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Regierung ohne Volk (Weidenfeld)

Regierung ohne Volk – warum unser politisches System nicht mehr funktioniert ist ein politisches Sachbuch der Wirtschaftsjournalistin Ursula Weidenfeld, das die Zielstellungen, Auswirkungen und Ergebnisse der deutschen Politik analysiert. Im Feuilleton und in den Medien hat das Buch keine größere Beachtung gefunden, weil es nicht in den politischen „Mainstream“ passt.

Inhalt

Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel, in denen die einzelnen Politikfelder abgehandelt werden. In einem achten Kapitel werden Lösungsvorschläge unterbreitet.
1. Die Ohnmacht der Anderen
Beklagt wird der Machtzuwachs der Regierung (Exekutive) und den Machtverlust des Parlaments (Legislative), wodurch sich viele Bürger von den gewählten Politikern nicht mehr repräsentiert fühlen. Dadurch entsteht eine neue außerparlamentarische Opposition.

2. Angela Merkel und die drei Todsünden der Demokratie
Durch die asymmetrische Demobilisierung werden auch die politischen Anliegen der Opposition übernommen und der Wettbewerb der Parteien ausgehebelt. In diesem mangelhaften politischen Wettbewerb liegt der Verdruss der Bürger am politischen Establishment begründet. Im permanenten Krisenmodus schlägt die Stunde der Exekutive und die repräsentative Demokratie wird ausgehebelt. Politische Grundhaltungen von Politikern sind nicht mehr gefragt. Merkel handelt und entscheidet als Präsidialkanzlerin und stützt sich dabei auf den Hinterzimmer-Konsens. Grundsätzliche Fragen, wie bei der Kandidatensuche für die Bundespräsidentenwahl oder der Umgehung des Vermittlungsausschusses bei Bund-Länder-Fragen, werden dabei im kleinen Kreis anstelle einer öffentlichen Debatte im Parlament ausgehandelt.

3. Die entmündigten Volksvertreter
Weil mehr als die Hälfte der Abgeordneten über Landeslisten ins Parlament einziehen, fühlen sich die Parlamentarier ihrer Partei mehr verpflichtet als den Wählern.

4. Staatsversagen
Der Glaube an die Einhaltung der Regeln des Rechtstaates erodiert. Wegen der ständigen Rechtsbeugung durch Regierung und Behörden schwindet der Glaube an die Rechtsordnung. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet anstelle der Politiker. Beispiele: Unbestimmter Rechtsbegriff bzw. Unfähigkeit des BAMF. Nur unparteiliche Behörden können dem Gemeinwohl dienen.

5. Was die Krise des Journalismus und die Krise der Demokratie miteinander zu tun haben
Zum einen ist die Anpassungsbereitschaft vieler Journalisten an die herrschende Politik zu beklagen und dass die Medien zu Mitgestaltern der Politik geworden sind. Journalisten machen sich zu Dienern einer vermeintlich guten Sache und haben dadurch die notwendige professionelle Distanz zur Politik und zum Ereignis verloren. Auf der anderen Seite ist die Einmischung der Politik in die öffentlich-rechtliche Medienlandschaft zu beklagen.

6. Tue nichts Böses: Die Neben-Demokratien
Die Nichtregierungsorganisationen (NGO) sind demokratisch nicht legitimiert. Durch die Änderung der Sprache wird Einfluss auf das Rechtsempfinden genommen.

7. Der Staat im Saat: Wirtschaft vs. Demokratie
Der Machtverlust der demokratischen Institutionen wird dann von den Unternehmen und Banken ausgenutzt. Durch die Globalisierung können internationale Unternehmen die Gesetzgebung der Staaten beeinflussen. Die multinationalen Konzerne achten nicht mehr die Souveränität der Nationalstaaten, gekennzeichnet durch Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt.

8. Die Lösung
Die Legitimationslücke, die verschiedene Institutionen betrifft, muss geschlossen werden. Der Ausschluss von immer größeren Gruppen der Bevölkerung muss beendet werden. Im 21. Jahrhundert sind die westlichen Demokratien verunsichert, ob sie für andere Regionen der Welt überhaupt noch ein Zukunftsmodell sind.

