Benutzer:Septentrion/Hälde
Hälde
Die Hälden-Forschung ist ein privates Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Universität Karlsruhe, das sich seit 1990 mit der Frage beschäftigt, ob es megalithische Cairns auch im Süden bzw. in den Mittelgebirgsregionen Deutschlands gibt.
Durch vom LDA genehmigte Grabungen an diesen Bauwerken gelang es, Mauern und Gänge freizulegen, die alle wesentlichen Merkmale einer Cairn-Architektur aufweisen und damit in ihren Bauprinzipien den Cairns in West- und Nordeuropa entsprechen. Sie haben wie diese einen Baukörper aus überwiegend trocken gesetzten Steinmauern, die auch mit Lehm verstärkt sein können. In diese massiven Bauwerke führen schmale Gänge in Dolmenform mit Felsplatten als Decke. Auch in den Wänden können große Felsplatten verbaut sein. Beim Bau wurde kein Mörtel verwendet (Bild 1). Am besten erforscht ist die Sommerhälde Kürnbach/Baden.
Die Hälden sind dennoch in der Fachwelt umstritten, da bislang keine datierbaren Funde in den Gängen, den vermuteten Grablegen, gemacht werden konnten. Damit haben die Privatforscher das gleiche Problem, wie staatliche Archäologen im ganzen europäischen Verbreitungsgebiet der Megalith-Kulturen: Die Gänge und Dolmen megalith-kultureller Steinbauten sind oft genug fundleer. Deshalb ist die Cairn-Forschungsgesellschaft sehr froh, dass die Universität Karlsruhe 2004 ihre Zusammenarbeit angeboten hat. Das geophysikalische Institut stellt dem Forschungsprojekt seine Messinstrumente und Fachleute zur Verfügung. So wurden vor allem 2005 und 2006 umfangreiche geomagnetische und geoelektrische Messungen durchgeführt, die, wie die italienische Altertumsforschung der 50er und 60er Jahre des 20. Jhs., der Detektion von Grabkammern dient. Die Italiener konnten mit der geoelektrischen Methode an die 5000 etruskische Grabkammern entdecken und freilegen. Während das geodätische Institut den größten Cairn im Kraichgau, die Zwerchhälde im württembergischen Sternenfels, eingehend vermaß, gelang dem Team unter Leitung des Doktoranden Philip Heidinger und unter Mitwirkung zahlreicher studentischer Freiwilliger der Nachweis von Hohlräumen in zwei Cairns, die jetzt mit Bohrgerät und Endoskop untersucht werden können. Derzeit ist die Finanzierung dieses Vorhabens noch ungeklärt.
Etymologische Deutung
Der Begriff Hälde kann von ahd. helan = bedecken, verstecken, verbergen (hehlen) abgeleitet werden. Ahd. häla bedeutet „das Verbergen“, folglich hälda „das Verbergende“. Die Sprachforscher Grimm bringen in diesem Zusammenhang ein Zitat aus der mhd. Literatur - „in einer halden grün“ -, womit der Autor den kuppelförmigen Hohlraum unter dem herabhängenden Geäst eines Baumes beschrieb. Dieses tradierte Bild erinnert jedoch stark an die bienenkorbförmigen Kraggewölbe von Grabkammern in megalithischen Cairns, mykenischen Tholos- und etruskischen Tumulus-Gräbern. Diese können auch mit einem zentralen Stützpfeiler (La Montognola), dem Baumstamm entsprechend, ausgestattet sein (Eine kuppelförmige Abbildung zeigt übrigens auch das geoelektrische Messbild der Zwerchhälde Sternenfels als Hochwiderstandsanomalie, ohne dass daraus sicher auf das Aussehen des Hohlraums geschlossen werden kann).
