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Prostatakarzinom (Prostate cancer)

Allgemeines

Epidemiologie

  • Häufigste Tumorerkrankung des Mannes mit gut einer Inzidenz von gut 100/100.000 pro Jahr. 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland.
  • Nord-Süd-Gefälle mit hoher Inzidenz in Schweden (175/100.000/a) und niedriger in Griechenland (34/100.000/a), weltweit höchste Inzidenz bei Afroamerikanern in den USA mit 185/100.000/a.
  • Lebenszeitrisiko von knapp 11 %, d. h. 1 von 9 Männer bekommt irgendwann ein Prostatakarzinom.
  • Mittleres Erkrankungsalter 72 Jahre.
  • In Deutschland sterben jährlich 10.000 Männer am Prostatakarzinom. Dritthäufigste Krebstodesursache beim Mann.
  • Lebenszeitrisiko für Tod durch Prostatakarzinom 3,3 %, d. h. 1 von 30 Männern stirbt an einem Prostatakarzinom
  • Inzidenz steigt mit dem Alter, unter 40 Jahren selten; Relevanz sinkt mit dem Alter.
  • Im Zuge des demografischen Wandels wird ein Anstieg von Inzidenz und Prävalenz erwartet.

Risikofaktoren

  • wichtigster Risikofaktor ist das Alter
  • Familiäre Häufung (Brüder oder Söhne Betroffener haben ein doppelt so hohes Risiko), genetische Disposition (u. a. BRCA2)
  • Testosteronsubstitution bei hypogonadalen Patienten scheint das Risiko für ein Prostatakarzinom nicht zu erhöhen. Vor Substitution PSA-Wert und DRU!

Prävention

  • Beratung über gesunde Lebensweise.
  • Unklar, evtl. Vitamin D mit protektivem Effekt. Vitamin E und/oder Selen ohne signifikante Effekte
  • 5α-Reduktase-Hemmer (z. B. Finasterid) senken die Nachweishäufigkeit von Prostatakarzinomen und den PSA-Wert ohne Nachweis auf die Mortalität (gesamt und tumorspezifisch). In Deutschland zur Prävention nicht zugelassen.
  • Nach Aufklärung über Vor- und Nachteile einer Früherkennung soll bei Wunsch danach eine Bestimmung des PSA-Wertes angeboten werden, eine DRU kann zusätzlich durchgeführt werden. Ein erhöhter PSA-Wert soll unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren kontrolliert werden.
  • Bei PSA-Screening (Männer ab 45 Jahre mit mind. 10 Jahren Lebenserwartung): PSA < 1 nd/ml alle 4 Jahre, PSA 1-2 ng/ml alle 2 Jahre, PSA > 2 ng/ml jedes Jahr. Bei Männern über 70 Jahre und PSA < 1 ng/ml weiteres Screening nicht empfohlen.
  • Bildgebende Verfahren sind zur Früherkennung nicht geeignet. Die PET/CT soll nicht zur Primärdiagnostik eingesetzt werden.
  • Prostatabiopsie soll bei mindestens einem der folgenden Kriterien erfolgen:
    • kontrollierter PSA-Wert >= 4 ng/ml
    • karzinomverdächtiger Tastbefund bei der DRU
    • auffälliger PSA-Anstieg ohne Wechsel des Bestimmungsverfahrens

Klassifikation

Wichtig sind nebem dem TNM-Stadium noch der PSA-Wert und der Gleason-Score.

Gleason-Score

  • Eine spezielle, nur beim Prostatakarzinom benutzes Form des Grading benannt nach Donald F. Gleason, der sie 1966 entwickelt hat
  • Es werden zwei Werte zwischen 3 und 5 (Die Ziffern 1 und 2 werden nicht mehr benutzt.), die die Differenzierung von gut bis schlecht klassifizieren, addiert:
    • Bei der Stanzbiopsie der Wert des am häufigsten vorkommenden Gewebes und der höchste vorhandene (most and worst)
    • Nach Prostatektomie der Wert des häufigsten und nächsthäufigsten Gewebes (most and second most)
  • Gleason-Score soll, da die beiden Summanden auch für sich einen Wert haben, immer in der Form a + b = c angegeben werden, nicht nur als Summe. Gängig ist die Unterscheidung 3 + 4 = 7a, 4 + 3 = 7b. (Wenn man die Summanden nennt, kann man den Buchstaben nach der 7 aber auch weglassen...)

