Benutzer:Saperaud/Warum Wikipedia

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Bei der Wikipedia nenne ich mich Saperaud und schreibe hier wie ich ticke und die Frage: Warum Wikipedia?


Warum Wikipedia? Versuch einer „Rechtfertigung“


Vorwort

Der folgende Text entstand mehr oder weniger durch Zufall in einem schwachen Moment, als ich einmal keine Idee für eine Arbeit an Artikeln hatte. Ich habe ihn jedoch deswegen nicht gleich gelöscht und sogar in manch anderen schwachen Moment noch erweitert. Dieser Text ist aber auch bei weitem noch nicht abgeschlossen oder „perfekt“, noch wird er es je sein. Er stellt eine Art „persönlichen Eindruck“ dar, den ich von der Wikipedia habe und führt einige Probleme und Chancen auf, die ich bei diesem Projekt sehe, keinesfalls jedoch mit dem Anspruch auf Vollständigkeit. Ich versuche auch darzulegen, warum ich mir überhaupt den Aufwand mache hier mitzuarbeiten, weshalb ich mich nicht von den vielen Widrigkeiten abschrecken lasse und was daher folglich meine Motivation hinter dem Ganzen darstellt. Um die Lesbarkeit zu erhalten, verzichte ich darauf hier lange Abschnitte zu konkreten Methoden, Problemen und Alternativen anzuführen, was eigentlich Sache der Selbstreflexion in der Wikipedia und der Wikipedistik wäre, welche jedoch an vielen Stellen eher etwas vor sich her dümpeln (wie so vieles).

PS: Andere Meinungsbilder und kleinere Analysen zu Sinn und Unsinn der Wikipedia finden sich in loser Auflistung bei den Benutzern TomK32 (Gedanken zur Wikipedia), Ulrich.fuchs (Wikipedia ist keine Datenbank), Thomas G. Graf (Beweggründe), Dishayloo (Probleme und Lösungsmöglichkeiten), Elian (Verschiedenes), Zeno Gantner (Gedanken zur Wikipedia), Tsor (Gedanken über Wikipedia), Demokratietroll (Demokratie), Hans-Peter Scholz (innere Kreise und auf Unterseite Eine Parabel), Aineias (Löschkandidaten), AlterVista, Asb (Meinungsfreiheit und geistiges Eigentum am Anschaungsbeispiel), Chef (Kategorien, Demokratie), Blubbalutsch (Diskussion), Pischdi (Noch mehr Gesabbel zu Verfahrensfragen), Wiska Bodo (alles mögliche), Stern (Anmeldungsmenetekel), Echoray (Internationalisierung) und natürlich in den einschlägigen Seiten des Handbuchs (Was Wikipedia nicht ist, Unsere Antworten auf Kritik, Wikiquette) oder auch den Meinungsbildern selbst. Ein wichtiger englischsprachiger Text ist assume good faith. Statistiken lassen sich hier finden.

Es ist nicht alles Gold was glänzt

Laienlexikon? Bäh!

Oft hört man es läuten, dass Wikipedia nichts tauge. Fehlerverseucht und unseriös sei dieses flickenbewährte Machwerk, da in der Regel nur unbezahlte Laien am Werk sind. Die Hobby-Enzyklopädiker würden nur ihre Lieblinge unter den Artikeln betreuen und alles, was wirklich einmal Arbeit macht, und etwas unangenehmer ist, soll unter den Tisch fallen.

Verlässlichkeit Fehlanzeige.

Man könne sich auf die Richtigkeit der Inhalte nicht verlassen, weshalb man jedes Detail kritisch hinterfragen und nachprüfen müsste, was jedoch kaum zu realisieren ist. Gerade Laien, die die Korrektheit eines solchen Artikels nicht einschätzen könnten, würden daher zu einer Verbreitung von Fehlern beitragen, vor allem da auch die Laienautoren nur das wiedergeben könnten, was unter Laien als richtig angesehen wird, aus Sicht der Fachwelt aber oft einen hartnäckigen Irrtum darstellt. An eine Zitation der Wikipedia in seriösem Schrifttum sei daher gleich gar nicht nicht zu denken, wobei dies schon durch die ständige Änderung der Inhalte und die unpraktische GFDL-Lizenz, mit der Pflicht zur Autorennennung, erschwert wäre.