  • Zu Europa: Jedes Land sollte frei seine Interessen und Bedürfnisse gestalten, aber gemeinsames Handeln bei den wichtigen Kernbereichen. Bessere demokratische Legitimation der EU-Behörden.
  • Zur Regierung: 1. Hier plädiert sie gegen eine große Koalition und findet selbst eine Minderheitsregierung besser, damit durch eine starke Opposition alternative Politikvorschläge entwickelt werden können. – 2. Politik muss mit festen politischen Vorstellungen verbunden sein und keine plötzlichen Richtungsänderungen vornehmen (z. B. beim Atomausstieg) – 3. Als die staatlichen Institutionen unter der Flüchtlingskrise zusammenbrachen, schlug die Stunde der Zivilgesellschaft. Diese kann die beklagte Spaltung der Gesellschaft verringern oder überwinden. Ein kontinuierlicher Dialog mit den Wählern und die Vermeidung von Sprachverboten als Vorbote von Denkverboten sind wichtig.
  • Zum Parlament: Wichtig wäre eine Stärkung der Direktmandate.
  • Zur kommunalen Selbstverwaltung: Bürgermeister und örtliche Verwaltungen stärken, diese müssen für die Masse der Menschen da sein und nicht nur für die wenigen politisch Engagierten (Bürgerbewegungen u. ä.). Schulen sollten als prägende Institutionen vor Ort erhalten bleiben (Vorbild: Sprengelschulen in Südtirol). Das Sicherheitsbedürfnis der Bürger sollte durch die Präsenz der Polizei verbessert werden. Ideen und Projekte der Bürger vor Ort besser unterstützen.

Zitate

  • Zur Politik von Angela Merkel: „Die Kanzlerin hat die Demokratie geschwächt, um realpolitisch voranzukommen. Sie hat die Große Koalition zum Prinzip effizienten Regierens gemacht und damit die gewählten Abgeordneten zu Statisten degradiert.“ (S. 31)
  • Zum Wesen der Demokratie: Es ist das Wesen der Demokratie und des Staates, sich zu verändern…. Gemeint ist damit aber nicht, dass eine einzige Person und ihr Mitarbeiterstab dieses Provisorium nach eigenem Geschmack vorantreiben sollen. (S. 32)
  • Zu Pegida und der „Lügenpresse“: „Jetzt wurde den Journalisten die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs streitig gemacht. Die Presse und die Politik auf der einen, die Menschen auf der anderen Seite der Barrikade: So wurde aus einer Auseinandersetzung um die Flüchtlingspolitik … auch ein sehr grundlegender Streit um Repräsentation und Partizipation.“ (S. 170)
  • Zum mangelhaften politischen Wettbewerb der Parteien: Die Wähler wissen nicht mehr, „wen sie wählen können, wenn sie mit dem rot-grün-schwarzen Einheitsgericht nicht zufrieden sind.“ (S. 46)
  • Zum Wirken von Nichtregierungsorganisationen: „Der Wunsch Gutes zu tun und dabei politisch zu wirken, findet immer mehr Anhänger… Die Nichtregierungsorganisationen haben ein Problem mit der Demokratie. Und die Demokratie hat ein Problem mit den Nichtregierungsorganisationen. Sie wissen es nur noch nicht. Hunderte neuer Stiftungen und Initiativen wurden … allein in Deutschland gegründet…. Sie geben sich sozial, aber nur wenige von ihnen vertreten die Interessen der Unterschicht. (S. 187/88)
  • Zum Aushebeln der Demokratie durch die Wirtschaft: „Der Souverän bemerkt die Verschiebung der Machtverhältnisse und reibt sich die Auge. Hat nicht mehr er das Sagen innerhalb der Grenzen seines Landes? … Das Ansehen von Managern in Unternehmen und Banken ist miserabel… Übel genommen wird den Unternehmensführern ihre Anmaßung. In der Finanzkrise erzwangen sie den Bruch mit dem ehernen Gesetz der westlichen Wohlfahrtsstaaten: Die Starken helfen den Schwachen. (S. 225)
  • Zur Legitimationskrise der politischen Klasse: „In Europa war die Staatsschuldenkrise der Grund für den Ausbruch der Legitimationskrise, in Deutschland war es der Zustrom von Flüchtlingen …. Die Regierenden entscheiden, ohne das Volk zu beteiligen. Jahrelang haben die Gewählten das nicht wahrgenommen. Sie verwechselten das Schweigen mit Akzeptanz.“ (S. 247)

Rezeption

Die Analyse ist sehr gut, die vorgeschlagenen Lösungen der Problematik sind nur teilweise zielführend bzw. realisierbar. Sie gehen an der Hauptursache der Politikverdrossenheit vorbei, wieder eine Politik für die Mehrheit des Volkes zu machen, anstelle immer mehr Minderheiten durch Sonderstellungen zu bedienen. [1] [2] [3] [4] [5] [6]

Ausgaben

Einzelnachweise

[Kategorie:Sachbuch (Politik)]]