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Binaural Sky
Binaural Sky ist ein neuartiges Wiedergabesystem für binaurale Signale. Es kombiniert Wellenfeldsynthese mit Head-Tracking und transauraler Wiedergabetechnik.
Das von Helmut Wittek (Schoeps, IRT), Günther Theile (IRT) und Daniel Menzel (TU München, Arbeitsgruppe Technische Akustik) entwickelte Prototypsystem kann mit Hilfe der Wellenfeldsynthese binaural aufbereitete Signale an den Ohren des Hörers fokussieren. Somit ist prinzipiell eine dreidimensionale Abbildung von Schallereignissen ohne die Verwendung von Kopfhörern oder speziell aufgestellten Lautsprechern und den damit verbundenen Problemen möglich.
Funktionsweise
Messung von binauralen Raumimpulsantworten
Für jede virtuelle Schallquelle muss zunächst eine reale Schallquelle (Lautsprecher) mit Hilfe eines diffusfeldentzerrten Kunstkopfes an der späteren Abhörposition eingemessen werden. Hieraus werden binaurale Raumimpulsantworten gewonnen. Mit diesen Raumimpulsantworten wird das Nutzsignal gefaltet, um künstliche Ohrsignale zu generieren. Diese synthetisierten Ohrsignale enthalten die Richtungsinformationen der eingemessenen Schallquellen (Lautsprecher), sowie Rauminformationen.
Wenn man ein derart aufbereitetes Nutzsignal über freifeldentzerrte Kopfhörer abhört entsteht eine exakte Simulation der Abhörverhältnisse im eingemessenen Raum. Da sich die akustischen Verhältnisse bei einer Drehung des Kopfes jedoch nicht entsprechend ändern, kann es zu Fehllokalisationen kommen; vorne positionierte Schallquellen werden häufig hinten lokalisiert.
Einbindung eines Head-Tracking Systems
Daher werden zusätzliche Impulsantworten für verschiedene diskrete Positionen des Kunstkopfes in der Horizontalebene zwischen –42° und +42° Auslenkung gemessen und gespeichert.
Bei der Wiedergabe wird ein Head-Tracking System verwendet, um die Kopfposition des Hörers zu ermitteln. Entsprechend dieser Daten wird der passende Satz Impulsantworten aus der Datenbank zur Faltung der Nutzsignale verwendet.
Dadurch bleiben die virtuellen Quellen auch bei Bewegungen des Kopfes fest in der richtigen Entfernung und an ihrem ursprünglichem Ort. Auch die Vorne-Hinten Lokalisation wird durch dieses Verfahren entscheidend verbessert.
Bis zu diesem Punkt gleicht das System der binauralen Raumsynthese (Binaural Room Synthesis, BRS), welche bereits Anfang der Neunziger Jahre vom IRT entwickelt wurde.
Mit diesem System ist es möglich, zwischen verschiedenen, vorher eingemessenen, Abhörsituationen auf Knopfdruck umzuschalten, oder seine gewohnte Abhörsituation auch unterwegs mit Hilfe von (freifeldentzerrten) Kopfhörern zu rekonstruieren.
Aufbereitung der binauralen Signale für transaurale Wiedergabe
Um binaurale Signale über Lautsprecher in Ohrnähe statt über Kopfhörer wiedergeben zu können, müssen Übersprechungen zwischen den Signalen verhindert werden.
Dies geschieht mittels einer Filterung, welche dem linken Ohrsignal spezielle, mit Hilfe von Messungen der HRTF (Head Related Transfer Function - kopfbezogene Übertragungsfunktion) ermittelten, gegenphasige Anteile des rechten Ohrsignals beimischt, und umgekehrt. Übersprechkompensation, englisch: Crosstalk Cancellation, XTC)Dieses Vorgehen wird insgesamt fünf Mal wiederholt, jedes Mal unter Einbeziehung der gegenphasigen Anteile des vorherigen Durchgangs.
Ein bekanntes Problem bei der Wiedergabe binauraler Signale über Lautsprecher ist, dass sich die Position des Hörers nicht verändern darf. Wenn der Hörer seinen Kopf nur geringfügig aus der kleinen Hörzone zwischen den Lautsprechern bewegt oder den Kopf dreht, wird das Klangbild durch die Kompensationssignale verfälscht. Auch eine Anpassung der Übersprechkompensation in Abhängigkeit der Abhörposition kann aufgrund der resultierenden Verzögerungen zu hörbaren [[Artefakt))en führen.
Während also die Lokalisation der virtuellen Quellen mit Hilfe der oben erwähnten Head-Tracking Technologie bei einer Drehung des Kopfes eigentlich stabil bliebe, würden dennoch Fehllokalisationen und Klangfarbenänderungen durch Fehler bei der Übersprechkompensation entstehen.
Theoretisch müssten sich also die Lautsprecher zum Kopf des Hörers synchron drehen, um diese Effekte zu vermeiden.
Genau diese Möglichkeit bietet nun die Wellenfeldsynthese.