TNM-Klassifikation

Wenn der Tumor weder tastbar noch sichtbar ist und bei erhöhtem PSA-Wert per Biopsie diagnostiziert wird, liegt Stadium cT1c vor.

  • T1: Tumor weder tast- noch sichtbar, a) < 5 %, b > 5 % des Resektats, c) Diagnose durch Nadelbiopsie
  • T2: Tumor begrenzt auf die Prostata, a) ein Lappen < 50 %, b) ein Lappen > 50 %, c) beide Lappen
  • T3: Tumor wächst über seine Kapsel hinaus, a) uni- oder bilateral, b) in die Samenblasen
  • T4: Tumor invadiert Nachbarorgane (Blase, Rektum, M. levator ani, Sphinkter, Beckenwand)
  • N1: regionäre LK-Metastasen
  • M1: a) nicht regionäre LK-Metastasen, b) ossäre Metastasen, c) extraossäre Organmetastasen

Häufig erfolgt eine Gruppierung auch in lokal begrenzte (T1-2 N0 M0), lokal fortgeschrittene (T3-4 N0-1 M0) und metastasierte (T0-4 N0-1 M1) Stadien.

D'Amico-Klassifikation

  • niedriges Risiko: PSA max. 10 ng/dl und Gleason-Score max. 6 und max. T2a
  • hohes Risiko: PSA über 20 ng/dl oder Gleason-Score über 7 (d.h. 8-10) oder T2c/T3/T4
  • mittleres Risiko: alles, was zwischen den beiden vorgenannten Gruppen liegt

Basierend auf diesem Score gibt es noch eine Prognostische Gruppierung (AJCC):

  • Gruppe I: niedriges Risiko nach D'Amico
  • Gruppe IIA: mittleres Risiko nach D'Amico
  • Gruppe IIB/III/IV: hohes Risiko nach D'Amico
    • Gruppe IIB: hohes Risiko nach D'Amico, aber Tumor max. T2
    • Gruppe III:T3 N0 M0
    • Gruppe IV: T4 oder N1 oder M1

Klinik

  • Das Prostatakarzinom metastasiert in die lokalen Lymphknoten und hämatogen vor allem in die Knochen.
  • Symptome: Keine Frühsymptome. Probleme bei der Miktion durch ein Prostatakarzinom (meist benigne Ursache) oder gar Knochenschmerzen treten erst bei weit fortgeschrittenem Karzinom auf.
  • Dennoch werden 3 von 4 Tumoren in frühen Stadien diagnostiziert, die eine kurative Therapie ermöglichen

Vorsorge

Da es sich um eine häufige Tumorerkrankung handelt, ist ähnlich wie beim Mammakarzinom eine Screening-Untersuchung sinnvoll. Die Früherkennung ab dem 45. Lebensjahr (denn frühere Prostatakarzinome sind sehr selten) umfasst:

  • DRU: Tumor in den peripheren Zone als Verhärtung tastbar
  • PSA-Screening: umstritten, nicht in gesetzlicher Vorsorge enthalten

Eine Prostatabiopsie erfolgt bei PSA-Wert > 4 ng/ml (oder suspektem Anstieg) oder suspektem DRU-Tastbefund. Sind Tastbefund, PSA-Wert und Ultraschall verdächtig auf ein Prostatakarzinom, so liegt dies mit 60-70 % Wahrscheinlichkeit auch vor. Ist nur entweder Tastbefund oder PSA-Wert oder Ultraschall auffällig, so liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Prostatakarzinom bei maximal etwa 25 %.

Nutzen, Risiken und mögliche Konsequenzen einer Biopsie sollen vor derselben durchgesprochen werden.

Die Stanzbiopsie erfolgt unter transrektal-sonografischer Kontrolle systematisch aus allen Anteilen der Prostata und zusätzlich gezielt aus palpatorisch auffälligen Bereichen. Bildgebend (mpMRT, Sono) auffällige Areale sollen zusätzlich gezielt biopsiert werden. Es werden in der Regel 10-12 Stanzen entnommen. Die zusätzlich zur systematischen mpMRT-gestützte Biopsie ergibt etwas (10 %) höhere Detektionsraten für Karzinome. Die mpMRT sollte in der Primärdiagnostik eingesetzt werden. Eine unauffällige mpMRT hat gleichwohl ein Restrisiko für Tumore, daher sollte zusätzlich zur PSA-Kontrolle eine systematische Biopsie angeboten werden.

