils mit nach wie vor bestehenden Unsicherheiten. Hierzu zählen ein erster Vierzylinderreihenmotor mit gut 5,0 Liter Hubraum aus dem Jahr 1910, der vereinzelt als geplanter Flugmotor und Bugatti Type 12 bezeichnet wird und den Bugatti zwecks Erprobung bei der Prinz-Heinrich-Fahrt 1910 in einem älteren Chassis mit Kettenantrieb einsetzte. Ergänzend findet sich jeweils für 1939 als Bugatti Type 66 ein spezielles Antriebssystem für das geplante Flugzeug Bugatti 100P mit zwei Motoren des Typs 50B I und zwei gegenläufigen Propellern sowie als Bugatti Type 67 ein V-Sechzehnzylinder mit einem ungewöhnlichen Zylinderbankwinkel von 135 Grad und gut 17,5 beziehungsweise fast 22 Liter Hubraum.
Lizenznehmer und Einsatzbereiche der Bugatti-Flugmotoren
Bugatti-Flugmotoren in Technikausstellungen
Von Ettore Bugatti entworfene Flugmotoren beziehungsweise Weiterentwicklungen davon sind in mehreren bedeutenden Techniksammlungen ausgestellt, so
- im Musee de l’Air in Chalais-Meudon, 2 Rue des Vertuajadins in Meudon in Frankreich südwestlich von Paris,
- im National Air and Space Museum der Smithsonian Institution in Washington, D.C. in den Vereinigten Staaten sowie
- im National Museum of the United States Air Force in Dayton (Ohio) in den Vereinigten Staaten.
Literatur
- (Le commandant) Orthlieb: L’Aeronautique: Hier – Demain. Masson et Cie., Paris, Frankreich 1920 (französisch).
- Lionel S. Marks: The Airplane Engine. McGraw-Hill, New York, Vereinigte Staaten 1922 (englisch).
- Glenn D. Angle (Hrsg.): Aerosphere 1939. Aircraft Publications, New York, Vereinigte Staaten 1939 (englisch).
- R. Marchal: Moteurs d’Avions. Dunod, Paris, Frankreich 1946 (französisch).
- Hugh Conway: Bugatti – Le Pur-Sang des Automobiles. G. T. Foulis & Co., Sparkford, Vereinigtes Königreich, 3. Auflage 1975 (englisch).
- Pierre Dumont: Bugatti – Thoroughbreds from Molsheim. EPA, Paris, Frankreich 1975 (englisch).
- Griffith Borgeson: Bugatti by Borgeson – The Dynamics of Mythology. Osprey Publishing, London, Vereinigtes Königreich 1981 (englisch).
- Erwin Tragatsch: Das Große Bugatti Buch. Motorbuch Verlag, Stuttgart, Deutschland, 3. Auflage 1986.
- Emmanuel Chadeau: De Bleriot a Dassault: Histoire de l’Industrie Aeronautique en France – 1900–1950. Fayard, Paris, Frankreich 1987 (französisch).
Weblinks
- Jaap Horst: Bugatti Aircraft Engines. The Bugatti Revue (bugattirevue.com), abgerufen am 8. Februar 2021 (englisch).
- Hintergründe zu den Bugatti-Flugmotoren auf der Website des National Museums of the United States Air Force in Dayton, Ohio, Vereinigte Staaten, abgerufen am 8. Februar 2021 (englisch).