Als Bergordnung wurde früher im Bergbau ein Gesetz zur Durchsetzung des Bergregals bezeichnet.
Entwicklung und Beschreibung
Die Quellen, welche wir heute als Bergordnung verstehen und die sich selbst als Ordnung und Satzung bezeichnen, entstehen seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Wir müssen sie von den mittelalterlichen (Gewohnheits-)rechtsaufzeichnungen wie der Trienter Bergordnung (1208), dem Goslarer (1271), Iglauer (nach 1270) und Freiberger Recht (älteres Bergrecht nach 1307, jüngeres Bergrecht nach 1346) unterscheiden. Letztere enthalten (private?) Aufzeichnungen bergmännischen Gewohnheitsrecht und können noch nicht als Gesetze betrachtet werden. Einzig das Ius regale montanorum König Wenzels II. von Böhmen zeigt – in starker Anlehnung an römische Traditionen – den Willen zur Gesetzgebung. Damit wird dieses wohl vornehmlich für das Bergrevier Kuttenberg gedachte Gesetz zum frühen Vorläufer der dann von den jeweiligen Regalherren für bestimmte Reviere erlassenen Bergordnungen der frühen Neuzeit. Auch die von Erzbischof Heinrich von Pirnbrunn, dem Landesherrn von Salzburg, erlassenen Constituciones et iura montana in Chastune (Gasteiner Bergordnung von 1342) waren eine (salzburgisch-landesfürstliche) Rechtssatzung zur Regelung des Montanwesens.[1] Zu den bedeutsameren landesfürstlichen Bergordnungen gehörte auch die bayerische Rechtssatzung von Rattenberg aus dem Jahr 1463, deren Geltungsbereich sich über die Herrschaften von Kitzbühel, Rattenberg und Kufstein erstreckte.[2] Der Geltungsbereich von Bergordnungen konnte landesweit sein. Zumeist galten Bergordnungen aber nur für kleine Gebiete, wenn der Inhaber des Bergregals ein Territorialfürst war. Bergordnungen konnten auch auf einzelne Bergstädte beschränkt sein oder nur auf bestimmte Minerale. Besonders den frühen Bergordnungen (z. B. für Schneeberg und Annaberg in Sachsen) war nur eine kurze Geltung beschieden.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Bergordnungen durch landesweite Berggesetze ersetzt. Diese Notwendigkeit lässt sich am Beispiel Preußen verdeutlichen, wo nach den Territorialgewinnen durch die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1815 50 verschiedene Bergordnungen galten.
Der Inhalt einer Bergordnung bestand im Wesentlichen aus folgenden Teilen:
- das Bergamt mit seinen Bergbeamten (Bergstaat)
- das Bergwerk mit seinem Bergleuten
- das Hüttenwesen und die Hüttenleute
- der Bergprozess und die Berggerichte
- das Münzwesen (wenn das Bergregal mit einem Münzregal verbunden war)
Darin enthalten waren sowohl detaillierte Bestimmungen über den Bergbau, den landesherrlichen Zehnt, den Aufbau der Bergbehörden als auch die Privilegien des Bergstandes.
Wenn beispielsweise ein Erzsucher ein neues Vorkommen (Gang) entdeckt zu haben dachte, so musste er sich das Schürfrecht offiziell beim zuständigen Bergmeister sichern. Erwies sich der Schurf als abbauwürdig, legte er beim Bergamt eine Mutung ein. Der Bergmeister prüfte diesen Antrag durch persönliche Besichtigung, bestimmte die Maße und Lage der Grube, zu welcher dann auch ein Grundstück (Grubenfeld) als Zubehörfläche gehörte, genau. Gab es keine weiteren Mutungen auf diesen Erzgang, wurde dem neuen Bergwerk (Grube, Stollen) ein Eigenname, meist ein Heiligenname, gegeben und eine Gebühr erhoben. Mit der Eintragung in das Lehnbuch war die Verleihung rechtskräftig.
Bedingt durch die wirtschaftliche Bedeutung des Bergbaus für den Inhaber des Bergregals, die sich aus dem Zehnt ergab, hatte er großes Interesse an einem florierenden Bergbau. Um Berggebrechen, wie Absaufen der Gruben, Einstürze durch fehlerhaften Abbau oder das Verschütten von Gängen, vorzubeugen, war es Aufgabe der Bergämter, die Bergwerke regelmäßig aufzusuchen (Befahrung) und sich weiterhin über alle Vorkommnisse unterrichten zu lassen. Diese Form der Bergaufsicht, bei der das Bergamt auch die Entscheidungen über Abbau, Grubenerweiterung (Vortrieb), Wasserhaltung unter anderem traf, wird auch als Direktionsprinzip bezeichnet. Im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts erwies sich diese Bevormundung als Hemmnis, so dass das Direktionsprinzip in den späteren Berggesetzen abgeschafft wurde und die Bergämter lediglich auf tatsächliche Aufsichtsaufgaben beschränkt wurden.