Einbindung der Wellenfeldsynthese
Bei Binaural Sky werden mit Hilfe der Wellenfeldsynthese die Lautsprecher durch zwei fokussierte, virtuelle Schallquellen ersetzt. Hierbei befindet sich ein Lautsprecherarray, bestehend aus 22 Breitbandlautsprechern und einem Tieftöner für Frequenzen unterhalb von 120 Hz, ca. 40cm oberhalb des Hörers. Es befinden sich keine Lautsprecher im direkten Sichtfeld.
Diese Vorgehensweise simuliert also eine transaurale Wiedergabe, bei der binaurale Signale über Lautsprecher in Ohrnähe wiedergegeben werden.
Die erwähnten Probleme dieser Vorgehensweise werden beim Binaural Sky System vermieden, indem mit Hilfe der Headtrackingdaten die virtuellen Schallquellen immer direkt an den Ohren des Hörers fokussiert werden, wodurch sich der Hörer (in einem bestimmten Bereich) frei bewegen kann und trotzdem nur ein einziger XTC-Filter benötigt wird. Es entsteht sozusagen ein “virtueller Kopfhörer“.
Neben der Synthetisierung von Mehrkanal-Abhörsituationen (beispielsweise 5.1 Surround) über binaural aufbereitete Signale ist es natürlich auch möglich, normale Stereosignale mit dem System zu erzeugen (im-Kopf-Lokalisation). Dadurch kann auf das Abhören mit Kopfhörern komplett verzichtet werden.
Leistungsfähigkeit des Systems
Lokalisationsschärfe
Durch Messungen und subjektive Beurteilungen stellte sich heraus, dass das System eine stabile räumliche Abbildung von binauralen Signalen liefern kann. Auch die Lokalisationsschärfe wurde als sehr gut erachtet. Auslenkungen der Schallereignisse von mehr als 10° nach Oben wurden von Versuchspersonen jedoch tendenziell zu hoch eingeschätzt, Abbildungen unterhalb der Ohrhöhe sind mit noch stärkeren Lokalisationsabweichungen verbunden.
Diese Effekte sind bereits von der Wiedergabe binauraler Signale über Kopfhörer bekannt, also kein spezifisches Problem des Binaural Sky Systems.
Übersprechkompensation
Die Übersprechkompensation funktioniert bis hinauf zu sieben Kilohertz hinreichend gut. Oberhalb dieser Frequenz wirken sich die Aliaseffekte des Wellenfeld-synthesesystems negativ auf die Ergebnisse aus. Da jedoch mit zunehmender Frequenz Beugungseffekte vermindert werden, tritt hierdurch lediglich eine geringe Beeinträchtigung der Wiedergabequalität ein.
Sweet-Spot
Der Sweet-Spot des Prototypsystems beträgt aufgrund des Durchmessers des Lautsprecherarrays von einem Meter nur etwa fünf Zentimeter zu den Seiten und zehn Zentimeter nach Vorne und Hinten. Befindet sich der Hörer außerhalb dieses Bereiches, wird die Wiedergabe automatisch stummgeschaltet.
Kompensation von Kopfbewegungen
Das System kann derzeit nur Kopfbewegungen in der Horizontalebene kompensieren. Bewegungen in der Median- und Frontalebene können zu Verfälschungen führen. In kommenden Entwicklungsschritten sollen sowohl der Sweet-Spot vergrößert, als auch die Kompensation von Kopfbewegungen in der Medianebene eingeführt werden.
Literatur
- Daniel Menzel / Helmut Wittek / Günther Theile / Hugo Fastl The Binaural Sky: A Virtual Headphone for Binaural Room Synthesis (kein Ort, kein Datum)
- Philip Mackensen / Günther Theile / Markus Fruhmann / Gerhard Spikofski / Ulrich Horbach / Attila Karamustafaoglu Der virtuelle Surround Sound Abhörraum - Theorie und Praxis (kein Ort, kein Datum)
- Peter Kaminski Binaural Sky – 3D Sound über Lautsprecher-wiedergabe Erschienen in: Sound&Recording 3/2006, MM-Musik-Media-Verlag GmbH und Co.KG, Köln, März 2006
- Institut für Rundfunktechnik Neue Anwendung der Wellenfeldsynthese: “The Binaural Sky” (kein Ort), Januar 2006
- Institut für Rundfunktechnik / Helmut Wittek / Günther Theile / Daniel Menzel The Binaural Sky (kein Ort), 2005
Weiterführende Literatur
- Günther Theile /Helmut Wittek / Markus Reisinger Potential Wavefield synthesis Applications in the multichannel stereophonic world aus: IEEE Workshop on Applications of Signal Processing to Audio and Acoustics: New Paltz, New York, 1999
- Günther Theile / Helmut Wittek /Markus Reisinger Wellenfeldsynthese-Verfahren: Ein Weg für neue Möglichkeiten der räumlichen Tongestaltung (kein Ort, kein Datum)
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