Auch im MRT ist eine Früherkennung möglich, ebenso im PSMA-PET/CT, das aber vor allem zum Staging oder im Falle eines PSA-Wiederanstiegs nach Primärtherapie verwendet wird.

Die mpMRT ist das derzeit genaueste Verfahren zur Detektion suspekter Prostatabefund und wird vor der Biopsie empfohlen, da manchmal eine Biopsie unnötig sein könnte.[1]Eine negative mpMRT schließt ein Prostatakarzinom nicht aus. Der Nachweis eines Prostatakarzinoms basiert auf einer Histologie, alleiniger suspekter Befund in der Bildgebung reicht nicht aus.

Innerhalb von 6 Monaten erneute Biopsie bei:

  • ausgedehnte (mind. 4 Proben) High-Grade-PIN
  • Atypical Small Acinar Proliferation (ASAP)
  • intraduktales Karzinom der Prostata (IDC-P)
  • suspekter PSA-Wert/-Verlauf

Bei systematischer Biopsie ohne Tumornachweis ohne vorherige mpMRT soll bei fortbestehendem Karzinomverdacht eine mpMRT erfolgen.

Nach negativer Re-Biopsie soll bei gleichbleibenden PSA-Werten und gleichem DRU-Befund keine weitere invasive Intervention erfolgen.

Diagnostik

DRU, Endosonographie mit Biopsie (evtl. mit zusätzlich MRT-Fusionsbiopsie)

  • Nach Sicherung vor Therapie: MRT Becken (evtl. nur CT-Becken), Skelettszintigraphie (bei PSA > 10 ng/ml, Gleason > 7, T3/4 oder Knochenschmerzen), evtl. CT (Thorax/)Abdomen zum Staging, selten PSMA-PET/CT zum Staging
  • Der DRU-Befund soll in das klinische T-Stadium einfließen.
  • Patienten im Stadium cT1 und low-risk-Parametern sollten kein bildgebendes Staging erhalten.
  • Bei mangelnder Datenlagen keine Empfehlung für oder gegen Staging bei intermediärem (mittlerem) Risiko.
  • Gleason-Score >= 8 oder cT3-4 MRT oder CT Becken vor Entscheid über Therapie.
  • Bei PSA > 10 ng/ml oder Gleason-Score >= 8 oder cT3-4 oder Knochenschmerzen sollte eine Skelettszintigraphie erfolgen. Bei in die Szintigraphie unklaren und ggfs. stabilitätsgefährdenden Befunden weitere Diagnostik (CT, MRT).
  • Die multiparametrische MRT (mpMRT) ist derzeit genaueste bildgebende Verfahren zur Detektion suspekter Befunde in der Prostata. Nutzen eher vor Stanzbiopsie.
  • Vor geplanter RT kann eine MRT Becken zur Bestimmung des klinischen T-Stadium und zur RT-Planung erfolgen.
  • Das PSMA-PET/CT hat eine höhere Genauigkeit für den Metastasennachweis als CT und Skelettszintgraphie in Kombination. Es kann Hoch-Risiko-Prostatakarzinom (Gleason-Score >= 8 oder cT3-4 oder PSA >= 20 ng/ml) zum Staging eingesetzt werden.
  • Vor Rezidiv-Therapie: PSMA-PET/CT zum Metastasenausschluss, falls dies therapeutische Konsequenz hat. Ein negatives PSMA-PET/CT soll eine frühe Salvage-Therapie nicht verzögern.

Therapie

Wegen des oft langsamen Krankheitsverlaufs wird eine Therapie nur bei Patienten mit (stadienabhängig) mindestens 5-10 Jahren Lebenserwartung empfohlen, wobei die Einschätzung der Lebenserwartung eines Patienten schwierig ist. Die Therapie erfolgt stadiengerecht. Die wichtigsten Therapien sind Operation und Radiotherapie; diese unterscheiden sich nicht hinsichtlich des OS. Prätherapeutische Beratung des Patienten druch Urologen und Strahlentherapeuten. Besprechung im Tumorboard.