Beispiele von Bergordnungen und Bergprivilegien
Bayern und Franken
Böhmen und Mähren
Hessen
Nassau-Weilburg
Österreich
Jahr |
Bergbaurevier |
Titel |
Erlass durch |
Bemerkung
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1565 |
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Bergordnung für das Fürstentum Zweibrücken |
Pfalzgraf und Herzog Wolfgang |
(digitale-sammlungen.de)
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Polen
Sachsen
Jahr |
Bergbaurevier |
Titel |
Erlass durch |
Bemerkung
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um 1250 |
Freiberger Revier |
Freiberger Bergrecht |
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in Schriftform 1300/1306 als Freiberger Bergrecht A, nach 1382 als Freiberger Bergrecht B
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1. Juli 1448 |
Altenberger Revier |
Altenberger Bergordnung |
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erster Entwurf einer Zinnordnung für die neuen Bernsteinschen Bergwerke (Altenberg) in Anlehnung an das Gewohnheitsrecht des Zinnbergbaus im Gebiet der Greifensteine (Geyer/Ehrenfriedersdorf); weitere Zinn- und Bergordnungen von 1451, vom 19. Mai 1470, von 1489 (erste Nennung des Namens Altenberg), 1491, 1503, 1568 (neue Zinnbergordnung von Kurfürst August, blieb bis zum Regalbergbaugesetz von 1851 in Kraft)
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1450 |
Geyer, Ehrenfriedersdorf, Thum |
Bergordnung |
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Aufzeichnung des vorhandenen älteren Gewohnheitsrechtes
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1466 |
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Ordnung für die Bergwerke außerhalb Freibergs |
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erste für die Markgrafschaft Meißen geltende Bergordnung
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1477 |
Schneeberger Revier |
Schneeberger Bergordnung |
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erste Bergordnung für Schneeberg; weitere Ordnungen 1479, 1487, 1492 (erste Große Schneeberger Bergordnung), 1497, 1500.
(Transkriptionen: https://e-docs.geo-leo.de/handle/11858/9604; Entwürfe 1477, 1490 und 1497, Bergordnungen 1477, 1479, 1487, 1492, 1497, 1500)
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1490 |
Glashütter Revier |
Glashütter Bergordnung |
Herzog Georg der Bärtige |
erste Bergordnung für Glashütte; weitere Ordnungen 1491, 1506 (Freiheitsbrief als Übernahme der Annaberger Bergordnung), 1545
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11. Februar 1493 |
Annaberger Revier |
Annaberger Bergordnung |
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erste Bergordnung für Annaberg; weitere Bergordnungen von 1499/1500, 1503, 1507, 1509, 1542 (Bergordnung für Annaberg und Marienberg), 1561 (Zinnordnung)
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1499 |
Annaberger Revier |
Schreckenberger Bergordnung |
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erste gedruckte deutsche Bergordnung
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1503 |
Vogtland |
Voigtländische Bergordnung |
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erlassen für die Bergwerke zu Auerbach; weitere Bergordnungen 1513 (für Oelsnitz, Lauterbach und Schönbrunn), 1517 (Voigtsbergische Bergordnung)
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1509 |
Annaberger Revier |
Annaberger Bergordnung Herzog Georgs |
Herzog Georg der Bärtige |
erste umfassende Bergordnung, basiert auf der Schneeberger Bergordnung von 1499/1500; Vorbild für weitere Bergordnungen in den europäischen Bergbaurevieren
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1516 |
Berggießhübeler Revier |
Berggießhübeler Bergordnung |
Herzog Georg der Bärtige |
erster Erlass einer Bergordnung für Berggießhübel, ergänzt durch Fassungen von 1538, 1541, 1546, 1564, 1570, 1583, 1594, 1614, 1660, 1666
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um 1519 |
Marienberger Revier |
Ordnung des Bergwerks zu Drebach |
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12. September 1521 |
Marienberger Revier |
Bergordnung Herzogs Georg von Sachsen für Marienberg |
Herzog Georg der Bärtige |
erste Bergordnung für Marienberg nach Gründung der Stadt am 27. April 1521 durch Herzog Heinrich
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1529 |
Freiberger Revier |
Freiberger Bergordnung |