Das Wissen der Welt? Hah!

Die Artikel seien meist zu kurz, informationsarm und würden zu schlecht gewartet bzw. überwacht. Ganze Themenfelder seien verarmt und bäten dem Leser nicht einmal eine Grundorientierung, während einzelne Artikel dieser Themenfelder – nicht selten zu vollkommen randwertigen Fragen – ganze Abhandlungen enthalten sollen. Textwüsten, die niemand versteht oder lesen will, ellenlange Listen die keiner braucht, orthografische Fehler, fehlende Literaturangaben und immer wieder auftretende Probleme mit dem Lizenzrecht seien an der Wikipedia-Tagesordnung. Echte Fachleute würden sich an der Wikipedia hingegen kaum beteiligen.

Insel der geordneten Erkenntnisse im Meer der unwissenden Chaoten? Weltfremde Idealisten!

Die Community der Wikipedianer soll durch Trolle in Schach gehalten und früher oder später von diesen paralysiert werden. Ja sogar unter gefestigten „Wikipedianern“ und selbst Administratoren seien Edit-Wars und ähnlich kindergartenhafte Phänomene keine Seltenheit. Manch Artikel soll sogar durch Kartelle von zwielichtigen Gestalten auf einem für den wissenschaftlichenCommon Sense“ unvereinbaren Niveau gehalten werden. Nicht wenige Esoteriker und Pseudowissenschaftler würden immer wieder und gerne im Rahmen ihrer „Internet-Forschung“ auf die Wikipedia verweisen und deren Artikel sollen daher in manch seriöseren Kreisen auch schon einmal ein ächzendes Stöhnen hervorrufen.

Ein Ziel, ein Weg und alles in Butter? Da weiß die linke Hand nicht, was die rechte tut, und wenn sie es doch wüsste, würde sie einen Löschantrag stellen.

Als ob dies alles kein Grund wäre, sich auf ein gemeinsames Ziel zu fixieren und dieses konsequent umzusetzen, sollen die Wikipedianer jedoch stattdessen zu umfangreichen Nichtigkeitsdiskussionen, zahlreichen Abspaltungen und Sonderprojekten mit oft gegenläufigen Entwicklungen neigen, wobei die angenehmen unter ihnen noch in Dingen wie der Kamelopedia münden sollen. Insgesamt soll die Wikipedia mehr abgestorbene Projekte und unverwirklichte Ideen enthalten, als sich ein einzelner Mensch im ganzen Leben ausdenken könnte. Auch die Diskussions- und Löschkultur soll vielerorts eher eine Mischung aus Standgericht und Kannibalismus ähneln als einer von gegenseitigem Verständnis und Rücksichtnahme geprägten Arbeitsatmosphäre. Dies würde zur Abschreckung von Neulingen führen, soll aber auch unter den eingefleischten Wikipedianern viel Mutlosigkeit und innere wie äußere Resignation hervorrufen. Da würden grundlos Helfer vergrault und am Ende sogar zu Feinden des Projekts gemacht – so sagt man.

Wir bieten das größte Lexikon, das die Welt je sah. Stimmt nicht, oft genug bietet man nur Fehlermeldungen.

Wer kümmert sich bei der Wikipedia eigentlich um Soft- und Hardware? Es soll hier Listen mit hunderten von bereits festgestellten Softwarefehlern und wohl noch mehr Ausbauwünschen geben, zu deren Abarbeitung nur eine vergleichsweise mikrige Truppe zur Verfügung stünde. Als Krönung zu derlei technischen Unwägbarkeiten würde die Finanznot des spendenabhängigen Projekts ins Spiel kommen, was in einer chronischen Überlastung der Server zu den Hauptansturmzeiten führen soll. Letztere wären jedoch aufgrund der internationalen Ausrichtung des Projekts in verschiedensten Zeitzonen zu keiner Tages- und Nachtzeit wirklich selten und daher das wenig beruhigende Motto "it's ready when it's ready" oft sehr zutreffend.