  • Lokal begrenztes Karzinom (T1-2 N0 M0): mögliche Vorgehensweisen sind Active Surveillance (AS), radikale Prostatovesikulektomie (rPE), Radiotherapie perkutan oder per Brachytherapie. Bei jeder Vorgehensweise 10-Jahres-Überleben 99 %, bei AS Metastasierungsrate etwas erhöht. Gut die Hälfte der AS-Patienten beginnen doch eine Therapie innerhalb von 10 Jahren.
  • Lokal fortgeschrittenes Karzinom (T3-4 N0-1 M0): rPE ggfs. mit adjuvanter Radiotherapie oder primäre Radiotherapie mit 2-3 Jahre Androgendeprivationstherapie (ADT)
  • Metastasiertes Karzinom (T1-4 N0-1 M1):
    • Bei Oligometastasierung (sehr wenige, kleine ossäre Metastasen) lokal kurative Radiotherapie derselben und kurative Therapie des Primarius. Häufig auch andersherum: Nach kurativer Therapie bei cM0 in Hochrisiko-Konstellation bald nach Therapieabschluss PSA-Anstieg und im PSMA-PET/CT wenige kleine ossäre Filiae.
    • Bei maximal 5 Metastasen bzw. niedriger Tumorlast nach STAMPEDE-Studie besseres 3-Jahres-OS durch Bestrahlung des Primärtumors neben der Behandlung symptomatischer Metastasen.
    • Fortgeschritten metastasiertes Karzinom: Therapieziel ist Erreichen/Erhalt der Remission und damit der Lebensqualität durch medikamentöse Eingriffe in den Hormonhaushalt. Steigt der PSA-Wert dreimal unter ADT an und liegt Testosteron < 50 ng/ml oder liegt unter ADT bildgebend ein Progress vor, so spricht man von einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom (CRPC) im Gegensatz zum hormonsensitiven Prostatakarzinom (HSPC), das den Normalfall darstellt. Als Spezialfall gibt es noch das nicht metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom (nmCRPC). In diesem Fall kommen weitere Antiandrogene (Abirateron (Zytiga); Enzalutamid (Xtandi), Apalutamid (Erleada), Darolutamid (Nubeqa) u. a.) sowie Chemotherapie (v. a. Docetaxel) zum Einsatz. Ein Heilversuch mit dem Radionuklid 223-Radium ist möglich.

Active Surveillance (AS)

  • möglich in der Klasse niedrigen Risikos nach D'Amico (Gleason-Score max. 6, iPSA max. 10 ng/ml, max. cT2a), wenn Tumor in maximal 2 von 10-12 Stanzen mit weniger als 50 % Anteil nachgewiesen wurde
  • bei einem Gleason-Score von 3 + 4 = 7a sollte AS im Rahmen von Studien geprüft werden
  • Es soll eine mpMRT erfolgen/erfolgt sein und ggfs. darin verdächtige Herde gezielt biopsiert werden/worden sein.
  • alle 3 Monate PSA-Wert und DRU, bei stabilem PSA-Wert nach 2 Jahren nur noch alle 6 Monate
  • Re-Biopsie nach 6 Monaten (bei initialer mpMRT nach 12 Monaten), im 2. und 3. Jahr nach 12-18 Monaten, danach alle 3 Jahre
  • AS-Ende und Beginn einer Therapie, wenn höhere Risikoklasse oder mehr Tumor in den Stanzen oder der PSA-Wert sich in weniger als 3 Jahren verdoppelt
  • erfordert besonders intensive ärztliche Beratung und Begleitung
  • Falls AS in Frage kommt, sollen die Patienten neben Bestrahlung und Operation auch über AS aufgeklärt werden.
  • Bei der Indikationsstellung zur AS sollen Alter und Nebenerkrankungen des Patienten berücksichtigt werden.

Operation

  • sollte nur erfolgen, wenn die Lebenserwartung des Patienten mindestens 10 Jahre beträgt.
  • sollte vor allem eingesetzt werden, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit eine R0-Resektion erreicht werden kann
  • offen retropubisch rPE oder roboterassistierte rPE oder weitere Formen
  • Ziele der rPE: komplette Exstirpation der Prostata mit tumorfreiem Resektionsrand, Erhalt der Harnkontinenz, bei geeigneten Patienten Erhalt der Erektionsfunktion
  • potenzerhaltende Operation bei max. T2, Gleason max. 7 möglich. Aufklärung über Möglichkeiten und Grenzen des Potenzerhalts bei der rPE.
  • Risiken: schwere Inkontinenz < 15 % nach einem Jahr, Urethrastriktur, bei Operation ohne Nervenerhalt Impotenz bis 100 %
  • Die rPE soll nur unter Leitung eines erfahrenen Operateurs erfolgen (Empfehlung: mind. 50 rPE/a in der Einrichtung, mind. 25 rPE/a pro Operateur)

