Benutzer:UIBK-Bio/Genpatent

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Ein Genpatent ist ein Patent auf eine isolierte DNA-Sequenz mit spezifischer chemischer Zusammensetzung, das Verfahren ihrer Gewinnung und Nutzung, entwickelte Folgeverfahren, oder eine Kombination aus diesen Ansprüchen. Schutzrechte können für Nukleotidsequenzen als Teile des menschlichen Erbguts, aber auch von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen beansprucht werden. Genpatente werden daher als Untergruppe der Biopatente betrachtet.[1] Das Patent gibt seinem Inhaber das Recht, anderen Herstellung, Verwendung und Verkauf seiner beanspruchten Erfindung für einen begrenzten Zeitraum zu untersagen beziehungsweise Geld für eine erteilte Lizenz zu verlangen. Die generelle Laufzeit in Europa beträgt 20 Jahre, gerechnet vom Tag der Anmeldung.

Entwicklung

Die Forschung im Bereich der Biotechnologie befindet sich im Wandel. Es werden ständig neue Erkenntnisse gewonnen. Mit den ersten Rohdaten auf dem Weg zur Entschlüsselung des menschlichen Genoms begann auch die Frage nach deren wirtschaftlichem Nutzen. Was Forschungsprojekte wie das Human Genome Project und nachfolgende wie ENCODE auf der Ebene einzelner Nukleotidsequenzen bekannt machten, wurde isoliert, auf Verdacht einer Funktion zugeordnet und möglichst schnell und allgemein patentiert. Das Bewusstsein, wissenschaftlich verwertbare und damit wertvolle Informationen an die Konkurrenz zu verlieren, führte zum rasanten Anstieg von Patentanträgen.[2].

Die Gesamtheit der menschlichen Gene beträgt 23.688, davon sind bereits geschätzte 20 Prozent von privaten Unternehmen, der Regierung oder Einzelpersonen patentiert.[3] Anlass zu vielerlei Kritik an diesem System bieten einerseits das unzureichende und unklare Patentrecht im Bereich der Genpatente, andererseits ethische Grundsatzfragen.

Erteilung von Genpatenten

Zuständig für die europaweite Vergabe von Patenten ist das Europäische Patentamt (EPA), als aktuelle Grundlage gilt noch immer das Europäische Patentübereinkommen vom Oktober 1973. Für die Patentierbarkeit müssen demnach einige Kriterien erfüllt sein, andere schließen ein Patent aus.

Eine Erfindung ist patentfähig, wenn sie neu ist, einen erfinderischen Schritt beinhaltet und gewerblich nutzbar ist.[4] Dabei gilt: Neu ist eine Erfindung, wenn sie noch nicht öffentlich publiziert wurde, das heißt in Fachkreisen unbekannt ist. Zudem soll sie über den bisherigen Stand der Technik hinausgehen, unerwartet und unkonventionell sein, nicht nur geringfügig von bereits Bestehendem abweichen.[2]

Grundsätzlich kann also nur Erfundenes, nicht Gefundenes beansprucht werden. Die bloße Entdeckung eines in der Natur entstandenen Stoffes, eines Bestandteils des menschlichen Körpers, wie der DNA-Sequenz ist noch keine Erfindung, folglich nicht patentierbar. Voraussetzung ist ein Zusammenhang zwischen Sequenz und einer Art von Entdeckung, beispielsweise ein Verfahren zur Anwendung oder eine neue Funktion. Ebenso sind Patente auf isolierte Bestandteile, die durch spezielle technische Verfahren gewonnen wurden, zulässig, auch wenn ihre Bestandteile mit einem natürlich vorkommenden Aufbau identisch sind.[5] Geschützt ist lediglich die spezifische Nutzung einer isolierten, gereinigten Sequenz, nicht das Gen selbst. Andere Verfahren mit gleicher Sequenz sind wiederum patentierbar.

Vom Schutzrecht ausgenommen sind Erfindungen, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Insbesondere fallen unter diesen Artikel Verstöße gegen das Embryonenschutzgesetz und Gentechnikgesetz hinsichtlich Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen, Veränderungen der Keimbahn und Verwendung menschlicher Embryonen.[6][7] Ethische Aspekte werden von der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien gesondert bewertet.[8]

Das Patentrecht der Vereinigten Staaten sieht seit der Grundsatzentscheidung im Fall Chakrabarty weniger Hindernisse, alles von Menschenhand Gemachte gilt grundsätzlich als patentierbar.

Bioethik

Die bioethische Problematik beginnt bei der Formulierung "Patent auf Leben". Diese wird vielfach im Zusammenhang mit Genpatenten gebraucht, allerdings unterschiedlich bewertet. Befürworter des Patentwesens beschreiben das Gen nüchtern als Molekül, eine biochemische Substanz. Isoliert sind die Sequenzen unspezifisch und definieren kein spezielles Individuum, somit kein Leben. Genpatent-Gegner sehen allerdings einen Eingriff in persönliches Eigentum und den Verlust des Rechts am eigenen Körper. Weiterhin sehen sie die menschliche Würde verletzt, wenn Lebewesen ausschließlich auf ihren kommerziellen Nutzen und ihren daraus resultierenden Wert reduziert werden. Der Mensch wird wie eine Ware schrittweise verkauft.[7]