Fazit.

Alles in allem wäre es ein richtiges Wunder, dass die Wikipedia überhaupt existiert und sich auch noch genug „Deppen“ finden, die ihre Freizeit opfern um diese Projekt weiter auszubauen.

Stellungnahme meinerseits:

Dazu kann man viel sagen und als erstes sage ich bedingt: Ja!

Ein Für gegen das Wider

Warum Wikipedia?

Wikipedia taugt zwar auf jeden Fall für so einiges, doch existieren die oben angesprochenen Probleme eben auch wirklich und machen es einem in vielerlei Hinsicht nicht immer einfach. Genau das bringt eine freie Enzyklopädie aber gerade mit sich. Keine Expertengremien erstellen gute gesicherte Artikel und fabrizieren über Jahrzehnte und Jahrhunderte ein Kompendium des Wissens wie die Encyclopædia Britannica oder den Brockhaus, sondern interessierte Laien stellen über wenige Jahre ein umfangreiches, wenn auch angreifbares, enzyklopädisches Flickwerk auf die Beine. „Warum Wikipedia?“ Sicher eine wichtige Frage, aber auch eine die man nur sich selbst beantworten kann. Ich werde im Folgenden versuchen mir meine Antwort ansatzweise niederzuschreiben. Wer will, kann sich diese selbst Frage stellen, wobei es auch sicher effektivere Zeitvernichtsungsmaßnahmen gibt. Nun gut, hier kommt meine.

Perspektiven und Grenzen

Zwar wird der Flickenteppich mit der Zeit immer dichter und auch die Qualität der Artikel steigt immer mehr, da mit zunehmender Nutzerzahl auch ein fachliches Knowhow immer deutlicher wird, Fehler mit der Zeit schlichtweg auffallen und Artikel eher wachsen als schrumpfen, jedoch wird die Wikipedia nie die oberflächliche Vollständigkeit und vor allem die innere Abgestimmtheit eines mehrbändigen Druckwerks klassischer Art besitzen. Das ist es aber ja gerade, was es so reizvoll macht. Beim gezielten Stöbern wird man immer auf Sackgassen, fehlende oder doppelte Artikel, innere Widersprüche, Rechtschreibfehler oder inhaltliche Mängel stoßen. Ein Anreiz zum Ausbessern, Suchen, Vergleichen und letztendlich gerade dadurch auch zum Lernen, was in der Wikipedia durch die vielschichtig verlinkten Artikelebenen und weitreichenden Hyperlinks besser funktioniert als in einem staubtrockenen friss-oder-stirb bzw. glaubs-oder-bleib-dumm Almanach ohne „Diskussionsteil“. Die zentrale Frage lautet daher nicht welche Schwächen die Wikipedia hat, sondern wie sie mit diesem umgeht und worüber man spezifische Stärken entfalten kann.

In vielen Dingen ist die Informationsdichte der Wikipedia aber auch wesentlich höher als in anderen Enzyklopädien, beispielsweise wird nicht jedes Kuhdorf, aus dem ein Wikipedianer so stammt, derart detailliert im Brockhaus behandelt und auch unter den exzellenten Artikeln findet sich so manches Schmankerl. Das ist aber nicht alles, denn an unzählbar vielen Stellen des Wikipedia-Hinterhofs sind bereits Netzwerke des Wissens entstanden, die die Inhalte von Bücher mit Titeln wie „Einführung in die“ oder „Grundlagen der“ schon größtenteils weit hinter sich gelassen haben. Einen solchen Detailgrad bei einzelnen, thematisch oft randwertigen Artikeln kann und will eine klassische Enzyklopädie aber auch nicht erreichen, denn sie muss die Artikel nach ihrer Wichtigkeit im Umfang proportionierten und illustrieren sowie am Ende auch Geld verdienen. Sie kann sich also im Gegensatz zur Wikipedia nicht danach richten, ob der Verfasser nun viel zum Artikel schreiben könnte oder unzählige gut Abbildungen besitzt. Oft will man dies aber auch aus anderen Gründen nicht und hat es lieber eine kryptische Informationsdichte zu bieten, als im Einzelfall einen Artikel hinzunehmen, der so auch aus einem Lehrbuch stammen könnte. Gerade die Hobbies und speziellen Interessen der Wikipedianer fließen jedoch primär in die Wikipedia ein und führen auch zu Artikeln, welche eher schon an eine umfassende Abhandlung als eine komprimierte Begriffsklärung erinnern. So kann man in einzelnen Artikeln, wenn auch nicht in ganzen Fachbereichen, einen Detailgrad und eine Aktualität erreichen, die es sonst so nirgendwo im Internet gibt. Ob dies nun gut oder schlecht ist, ob es sich um Artikelverfettung oder eine sinnvolle und mit dem Konzept einer Enzyklopädie vereinbare Erweiterung handelt, da herrscht heillose Uneinigkeit.