Lymphadenektomie

  • Es soll über Vor- und Nachteile derselben aufgeklärt werden.
  • Bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risikoprofil kann auf eine Lymphadenektomie verzichtet werden.
  • Ausgedehnte Lymphadenektomie zeitigt eher nodal positive Befunde und ermöglicht exaktes Staging und angemessene adjuvante Therapie.
  • Bei Lymphadenektomie mindestens Gebiete der Fossa obturatoria sowie medial der A. iliaca externa berücksichtigen und mindestens 10 LK entfernen.
  • Es ist derzeit ungesichert, ob die Lymphadenektomie ohne adjuvante Maßnahme einen Überlebensvorteil bietet. Es gibt Hinweise auf ein besseres progressionsfreies Überleben.

Radiotherapie

Primäre Radiotherapie

Die Therapie richtet sich nach der D'Amico-Klassifikation:

  • Niedriges Risiko: perkutane Radiotherapie mit mind. 74 Gy (bis ca. 80 Gy) oder permanente interstitielle Seed-Inplantation (125-Iod, 145 Gy)
    • Voraussetzungen für die Seed-Implantation: Prostatavolumen < 50 ml, IPSS < 10-12, keine TUR in den Vormonaten
  • Mittleres Risiko: perkutane Radiotherapie mit mind. 74 Gy (bis ca. 80 Gy, alternativ perkutane Radiotherapie mit 50 Gy und HDR-Brachytherapie-Boost (192-Iridium, 2 x 8-10 Gy)) mit oder ohne begleitende ADT über 6 Monate (ADT nicht gesichert)
  • Hohes Risiko: perkutane Radiotherapie mit mind. 74 Gy (bis ca. 80 Gy, alternativ perkutane Radiotherapie mit 50 Gy und HDR-Brachytherapie-Boost (192-Iridium, 2 x 8-10 Gy)) mit begleitender ADT über 2-3 Monate (ADT-Dauer nicht gesichert)
  • Unklar ist die Bedeutung der Bestrahlung der Lymphabflusswege. Ideal: PSMA-PET/CT zum Staging, alternativ: Befallswahrscheinlichkeit mit der Roach-Formel abschätzen: Befallswahrscheinlichkeit in Prozent = 2/3*PSA-Wert + 10*(Gleason-Score - 6). Seltsamerweise geht das Tumorstadium nach TNM-Klassifikation nicht ein.
  • Sind Lymphknoten befallen (N+): immer ADT und Bestrahlung der Lymphabflusswege
  • Bei T1-2 ist bei alleiniger perkutaner Bestrahlung eine hypofraktionierte Therapie etwa mit 60 Gy mit 3 Gy Einzeldosis (oder anderen Schemata, siehe Studien dazu) möglich. Bei noch nicht sehr langer Nachbeobachtungszeit der diesbezüglichen Studien ist eine erhöhte Spättoxizität nicht sicher auszuschließen.
    • Voraussetzungen für hypofraktionierte Therapie: IMRT, IGRT bei jeder Bestrahlung, Fraktionierung entsprechend den einschlägigen Phase-3-Studien, die Nichtunterlegenheit hinsichtlich Effektivität und Spättoxizität (bei noch nicht sehr langem Nachbeobachtungszeitraum) gezeigt haben.
    • Hypofraktionierte Bestrahlung des pelvinen LAG nur innerhalb kontrollierter klinischer Studien
    • Keine hypofraktionierte Bestrahlung bei lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom
    • Extreme Hypofraktionierung nur innerhalb kontrollierte klinischer Studien
  • Es gibt keinen Hinweis für einen Vorteil der Protonentherapie gegenüber hochkonformaler Protonentherapie (IMRT) bei lokal begrenztem Prostatakarzinom.
  • Die interstitielle LDR-Monotherapie ist eine primäre Therapieoption bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mit niedrigem Risikoprofil, sie soll bei hohem Risikoprofil nicht angewendet werden.
  • Bei lokal begrenztem Prostatakarzinom mittleren bzw. hohen Risikos kann eine primäre Kombinationstherapie aus perkutaner Bestrahlung und LDR/HDR-Brachytherapie-Boost verbunden mit einer Kurzzeit- bzw. Langzeit-Androgendeprivationstherapie (ADT) durchgeführt werden. Dabei signifikant erhöhte Spättoxizität. ADT wie bei der alleinigen perkutanen Strahlentherapie. Der Stellenwert der ADT ist allerdings nicht abschließend geklärt.
  • HDR-Monotherapie bei niedrigem Risikoprofil nur im Rahmen kontrollierter klinischer Studien.