Auch der Begriff Cairn ist in der deutschen Sprache in seiner ursprünglichen Bedeutung nachweisbar. Der Kärner oder Karner bezeichnet im alpinen Gebiet noch heute das Beinhaus (die Kärnerarbeit). Viele Ortsnamen scheinen sich auf Cairn zu beziehen: Kürnbach, Kirnberg, Karnwestheim, Kornwestheim, Grünwettersbach (früher Grünwesterbach), Kronwinkel, Krähwinkel, Krumstedt, Grombach etc. Das irisch-gälische Cromlech bezeichnet den Steinkreis eines zerfallenen Cairns. Slow. hram bedeutet "Haus, Keller", tschech. chram "Tempel". Diese etymologischen Indizien könnten auf eine reiche Cairnkultur in Zentraleuropa hinweisen, die in ihrem ganzen Umfang bis jetzt noch nicht offiziell (an)erkannt wurde.
Vorkommen
Der Begriff Hälde oder Halde erscheint oft in Flurnamen im Südwesten Deutschlands und im fränkischen Sprachraum. Hälden wurden bislang hauptsächlich von einer Gruppe um den Hobby-Archäologen Walter Haug in Süddeutschland gefunden,[1] sind aber auch in Österreich nachweisbar. Vom Eggegebirge (Bärenstein Horn-Bad-Meinberg) bis zum Schwarzwald (Heidburg bei Haslach), von Mainfranken (Marsberg Würzburg-Randersacker) bis zur österreichischen Donau (Kürnberg-Schanzen Linz) wurden von unabhängigen Privatforschern Cairn- und Gangfunde gemacht und der Cairn-Forschungsgesellschaft gemeldet.
Die Besonderheit des Standortes von Hälden erschwert bis heute auch deren Verifizierung. Hälden wurden offensichtlich in die Berghänge hinein gebaut, d. h. sie stehen jeweils in kleinerer oder größerer Anzahl in einem Steinbruch, der auch das Material zum Bau der Cairns lieferte, wobei diese Cairns wiederum in folgenden Epochen als Steinbruch mißbraucht wurden (siehe Cairn von Barnenez). Meist befinden sich diese vmtl. Grabbauten auf Felsterrassen ganz oben am Berg und am Rand der Kuppe, von wo sich der Blick weit nach Westen und Norden öffnet.
Die unmittelbare Nachbarschaft von Cairns und ihren Steinbrüchen scheint sich einer ökonomischen Vorgehensweise zu verdanken. Aufgrund der unmittelbaren Nähe von Hälde und Steinbruch wurde für den Transport der Bausteine der Energieaufwand minimiert. So etwa befinden sich die Steinhügel der Cairn-Nekropole von Bougon direkt neben den Steingruben. Den Granit-Steinbruch des Cairns von Barnenez fand man nur etwa hundert Meter entfernt auf einer heutigen Insel.
Haug vermutet eine sehr große Anzahl dieser Cairns in den Mittelgebirgszonen Europas, da es sich bei den Hälden um eine bis 1990 unbekannte Grabform handele, die bis jetzt immer mit konventionellen Steinbrüchen verwechselt wird, entsprechend der Anzahl unerforschter alter „Steinbrüche“. Die Hälde könnte die Lücke im Verbreitungsgebiet des norddeutschen Hünengrabs, des ostfranzösischen Dolmens und des Megalithgrabs am Hochrhein schließen.
Bauformen
Bisher konnten noch keine qualifizierten archäologischen Grabungen in den teils einsturzgefährdeten Gängen durchgeführt werden. Der Cairn-Befund stützt sich daher nicht auf datierbare Funde sondern ausschließlich auf die architektonische Evidenz der freigelegten bzw. freiliegenden Bauteile.
Wie die west- und nordeuropäischen Cairns bestehen sie aus zwiebelschalenförmig aufeinander folgenden Mauern in Trockenbauweise. Manche scheinen durchgehend aus Steinblöcken und -platten handlicher Größe zu bestehen (Sommerhälde Kürnbach), andere besitzen ähnlich den schwedischen Roers und den mecklenburgischen Hügelgräber nur einen äußeren Bruchgesteinmantel, der bis zu drei Mauerzüge tief reicht. Dahinter erstreckt sich ein Konglomerat aus Stein- und Lehmschichtungen (Sommerhälde Oberderdingen).