Vielfalt mit Biss

Da oftmals viele Begriffe zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen doppelt und dreifach mit verschiedenen Bedeutungen belegt sind, kommt die Interdisziplinarität und teilweise recht naive „Unvoreingenommenheit“ (Vorurteile gibt's freilich reichlich) der Wikipedia-Gemeinde der Qualität der Artikel zugute. Viele Widersprüche tun sich erst dann auf, wenn ein Physiker, ein Mathematiker, ein Chemiker und ein kompletter Laie zusammen an einem Artikel knobeln oder einen Begriff definieren wollen und es am Ende jeder von ihnen auch verstehen soll. Die Wikipedia bietet diese Möglichkeit und es bleibt so hoffen, dass sie in Zukunft eine breite Verwendung finden mag. Ein für die Zielgruppe der Wikipedia nicht lesbarer oder kaum verstehbarer Artikel, hat für diese nämlich keinen Wert, ob er nun fachlich einwandfrei oder mal eben erfunden wurde. Unschön wird es beim Verfassen der Artikel immer dann, wenn der Laie allein vor dem Artikel steht und die Fachleute, mit welchen sich ein so wunderbarer Artikel machen ließe, gerade ihren a priori Wikipediaurlaub haben (also noch nicht da sind). Durch solche Probleme wird das Schreiben zwar schwerer und es sind immer irgendwo Fehler versteckt, aber es wird auch facettenreicher und strotzt vor Herausforderungen, die einem im normalen Alltag höchst selten begegnen und an welchen man in der Regel auch selbst wächst. Ich habe aber auch schon in alt-ehrwürdigen Enzyklopädien genug Artikel gefunden, die ihrem Anspruch diesbezüglich kaum gerecht wurden, da sie viel zu unverständlich, zu fachspezifisch, oder durch fehlende interdisziplinäre Reflektion schlichtweg falsch bzw. grob unvollständig waren.

Der zentrale Aspekt der Wikipedia ist aber folgender: auch wenn alles Wissen in anderen Quellen und Spezialwebsites umfangreicher und genauer sein sollte, so kann doch die Wikipedia Verknüpfungen herstellen, die ihnen fehlen. Der Sprung von einem physikalischen Gesetz zum Artikel seiner Erfinder und von dort wiederum zum historischen Hintergrund oder den Anwendungen in der Technik ist überall schnell und einfach mit einem [[]] gemacht. Jedes Detail, dass in der gedruckten Literatur aus Platzgründen oft maximal Erwähnung findet, kann hier potenziell verlinkt werden, inklusive allen Sub-Details, die im verlinkten Artikel verlinkt sind. Dies war immer der zentrale Ansatz der Enzyklopädie, tausendfach vereinfacht und beschleunigt durch Hypertext und weltweiten Informationsaustausch innerhalb von Sekundenbruchteilen. Diese Technologie besitzt freilich eine allgemeine Bedeutung, ihren „revolutionären Charakter“ erreicht sie jedoch erst, wenn ausreichend viel Wissen vorhanden ist und dieses auch strukturiert verknüpft werden kann. Den ersten Punkt können andere Enzyklopädien meines Erachtens nicht erreichen (auch wenn es ihnen zu wünschen wäre), beim zweiten Punkt hat das Internet versagt.

