Boyd-Massaker
Als
-Massaker (englisch Boyd Massacre) wird in Neuseeland die Tötung der Besatzung des Frachtschiffes
im
als Racheaktion der
im Jahr 1809 bezeichnet, bei der lediglich vier Seeleute das Massaker überlebten. Der Racheaktion ging eine Disziplinierung unter Gewaltanwendung von
voraus, einem jungen
-Häuptling der Gegend, der Passagier des Schiffes war und wegen einer angeblichen Arbeitsverweigerung oder der Beschuldigung eines Diebstahls ausgepeitscht wurde.[1]
Hintergrund
Die
war eine 395 Tonnen schwere Brigantine von 106 Fuß Länge und 30 Fuß Breite. Das Sträflingsschiff segelte im Oktober 1809 von Australiens
nach
an der Ostküste der Region
in Neuseeland, um Spieren aus
-Holz zu laden. Das Schiff stand unter dem Kommando von Kapitän
und hatte eine Besatzung von rund 70 Seeleuten, darunter Sträflinge, die ihre Deportationsstrafe absolviert hatten und vier oder fünf Neuseeländer, die in ihr Heimatland zurückkehren wollten. Unter letzteren war auch
, der Mannschaft unter dem Namen
bekannt, der Sohn eines Häuptlings von
war.
hatte mehrere Jahre auf verschiedenen Schiffen als Seemann gearbeitet, sowie an einer Robbenjagd-Expedition auf Inseln im Südlichen Ozean teilgenommen. An Bord der
wurde von ihm erwartet, dass er für die Passage mitarbeitet.
soll sich entsprechend einigen Berichten angeblich der Schiffsarbeit verweigert haben, weil er entweder krank war oder wegen seines Status als Häuptlingssohn.[2] Eine andere Darstellung beschreibt, dass der Schiffskoch zufällig einige Zinnlöffel über Bord geworfen hatte und nun
beschuldigte, sie gestohlen zu haben, um nicht selbst ausgepeitscht zu werden.[3]
schrieb in einem Brief über das Ereignis: „Der Kapitän war zu eilig, einen geringfügigen Diebstahl zu verübeln.“[4] In jeden Fall verweigerte der Kapitän dem Beschuldigten Nahrung und ließ ihn auf eine Ankerwinde binden und auspeitschen.[2] Diese Behandlung führte dazu, dass
Rache suchte. Er gewann das Vertrauen des Kapitäns zurück und überzeugte ihn, in den
zu fahren, da dies der beste Ort sei, um das gewünschte Holz zu erhalten.[5] In
berichtete
seinem Stamm von der Misshandlung und zeigte die Spuren der Peitsche auf seinem Rücken. Nach den Bräuchen der
machte man einen Plan, um Rache zu nehmen. Unter britischem Recht war Auspeitschen eine übliche Bestrafung für kleinere Verbrechen. Ein Brite konnte für den Diebstahl von Waren im Wert von nur 5 Shilling gehängt werden. In der Kultur der
war ein Häuptling privilegiert und beugte sich nicht der Autorität eines Außenstehenden. Die körperliche Bestrafung eines Häuptlingssohns war daher – auch wenn nach britischem Recht legal – ein Verlust von Ansehen oder „
“, und bei den
musste dies zu einer gewaltsamen Vergeltung führen.
Die Morde
Drei Tage nach Ankunft der
luden die
Kapitän
ein, ihren Kanus zu folgen, um geeignete
-Bäume zu finden.
, sein Erster Offizier und drei andere folgten den Kanus zur Mündung des
. Die restliche Mannschaft blieb mit den Passagieren an Bord und bereitete die Rückkehr nach England vor. Als die Boote außer Sichtweite der
waren, griffen die
an und töteten alle Insassen mit Keulen und Äxten. Die
zogen den Toten die Kleider aus, und eine Gruppe von ihnen verkleidete sich als Europäer. Eine andere Gruppe schaffte die Leichen in ihr
(Dorf), da sie aufgegessen werden sollten.[1] In der Abenddämmerung begaben sich die verkleideten
mit dem Langboot des Schiffes Richtung
. Zu Beginn der Nacht legte man am Schiff an und wurde von der Mannschaft begrüßt. Andere
warteten in ihren Kanus auf das Signal zum Angriff. Als erster wurde ein Schiffsoffizier getötet, danach kletterten die
an Deck und töteten die Mannschaft bis auf fünf Überlebende, die sich über die Takelage oben in den Mast geflüchtet hatten und von wo aus sie beobachten mussten, wie die Leichen zerstückelt wurden. Auch ein Teil der Passagiere wurden an Deck gerufen und ebenfalls getötet. Am nächsten Morgen sahen die Überlebenden der Mannschaft ein großes Kanu mit dem Häuptling
von der
in den Naturhafen einfahren. Dieser war gekommen, um mit den
von
Handel zu treiben.