Adjuvante Radiotherapie

PSA hat eine Halbwertzeit von 3 Tagen, wird also nach rPE nicht sofort 0 ng/ml (bzw. unter der Nachweisgrenze des Labors) sein. Nach 30 Tagen sind 10 Halbwertzeiten verstrichen und der Wert sollte dann 1/1000 des Ausgangswertes sein. Gemäß Leitlinie ist eine adjuvante Strahlentherapie eine Strahlentherapie nach rPE und nach Erreichen des definierten PSA-Nullbereichs.

Bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom (pN0) nach rPE:

  • bei hohem Risiko und Gleason-Score 8-10 und pT3-4 und R1 sollte eine adjuvante Strahlentherapie angeboten werden.
  • bei erhöhtem Risiko und Gleason-Score 8-10 und pT3-4 und R0 kann eine adjuvante Strahlentherapie angeboten werden.
  • bei Gleason-Score 8-10 und pT2 und R1 kann eine adjuvante Strahlentherapie angeboten werden.
  • Frühzeitige Bestrahlung erst bei PSA-Wiederanstieg (Salvage-RT) bringt aber keinen Nachteil (Aufklärung!).
  • bei pN1 kann zusätzlich zur adjuvante Radiotherapie eine ADT über mindestens 24 Monate angeboten werden.
  • Als Dosis gibt onkologie.eu „60-64 Gy“ an. Das erscheint zu wenig. Wie bei Salvage-RT sollte man auch hier mindestens 66 Gy, evtl. 68 Gy applizieren.

Spätere Strahlentherapie (Salvage-RT):

  • Bei PSA-Wiederanstieg (2 x über 0,2 ng/ml, „biochemisches Rezidiv“) oder postoperativer PSA-Persistenz soll die Prostataloge mit mindestens 66 Gy bestrahlt werden. Der PSA-Wert sollte möglichst unter 0,5 ng/ml liegen, eher schon ab 0,2 ng/ml Therapie erwägen.
  • Ab PSA 0,5 ng/ml ein PSMA-PET/CT erwägen, das evtl. bei Zielvolumendefinition helfen kann.
  • Ab PSA 0,6 ng/ml und Gleason mind. 7 (ab PSA 1,5 ng/ml oder R2 bei jedem Gleason-Score) begleitende ADT mit Bicalutamid (Casodex) über 2 Jahre mit einem verbesserten OS; dazu 6 Monate LHRH verbessert metastasenfreies Überleben.

Hypofraktionierte Strahlentherapie postoperativ adjuvant oder als Salvage-RT nur im Rahmen kontrollierter klinischer Studien.

Lokal kurative Radiotherapie

  • Bei Oligometastasierung (sehr wenige und kleine Metastasen) lokal kurative Radiotherapie derselben und kurative Behandlung des Primarius.
  • Dosis der Metastasen-Bestrahlung größenabhängig, bei kleinen ossären Metastasen 35 Gy mit 5 mal 7 Gy Einzeldosis 3 x pro Woche.

Palliative Radiotherapie

  • Nach der STAMPEDE-Studie bei geringer Tumorlast Bestrahlung auch des Primarius, ansonsten nur Bestrahlung symptomatischer Metastasen bei Schmerzen oder Stabilitätsgefährdung, im letzteren Fall zunächst Vorstellung Neurochirurgie oder Orthopädie mit der Frage nach Operation und Bestrahlung dann postoperativ.
  • Bei ausschließlich ossärer, diffuser, schmerzhafter Metastasierung Radioisotopen-Therapie (u. a. 223-Radium) möglich

Systemtherapie

Bei ossären Metastasen Therapie mit Bisphosphonaten (etwa Zoledronat) oder Denosumab alle 4 Wochen. Besseres OS im Fall symptomatischer und ausschließlich ossärer Metastasierung durch 223-Radium.

Hormon-sensitives Prostatakarzinom (HSPC)

Bei über die Prostata hinausgehender Tumorerkrankung (regionäre LK-Metastasen, Fernmetastasen) kommt oft eine Androgendeprivationstherapie (ADT) zum Zuge. ADT erfolgt durch GnRH-Analoga (Goserelin (Zoladex), Leuprorelin (Trenantone, Enantone) u. a.) oder GnRH-Antagonisten (Degarelix (Firmagon)). Eine ADT kann auch über eine Orchidektomie erfolgen.