Über die genauen Methoden, um dieses Ziel zu ereichen, kann und soll man sich streiten, den Weg, den die Wikipedia eingeschlagen kritisieren und von mir aus auch ablehnen, die Faszination die von dieser greifbaren und heute nicht mehr einfach utopischen Idee ausgeht, diese eint alle.

Aktualität mit Hintergrund

Bei Wikipedia wird jeder kleine Artikel zu einem Randthema wie Tsunami oder Kardinal Ratzinger binnen kürzester Zeit eine passable Abhandlung, sobald das Interesse an ihnen steigt. Diese Reaktionsfreudigkeit zeigen Bücherregal-Enzyklopädien und auch deren Gegenstücke auf CD eher selten und wenn schließlich die Wikipedia einen Detailgrad und eine Aktualität erreicht, dass sogar Spiegel Online und Co. offen anfangen abzuschreiben, so sind dies sehr eindeutige Signale. Nicht unbedingt Signale, das Wikipedia hier in jedem Fall unschlagbar gut ist – man findet auch in den am meisten exponierten Artikeln noch Schwächen – viel mehr aber das Wikipedia gebraucht wird, das dieses Projekt bzw. die Idee und das Engagement das hinter ihm steht bereits überfällig ist und dass es eben auch sinnvoll ist und einen gesellschaftlichen Nutzen entfaltet.

Unwissenheitsvervielfältiger oder Wissensspender?

In der Wikipedia weiß ein jeder, was er zu erwarten hat und dass schon der nächste Artikel die Wüste Gobi der Unwissenheit bedeuten kann, gehört zu den ersten Erkenntnissen, die einem die Wikipedia auch als Nur-Leser bietet. Doch was resultiert daraus? Ein Kopieren der Unwissenheiten ist sicherlich möglich, aber schon beim nächsten Link wird man eines besseren belehrt und allgemein hält sich der Schaden in Grenzen. Untersuchungen zur Selbstreinigung der Wikipedia bringen erstaunlich gute Werte hervor, wenn auch keine fünf Minuten, wie oft behauptet. Auch ich selbst musste das bei vielen von mir erstellten oder bearbeiteten Artikeln feststellen – teilweise zu meinem Leidwesen. Man erreicht das vor allem dadurch, dass die Vorsicht gegenüber den Inhalten der Artikel ungemein größer ist als in anderen Machwerken und viele besonders schreibtüchtige Administratoren ihr Auge auf die Inhalte werfen, um die Wikipedia davor zu bewahren, regelrecht zugemüllt zu werden. Im Regelfall beobachtet aber jeder Wikipedianer die von ihm erstellten oder bereicherten Artikel auf fehlerhafte Änderungen hin, was wohl die effektivste Artikelinterne Kontrollinstanz der Wikipedia darstellt. Auch diese ist nicht perfekt, nach eigener Erfahrung bleibt schätzungsweise jeder zehnte absichtlich platzierte Unfug unentdeckt, jedoch möchte ich mal wissen, wie diese Quote unter ähnlichen Voraussetzungen bei anderen Projekten aussehen würde. Von daher kann Wikipedia vielleicht nicht ausgleichen, was allgemeine „Volksverdummung“ (der Begriff selbst ist ein Ergebnis derselben aber jeder wird wohl wissen, was damit gemeint ist), Zerstörungswut und Langeweile so alles an Störenfrieden hervorbringen, sie erstickt jedoch auch nicht daran und kann diese Effekte trotz großer Anziehungskraft meist abfedern.

Doch auch ganz allgemein, ohne diese Querelen überhaupt zu berücksichtigen und für alle Wesen, die sich zur Wikipedia verirren, gelten die wichtigsten Tugenden des Wissensdurstigen, die da wären?