nahm die Überlebenden der
auf und setzte sie an der Küste ab. Die Verfolger töteten, beobachtete
, bis auf einen alle Flüchtenden. In dem Massaker wurden nur fünf Europäer verschont:
und ihr Baby, die in einer Kabine Schutz suchten, der Schiffsjunge
(oder
), der sich im Laderaum versteckte, der zweite Maat und die zwei Jahre alte
. Letztere wurde von einem ortsansässigen Häuptling aufgenommen, der ihr eine Feder ins Haar steckte und sie drei Wochen lang behielt, bis sie gerettet wurde. Der zweite Maat wurde später getötet und gegessen, weil er für die Herstellung von Angelhaken nicht mehr nützlich war.[1]
Zerstörung der Boyd
Die
von
schleppten die
in Richtung ihres Dorfes, bis sie nahe
(
) auf Grund lief. Sie plünderten das Schiff; Mehl, gepökeltes Fleisch und Weinflaschen und anderes wurden über Bord geworfen, da man hauptsächlich an der großen Ladung Pulver und Musketen interessiert war. Etwa 20
zerschlugen Fässer mit Schießpulver und versuchten die erbeuteten Musketen funktionsfähig zu machen. Ihr Häuptling
erzeugte mit einem Feuerstein Funken, die das Pulver plötzlich entzündeten. Eine massive Explosion tötete ihn und neun seiner Stammesangehörigen auf der Stelle. Das durch die Explosion ausgebrochene Feuer bekam weitere Nahrung durch das an Bord befindliche Walöl. So brannte die
in sehr kurzer Zeit aus und wurde von den
wegen des Tods ihrer Angehörigen für tabu erklärt.
Rettungsmission
Als Nachrichten vom Massaker die europäischen Siedlungen erreichten, unternahm Kapitän
auf der
eine Rettungsmission, bei der er die vier Überlebenden,
mit ihrem Baby,
und
rettete. Die Mannschaft der
fand Haufen menschlicher Knochen am Ufer mit vielen Anzeichen von Kannibalismus.[6] Kapitän
nahm zwei der für das Massaker verantwortliche
-Häuptlinge gefangen. Zuerst nahm er sie als Geisel für den Austausch gegen die Überlebenden. Danach drohte Berry ihnen, sie mit nach Europa zunehmen, wo sie sich für ihre Verbrechen verantworten müssten, wenn sie nicht die Schiffspapiere der
herausgeben würden.[7] Nachdem er die Papiere erhalten hatte, ließ er sie unter der Bedingung frei, dass sie in ihrem Rang degradiert und als Sklaven gehalten werden sollten; was er wohl nicht wirklich geglaubt hatte, dass seine Bedingungen eingehalten würden.[8] Die so geschonten erwiesen sich dankbar, und so vermied
wohl weiteres Blutvergießen, das unvermeidlich gewesen wäre, wenn die Häuptlinge exekutiert worden wären. Die vier Überlebenden fuhren mit
Schiff Richtung
, wo das Schiff in einem Sturm so beschädigt wurde, dass man zur Reparatur nach Lima in Peru anlaufen musste und
dort verstarb.[3]
reiste mit der
nach England und arbeitete später für
in
. Er ertrank 1822 bei der Erkundung der Zufahrt zum
zusammen mit
.[9]
und das Kind von
wurden von Kapitän
nach Rio de Janeiro gebracht, von wo sie im Mai 1812 an Bord der
nach
zurückkehrten.[10]
heiratete später
, einen Neffen des Entdeckers
und starb 1891.[11]
Nachwirkungen
Am 26. März 1810 unternahmen Seeleute von fünf Walfangschiffen eine Racheaktion für das Massaker an der Besatzung der
. Ihr Ziel war das auf einer Insel gelegene
-Häuptling
, der offensichtlich versucht hatte die Überlebenden von Bord der
zu retten, aber mit
, einem der Anführer des Massakers verwechselt wurde. Die Seeleute töteten rund 60 Bewohner des Dorfes und zerstörten ihre Häuser.
konnte verletzt entkommen, starb aber Wochen später an seinen Wunden, die er bei Auseinandersetzungen mit seinen Stammesmitgliedern und Mitgliedern von Stämmen aus der Gegend von
, erlitten hatte.[12] Nachrichten von dem
-Massaker erreichten Australien und Europa. Diese verzögerten geplante Besuche von Missionaren bis in das Jahr 1814.[13] Ein Flugblatt verbreitete sich in Europa, das davon abriet, „diese verfluchte Küste Neuseelands“ zu besuchen, da man sonst riskiere, von Kannibalen gefressen zu werden.[1]
Literatur und Illustrationen
Details des Massakers wurden in mehreren Sachbüchern dargestellt, darunter in
von
aus dem Jahr 1984, oder es wurde in Kinderbücher thematisiert, wie z. B. in
von
aus dem Jahr 2010 oder
von
aus dem Jahr 2005.