  • Bei 20-30 % der Patienten spricht die medikamentöse Therapie bereits primär nicht an.
  • Bei 80 % der Patienten mit initialer Ansprache der ADT entwickelt sich binnen 2 Jahren eine Resistenz und ein Progress der Tumorerkrankung.

Kastrationsresistentes Prostatakarzinom (CRPC)

Watchful Waiting

Watchful Waiting ist eine nichtkurativ intendierte, palliative Strategie, die bei durch Alter oder AZ eingeschränkter Lebenserwartung (mutmaßlich unter 10 Jahren) bei Patientenwunsch eingesetzt werden kann. Es erfolgt ggfs. ADT sowie rein symptomatische Therapie (Medikation, Operation, Bestrahlung) bei Beschwerden. Naturgemäß sind die Häufigkeit der Progression, das Risiko für Fernmetastasen, die prostataspezifische Mortalität und die Gesamtmortalität bei der dieser Strategie höher als bei rPE oder Bestrahlung.

Fokale Therapien

  • Es wird nur ein Teil der Prostata behandelt, nicht die gesamte Drüse. Ziel ist dennoch die Eradikation alles signifikanten Tumore.
  • Diese Therapie kann bei unilateralem, lokal begrenztem Prostatakarzinom niedrigen Risikos angeboten werden, wenn die Standardtherapie und auch die AS abgelehnt werden. Voraussetzung: niedriges Risiko nach D'Amico, unauffälliger Tastbefund, mpMRT/Fusionsbiopsie/systematische Biopsie, max. 50 % positive Stanzen nur auf einer Seite der Prostata in der systematischen Biopsie. Ist MRT-Fusionsbiopsie nicht möglich, kann alternativ eine templatebasierte Biopsie erfolgen.
  • Aufklärung über fehlenden Nachweis der Gleichwertigkeit der Therapie und evtl. mögliche/nötige Salvagetherapie mit möglicherweise schlechterem funktionellem oder onkologischem Ergebnis
  • 6-12 Monate nach fokaler Therapie systematische Biopsie
  • Fokale Therapien:
    • Fokale, vaskuläre gezielte photodynamische Therapie (VTP) mit Padeliporfin[2]
    • Fokale, hochintensive, fokussierte Ultraschallablation (HIFU): keine Daten
    • Fokale Kryotherapie: keine Daten
    • Fokale irreversible Elektroporation (IRE): keine Daten
    • Fokale Brachytherapie: keine Daten
    • Fokale Radiofrequenzablation (RFA): keine Daten
    • Fokale stereotaktische Bestrahlung (SBRT): keine Daten
    • Fokale Mikrowellentherapie: keine Daten
    • Fokale transurethrale Ultraschallablation: keine Daten

Nachsorge

  • Sogenanntes Phoenix-Kriterium für ein Rezidiv: PSA-Nadir + 2 ng/mL, also ein Anstieg um 2 ng/mL über PSA-Nadir

Externe Links

Einzelarbeiten

Studien

ProtecT

Lane et al. 2014

Active monitoring, radical prostatectomy, or radiotherapy for localised prostate cancer: study design and diagnostic and baseline results of the ProtecT randomised phase 3 trial

Hamdy et al. 2016

10-Year Outcomes after Monitoring, Surgery, or Radiotherapy for Localized Prostate Cancer

Etwa 82.000 Männer von 1999 bis 2009 im Alter von 50 bis 69 Jahren. Vergleich AS, rPE oder Radiotherapie. Die prostatakarzinomspezifische 10-Jahres-Mortalität war niedrig ohne signifikante Unterschiede zwischen den Therapiekonzepten. rPE und Radiotherapie waren aber mit geringerem Fortschreiten der Erkrankung und weniger Metastasen verbunden.

Hypofraktionierung

Incrocci et al. 2016 (HYPRO)

Hypofractionated versus conventionally fractionated radiotherapy for patients with localised prostate cancer (HYPRO): final efficacy results from a randomised, multicentre, open-label, phase 3 trial

Etwa 800 Patienten mit mittlerem oder hohem Risiko 1:1-randomisiert in 64,6 Gy (19 x 3,4 Gy) und den Standard-Arm 78,0 Gy (39 x 2,0 Gy). Keine großen Unterschiede, insbesondere keine Überlegenheit der hypofraktionierten Therapie.