Neugier und Skepsis natürlich. Allzu großes Vertrauen in die Fachleute der Enzyklopädie kann einem zwar helfen einen Begriff schnell zu klären, ein richtiges Verständnis der Inhalte und vor allem das dafür notwendige Inventar des Forschungsreisenden vermitteln einem solche recht steifen Wissensroboter wie der Brockhaus jedoch nicht, zumindest nicht, wenn man die Artikel nicht selbst verfasst, was höchst selten der Fall sein dürfte. Doch auch allein schon der Effekt der Verbreitung, dadurch das die Wikipedia noch ohne Werbung frei zugänglich ist und auf Hyperlinks mit unzählige Möglichkeiten zum Quervergleich und zur Aufbauweise in Ebenen basiert, hat es in den vergangenen Jahren enorm wachsen lassen. 300.000 Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia stellen schon einen denkwürdigen Meilenstein dar und jeder, der ein solches Projekt für ein reines Freizeitvergnügen einiger Wissens-Fundamentalisten (Nerds) hält, sollte sich diese Zahl einmal auf der Zunge zergehen lassen, von den über 750.000 Artikeln in der englischsprachigen Wikipedia einmal ganz zu schweigen. Heute stellt Wikipedia für viele Menschen eine Top-Anlaufstelle für verknüpftes Wissen dar.

Vor Assoziationen kann man sich bei der Wikipedia nicht retten. Selbst Google läuft man schon des öfteren den Rang ab, wenn man nur bedenkt, wie viele der bei Google aufgelisteten Links direkt oder indirekt in die Wikipedia münden. Das wird auch deutlich, wenn man mal unter Google etwas sucht und feststellen muss, dass sich immer wieder die gleichen Wortlaute wiederholen, natürlich mit dem obligatorische Wikipedia Verweis irgendwo versteckt weit unter dem Artikel. Stellenweise stammt jede dritte Suchmeldung bei Google von Wikipedia, wobei die Artikel hier nicht einmal die creme délà creme des Wikipedia Potentials darstellen. Als Wermutstropfen lässt sich jedoch auch feststellen, dass viele Artikel selbst nur durch 'heruntergoogeln' entstanden sind und somit Wikipedia und Google tatsächlich sogar noch eine Dimension mehr gemeinsam haben können, was aufgrund des Urheberrechts und der Quellenvielfalt nicht immer ganz koscher ist. Es stimmt recht nachdenklich, wenn man einen Artikel verbessern will und trotz gründlicher Internetrecherche zum Thema oft nur Texte findet, die wiederum auf dem Artikel basieren, den man ja eigentlich ausbessern will, da er Fehler enthält oder unvollständig ist. Ein Suchprinzip, das auf der Anzahl von Verweisen, also sozusagen dem Grad der Beliebtheit basiert, ist natürlich immer anfällig für Monopolstellungen beliebter Websites und hier entwickelt sich die Wikipedia zunehmend zur beliebtesten Website von allen. Schnell entfernt man sich dann auch von der allwissenden Müllhalde und greift zum gedruckten Informationsmaterial, wobei ich sagen muss, dass mein Konsum an solchem trotz oder gerade wegen der Wikipedia eher zunimmt, was durch den oben beschriebenen Sachverhalt ja auch einleuchtet.

Community?

Was ist mit der vielbeschworenen Community? Na ja, also ehrlich gesagt: keine Ahnung. Wer da welche Projekte an welchem Ende der Wikipedia oder ihrer zahlreichen Schwesterprojekte in welcher der unzähligen Sprachen beginnt, in den Sand setzt oder gerade zur vollen Blüte treibt, das kann am Ende keiner mehr wissen, denn diese Entwicklung besitzt eine viel zu hohe Eigendynamik. Eines kann man aber sagen: die Community lebt, ist meist recht aktiv und so wird es in absehbarer Zeit wohl auch bleiben. Was gibt es noch anzufügen? Nichts.

Quo vadis Wikipedia?

Welches Resümee soll man ziehen? Ich will hier keine pro-contra Diskussion oder gar Abstimmung starten, wie es bei Wikipedia Sitte ist. Ich will auch nicht das geschriebene noch einmal grob wiedergeben, denn es war ja schon sowieso auch im Haupttext nur recht grob angedeutet. Allen Verächtern, Skeptikern, Nur-Lesern, Mithelfern und fanatischen Anhängern, sofern diese hier lesen, sei aber gesagt:

Wikipedia und Konsorten werden ihr „Ding“ drehen, wem es nun passt oder nicht ist dabei am Ende von marginalem Interesse. Was bedeutet aber Marginal bei einem solchen Projekt? Es heißt, dass jeder ein paar Artikel, ein Quäntchen der Wikipedia mitgestalten kann oder auch nicht, je nach eigenem Gutdünken und das dieses Quäntchen für sich genommen durchaus einen wichtigen Beitrag für abertausende Leser darstellen kann.