Weiteres Konfliktpotential bieten die befürchtete Monopolisierung einzelner Unternehmen sowie daraus entstehende wirtschaftliche Probleme für die Forschung und letztendlich medizinische und finanzielle Nachteile des Einzelnen. Preise für Medikamente, Behandlungsmethoden oder Gentests würden deutlich steigen. Die zunehmende Masse an Patenten sowie erhöhtes Konkurrenzdenken könnten zudem Grundlagenforschung und damit medizinischen Fortschritt enorm behindern. Ohne Anreiz auf spätere wirtschaftliche Vermarktung ist die Finanzierung von Forschungsprojekten an bereits patentierten Genen fragwürdig. Demgegenüber sehen einige Unternehmen und Politiker im Patentschutz erst die nötige Rechtssicherheit für ihre teure Forschung und getätigte Investitionen. Die Sicherheit des Eigentums bietet die Möglichkeit, Forschungsergebnisse offen zu präsentieren und daraus zu profitieren. Der entstehende Wettbewerb spornt die Innovationen an.[9]

Auch die zuständigen Instanzen, Europäisches Patentamt sowie US-Patentamt, sorgen durch Undurchsichtigkeit und Fehlentscheidungen, entgegen der eigenen Normen und geltenden Gesetze, für Protest. Das EPA selbst profitiert über Patentgebühren finanziell von jedem einzelnen Patent.[10]

Kontroverse

Genpatente bieten auch den Medien Stoff für Diskussionen. Einer der bekanntesten und langwierigsten Fälle zeigt beispielhaft die rechtliche Unsicherheit beim Thema Genpatente, das große mediale Interesse und die Konsequenzen für den Verbraucher. Im Fall des US-Unternehmens Myriad Genetics geht es um die Gültigkeit von Genpatenten. Genauer sollen Ansprüche auf bereits erteilte Patente geprüft werden, die isolierte DNA-Sequenzen umfassen sowie Methoden, mit Hilfe mutierter DNA-Sequenzen eine Krebsneigung zu diagnostizieren,. Mutationen der beiden Genvarianten BRCA1 und BRCA2 werden mit einem erhöhten Risiko in Verbindung gebracht, an Brustkrebs oder Eierstockkrebs zu erkranken.[11][12] Myriad Genetics hat mit den Patenten das Monopol auf einen teuren Gentest.[13]

Im Zuge einer gemeinsamen Klage von insgesamt 20 Organisationen gegen US-Patentbehörde und Patentinhaber wurden sieben von 23 Patenten im März 2010 für ungültig erklärt. Ein bahnbrechendes Urteil, nicht nur aufgrund der geklärten Fragestellung nach der Verfassungsmäßigkeit der Myriad-Sequenzen, auch wegen neuer Einschätzung der generellen Patentierbarkeit von Genen. Der zuständiger Richter sah die Richtlinien grundsätzlich nicht erfüllt, die Sequenzen seien weder erfunden, noch ihre Funktion verändert. Auch die These, isolierte DNA differiere von in der Natur vorhandener, wies er zurück.[14] Beschrieben wurde diese Entscheidung als Grundsatzurteil, da auch grundsätzlichen Einwänden gegenüber Genpatenten stattgegeben wurde.[15]

Myriad Genetics ging in Berufungsinstanz. Im August 2012 wurden die isolierten Sequenzen der BRC-Gene für patentierbare Erfindungen erklärt.[16]

Einzelnachweise

  1. Genpatent . ACADEMIC, Universal Lexikon. Abgerufen am 14. Dezember 2012
  2. a b Nadja Podbregar: Genpatente: Wem gehört das Leben? In: Scinexx. Springer Verlag, 23. März. 2002. Abgerufen am 14. Dezember 2012
  3. Gene Patenting . AMA. Abgerufen am 14. Dezember 2012
  4. §1 . Bundesministerium der Justiz. Abgerufen am 5. Januar 2013
  5. §1a . Bundesministerium der Justiz. Abgerufen am 5. Januar 2013
  6. §2 . Bundesministerium der Justiz. Abgerufen am 7. Januar 2013
  7. a b Alexander Einfinger, Andreas Klein: Gen-Patente Pro und Contra . HFR, 2006. Abgerufen am 21. Dezember 2012
  8. Rechtsschutz: biotechnologische Erfindungen . Europa, Zusammenfassung der EU-Gesetzgebung. Abgerufen am 28. Dezember 2012
  9. Ben Goldacre, Übersetzung: Christine Käppeler: Ihr Gen gehört uns! . In: derFreitag, 6. April 2010. Abgerufen am 14. Dezember 2012
  10. Genpatente gefährden Forschung . SPIEGELONLINE, 11. März 2005. Abgerufen am 21. Dezember 2012
  11. Patent US5747282 . Google Patente. Abgerufen am 14. Dezember 2012
  12. Patent US5837492 . Google Patente, 14. Dezember 2012
  13. Alison Abbott: Europe to pay royalties for cancer . In: nature, 2. Dezember 2008. Abgerufen am 21. Dezember 2012
  14. Jürgen Langenbach: US-Regierung will Patente auf Gene limitieren . In: DiePresse.com, 3. November 2010. Abgerufen am 21. Dezember 2012
  15. Susanne Schultz: USA: Grundsatzurteil gegen Genpatente . GeN, Juni 2010. Abgerufen am 11. Januar 2013
  16. Myriad behält Genpatente . transkript, 20. August 2012. Abgerufen am 18. Januar 2013

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