behauptete ein Nachfahre von
zu sein. Auch in Gemälden fand das Massaker Widerhall. So wurde die Explosion der
in einem Gemälden von
unter dem Titel „
“ im Jahr 1839 gemalt,
1889 sein Gemälde „
“ vorstellte und
1908 in seinem Werk „
“ die Zerstörung des Schiffes darstellte.
Literatur
- Judith Sidney Hornabrook:“Boyd”, Massacre of. In: (Hrsg.): .Wellington1966 (englisch, Online [abgerufen am 17. Dezember 2015]).
- Robert McNab:From Tasman To Marsden.A History of Northern New Zealand from 1642 to 1818.J. Wilkie & Company,Dunedin1914,Chapter X. The Massacre of the Boyd, 1809 and 1810, S. 125–137 (englisch, Online [abgerufen am 17. Dezember 2015]).
- Robert McNab:From Tasman To Marsden.A History of Northern New Zealand from 1642 to 1818.J. Wilkie & Company,Dunedin1914,Chapter XI. After the Massacre, 1810 to 1814, S. 138–153 (englisch, Online [abgerufen am 17. Dezember 2015]).
Weblinks
- A frontier of chaos? – The Boyd incident. In:New Zealand History. , 11. März 2014, abgerufen am 17. Dezember 2015 (englisch).
- William Williams:Christianity Among The New Zealanders - Chapter I: 1808-1814.waitangi.com, 2003, abgerufen am 17. Dezember 2015 (englisch,Right Rev. William Williams, D.C.L., Bishop of Waiapu. Seeley, Jackson, and Halliday, London, 1867).
Einzelnachweise
- ↑ a b c d
A frontier of chaos? – The Boyd incident. In:New Zealand History.Ministry for Culture & Heritage, 11. März 2014, abgerufen am 17. Dezember 2015 (englisch).
- ↑ a b
Anthony G. Flude:The Boyd massacre - a tragic story of carnage, looting and burningt.Ministry for Culture & Heritage, 2001, abgerufen am 28. August 2019 (englisch, Originalwebseite nicht mehr verfügbar).
- ↑ a b
The Boyd. In:The Sydney Gazette and New South Wales Advertiser.Sydney8. Mai 1832, S. 4 (englisch, Online [abgerufen am 16. Februar 2018]).
- ↑
Augustus Earle:A Narrative of a Nine Months' Residence in New Zealand in 1827.Whitecombe & Tombs Ltd,Christchurch1909,Chapter XI - The Massacre of the "Boyd"(englisch, OnlineProject Gutenberg[TXT; 250 kB; abgerufen am 17. Dezember 2015] Zeichner auf dem Schiff „The Beagle“).
- ↑
William Henry Giles Kingston:Shipwrecks and Disasters at Sea.George Routledge and Sons,London1837, S. 34 (englisch, Online [abgerufen am 16. Februar 2018]).
- ↑
McNab:From Tasman To Marsden. 1914,Chapter X. The Massacre of the Boyd, 1809 and 1810, S. 125–137.
- ↑
McNab:From Tasman To Marsden. 1914,Chapter XI. After the Massacre, 1810 to 1814, S. 138–153.
- ↑
Alexander Berry:Particulars of a late visit to New Zealand, and of the measures taken for rescuing some of English captives there. In:The Edinburgh Magazine.LondonApril 1819, S. 304 (englisch).
- ↑
Meg Swords:Alexander Berry and Elizabeth Wollstonecraft.North Shore Historical Society,North Shore, Australia1978, ISBN 978-0-85587-128-4, S. 9 (englisch).
- ↑
Ship News. In:The Sydney Gazette and New South Wales Advertiser.Sydney8. Mai 1832, S. 2 (englisch, Online [abgerufen am 16. Februar 2018]).
- ↑
Frank Hurley:Betsy Broughton. In:Trove.National Library of Australia, abgerufen am 16. Februar 2018 (englisch, zwischen 1910 und 1962 erstellt).
- ↑
Angela Ballara:Te Pahi. In: 1870–1900.Volume II.Bridget Williams Books,Wellington1990 (englisch, Online [abgerufen am 17. Februar 2018]).
- ↑
William Williams:Christianity Among The New Zealanders.Gary Williams, abgerufen am 16. Februar 2018 (englisch).