Extreme Hypofraktionierung

Safety and Efficacy of Virtual Prostatectomy With Single-Dose Radiotherapy in Patients With Intermediate-Risk Prostate CancerResults From the PROSINT Phase 2 Randomized Clinical Trial

Eine kleine Phase-II-Studie mit Prostatakarzinom im Stadium cT2 (benannt "intermediate risk"), im Vergleich einmal 24 Gy und 5 x 9 Gy. Es ging zunächst um Machbarkeit und Toxizität, letztere wurde als vergleichbar zwischen Einzeitbestrahlung und 5 x 9 Gy eingeschätzt und insgesamt tolerabel. Gleichwohl natürlich keine Standardbehandlung für die Praxis.

Hypofraktionierung und Dosiseskalation: FLAME-Trial

Focal Boost to the Intraprostatic Tumor in External Beam Radiotherapy for Patients With Localized Prostate Cancer: Results From the FLAME Randomized Phase III Trial

Phase-III-Studie mit 77 Gy a 2,2 Gy auf die Prostata (moderat hypofraktioniert) und anschließend Boost bis max. 18 Gy auf Basis des MRT. Bei bisher noch kurzer Nachbeobachtungszeit nicht mehr Nebenwirkungen. Bessere lokale Kontrolle mit Boost, auch mit höherer Boostdosis. Kein Unterschied auf die Fernmetastasierungsrate. 2/3 der Patienten bekamen zusätzlich ADT in allen Gruppen, Dauer unklar. Überwiegend Hochrisiko-Patienten, teils intermediate risk.

CHAARTED

Sweeney et al. 2015

Chemohormonal Therapy in Metastatic Hormone-Sensitive Prostate Cancer

Kyriakopoulos et al. 2018

Chemohormonal Therapy in Metastatic Hormone-Sensitive Prostate Cancer: Long-Term Survival Analysis of the Randomized Phase III E3805 CHAARTED Trial

In der metastasierten Situation signifikant besseres OS, wenn neben der ADT zusätzlich 6 Zyklen Docetaxel gegeben werden. Dieser Benefit zeigte sich vor allem bei Patienten mit hohem Tumorvolumen, wohingegen sich bei geringem Tumorvolumen kein besseres OS zeigte.

Parker et al. 2018: STAMPEDE

Radiotherapy to the primary tumour for newly diagnosed, metastatic prostate cancer (STAMPEDE): a randomised controlled phase 3 trial

In dieser Studie wurde untersucht, ob es Sinn hat, auch im Fall eines primär metastasierten Prostatakarzinoms die Prostata selbst zu bestrahlen. Über alle Patienten mit metastasiertem Prostatakarzinom gemittelt ergab sich kein besseres OS. Bei niedriger Tumorlast/wenigen Metastasen scheint es aber ein besseres OS zu geben.

Parker et al. 2020: RADICALS-RT

Timing of radiotherapy after radical prostatectomy (RADICALS-RT): a randomised, controlled phase 3 trial

Keine routinemäßige adjuvante Radiotherapie nach rPE, denn damit erhöht sich das Risiko der harnwegsbezogenen Morbidität. Empfohlen wird eine PSA-gesteuerte Nachsorge mit Salvage-RT bei PSA-Progress.

Murthy et al. 2021: POP-RT, Bestrahlung LAW ja/nein bei hohem Risiko, aber cN0

Prostate-Only Versus Whole-Pelvic Radiation Therapy in High-Risk and Very High-Risk Prostate Cancer (POP-RT): Outcomes From Phase III Randomized Controlled Trial

Etwa 220 Patienten mit Prostatakarzinom mittleren oder hohen Risikos, cN0, 2 Jahre ADT, bekamen entweder nur 68 Gy in 25 Fraktionen a 2,72 Gy auf die Prostata oder zusätzlich 50 Gy in 25 Fraktionen a 2 Gy auf die Lymphabflusswege. Nach 5 Jahren: Kein Unterschied im OS, aber mit RT des LAG weniger biochemische Rezidive. Bei der RT mit LAG auch besseres fernmetastasenfreies Überleben (Post-Hoc-Analyse). Akuttoxizität mir LAG-RT etwas erhöht, Spättoxizität ohne Unterschied. Kritisch: relativ kleine Patientenanzahl.

Einzelnachweise