Die Wikipedianer

Für alle engagierten Wikipedianer existiert eine Art Grundprinzip: Wikipedianer sind Freiwillige für die gute Sache des „freien Wissens“. Doch müssen sie auch selbst von dieser guten Sache überzeugt sein, um diese effektiv vertreten zu können. Auch müssen sie die Fähigkeiten haben, diese gute Sache zusammen mit vielen anderen zu realisieren, wobei eben Kompromisse zwischen der eigenen Wunschvorstellung und dem letztendlichen Resultat nötig sind. Ich schrieb von den Chancen, der Faszination und den utopischen Ideen die plötzlich durch die Wikipedia realisierbar erscheinen (oder nach Meinung einiger realisierbar gewesen wären): einen diese wirklich? Leider nein.

Das gemeinsame und eigentlich höchst harmonisierende Grundprinzip tritt leider in der Praxis immer wieder in den Schatten personalisierter und oft randwertiger Probleme. Hier müssen also noch Lösungen gefunden werdem, um auch in drei Monaten noch alte Hasen zu haben und kein Karussell aus anfänglicher Begeisterung, späterer Ernüchterung und letztendlicher Resignation zu etablieren. Einen Artikel zu verlieren kann die Wikipedia leicht verkraften. Einen tatkräftigen Mitarbeiter einzubüßen ist im Gegensatz hierzu jedoch ein nicht wieder gut zu machender Verlust, den man kaum in Gold aufwiegen kann. Warum bewegt sich aber die Anzahl der wirklich aktiven Mitglieder trotz einer hohen Zugriffsrate und hundertausenden von Nutzern bei nur rund 500 Personen?

Jeder wirklich aktive Nutzer, der ein Stück Herzblut in das Projekt investiert hat, erreicht hin und wieder einen Punkt, an dem das harmonierende Grundprinzip der Wikipedia mal nicht mehr ausreicht und die Frustration einen Höhepunkt erklimmt. Viele springen an diesem Punkt ab und nutzen ihr „right to leave“, das jedem bei der Wikipedia offen steht. Auch die zeitliche Beanspruchung kann zum Einstellen einer langen Mitarbeit führen. Es gibt viele Gründe hierfür. Oft sind diese Gründe jedoch sehr unschöner und vor allem unnötiger Natur. Das zu ändern liegt im Einflussbereich eines jeden Wikipedianers.

Möchte man sich an der Wikipedia nicht mehr beteiligen, weil man sich zum Beispiel auf den Schlips getreten fühlt, da der eigenen Lieblingsartikel gelöscht wurde, weil die anderen Wikipedianer nicht ganz so begeistert waren die eigene Lebensgeschichte bei der Wikipedia zu implementieren oder andere Nutzer Kritik an der Art und Weise üben, wie man einen Artikel schreiben will (bespielsweise ohne Leerzeichen zwischen den Wörtern), so hat man immer das „right to leave“. Dieses Recht kann und wird einem ganz unabhängig von der Ursache des Rückzugs nicht streitig gemacht, auch wenn viele Wikipedianer sich gegenseitig schätzen und sich nur mit viel Bedauern ziehen lassen. Wenn man jedoch merkt das jemand nur sich selbst und andere geißelt, so kann ein derartiger Rückzug auch begrüßt und im Extremfall sogar aktiv herbeigeführt werden.