Die anstehende Felswand des vorausgehenden Steinbruchs wurde meist in die Bebauung mit einbezogen. Viele der Cairns lehnen sich an die rückwärtige Felswand an. Der umgebende Fels wurde auch am Rand der Hügelkuppen in Form von schmalen Felswänden stehen gelassen, um eine Einhegung gegen die steilen Abhänge zu erhalten (Sommerhälde Oberderdingen).
Die Hälden erscheinen bevorzugt als Langcairns in kleinen (Rohrhälde Kürnbach) oder größeren Gruppen (Köpfle Untergrombach), die den Eindruck von regelrechten Fels-Nekropolen enormen Umfangs hervorrufen können: Sommerhäde Maulbronn-Schmie, Marsberg Würzburg-Randersacker, Heidenknörzel Heidelberg, Bärenstein Horn-Bad Meinberg. Vergleiche sind zu ziehen mit der etruskischen Banditacci-Nekropole Cerveteri, die ebenfalls einen Steinbruch von 1,2 km Länge darstellt, in dem sich die Tombas in Rund- und Rechteckform aneinander reihen. Die Sockel der Grabhügel wurden hier aus dem Tuffgestein heraus gehauen, die Grabgänge und -kammern in den Fels getieft.
Eine unerkannte Cairn-Nekropole könnte nach Meinung der Hälden-Forscher auch der ägyptische Pyramiden-Steinbruch Dschabal as-Silsila sein, der vergleichbare bauliche Strukturen enthält, cairnartige Einbauten, die bis heute noch nicht untersucht wurden. Ägyptische Steinbrüche wurden oft zu Grabanlagen umfunktioniert, indem Grabstollen waagrecht in die Felswände oder Grabschächte senkrecht in den Felsboden getrieben wurden. Man findet dort kavernenartige Grabhöhlen, aber auch schachtförmige Gräber.[2]
Maße
Die einzelnen Hälden haben einen überdurchschnittlich großen Umfang und Höhe. Die Zwerchhälde Sternenfels erreicht eine Höhe von 20 m bei einem Umfang von ~60 x 80 m, das ist bei weitem höher, als das bislang größte megalithische Monument, der Mont St. Michel bei Carnac mit etwa 10-12 m. Es gibt jedoch noch umfangreichere Bau-Strukturen in Steinbrüchen, die den Rahmen des Bekanntem bei weitem sprengen.
Die Sommerhälde Kürnbach in Baden ist ein Langcairn am Rand einer Hügelkuppe. Dieses Bauwerk, in dem sich ein kleiner L-förmiger Gang befindet, bildet jedoch nur die 10. Stufe einer etwa 80 m hohen Hangpyramide, die alle rund 60 m breit sind. Der Bergkopf selbst hat in etwa Rechteckform und prägnante Ecken, die eindeutig nach den Himmelsrichtungen orientiert sind. Auf Luftbildern betrachtet bildet er einen Pyramidenstumpf. Die 10 Stufen formen eine Treppe, die sich ziemlich genau in der Mitte der westlichen Bergseite befindet, was eine Ähnlichkeit zu südamerikanischen Pyramiden evoziert.
Mit weitem Blick auf die Neckaraue erstreckt sich der Jägerhaus-Steinbruch Heilbronn, ein bogenförmig in den Fels führender Hohlweg, der ein Bauwerk aus Bruchgestein und Lehm umspannt, das sich Ost-West 400 m, Nord-Süd diagonal ~500 m ausdehnt.
Der Bärenstein Horn-Bad-Meinberg besteht aus einem drachenförmigen Cairn mit größter Seitenlänge 440 m und einer Höhe von über 30 m. Die Form der Hälden kann sehr variieren.