Herzog Georg der Bärtige |
entspricht der Annaberger Bergordnung von 1509
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1529 |
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Liebethaler Bergordnung |
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älteste überlieferte Bergordnung für die Sandsteingewinnung in der Sächsischen Schweiz
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15. März 1534 |
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neue Zinnbergordnung für Eibenstock und die schwarzenbergischen Wälder |
Kurfürst Johann Friedrich I. |
Eibenstock wurde erst 1533 kurfürstlich-sächsisch; weitere Bergordnungen 1542 (Zinn- und Zwitterordnung zu Eibenstock), 1556
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1534 |
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Bergordnung für die Bergstadt Platten (Horní Blatna) |
Kurfürst Johann Friedrich I. |
Platten gelangte erst 1546 von Sachsen an Böhmen
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1554 |
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erste Bergordnung von Kurfürst August |
Kurfürst August |
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23. April 1571 |
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zweite Bergordnung von Kurfürst August |
Kurfürst August |
(digitale-sammlungen.de)
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1575 |
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dritte Bergordnung von Kurfürst August |
Kurfürst August |
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12. Juni 1589 |
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Kursächsische Bergordnung |
Kurfürst Christian |
(digitale-sammlungen.de)
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1621 |
Glashütter Revier |
Bergordnung für das Vasallenbergamt Schmiedeberg |
Hans Caspar von Körbitz |
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Schlesien
Jahr |
Bergbaurevier |
Titel |
Erlass durch |
Bemerkung
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5. Juni 1769 |
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Revidirte Berg-Ordnung vor das Souveraine Herzogthum Schlesien und vor die Graffschaft Glatz |
König Friedrich der Große |
slub-dresden.de
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Thüringen
Jahr |
Bergbaurevier |
Titel |
Erlass durch |
Bemerkung
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1575 |
Saalfeld |
Berckordnung Welche […] Herr Augustus […] Churfuerst […] Jn Vormundschafft seiner […] jungen Vettern der […] Herrn Friderich Wilhelmen vnd Herrn Johansen Hertzogen zu Sachssen […] zu befuerderung des zu Salfeldt vnd anderer in jrer Fuerstlichen Gnaden Landen Berckwergen hat stellen publiciren vnd ausgehen lassen |
Kurfürst August |
(uni-halle.de)
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1620 |
Kyffhäuser und Rothenburg |
Churfürstl. Sächs. Bergordnung vom 9. Juni 1620 |
Kurfürst Johann Georg I. |
(Sammlung […])
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Literatur
- Hermann Brassert (Hrsg.): Berg-Ordnungen der preussischen Lande. Köln 1858 (digitalis.uni-koeln.de)
- Hubert Ermisch: Das Sächsische Bergrecht des Mittelalters. Giesecke & Devrient, Leipzig 1887 (archive.org)
- Franz Johann Friedrich Meyer: Versuch einer Geschichte der Bergwerksverfassung und der Bergrechte des Harzes im Mittelalter. Eisenach 1817 (books.google.de)
- Joseph von Sperges: Tyrolische Bergwerksgeschichte. Wien 1765 (books.google.de)
- Aemil Steinbeck: Geschichte des Schlesischen Bergbaues, seiner Verfassung, seines Betriebes. 2 Bände, Breslau 1857ff. (Bd. 1 books.google.de)
- Kaspar Maria von Sternberg: Umrisse einer Geschichte des Bergbaus und der Berggesetzgebung des Königreichs Böhmen. 2 Bände, Prag 1836/38
- Thomas von Wagner: Über die Chursächsische Bergwerksverfassung. Leipzig 1787 (books.google.de)
- Ursprung vnd Ordnungen der Bergwerge inn Königreich Böheim Churfurstenthum Sachsen Ertzhertzogthum Osterreich Fürstenthumb Braunschweig vnd Luneburgk Graffschafft Hohenstein daren einstheils biss an hero noch nie in Druck ausgangen alles mit vleis zusammen getragen vnd was in iedem gehandelt auff nachfolgendem Blat zuberfundenn. In Vorlegung Henning Grossen dess Jüngern, Leiptzigk 1616 (hathitrust.org).
Einzelnachweise
Weblinks
- Codex Montanus. In: e-docs.geo-leo.de. Abgerufen am 4. April 2022 (Quelltextsammlung zum historischen Bergrecht).