Es gibt eigentlich unzählige Vorschläge und auch einige Initiativen, wie die Wikipedianer für Inhalte, welche sich um eine Verbesserung der Situation bemühen. Finden sich genug Helfer, die eine Form der Wikipedia, ihrer Diskussionskultur und ihrer Artikelqualität hoch halten, welche das Ziel und das Grundprinzip der Wikipedia zur erreichbaren Maxime machen, so wird sie gedeihen und nach der kritischen Massengrenze auch irgendwann die kritische Qualitätsgrenze überschreiten. Wo diese liegt und was wir wie tun müssen um diese zu erreichen, kann einem freilich keiner sagen, wobei der beste Tipp wohl lautet: gute Artikel schreiben. Über den gegenteiligen Fall, also das sich nicht genügend solche Nutzer finden, will ich aber lieber keine Spekulationen anstellen, denn ich halte es letztendlich für unwahrscheinlich, als auch kontraproduktiv dieses zu tun. In Anbetracht der Probleme, die sich in der Zukunft unseres Planeten jedoch ergeben werden, hielte ich es für ein Armutszeugnis, wenn wir es nicht einmal schaffen würden eine Plattform für freies Wissen zu erhalten und in ihr eine Atmosphäre zu erzeugen, welches es angenehm und lohnend macht sich hier engagieren.

Die Wikipedia

Selbstverständlich kann eine freie und spendenabhängige Enzyklopädie nicht derart viele professionelle Multimediaschnittstellen, redaktionelle Mitarbeit und innere Geschlossenheit besitzen, wie ein kommerzielles Produkt. Dazu reichen weder Serverkapazität, noch Kenntnis und Möglichkeiten der Wikipedianer aus. In Anbetracht dessen ist der Anteil an Bildern (es sind wohl insgesamt, also mit allen Projekten etwa eine Million), die Qualität und Vielfalt der Artikel jedoch sogar überraschend hoch. In der Tat ist diese in vielen Teilen so hoch, dass Teile der Berichterstattung schon mehr in der Wikipedia sehen, als sie aus einer realistischen Perspektive heraus gesehen wirklich ist. Wenn Wikipedianer das Wort „Enzyklopädie“ und „Wikipedia“ in einem Satz nutzen, so meinen sie eigentlich eher „Projekt zur Erstellung eines enzyklopädischen Wikis“. Wikipedia will und kann keine Enzyklopädie nach Art des Brockhaus sein, ist aber dennoch vom Gedankengut Diderots, d'Alemberts und damit der Aufklärung beseelt. Es ist nicht entscheidend ob man nun z. B. oder zum Beispiel schreibt, ob man mal ein wir anstatt des mans benutzt, ein Beispiel anführt oder eine etwas ausführliche Erklärung ansetzt anstatt sich nur auf das Allernötigste zu begrenzen. Entscheidend ist, dass die Leser am Ende etwas mit den Artikeln anfangen können, dass sie einen Begriff verstehen und richtig anwenden und das die Frage, die dazu führt, dass man etwas ins Suchfeld eintippt, auch beantwortet wird. In der Zukunft wäre es auch schön sich mehr und mehr auf diese Antwort verlassen zu können. Dies geht jedoch nur, wenn es auch Nutzer gibt, die Antworten verfassen, prüfen und korrigieren, anstatt nur nach diesen zu suchen. Die Frage, wie sich die Wikipedia in Zukunft entwickeln wird, ist daher auch nahezu identisch zur Frage, ob sie weiterhin in der Lage ist Menschen für die Idee der Wikipedia zu begeistern bzw. bereits begeisterte Wikipedianer auch weiterhin zu halten.

Schlussbemerkung

Letztendlich sind der Reichtum an verschiedenen Facetten, schreibwütigen Hobby-Wikipedianern, selbsterstellten Bildern und das enorme quantitative wie qualitative Zukunftspotential Dinge, die die Wikipedia unter allen anderen Enzyklopädien auszeichnet, denn Wikipedia wird nicht vom verdienten Geld, sondern vom akkumulierten Wissensdurst am Leben erhalten und wenn es etwas gibt, dem man in unserer so komplizierten Welt einmal bedenkenlos zustimmen kann, dann ist es dieser. Weiter so!

PS: Der Bereich „Aufklärung und Wikipedia“ wurde aufgrund seiner Länge und seines Kalibers auf eine gesonderte Seite verlegt.