Formen
Häufig ist die Form der Lang-Cairns (Köpfle Untergrombach). Aber auch völlig unregelmäßige Formen, vergleichbar den Court-Cairns auf den Britischen Inseln, sind oft anzutreffen (Sommerhälde Maulbronn-Schmie). Nicht sicher beurteilen lässt sich immer, ob ein Aneinanderbauen mehrerer Einzelcairns oder eine Verschmelzung der Formen durch spätere Überschüttungen von Abraum der Steinbruchbetriebe stattgefunden hat (Marsberg Würzburg-Randersacker). In dem Fall scheinen die verschieden hohen Bauwerke stufenförmig aneinander zu stoßen.
Cairns in Steinbrüchen entsprechen der Architektonik bisher entdeckter Bauwerke des Neolithikums und der Bronzezeit. So etwa wurde der Wideford Hill Chambered Tomb am Bay of Firth in Mainland, Schottland - ein dreistufiger Cairn - in die Flanke eines Hügels eingegraben, d.h. in einen zuvor ausgebrochenen Steinbruch hineingebaut.
Die megalithischen Rock-Cut Souterrains und Fogous (Feenhäuser) der Britischen Inseln sind durchgehend als unterirdische Gänge konzipiert und daher in Hügelseiten eingegraben, d. h. in mehr oder weniger umfangreichen Steinbrüchen errichtet und danach mit Felsplatten abgedeckt worden.
Die mitteleuropäische Variante ist dagegen um vieles größer und monumentaler, da hier auch die Berge größer sind und mehr Baumaterial liefern konnten. Als potentielle Standorte kommen Haug zufolge alle Bergregionen Europas in Frage. Viele alte Steinbrüche könnten sich als bislang unerkannte Fels-Monumente mit eingebauten Cairns herausstellen. Bauwerksstufen wären in verschiedenen Fällen bereits jetzt erkennbar wie etwas die Zwerchhälde bei Sternenfels, der Bärenstein in Horn-Bad-Meinberg und die Sommerhälde bei Kürnbach.
Zweck
Nach Haug stellen die entdeckten Bauwerke eine für Mitteleuropa neue Gattung der Grabarchitektur dar, die aber Ähnlichkeiten zu bekannten Bauformen (Cerveteri, Dschabal as-Silsila etc.) aufweisen. Es stelle sich die Frage, auch von Seiten französischer Archäologen her, ob es sich bei Cairns nicht um west- und nordeuropäische Formen von Pyramiden bzw. Stufenpyramiden handele, da gewisse Ähnlichkeiten zu den Pyramiden der Kanarischen Inseln (Pyramiden von Güímar) vorhanden sind. Die Hälden-Forscher konstatieren eine große Zahl und gewaltige Dimensionen dieser Cairns, so dass man auch von den „Ruinen einer versunkenen Hochkultur im Zentrum Europas“ sprechen könne. Damit scheine sich ein Forschungsbedarf für mehrere Generationen abzuzeichnen.
Quellen
Literatur
- Grimm, Jacob: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München ISBN 3-423-05945-1
- Ziermann, Diether: Baustoffe und Konstruktionsformen neolithisch/frühbronzezeitlicher Grabarchitektur Westeuropas. Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main 1991
- Haug, Walter K.: Die Entdeckung deutscher Pyramiden. Cernunnos, Walzbachtal 2003 ISBN 3-00-007639-5
- Haug, K. Walter: „A Sensational Discovery: Megalithic Cairns and Stone Chambers of Southern Germany – The `Hälden` as the missing link between the Megalithic cultures of western and northwestern Europe, and Etruscan necropolises“ in MIGRATION & DIFFUSION, international journal - Volume 3 Issue 9 January-March 2002, Odyssee-Verlag-Wien ISSN 1563-440X
Weblinks
- Walter Haug: Pyramiden in Deutschland?
- Megalithische Bauten in Deutschland. Eine versunkene vorchristliche Kultur?
- Nemacke piramide (Deutsche Pyramiden - englisch)
- Giganten der Vorgeschichte